6 Romantic History Romane Juni 2023 - Alfred Bekker - E-Book

6 Romantic History Romane Juni 2023 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: Wiedersehen im Südland (Alfred Bekker) Sturm über St.Kitts (Alfred Bekker) Karibische Flüche (Alfred Bekker) Die schöne Tochter (Alfred Bekker/W.A.Hary) Der neue Kaiser (Alfred Bekker/W.A.Hary) Zeit der Irrwege (Alfred Bekker/W.A.Hary) Die Ming-Dynastie geht ihrem Ende entgegen. Im Jahr 1644 gehen Rebellen und Mandschuren gegen den Kaiser und seine Truppen vor, aber noch wird Peking gehalten. Mitten in diesen Wirren ist ein Liebespaar, die schöne junge Chen und der holländische Händler John van Aarden, auf der Flucht. Als John gefangen genommen wird, muss er den Rebellen helfen, um sein Leben zu retten. Portsmouth, England 1809… Catherine Glenfield zog ihren Umhang enger um die Schultern. Die Haare der jungen Frau klebten am Kopf. Sie war völlig durchnässt, denn es regnete immer wieder wie aus Kübeln und ein eiskalter Wind trieb ihr den Regen ins Gesicht. Den Regen und manchmal sogar etwas von der Meeresgischt. Sie stand da und blickte suchend auf die grauen Wellen. Sie spürte einen Kloß in ihrem Hals stecken. John, warum musst du nur bei diesem Wetter hinausfahren?, ging es ihr durch den Kopf. Ihre Augen verengten sich, suchten den Horizont ab, aber nirgends war dort der Mast der SEAGULL zu sehen, des Schiffs von John Billings, dem Mann den sie liebte. Der Sturm peitschte die Wellen unablässig gegen die Kaimauer. Oft genug schlugen sie über dem Ufer zusammen. Zwei Kriegsschiffe seiner Majestät waren fest vertäut im Hafen. Daneben unzählige kleinere Schiffe ziviler Art. Vom Frachtschoner bis zum Fischerboot. Dass gleich zwei Schiffe der königlichen Kriegsflotte im Hafen lagen war ungewöhnlich, denn normalerweise war die englische Flotte im Dauereinsatz gegen Blockadebrecher. Jahrelang hatte Napoleon auf der anderen Seite des englischen Kanals Vorbereitungen für eine Invasion der britischen Inseln vorgenommen. Nachdem die Briten die englischen Kriegshäfen blockiert hatten, waren die Franzosen dazu übergegangen, entlang der Küste von den Pyrenäen bis zur Nordsee tausende kleiner Boote für die Invasion zu bauen, was die Flotte gezwungen hatte, jetzt nicht nur die französischen Kriegshäfen zu blockieren, sondern die gesamte Küste. Ein ungeheurer Aufwand, der die englische Flotte ständig in Atem gehalten hatte. Inzwischen hatte Napoleon seine Truppen aus der Normandie und der Bretagne abgezogen. Der Kaiser der Franzosen hatte seine Pläne einer Invasion in England längst aufgegeben. Inzwischen hatte sich der Zweck der englischen Blockade gewandelt. Die Aufgabe der englischen Kanalflotte war es seit gut einem Jahr, jeglichen Handel mit Frankreich zu unterbinden, was dem Schmuggel eine ungeahnte Blüte verschafft hatte. "Madam, was tun Sie da?", drang eine Stimme an Catherines Ohren.

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Alfred Bekker, W.A.Hary

6 Romantic History Romane Juni 2023

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Inhaltsverzeichnis

6 Romantic History Romane Juni 2023

Copyright

Seelen im Dunkel

Wiedersehen im Südland

Sturm über St.Kitts

Karibische Flüche:

Die schöne Tochter

Der neue Kaiser

Zeit der Irrwege

6 Romantic History Romane Juni 2023

Alfred Bekker, W.A.Hary

Dieser Band enthält folgende Romane:

Wiedersehen im Südland (Alfred Bekker)

Sturm über St.Kitts (Alfred Bekker)

Karibische Flüche (Alfred Bekker)

Die schöne Tochter (Alfred Bekker/W.A.Hary)

Der neue Kaiser (Alfred Bekker/W.A.Hary)

Zeit der Irrwege (Alfred Bekker/W.A.Hary)

Die Ming-Dynastie geht ihrem Ende entgegen. Im Jahr 1644 gehen Rebellen und Mandschuren gegen den Kaiser und seine Truppen vor, aber noch wird Peking gehalten. Mitten in diesen Wirren ist ein Liebespaar, die schöne junge Chen und der holländische Händler John van Aarden, auf der Flucht. Als John gefangen genommen wird, muss er den Rebellen helfen, um sein Leben zu retten.

Portsmouth, England 1809…

Catherine Glenfield zog ihren Umhang enger um die Schultern. Die Haare der jungen Frau klebten am Kopf. Sie war völlig durchnässt, denn es regnete immer wieder wie aus Kübeln und ein eiskalter Wind trieb ihr den Regen ins Gesicht.

Den Regen und manchmal sogar etwas von der Meeresgischt.

Sie stand da und blickte suchend auf die grauen Wellen. Sie spürte einen Kloß in ihrem Hals stecken.

John, warum musst du nur bei diesem Wetter hinausfahren?, ging es ihr durch den Kopf. Ihre Augen verengten sich, suchten den Horizont ab, aber nirgends war dort der Mast der SEAGULL zu sehen, des Schiffs von John Billings, dem Mann den sie liebte.

Der Sturm peitschte die Wellen unablässig gegen die Kaimauer. Oft genug schlugen sie über dem Ufer zusammen. Zwei Kriegsschiffe seiner Majestät waren fest vertäut im Hafen. Daneben unzählige kleinere Schiffe ziviler Art. Vom Frachtschoner bis zum Fischerboot. Dass gleich zwei Schiffe der königlichen Kriegsflotte im Hafen lagen war ungewöhnlich, denn normalerweise war die englische Flotte im Dauereinsatz gegen Blockadebrecher.

Jahrelang hatte Napoleon auf der anderen Seite des englischen Kanals Vorbereitungen für eine Invasion der britischen Inseln vorgenommen. Nachdem die Briten die englischen Kriegshäfen blockiert hatten, waren die Franzosen dazu übergegangen, entlang der Küste von den Pyrenäen bis zur Nordsee tausende kleiner Boote für die Invasion zu bauen, was die Flotte gezwungen hatte, jetzt nicht nur die französischen Kriegshäfen zu blockieren, sondern die gesamte Küste. Ein ungeheurer Aufwand, der die englische Flotte ständig in Atem gehalten hatte. Inzwischen hatte Napoleon seine Truppen aus der Normandie und der Bretagne abgezogen. Der Kaiser der Franzosen hatte seine Pläne einer Invasion in England längst aufgegeben. Inzwischen hatte sich der Zweck der englischen Blockade gewandelt. Die Aufgabe der englischen Kanalflotte war es seit gut einem Jahr, jeglichen Handel mit Frankreich zu unterbinden, was dem Schmuggel eine ungeahnte Blüte verschafft hatte.

„Madam, was tun Sie da?“, drang eine Stimme an Catherines Ohren.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER A. PANADERO

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Seelen im Dunkel

Band 3 der Wismar-Trilogie

Ein Roman von Astrid Gavini

IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author/ Titelbild und Illustration Astrid Gavini, 2016

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Klappentext – Seelen im Dunkel

Wismar zur Zeit der Schwedenherrschaft. Elisabeth und Peter Hennings – Kinder eines angesehenen Kaufmannes – verlieren bei einem Unglück im Jahre 1699 ihre Eltern. Erst kurz vor ihrem 23. Geburtstag erfährt Elisabeth, dass ihr Vater sie ihrem Vormund, Paul Streeck - dem Ältermann der Kaufmannskompanie - zur Frau versprochen hatte, sollte dessen kränkelnde Gemahlin frühzeitig sterben. Während ihrem Bruder Piet der gesellschaftliche Aufstieg wie eine himmlische Fügung erscheint, will Elisabeth ihrem Schicksal mit aller Gewalt entfliehen.

Sie hofft von daher auf die baldige Rückkehr des schwedischen Stadtkommandanten, Oberst Liam Lindkvist, der ihr seine Hilfe zusicherte. In der Zwischenzeit erfährt Elisabeth ebenfalls, dass es ihr hinterlistiger, raffgieriger Bruder war, der die sieben fahnenflüchtigen, mittlerweile öffentlich hingerichteten Soldaten im Kommandantenhaus angezeigt hatte. Der Bruch zwischen ihr und Piet scheint damit endgültig besiegelt.

So rückt auch das Datum der Hochzeit zwischen Paul Streeck und seinem 20 Jahre jüngeren Mündel immer näher. Wird das ersehnte schwedische Schiff rechtzeitig im Hafen zu Wismar einlaufen?

Vorspann:

Was bisher in Band I >Seelen im Nebel< und Band II >Seelen im Zwielicht< geschah:

Wismar zur Zeit der Schwedenherrschaft. Elisabeth und Peter, genannt Piet, Hennings – Kinder eines angesehenen Kaufmannes – verlieren bei einem Unglück im Jahre 1699ihre Eltern. Trotz eines Vormundes kämpfen sie um das physische Überleben. Sie als ehrbare Näherin, ihr Bruder allerdings scheint sich mehr und mehr zu einem durchtriebenen Gauner entwickeln zu wollen.

So muss ihn Elisabeth immer öfter aus schwierigen Situationen befreien. Anfänglich bei seinen unterschiedlichen Lehrmeistern aber auch beim Pastor von Sankt Georgen, bis hin zum schwedischen Stadtkommandanten, Liam Lindkvist. Piets stete Lügen, Intrigen, Verrat und Eigensucht wollen Elisabeth eines Tages selbst in Lebensgefahr bringen. In jenem Moment nimmt sie überrascht zur Kenntnis, dass sich der charismatische Oberst Lindkvist um ihr Wohl sorgt. Auch scheint er das Geheimnis um die mysteriösen Krähen zu kennen, die Elisabeth und ihren Bruder seit dem vergangenen Herbst immer wieder sehr nahekommen.

Piet scheut sich indes nicht, aus Habsucht die Fahnenflucht von sieben schwedischen Soldaten - deren Kameraden sogar seine Freunde sind - dem Kommandantenhaus zu melden. Wider sein Erwarten werden diese von der Vertretung des Stadtkommandanten, Oberstleutnant Haller, wenige Zeit später auf dem Marktplatz hingerichtet. Piet fürchtet von da an die Rache seiner Freunde.

Kurz vor ihrem 23. Geburtstag erfährt, Elisabeth, dass sie ihrem Vormund, Paul Streeck , zur Frau versprochen wurde und es hierzu ein dunkles Familiengeheimnis gibt. Es ist ihr bewusst, dass nur Liam Lindkvist sie aus dieser Lage retten und Licht in ihr familiäres Dunkel bringen kann. Dieser aber befindet sich zu jener Zeit in Schweden.

Nach dem Einzug der Geschwister in das Haus von Elisabeths zukünftigen Gemahl, ihrem Vormund und angesehenen Ältermann der Kaufmannskompanie, erkennt diese, dass sie als Paul Streecks Ehefrau die Hölle auf Erden erwartet. So ersinnt Elisabeth in ihrer Verzweiflung einen Plan, der sie retten sollte, käme Liam nicht frühzeitig zurück sein. Das Datum der Hochzeit rückt immer näher, aber das ersehnte Schiff aus Schweden bleibt aus ...

Wiedersehen im Südland

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 47 Taschenbuchseiten.

Catherine Glenfield auf ihrer dramatischen Reise ins Australien der ersten Siedler...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

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1

Portsmouth, England 1809…

Catherine Glenfield zog ihren Umhang enger um die Schultern. Die Haare der jungen Frau klebten am Kopf. Sie war völlig durchnässt, denn es regnete immer wieder wie aus Kübeln und ein eiskalter Wind trieb ihr den Regen ins Gesicht.

Den Regen und manchmal sogar etwas von der Meeresgischt.

Sie stand da und blickte suchend auf die grauen Wellen. Sie spürte einen Kloß in ihrem Hals stecken.

John, warum musst du nur bei diesem Wetter hinausfahren?, ging es ihr durch den Kopf. Ihre Augen verengten sich, suchten den Horizont ab, aber nirgends war dort der Mast der SEAGULL zu sehen, des Schiffs von John Billings, dem Mann den sie liebte.

Der Sturm peitschte die Wellen unablässig gegen die Kaimauer. Oft genug schlugen sie über dem Ufer zusammen. Zwei Kriegsschiffe seiner Majestät waren fest vertäut im Hafen. Daneben unzählige kleinere Schiffe ziviler Art. Vom Frachtschoner bis zum Fischerboot. Dass gleich zwei Schiffe der königlichen Kriegsflotte im Hafen lagen war ungewöhnlich, denn normalerweise war die englische Flotte im Dauereinsatz gegen Blockadebrecher.

Jahrelang hatte Napoleon auf der anderen Seite des englischen Kanals Vorbereitungen für eine Invasion der britischen Inseln vorgenommen. Nachdem die Briten die englischen Kriegshäfen blockiert hatten, waren die Franzosen dazu übergegangen, entlang der Küste von den Pyrenäen bis zur Nordsee tausende kleiner Boote für die Invasion zu bauen, was die Flotte gezwungen hatte, jetzt nicht nur die französischen Kriegshäfen zu blockieren, sondern die gesamte Küste. Ein ungeheurer Aufwand, der die englische Flotte ständig in Atem gehalten hatte. Inzwischen hatte Napoleon seine Truppen aus der Normandie und der Bretagne abgezogen. Der Kaiser der Franzosen hatte seine Pläne einer Invasion in England längst aufgegeben. Inzwischen hatte sich der Zweck der englischen Blockade gewandelt. Die Aufgabe der englischen Kanalflotte war es seit gut einem Jahr, jeglichen Handel mit Frankreich zu unterbinden, was dem Schmuggel eine ungeahnte Blüte verschafft hatte.

„Madam, was tun Sie da?“, drang eine Stimme an Catherines Ohren.

Schritte ließen sie herumfahren.

Sie sah in die wässrig blauen Augen von George Jackson, dem Hafenmeister. Er hatte seine Mütze tief ins Gesicht gezogen und den Kragen seines Rocks hochgeschlagen.

„Ich muss hier regelmäßig nach dem Rechten schauen – aber für Sie gibt es einfach keinen Grund hier herumzustehen und sich durchnässen zu lassen!“, meinte er.

„Die SEAGULL ist noch draußen“, rief sie. Catherine zitterte. Einerseits vor Kälte, und andererseits, weil ein inneres Frösteln ihr Herz umklammert hielt. Sie hatte das Gefühl, nicht atmen zu können. Als ob ihr Brustkorb in einem der Korsetts gesteckt hätte, mit denen sich die feinen Damen des Adels noch bis vor wenigen Jahren eingeschnürt hatten.

„Captain John Billings ist ein Teufelskerl! Ich wäre bei dem Wetter niemals hinausgefahren! Und Sie sehen ja - nicht einmal die Marine seiner Majestät des Königs traut sich das und bleibt lieber im sicheren Hafen.“

„Die SEAGULL müsste längst zurück sein!“

„Wohin war sie denn unterwegs?“

„Nur zur Isle of Wight.“

„Nicht etwa noch ein Stück weiter?“

Catherine sah den Hafenmeister empört an. „Was wollen Sie damit sagen?“

„Na kommen Sie, John Billings ist kein Heiliger – und er wäre auch nicht der erste, der behauptet, zur Isle of Wight oder den Kanalinseln zu fahren und in Wahrheit in der Bretagne oder der Normandie ankommt. Egal, was so gesagt wird, es ist unmöglich die ganze Küste wirklich abzuriegeln. Jeder, der auch nur ein bisschen von der Seefahrt versteht weiß das!“

Er kicherte. Aber dies erstarb, als Catherines energische Stimme ihn unterbrach.

„John ist kein Schmuggler und auch kein Spion. So etwas würde er nie tun!“

„Madam, ich habe nur Spaß gemacht und ich wollte damit überhaupt nichts andeuten oder jemanden beleidigen.“

„Dann ist es ja gut.“

„Am besten, Sie vergessen einfach, was ich gesagt habe.“

„Das wird in der Tat das Beste sein!“

„Und für Sie wird es das Beste sein, wenn Sie nicht länger hier herumstehen! Sie werden sich den Tod holen. Entweder, weil Sie Fieber kriegen oder weil eine der Wellen Sie von der Kaimauer holt! Sie sind hier in Portsmouth geboren und aufgewachsen, Madam. Und daher wissen Sie, dass so etwas schon geschehen ist! Man kann sich dann nicht mehr auf den Beinen halten, wenn der Wind so stark ist…“

„Ich danke Ihnen für die Sorge, Sir“, erwiderte Catherine etwas spitz.

Der Regen ließ nach. In der Ferne riss jetzt sogar ein heller Fleck das Grau des Himmels auf. Für einige Augenblicke fielen Sonnenstrahlen auf das Wasser und ließen es in fast zauberhafter Schönheit glitzern, bevor es sich wieder zuzog. Das Wetter war hier so launisch und wechselhaft, dass man an manchen Tagen das Gefühl bekommen konnte, alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag zu erleben.

Vielleicht ließ ja der Sturm jetzt nach. Das konnte die Rettung für John Billings und seine Crew von der SEAGULL sein.

2

Catherine dachte an den Moment zurück, an dem sie John Billings zum ersten Mal begegnet war. Fast ein Jahr lag das nun zurück. Er war groß, breitschultrig, trug einen groben Rock aus Tweed und eine Mütze, als er die Weinhandlung von Thomas Glenfield betrat, Catherines Vater.

Schon in dem Moment, in dem seine angenehm samtene, tiefe Stimme zu ihr sprach, hatte sie sich von ihm angezogen gefühlt. Eine Kraft, die unwiderstehlich war, zog sie zu ihm hin. Diese Stimme wollte sie immer wieder hören, ganz gleich, was sie sagte. Sein Lächeln verzauberte sie und sorgte dafür, dass ihr Herz schneller schlug.

John Billings war mit einem Batzen Geld nach Portsmouth gekommen. Geld, dass er von einem Onkel geerbt hatte, der in London ein gutgehendes Geschäft mit Tuchen betrieben hatte. Das hatte John Billings verkauft. Er wollte ins Frachtgeschäft einsteigen, sich einen Segler kaufen und auf den kleineren Routen entlang der südenglischen Küste und zur Isle of Wight segeln.

Zumindest am Anfang, da er sich noch keine großen, wirklich ozeantauglichen Schiffe leisten konnte.

Aber dieser Tag würde eines Tages kommen, da war er sich sehr sicher.

Drei Flaschen Wein kaufte er im Laden der Glenfield, der mehr oder minder von Catherine allein betrieben wurde, nachdem ihr Vater schwer gestürzt war und das Bett kaum noch verlassen konnte.

Ihre Mutter war bereits im Kindbett gestorben und so blieb die Last, das Geschäft weiterzuführen an Catherine hängen.

Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte! Im Gegenteil. Schließlich kannte sie das Geschäft von Grund auf und war von frühester Jugend an in alle Transaktionen ihres Vaters einbezogen worden.

Wie gebannt hatte Catherine Johns Plänen zugehört.

Der junge Mann stellte sich vor, mit seinem Schiff ein Vielfaches von dem zu verdienen, was er durch die Weiterführung des Tuchhandels in London hätte gewinnen können.

„Ach, seien Sie doch ehrlich! Sie wollen sich einfach lieber den Wind um die Nase wehen lassen, als den ganzen Tag in einem stickigen Laden zu verbringen, Mister Billings!“

„Ich gebe zu, dass diese Überlegung durchaus eine Rolle spielte“, sagte der zukünftige Schiffseigner. Und dann rechnete er Catherine vor, dass er in jedem Geschäftsjahr einen bestimmten Betrag zurückzulegen gedenke, um sich irgendwann ein zweites Schiff leisten und bemannen zu können.

„Nach und nach wird Billings eine große Reederei werden! Eine der Größten in England und da England die Meere beherrscht, auch eine der wichtigsten in der Welt. Irgendwann werde ich größere Schiffe kaufen, die für den Handel mit den Vereinigten Staaten und den spanischen Amerika-Kolonien gebraucht werden und sogar nach Indien oder das neu entdeckte Neu Holland fahren…“

Es hatte Catherine gefallen, wie stark diese Mann an seine Chance glaubte und wie gut er alles durchdacht hatte.

Drei Flaschen Wein hatte der junge Mann schließlich bei ihr gekauft.

„Die Bestände an französischen Weinen sind leider seit der Blockade sehr knapp geworden“, stellte Catherine bedauernd fest.

„Und die Preise haben sich rasant nach oben entwickelt, wie bei jeder knappen Ware, nicht wahr?“, lächelte er und der Blick seiner meergrünen Augen ging ihr dabei durch und durch. Sie musste unwillkürlich schlucken und gleichzeitig aufpassen, ihre Faszination nicht allzu offen nach außen dringen zu lassen. Das ziemte sich schließlich für eine ehrbare junge Frau nicht.

„Statt französischen Wein, hätte ich das hier anzubieten“, erklärte Catherine und zeigte John Billings eine Flasche mit einem Etikett, das in spanischer Sprache verfasst worden war.

„Keine Ahnung, wie man das ausspricht, was da steht“, sagte Billings.

„Der Inhalt dieser Flaschen stammt aus Jerez (sprich Cheres – scharfes ch am Anfang, der Schlusslaut wie th im Englischen) de la Frontera in Andalusien.“

„Jerez!“, versuchte John es nachzusprechen. „Da verdreht man sich die Zunge im Hals!“

„Deswegen nennen wir es einfach Sherry!“

„Klingt schon besser.“

„Vielleicht das ja etwas für Sie!“

„Warum nicht? Ich brauche den Wein demnächst, wenn mein Schiff auf den Namen SEAGULL getauft wird.“

Sie hob amüsiert die Augenbrauen. „Ein Schiff, das Sie wohlgemerkt noch gar nicht haben!“

„In meiner Vorstellung ist es bereits mein Eigentum und liegt im Hafen vertäut – jederzeit bereit auszulaufen!“

„Na ja, für eine Schiffstaufe wäre eine der letzten Flaschen französischen Weins wohl auch wirklich verschwendet!“, lächelte Catherine.

3

Catherine und John sahen sich von da an immer öfter. John kaufte sich ein Schiff, das gut und solide war und zumindest für die Gewässer des englischen Kanals vollkommen ausreichte. Außerdem hatte es genug Stauraum, sodass man damit tatsächlich eine wirtschaftliche Küstenlinie betreiben konnte.

Sie gingen miteinander spazieren und schlenderten durch die engen, verwinkelten Gassen von Portsmouth, wenn sie Zeit dazu hatten. John war manchmal tagelang unterwegs.

Catherine ertappte sich dabei, wie sie unruhig wurde, wenn John dabei die vorgesehene Zeit überschritt. Zumeist war der unberechenbare Wind dafür verantwortlich. Wenn die Windverhältnisse schlecht waren, konnte so aus einer Reise von einer Woche auch leicht mal das Doppelte werden.

Einmal, als die SEAGULL erst spät abends zurückkehrte, obwohl sie bereits am Vormittag erwartet worden war, stand Catherine ausdauernd am Kai und blickte in die Nacht, bis sie endlich das Schiff herannahen sah. Wie ein Schatten wirkte es in der Dunkelheit. Ein paar Laternen gab es an Mast und Bug, aber die waren aus der Ferne kaum zu sehen. Zu schwach waren sie.

Als die SEAGULL endlich angelegt hatte, stürzte Catherine auf John zu, nachdem dieser an Land gestiegen war. Dann hielt sie inne.

„Wenigstens Sie scheinen die SEAGULL zu erwarten“, sagte John.

Sie sah ihn an und er erwiderte ihren Blick. Dann wandte er sich an seinen Steuermann. „Ihr macht hier alles klar!“

„Aye, aye!“

John wandte sich Catherine zu und bot ihr seinen Arm. „Darf ich Sie nach Hause bringen?“

„Es sind nur wenige Yards, aber… Ja!“ Sie errötete leicht. Sie hatte das zwar erhofft, aber eigentlich nicht erwartet.

Sie gingen also zur Weinhandlung der Glenfield, während ein heller Mond diese Nacht eine ganz besondere Stimmung gab.

Vor der Weinhandlung blieben sie stehen. Sie sahen sich an. Und dann folgten sie bei einem gemeinsamen Wunsch und küssten sich.

4

Jetzt, da Catherine in dieser sturmumtosten Nacht am Ufer stand und wieder einmal darauf wartete, dass John Billings wohlbehalten zurückkehrte, dachte sie an diesen ersten Kuss, den es zwischen ihnen gegeben hatte und dem noch so viele weitere gefolgt waren.

John hatte inzwischen bei ihrem Vater ganz offiziell um Catherines Hand angehalten. In ein paar Monaten sollte die Hochzeit sein.

Sollte das alles verblassen wie ein schöner Traum?

Doch dann, endlich, tauchte der Mast der SEAGULL auf. Das Schiff war ein Spielball der Wellen und kaum in der Lage noch einen Kurs zu halten. Die Segel waren gerefft und die SEAGULL näherte sich nur langsam.

Catherine harrte aus, bis sie endlich den Hafen erreichte und vertäut worden war, was für die Besatzung einen Kampf ohnegleichen bedeutete.

Vollkommen erschöpft stiegen die Seeleute an Land. John Billings nahm Catherine in den Arm und sie drückte ihn an sich. „Ich möchte dich nie wieder loslassen!“, sagte sie.

„Ich dich auch nicht, Catherine“, erwiderte er.

„Das heißt, du wirst Weinhändler und im Laden meines Vaters arbeiten?“

„Das heißt, ich werde dich nie wieder loslassen, bis auf die kurzen Momente, in denen ich auf See bin, Darling!“

Sie seufzte. „Ich wusste doch, dass an der Sache ein Haken ist!“

John sah an ihr herab. „Du bist vollkommen durchnässt!“, stellte er fest. „Auf keinen Fall hättest du hier draußen so lange Ausschau halten sollen.“

„Ich hätte ohnehin keine Ruhe gefunden, ehe ich nicht gewusst hätte, dass dir nichts geschehen ist!“, hauchte sie.

Starker Regen setzte nun ein. John nahm sie bei der Hand und zog sie mit sich. Sie stellten sich erst unter den Dachvorsprung eines der Häuser in der Nähe des Hafens.

John Bellings hatte ganz in der Nähe ein Zimmer, das man durch einen separaten Eingang erreichen konnte. Von dem, was er mit der SEAGULL verdiente, hätte er sich leicht ein ganzes Haus kaufen können, aber das wollte er nicht. Er sparte jedes Pfund dafür, sich endlich ein zweites, größeres Schiff leisten zu können.

Und was das betraf, war er auf bestem Wege.

Es war ein mühsamer Weg, den Traum von der eigenen Ärmelkanal-Frachtflotte zu verwirklichen. Aber John hatte die ersten Schritte schon getan.

Er zog die junge Frau weiter mit sich.

„Was hast du vor?“, fragte sie.

„Dich vor einer Lungenentzündung zu retten!“

„Das ist nur Regen – nichts Giftiges! Und vielleicht hast du es noch nicht bemerkt, ich bin nicht aus Zucker, sodass ich sofort zerfließe!“

Sie hatten den Aufgang zu Johns Wohnung erreicht. Einen Moment lang zögerte sie, strich sich das klatschnasse Haar aus dem Gesicht und wechselte einen Blick mit John.

„Was werden die Leute sagen, wenn…“

„…wenn ich dich jetzt mitnehme? Sie werden es gar nicht bemerken, weil die meisten Leute in Portsmouth im Moment ihre Fensterläden geschlossen haben und hoffen, dass nicht all zuviel von diesem Regen in ihre Häuser hineinspritzt. Also komm.“

„Ich…“

„Wovor fürchtest du dich?“

Sie überlegte einen Moment und dann fand sie, dass Johns Frage eigentlich auch schon die Antwort enthielt. Nein, wenn John bei ihr war, dann schien es nichts und niemanden geben zu können, der sie zum Fürchten brachte.

Er nahm zärtlich ihre Hand und führte sie ins Haus. Sie erreichten die Tür, die mit einem Vorhängeschloss gesichert war. John Billings bewahrte schließlich einige wichtige Dokumente in seinem Zimmer auf. Dokumente, die er nicht auf See mitnehmen wollte, weil sie nicht zu ersetzen gewesen wären.

Schließlich betraten sie die Wohnung.

„Ich habe leider kein Feuerholz für den Kamin“, bekannte John.

„Das macht nichts“, hauchte sie. Sie sahen sich erneut an und einige Augenblicke lang sagte keiner von ihnen ein Wort. John Billings schluckte. Er trat auf die zu und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Sehr zärtlich und liebevoll tat er dies.

Ihre Lippen trafen sich zu Küssen, die immer fordernder und leidenschaftlicher wurden.

Dann zögerte sie plötzlich.

Mit hochrotem Kopf sagte sie: „Wir sollten das nicht tun. Ich weiß, wohin das führt. Und es ist Sünde, wenn das geschieht, bevor wir tatsächlich vor Gott Mann und Frau sind.“

„Vor Gott sind wir das längst!“, widersprach John Billings. „Nur vor der Welt noch nicht. Das ist die Wahrheit! Denn für mich gibt es keine andere als dich.“

Erneut begann er, sie zu küssen, ihr zärtlich über das Haar, die Stirn, das Gesicht und schließlich auch über die Schultern zu streicheln.

Jede seiner Berührungen erschien ihr wie eine prickelnde Quelle sinnlichster Empfindungen. Sie wollte mehr davon. Viel mehr. Und so entschied sie, dass er mit seiner Interpretation der Ehe vor Gott Recht hatte.

„Es ist die Kraft der Liebe, die uns zueinander zieht“, murmelte sie. „Und gegen diese Kraft ist kein Kraut gewachsen.“

„Ja, das ist ein wahres Wort“, gab er zu. Sie küssten sich erneut. Er streifte ihr den Umhang von den Schultern – sie tat dasselbe mit seiner Jacke. Sie sanken auf das Bett, in dem John nächtigte, wenn er nicht gerade auf See war. Es bot für beide Platz genug.

„Oh, John“, flüsterte sie.

5

Als sie am Morgen durch ein paar Sonnenstrahlen geweckt wurden, die durch das Fenster fielen, schreckte Catherine geradezu hoch.

„Was haben wir nur getan!“, stieß sie hervor.

„Wir haben genau das vorweggenommen, was uns in Kürze ohnehin niemand mehr streitig machen wird! Was soll man sich darüber groß Gedanken machen?“

Sie begann sich anzuziehen. „Ich kann es gar nicht mehr erwarten, bis wir verheiratet sind und ich nicht mehr darauf achten muss, dass mich auch niemand dabei beobachtet, wie ich die dieses Haus verlasse…“

„Ach, Catherine… Das ist ein schöner Traum von der Zukunft.“

„Nur leider sind wir keine Königskinder, sondern die Kinder einfacher Bürger.“

In diesem Moment klopfte es grob an der Tür.

„John Billings! Machen Sie die Tür auf! Im Namen des Königs, öffnen Sie.“

John fuhr hoch und sah Catherine fragend an. „Wer kann das sein?“

„Ich weiß es nicht, John.“

Er zog sich rasch an. Er hatte sich gerade Hemd und Hose übergestreift, da flog die Tür zur Seite. Vier Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten stürzten herein.

John erstarrte. Und Catherine konnte nur fassungslos mit ansehen, was geschah. Ein Sergeant betrat als letzter das Zimmer. Er sah John an.

„Sie sind der Kapitän John Billings?“

„Ja, Sir, der bin ich. Aber was wird hier für ein Auflauf veranstaltet? Das muss eine Verwechselung sein!“

„John Billings, Ihnen wird vorgeworfen, mit Ihrem Schiff die Blockade Frankreichs verletzt zu haben und in Gewässer gesegelt zu sein, die dem Einflussgebiet der Feinde seiner Majestät angehören. Sie werden deshalb festgenommen und in den städtischen Kerker überstellt, bis ein Gericht über Ihren Fall entschieden hat!“

Der Sergeant nahm Haltung an.

„Das ist unmöglich!“, rief John.

„Ziehen Sie sich vollständig an, Mister Billings. Und dann machen Sie bitte keine weiteren Umstände, sonst müssen wir Gewalt anwenden.“

6

John Billings wurde in den städtischen Kerker geworfen, der völlig überfüllt war. Catherine versuchte eine Besuchserlaubnis zu erwirken, was ihr nach einigen Schwierigkeiten auch gelang. Sie wurde zum Kerker vorgelassen, wo John hinter gusseisernen Gitterstäben zusammen mit zwei Dutzend anderen Gefangenen in seinem Verlies saß.

„Catherine, es wird schon alles wieder gut“, sagte er.

„Aber die behaupten, dass du Hochverrat begangen und die Blockade gebrochen hättest! John, die werden dich hinrichten oder für Jahre hinter Gitter bringen!“

„Nein, das werden sie nicht“, war er zuversichtlich. „Ich habe nämlich nichts dergleichen getan und die Wahrheit wird sich schon herausstellen!“

„Oh, John!“

Sie nahm seine Hand, aber das wollte der Wächter nicht zulassen. „Kommen Sie, das geht zu weit“, sagte er. „Sie müssen jetzt gehen.“

7

Es wurde nicht alles gut, wie John gehofft hatte. Die Anklage basierte auf einer anonymen Beschuldigung, die angeblich von einem der Seeleute stammte, die mit John Billings hinausgefahren waren, den John für die nächste Fahrt nicht mehr anheuern wollte.

Eigentlich lagen keine handfesten Beweise vor. Aber das Gericht war völlig überlastet. Es urteilte im Schnellverfahren. Und da die Regierung von Premierminister Putt gerade erst neue Gesetze erlassen hatte, die Blockadebrecher aus Profitgier, wie es hieß, strenger abstrafen sollten, sah das Gericht auch keinen Anlass, Gnade walten zu lassen.

Der Verteidiger war schlecht vorbereitet und wenig interessiert an dem Fall. Halbherzig versuchte er, ein Urteil durch Geschworene anstatt durch einen Einzelrichter zu erwirken, aber der Antrag wurde abgelehnt.

Nach wenigen Minuten war der Schuldspruch gefallen.

John Billings wurde wegen Hochverrats zu zwanzig Jahren Haft, abzubüßen in einer Strafkolonie in Neu Holland, verurteilt.

Catherine glaubte den Boden unter ihren Füßen zu verlieren, als sie dies anhörte.

„Unsere Regierung sieht es als das Beste an, wenn Blockadebrecher und andere, die England Schaden zufügen oder es in dieser schweren Zeit an der Loyalität zu König und Vaterland mangeln lassen, in dem neuen Kontinent im Süden durch Arbeit zur Läuterung gelangen“, begründete der Richter sein Urteil.

John wurde aus dem Gerichtssaal geführt. Catherine versuchte zu ihm zu gelangen, aber das wir nicht möglich. Ein Menschenauflauf trennte sie sehr schnell von ihm. Bewaffnete Wächter sorgten dafür, dass sie abgedrängt wurde. Er wandte den Kopf in ihre Richtung, während er abgeführt wurde. Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke.

Tränen glitzerten in Catherines Augen. Sie hätte schreien wollen, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt.

8

Schon ein paar Tage später wurde John mit einem Gefangenentransport nach Southampton gebracht. Von dort aus liefen inzwischen alle Monate Schiffe in die Kolonien in Neu Holland aus, das man auch Australien oder das Südland nannte.

Ein Land so trocken und heiß, dass die holländischen Seefahrer, die vor über hundert Jahren bereits an seinen Küsten gelandet waren, recht rasch das Interesse an diesem Kontinent verloren hatten. 1788 waren die ersten britischen Siedler im Südosten des Kontinents gelandet und hatten sich niedergelassen.

Seitdem gab es einen zwar zunehmenden, aber im Ganzen doch recht spärlichen Verkehr an diesen Ort, der im wahrsten Sinne des Wortes am anderen Ende der Welt lag. Die klimatischen Bedingungen waren nicht optimal. Geschichten über Wundersame Tiere und zahllose Giftschlangen machten die Runde und es gab nicht wenige, die es als völlig sinnlos ansahen, diesen Südkontinent zu besiedeln, da die dortigen Kolonien mit Sicherheit für hundert Jahre auf Hilfe von außen angewiesen seien – wenn sie es überhaupt je schafften, sich selbst zu versorgen.

Die Holländer hatten schon gewusst, warum sie die Terra Australis verschmäht hatten, obwohl sie durch ihre Kolonien auf Java und Sumatra eigentlich eine viel bessere Ausgangsposition gehabt hatten.

Catherine versuchte alles, was in ihrer Macht stand, um das Unvermeidliche doch noch aufzuhalten. Sie beauftragte einen Anwalt, um gegen das Urteil vorzugehen, aber das erwies sich als erfolglos. Als sie schließlich nach Southampton gelangte, bekam sie gerade noch mit, wie das Schiff, mit dem John Billings deportiert wurde, den Hafen verließ.

Sie stand an der Kaimauer und sah den braunen Segeln nach, bis diese hinter dem Horizont verschwanden. Wie betäubt fühlte sie sich. Der Gedanke daran, dass sie John nie wieder sehen würde, ließ sie kaum atmen.

Aber genau damit musste sie rechnen.

Keiner der Deportierten war je zurückgekehrt.

Und wenn ich ihm folgen würde – ans andere Ende der Welt?, ging es ihr durch den Kopf. Aber auch das war vollkommen utopisch. Sie hätte niemals Geld genug gehabt, um sich eine Fahrt dorthin leisten zu können. Davon abgesehen konnte sie auch ihren kranken Vater und dessen Weinhandlung nicht im Stich lassen.

In meinem Herzen wirst du immer bei mir sein, John!, dachte sie. Ganz egal, wohin uns das Schicksal auch jeweils verschlagen mag…

Tränen glitzerten in ihren Augen und ein kühler Wind trocknete sie. Sie schluckte und fühlte eine Traurigkeit wie nie zuvor in ihrem Leben.

9

„Es wird andere junge Männer in deinem Leben geben“, sagte ihr Vater später zu ihr. „Du wirst sehen, eines Tages kommst du darüber hinweg!“

„Nein, das glaube ich nicht“, erwiderte sie. „Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen.“

„Aber es wird so kommen, glaub mir!“

„Ich bin mir ganz sicher, dass ich John niemals vergessen werde. Wo immer er auch sein mag…“

In den nächsten Tagen wurde John Billings’ Schiff, die SEAGULL, versteigert, den nach dem Gesetz fiel das Eigentum eines Hochverräters an die Krone Englands.

Der Herbst kam. Die Blätter fielen und die Traurigkeit der Landschaft war wie ein Spiegelbild von Catherine Glenfields Seele. Sie hatte das Gefühl, als wäre ein Teil ihrer selbst gestorben. So als hätte man ihr Stück ihres Herzens herausgerissen. Ihre Arbeit in der Weinhandlung verrichtete sich wie mechanisch. Und auch das Gerede der Leute nahm sie nur ganz am Rande wahr.

Hier und da kam das Gerücht auf, dass John Billings vielleicht sogar für die Weinhandlung der Glenfields französischen Wein aus Frankreich herübergeschmuggelt habe. Die wildesten Spekulationen schossen in dieser Hinsicht ins Kraut. Die Versicherungen, dass die Bestände an französischem Wein, die es bei den Glenfields gab, noch aus der Zeit vor der Blockade stammten, wurden eher achselzuckend zur Kenntnis genommen und nicht wirklich geglaubt.

Auf Grund einer anonymen Anzeige kam es schließlich sogar zu einer Durchsuchung der Bestände. Aber da die Weinhandlung der Glenfields immer sehr akribisch geführt worden war, fanden sich für jede einzelne Flasche entsprechende Herkunftsbelege, sodass die Anzeige im Sande verlief.

Für Catherines Vater jedoch war das alles etwas zu viel. Nachdem der ohnehin kranke Mann über starke Schmerzen in der Brust klagte, ließ Catherine Dr. Soames kommen, den Hausarzt der Familie.

Als er später mit Catherine sprach, konnte der Mediziner der jungen Frau leider keine große Hoffnung machen.

„Es ist das Herz“, sagte Dr. Soames. „Ihr Vater braucht jetzt absolute Ruhe. Jede Aufregung könnte einen weiteren Anfall hervorrufen.“

„Ich werde tun, was ich kann“, versprach Catherine. „Schon jetzt führe ich den Weinhandel mehr oder weniger allein. Aber es wir immer schwerer für uns, seid diese Gerüchte im Umlauf sind, dass wir vom Schmuggel über den Kanal profitiert hätten.“

„Ich weiß, Miss Glenfield, ich weiß…“, nickte der Arzt. „Und ich wünschte, ich könnte mehr für Sie tun.“

10

In der Folgezeit kam Dr. Soames öfter zu den Glenfields, um regelmäßig den Zustand des Hausherrn zu kontrollieren. Der Winter 1809/10 war ungewöhnlich hart für die Südküste Englands. Die Temperaturen sanken über Wochen unter den Gefrierpunkt. Eiszapfen hingen von den Dächern der Häuser und eine dünne Schneeschicht lag über allem.

Thomas Glenfield erlitt einen zweiten Herzanfall, den er nur knapp und durch das beherzte Eingreifen des Arztes überlebte.

„Ich habe wirklich alles getan, um Aufregung von ihm fern zu halten“, sagte Catherine später, als sie mit Dr. Soames noch bei einer Tasse Tee vor dem Kamin saß. „Aber allein die Bilanzen des Weinhandels werden ihn schon genug aufgeregt haben!“

„Warum haben Sie ihm diese Unterlagen dann überhaupt gezeigt?“

Catherine seufzte.

„Weil er sich noch mehr aufgeregt hätte, wenn ich sie ihm nicht gezeigt hätte, so wie ich es ursprünglich vorgehabt habe! Aber Dad witterte natürlich gleich, dass da etwas nicht in Ordnung war.“

„Steht es so schlimm?“, fragte Dr. Soames in verständnisvollem, warmherzigem Ton.

Catherine nickte. „Einige glauben, dass wir Franzosenfreunde wären, während gleichzeitig englische Soldaten auf dem Kontinent gegen Napoleon kämpfen und dort ihr Leben lassen!“

„Gegen Dummheit und Fanatismus gibt es leider keine wirksame Medizin“, erwiderte Dr. Soames.

„Ja. Das ist wohl wahr.“

Der Arzt druckste noch etwas herum und Catherine spürte, dass er noch etwas zu sagen beabsichtigte, was ihm noch auf dem Herzen lag. „Miss Catherine…“, brachte er schließlich heraus. „Ich darf Sie doch so nennen, hoffe ich? Ich weiß, dass uns die Krankheit Ihres Vaters zusammengeführt hat, aber in dieser Zeit habe ich die Gespräche und den gedanklichen Austausch mit Ihnen sehr genossen…“

„Das geht mir umgekehrt genauso, Dr. Soames. Und ich weiß sehr wohl, dass Sie für meinen Vater alles nur erdenkliche tun…“

„In vielen Dingen steht die Medizin heute noch am Anfang.“

„Das ist mir in letzter Zeit sehr schmerzhaft bewusst geworden“, konnte Catherine nur zustimmen. Aber sie begann zu erahnen, dass dies nicht der eigentliche Punkt war, auf den der Arzt hinauswollte.

„Miss Catherine, vielleicht komme ich mit diesem Ansinnen zu eine völlig ungeeigneten Zeitpunkt zu Ihnen und falls das so sein sollte, so sagen Sie mir dies bitte offen und ehrlich. Aber anderseits kann ich auch nicht länger verbergen, dass ich mich zu Ihnen hingezogen fühle.“

Catherine schluckte und errötete leicht.

Gewiss war ihr der Arzt sympathisch und auch sie hatte es genossen, mit jemandem über alles sprechen zu können. Auch über Dinge, die ihr so auf der Seele lagen und die sie ihrem Vater gegenüber mit Rücksicht auf dessen ach so labile Gesundheit nicht zu erwähnen wagte.

Aber dieses Geständnis kam nun doch überraschend.

Sie wich dem Blick Ihres Gegenübers aus.

„Dr. Soames, ich…“

„Nennen Sie mich ruhig George, Miss Catherine!“

Aber Catherine Glenfield schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, ich möchte Sie eigentlich gerne weiterhin Dr. Soames nennen, wenn Sie gestatten.“

Dr. Soames Körperhaltung straffte sich. „Ich verstehe“, murmelte er. „Es tut mir Leid, wenn ich zudringlich gewirkt haben sollte. Es ist nur so, dass ich mir eine engere Verbindung zwischen uns durchaus gewünscht hätte. Und vielleicht lassen Sie sich das ja auch noch einmal durch den Kopf gehen und überlegen sich, wie Ihre Zukunft aussehen soll…“

„Nein, ich glaube kaum, dass Sie das richtig verstehen können, Dr. Soames.“

„Dann erklären Sie es mir, Miss Catherine“, forderte der Arzt sie auf.

Catherine seufzte. Ein Schwall wirrer Gedanken jagte in ihrem Kopf herum und bildete ein Knäuel verschlungener Verbindungen, das ihr in diesem Augenblick kaum entwirrbar schien.

„Es war durchaus nicht meine Absicht, Sie vor den Kopf zu stoßen, Dr. Soames, denn auch ich habe die Gespräche und den Austausch mit Ihnen sehr geschätzt. Sie waren mir in diesem dunklen Herbst und in diesem noch finsteren Winter eine große Stütze. Aber ich will auch ehrlich zu Ihnen sein. Die Art von Zuneigung, die Sie mir gegenüber zu empfinden scheinen, kann ich leider nicht erwidern.“

„Aber vielleicht werden Sie das noch – in der Zukunft“, wandte Dr. Soames ein. „Ich bitte Sie, berauben Sie mich nicht dieser Hoffnung!“

„Es tut mir aufrichtig leid, ich halte das für ausgeschlossen.“

Dr. Soames wirkte enttäuscht. Er trank seinen Tee aus. „Ihr Herz gehört noch immer John Billings“, stellte er fest.

„Er wurde durch eine ungerechte Justiz, die sich von einer Intrige blenden ließ, von mir fortgerissen, aber das heißt nicht, dass ich ihn vergessen hätte. Dazu wäre ich nicht in der Lage! Und wenn es irgendeine Möglichkeit dazu gäbe, würde ich ihm nach Neu Holland folgen!“

„Sie wissen nicht, was Sie sagen, Miss Catherine!“

„Oh doch, das weiß ich! Es soll ein Land sein, in dem bleich angemalte Eingeborene den Busch auf Hunderten von Meilen mit Feuer entflammt haben. Ein Land, in dem es mehr Giftschlangen gibt als bei uns Vogelarten. Ein Land, dessen Inneres so heiß und trocken sein soll, das niemand darin vorzudringen vermag.“

„Nicht von ungefähr wurde es mit der Hölle verglichen!“

„Das würde mich alles nicht schrecken, Dr. Soames.“

Sie schwiegen eine Weile und Dr. Soames äußerte schließlich seinen Wunsch zu gehen.

An der Tür wandte er sich noch einmal zu Catherine herum. „Bei alledem, worüber wir gesprochen haben, sollten Sie auch Ihre Zukunft nicht außer Acht lassen“, sagte Dr. Soames.

„Sie meinen, eine Arztfrau hätte eine sicherere Zukunft als die Erbin eines inzwischen ziemlich verschuldeten Weinhändlers?“

„So direkt hatte ich das nicht ansprechen sollen“, gestand Dr. Soames. „Aber im Prinzip ist es genau das, was Sie bedenken sollen, Miss Catherine.“

„Ich danke Ihnen für Ihre Sorge um mich, Dr. Soames. Aber das alles ändert nichts an der Gültigkeit dessen, was ich Ihnen gegenüber bisher zu diesem Thema äußerte.“

Dr. Soames verabschiedete sich und Catherine schloss die Tür. Nein, da war kein Zweifel in ihr. Der Platz in ihrem Herzen war besetzt. Mochte John Billings auch Tausende von Meilen von hier entfernt sein, so war sie doch in Gedanken und mit Gefühl immer bei ihm.

11

Der Winter war noch nicht zu Ende, da wachte Thomas Glenfield eines Tages nicht mehr auf. Sein schwaches Herz war stehen geblieben und er war friedlich eingeschlafen.

Dr. Soames blieb nichts weiter übrig, als den Tod des Patienten festzustellen.

Catherine schluchzte. Auch wenn sie das Unvermeidliche lange hatte kommen sehen, so war es nun doch ein entsetzlicher Schrecken.

Doch der Schrecken war damit für die junge Frau noch keineswegs vorbei. Die Weinhandlung hatte inzwischen ein Kredit aufnehmen müssen und die Bank forderte diesen nun zurück. Den alten Glenfield hatte man als kreditwürdig angesehen – nicht aber seine Tochter.

„Es tut uns Leid, dass wir Ihnen keinen angenehmeren Bescheid geben können, Miss Glenfield, aber ich habe die Angelegenheit mit unserem Direktorium immer und immer wieder erörtert und das Risiko, Sie als Kreditnehmerin einzusetzen, erschien uns einfach gegenüber unseren Bankkunden als nicht verantwortbar“, erläuterte Mister Jeffrey Winterbottom die Situation, während Catherine Glenfield wie angewurzelt und starr vor Angst im Büro des Bankdirektors saß.

Winterbottom war ein dicker, feister Mann, der die Angewohnheit hatte, dauernd mit seiner goldenen Taschenuhr herumzuspielen. Er zog diese immer wieder aus der Westentasche heraus, öffnete sie und ließ sie mit einem klackenden Geräusch wieder zuschnappen.

„Bitte geben Sie mir doch eine Chance“, flehte Catherine. „Zumindest dieselbe Chance, die Sie der Weinhandlung gegeben haben, solange mein Vater noch lebte!“

„Es mag herzlos klingen, Miss Glenfield, aber genau darin liegt der Unterschied. Wir glauben einfach nicht, dass Sie den Laden wieder auf die Beine kriegen! Vor allem nicht, nachdem diese unschönen Gerüchte im Umlauf sind…“

„…die sich allesamt als haltlos erwiesen haben, Mister Winterbottom!“, fiel Catherine ihm ins Wort.

„Das mag in den Augen der Behörden und der Justiz so sein – aber nicht in den Augen Ihrer Kundschaft. Finden Sie sich damit ab: Entweder, Sie können den Kredit bis Morgen auslösen, oder die Weinhandlung wird samt dem Inventar an den Meistbietenden verkauft.“

„Aber ich kann diese Summe nicht aufbringen, Sir!“

„Das tut mir Leid für Sie, Miss Glenfield. Und es tut mir Leid für Ihren Vater, den ich über viele Jahre hinweg in finanziellen Dingen beraten habe. Aber die Dinge sind nun mal so, wie sie sind!“

12

Wie betäubt verließ Catherine das Büro von Jeffrey Winterbottom. Die Weinhandlung war verloren. Alles, was ihr jemals gehört hatte oder gehören sollte, zerrann ihr jetzt unter den Händen.

Die Versteigerung am nächsten Tag ergab nicht einmal einen Bruchteil der Summe, die nötig gewesen wäre, um die Schulden zu tilgen.

Alles, was sie jetzt noch hatte, war ein Bündel mit ihren persönlichen Sachen. Ein paar Kleidungsstücke und eine King James Bibel. Das war alles.

Mit ihrem letzten Geld fuhr sie mit der Postkutsche nach Southampton, wo sie entfernte Verwandte hatte, bei denen sie unterzukommen hoffte.

Besonders gelegen kam sie im Haushalt ihres Großonkels Richard Glenfield nicht, der sich schon vor ihrer Geburt mit Catherines Vater zerstritten hatte.

Er führte einen kleinen Krämerladen und hatte selbst keinen Penny übrig.

Aber Catherine wurde dennoch aufgenommen und schlief in der Stube. Tagsüber half sie im Laden und am Abend zog es sie oft in die Nähe des Hafens. Dorthin, wo sie das Schiff hatte auslaufen sehen, das John Billings mitgenommen hatte.

Ein paar Monate gingen so ins Land. Es wurde wärmer, auch wenn an der Kanalküste immer ein frischer Wind vom Meer her wehte.

Und dann wurde eines Tages wieder einer jener mächtigen Segler beladen, die sich auf die Reise ans andere Ende der Welt machten. Gefangene waren nicht an Bord, sondern vorwiegend dringend benötigte Werkzeuge. Auch Tiere wurden auf das Schiff gebracht. Allen voran Schafe, die man offenbar in Neu Holland gut züchten konnte.

In einem Moment, in dem die Wachen abgelenkt waren, schlich sie an Bord. Catherine schlich bis zu einer Luke, die unter Deck führte. Sie stieg hinab und verbarg sich zwischen Mehlsäcken, Säcken Saatgut, aus dem Siedler in Neu Holland fruchtbare Felder zu machen gedachten und Kisten voller Werkzeug. Flugscharen waren darunter ebenso wie jede Menge Schaufeln und Hacken. Noch gab es in Neu Holland kaum Betriebe, die Eisen verarbeiteten. Aber das würde sich in wenigen Jahren sicherlich geändert haben.

Catherine verbarg sich dort unten. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Es war eine verrückte Idee, die ihr Kopf herumspukte. Warum nicht einfach an Bord des Seglers bleiben und sich bis nach Neu Holland fahren zu lassen?

Schlimmer, als es für sie hier in England war, konnte es ohnehin nicht mehr werden.

Wollte sie wirklich als fünftes Rad am Wagen im Haushalt ihres Großonkels Richard versauern? So mittellos, wie sie war, konnte sie weder heiraten noch irgendein Geschäft beginnen. Allenfalls als Wäscherin hätte sie sich noch verdingen können – oder als Prostituierte in den zweifelhaften Tavernen am Hafen.

Auf einmal erschien Catherine dieses Schiff wie eine einmalige Chance, dem Elend, das zweifellos auf sie in der Zukunft wartete, doch noch zu entkommen.

Schlimmer als das, konnte auch ein Leben in der Gluthölle von Neu Holland nicht sein – ganz gleich, welche der furchtbaren Geschichten, die man darüber hörte, nun der Wahrheit entsprechen mochten und welche nicht.

FAR HOPE, so lautete der beziehungsreiche Name des Dreimasters.

So kauerte Catherine unter Deck, verbarg sich ganz weit im hintersten Winkel des Lagerraums.

Träger schleppten die halbe Nacht hindurch Kisten und Säcke in diesen Raum.

Fässer mit Frischwasser wurden zugeladen – und solche mit Rum. Außerdem sehr viel Stockfisch als Verpflegung für die Mannschaft.

Am nächsten Tag legte das Schiff ab. Catherine war eingeschlafen. Sie erwachte, als ein Ruck durch die FAR HOPE ging.

Die Rufe der Matrosen waren unüberhörbar. Befehle wurden über Deck gerufen und bestätigt. Außerdem setzte man Segel und nahm Fahrt auf. Das Schiff neigte sich ein wenig mit dem Wind und wurde sanft hin und her gewiegt.

Die Zeit wirkte auf Catherine wie ins Unendliche gedehnt, denn es schien sich nichts zu ereignen. Jeder Tag und jede Nacht nach waren gleich. Selbst am Tag fiel so gut wie kein Licht in das Ladedeck. Allenfalls ein paar Sonnenstrahlen, die sich durch die Ritzen zwischen den Planken stahlen oder durch die Luke hereinkamen. Wenn sie geschlossen war, dann bedeutete dies für Catherine eine fast vollkommene Dunkelheit.

Doch innerhalb kürzester Zeit vermochte sie sich im Ladedeck quasi blind zu bewegen. Ihre Hände übernahmen dabei die Aufgaben der Augen. Da sich auch die Vorräte hier befanden, hatte sie jederzeit ausreichend Wasser, Stockfisch und Zwieback zur Verfügung, um Hunger und Durst zu stillen.

Sie musste nur aufpassen, sich nicht gerade in dem Augenblick an den Vorräten zu schaffen zu machen, wenn der Schiffskoch den Raum betrat, um irgendetwas für das tägliche Mahl zu holen, das er für die Besatzung herrichten musste.

Ein Mahl, über das die Besatzungsmitglieder jeden Tag etwas mehr murrten, wie Catherine durch die dünnen Planken sehr wohl mitbekam. Die Stimmung unter den Seeleuten war schlecht. Ein Teil von ihnen bezweifelte, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, sich für eine der Neu Holland-Fahrten anheuern zu lassen.

Die meisten der Männer schliefen auf dem Zwischendeck über der Ladekammer, wo sich auch die Luken der Kanonen befanden. Von dort aus konnte Catherine ihre Gespräche sehr gut mit anhören. Sie gab sich deswegen auch keinerlei Illusionen hin.

Was mit ihr geschah, wenn sie entdeckt wurde, wusste sie nicht.

Vielleicht würde man sie einfach irgendwo an Land setzen, von wo aus sie dann zusehen konnte, wie sie fort kam.

Auch damit musste sie rechnen.

Schließlich war der Captain der FAR HOPE während der Seereise nach Neu Holland ein fast unumschränkter Herrscher auf seinem Schiff.

Etwas, das so mancher von ihnen allerdings auch weidlich ausnutzt!, ging es ihr durch den Kopf.

Der Captain der FAR HOPE hieß Blackwell und Catherine hörte seine Kommandos bis in den Laderaum.

Ein Tag verging für sie wie der andere und sie verlor langsam den Sinn dafür, wie viel Zeit vergangen war. Aber sie stellte fest, dass es immer wärmer wurde, da die FAR HOPE offenbar in wärmere Klimazonen einfuhr. Die Luft wurde fast unerträglich stickig und Catherine hätte sich nichts so sehr gewünscht, wie einmal am Deck gehen zu gehen, um frei durchzuatmen. Selbst auf dem Zwischendeck über ihr musste es geradezu paradiesisch sein, da die Kanonenluken für Durchlüftung sorgten.

Hier unten aber fühlte sie sich wie lebendig begraben.

Manchmal dämmerte sie den ganzen Tag mehr oder weniger vor sich hin, kaum fähig einen klaren Gedanken zu fassen.

Das Wasser schmeckte schal und Catherine wurde tagelang so schlecht, dass sie schon dachte, ihre letzte Stunde hätte geschlagen.

Eines Nachts schlich sie an Deck. Der Wunsch, frei atmen zu können, war einfach übermächtig geworden. Erschreckend schwach waren inzwischen ihre Arme und Beine, da sie sich in den Wochen, die zurücklagen kaum hatte bewegen können und sich schlecht ernährt hatte.

Catherine stieg vorsichtig die Leiter empor und öffnete die Luke, die an Deck führte. Sie kam am Zwischendeck vorbei. Die meisten Seeleute schliefen. Hier und da war ein Schnarchen zu hören.

Als Catherine an Deck gelangt war, stand der Mond als großes, helles Oval am Himmel. Catherine blickte zum Sternenhimmel empor. Wenn ich darin geübt wäre, dann könnte ich jetzt erkennen, wie weit gen Süden wir schon gesegelt sind!, dachte sie. Und irgendwo in einer einsamen Siedlung am Rand des Südlandes blickte jetzt vielleicht auch John Billings zum Himmel hinauf und dachte an sie. Jedenfalls stellte sich Catherine das vor. Ein Gedanke, der ihr Kraft gab. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen, während sie sich sein Gesicht mit den meergrünen Augen vorstellte. Das Lächeln, mit dem er sie immer angesehen hatte. Ein Ausdruck, der ihr das Gefühl gegeben hatte, dass sie da jemand von ganzem Herzen und aus tiefster Seele liebte. Sie glaubte für einen Moment den Klang von Johns Stimme zu hören.

So weit wir auch räumlich voneinander entfernt sein mögen, in Gedanken sind wir doch beieinander!, ging es ihr durch den Kopf. Und es gibt nichts, was uns zu trennen vermag…

Der Geruch von Salzwasser und Seetang drang ihr in die Nase. Aber in dieser Nacht kühlte es kaum ab. Sie mussten sich irgendwo in tropischen Gewässern befinden. Wahrscheinlich an der westafrikanischen Küste.

Sobald wir das sturmumtoste Kap der guten Hoffnung erreichen, werde ich es in meinem Versteck sicher mitbekommen!, dachte Catherine.

Sie zuckte zusammen als ein knarrender Laut ertönte.

Einer der Steuerleute hielt Wache am Ruder. Seine Gestalt ragte hoch auf und hob sich wie ein dunkler Schemen gegen den Sternenhimmel und das Mondlicht ab.

Aber er konnte Catherine nicht sehen, da sie sich in dem Schatten befand, den die Heckaufbauten der FAR HOPE warfen.

Die Segel waren nur mäßig gebläht. Ein lauer, warmer Wind blies. Immerhin herrschte keine Flaute.

Ich werde vorsichtiger sein müssen!, dachte Catherine.

Bis kurz vor Morgengrauen blieb sie an Deck.

Dann erst schlich sie zurück in den Lagerraum. Gerade noch rechtzeitig, um nicht von den erwachenden Matrosen entdeckt zu werden.

Sie kauerte sich in ihre Ecke und wenig später kam der Koch zu ihr hinunter, um ein paar essbare Zutaten zu suchen, die die Ratten bisher verschmäht hatten.

Catherine wagte es kaum zu atmen und sie hatte das Gefühl, dass der Koch eigentlich ihren Herzschlag hätte hören müssen.

Aber er verschwand schließlich wieder.

Knarrend stieg er die Leiter empor und Catherine atmete auf.

13

Die FAR HOPE legte in einem britischen Stützpunkt an der Goldküste an, um frisches Trinkwasser an Bord zu nehmen. Es ging rasch weiter gen Süden. Die Temperaturen gingen zurück. Der Seegang nahm spürbar zu.

Eines Tages schreckte Catherine aus tiefem Schlaf hoch. Eine Hand fasste sie bei der Schulter.

„Heh, du!“

Sie zuckte zusammen und blickte in die Augen des Kochs. Durch die Luke fiel ein bisschen Licht. Außerdem durch die Ritzen zum Zwischendeck. Aber das reichte kaum aus, um wirklich viel sehen zu können.

Unwillkürlich wollte Catherine einen Schrei ausstoßen, aber der Koch presste ihr seine riesige Hand auf den Mund.

„Sei still“, sagte er.

Dann ließ er sie los und musterte sie. Sie wich etwas zurück. Offenbar hatte der Koch etwas gesucht und war dabei auch in den hinteren Teil des Lagerraums vorgedrungen.

„Wer bist du?“, fragte der Mann.

Catherine war unfähig, auch nur einen einzigen Ton hervorzubringen.

„Du bist eine blinde Passagierin, was?“

Was gab es darauf zu sagen.

Der Koch lachte. Er griff nach Catherines Arm und erwischte ihr Handgelenk. Sein Griff war wie ein Schraubstock. „Komm mit“, sagte er. „Wir werden sehen, was der Captain dazu sagt!“

Der Koch zog sie mit sich. Er stieg mit ihr die Leiter hinauf. Schon im Zwischendeck wurde sie von verwunderten Blicken gemustert.

„Heh, wen hast du denn da aufgegabelt?“, rief einer der Seeleute.

„Ich hatte immer gedacht, dass Seejungfrauen ins Land der Fabeln gehören!“

Dröhnendes Gelächter folgte.

Wenig später hatte der Koch Catherine an Deck gezerrt.

„Captain, wir haben eine blinde Passagierin!“, meldete der Koch.

Captain Blackwell war ein großer, breitschultriger Mann mit grauem, etwas verfilzt wirkendem Haar, das ihm bis zur Schulter herabfiel.

Seine Haut war wettergegerbt. Die Züge wirkten hart. Das hervorspringende Kinn unterstrich diesen Eindruck noch.

Die Linke umfasste den Griff eines Säbels, der ihm an einer Schärpe um die Schultern hing. Die FAR HOPE segelte zwar nicht für die britische Marine, aber Captain Blackwell hatte ehemals dort gedient, bevor er bei Admiral Nelson in Ungnade gefallen und entlassen worden war. Catherine wusste dies aus den Gesprächen der Seeleute, die sie ziemlich gut hatte verstehen können.

Angeblich war es bei der Entlassung Blackwells um die Veruntreuung von Marinegut gegangen und da alle Seiten einen Prozess in der Sache hatten vermeiden wollen, um das Ansehen der Navy nicht zu schädigen, hatte man Blackwell einfach aus dem Dienst entfernt und auf eine Strafverfolgung verzichtet.

Aber das ist eben der Unterschied zwischen einem Mitglied des Offizierscorps der königlichen Marine und einem einfachen Frachtkapitän wie John Billings, der schon einer halbgaren Anschuldigung wegen nach Neu Holland deportiert wurde!, ging es Catherine bitter durch den Kopf.

Captain Blackwell musterte sie eingehend.

Ihr war sehr wohl bewusst, dass sie diesem Mann jetzt völlig ausgeliefert war und ihr Schicksal davon abhing, was er entschied.

Catherines Atem ging schneller. Der Puls schlug ihr bis zum Hals. Sie schalt sich eine Närrin dafür, geglaubt zu haben, während der gesamten Fahrt nach Neu Holland unentdeckt an Bord bleiben zu können. Das war wohl sehr naiv gewesen. Aber nun war es nicht mehr zu ändern. Was auch immer geschah, es konnte kaum schlimmer sein, als das, was sie in der Heimat erwartet hätte, als unerwünschtes fünftes Rad am Wagen im Haushalt ihres Großonkels Richard, der in ihr nichts anderes als eine nutzlose Kostgängerin sah.

„Wann bist du an Bord gekommen?“, fragte Captain Blackwell barsch. „Schon in Southampton?“

„Ja, Captain“, sagte sie.

„Was fällt dir ein, dich an Bord zu schleichen?“

„Ich will nach Neu Holland.“

Captain Blackwell brach in Gelächter aus. Er wandte sich an den Koch. „Haben Sie das gehört, Moore?“

„Ja, Sir“, nickte der Koch.

„Die einen werden in Ketten nach Neu Holland gebracht, weil dort außer denen, die man dazu verdammt hat, niemand leben will. Und diese junge Lady schleicht sogar eigens dafür an Bord der FAR HOPE, um dieses unwirtliche Land zu erreichen!“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und trat auf Catherine zu. „Eine Frau an Bord bringt nur Unruhe! Wir erreichen bald die Kapkolonie. Da sollte ich sie an Land setzen!“

„Nein!“, entfuhr es Catherine. „Ich bitte Sie, nehmen Sie mich mit nach Neu Holland!“

Ihr Gegenüber verengte die Augen.

Catherine sah das Misstrauen überdeutlich, das ihr entgegenschlug. Und in gewisser Weise konnte sie den Captain der FAR HOPE sogar verstehen.

„Bist du auf der Flucht vor dem Gesetz?“, fragte Captain Blackwell.

Catherine schüttelte den Kopf.

„Nein, das ist nicht der Fall.“

„Du sprichst in Rätseln. Warum fliehst du dann ans Ende der Welt? Was hast du auf dem Gewissen?“

„Nichts.“

„Bist du eine Giftmischerin oder etwas in der Art? Vielleicht ist es sogar besser, die Kapkolonie vor dir zu verschonen und dich bereits an der Skelettküste an Land zu setzen – oder gleich über Bord zu werfen! Die Haie wollen schließlich auch leben!“

Gelächter brach aus.

Ein Gelächter, das sofort erstarb, nachdem Captain Blackwell die Hand gehoben hatte.

Einige Augenblicke herrschte Schweigen.

„Ich kann mich nützlich an Bord machen!“, sagte Catherine.

„Du siehst auch gerade so aus, als hättest du die muskulösen Arme eines Seemannes“, spottete Captain Blackwell.

„Ich wüsste schon etwas, wie sie sich ihre Passage verdienen könnte!“, grinste der Koch dreckig.

Aber als er den eisigen Blick des Captains sah, verstummte er sofort. „Das kommt nicht in Frage!“, fuhr Captain Blackwell dazwischen. „Wenn sich einer von euch mit ihr vergnügt, werden die anderen verrückt. Also wird keiner von euch sie anrühren. Außerdem ist Engländerin und Christin – und nicht irgendeine heidnische Eingeborene.“

Der Koch nahm Haltung an. „Ja, Sir!“, stieß er hervor.

Blackwell bedachte Catherine mit einem durchdringenden Blick. „Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet!“, stellte er fest. „Wovor fliehst du? Wenn du mir das nicht beantworten willst, dann lass dir dieselbe Frage von den Haien stellen - aber ich habe keine Lust, mein Schiff unnötig mit Problemen zu befrachten, die durch deine Anwesenheit entstehen könnten.“

„Es gibt nichts, wovor ich fliehe, Captain. Ich folge vielmehr jemandem nach Neu Holland.“

„Wem?“

„Meinem Verlobten.“

Captain Blackwell runzelte die Stirn.

Der Wind fuhr ihm durch das graue, verfilzte Haar und ließ es einer Fahne gleich wehen. Blackwell wirkte nachdenklich. Dann sagte er schließlich: „Du musst eines sehr kindlichen Glaubens sein, um annehmen zu können, deinen Verlobten in Neu Holland noch anzutreffen.“

„Weshalb?“

„Weil ich annehme, dass er nicht freiwillig dorthin verbracht wurde.“

„Das ist richtig.“

„Und weil ich weiter annehme, dass kaum die Hälfte der Gefangenen überhaupt ihren Bestimmungsort erreicht haben und ein weiterer Teil dieser Deportierten im Verlauf des ersten halben Jahres ein Opfer von Schlangenbissen oder Krankheiten wurden…“ Blackwell atmete tief durch. „Mach dich in der Küche nützlich und sieh zu, dass du nicht zuviel isst!“

„Das heißt, ich kann an Bord bleiben?“

„Das heißt, ich werfe dich vorerst nicht den Haien vor. Was in Kapstadt geschieht – das warten wir ab!“

14

Catherine musste nun dem Koch zur Hand gehen, der ihr immer wieder mit anzüglichen Bemerkungen klarmachte, was er eigentlich von ihr wollte.

Aber sie stand unter dem Schutz des Captains und gegen den wagte niemand zu rebellieren.

Wochen später erreichte die FAR HOPE Kapstadt, das die Briten erst vor drei Jahren endgültig den Holländern abgenommen hatten.

Die britische Krone war damit auf groteske Weise Nutznießer der Eroberungen ihres Feindes Napoleon geworden, der die Niederlande besetzt und einen Günstling auf den Königsthron gesetzt hatte.

Ein Teil der Ladung wurde in Kapstadt gelöscht und dafür neue Waren an Bord genommen.

Insgesamt dauerte der Aufenthalt drei Tage.

Da es bisher keine Vorkommnisse gegeben hatte, die Captain Blackwell zu der Ansicht kommen ließen, sich mit Catherine Glenfield unnötig Schwierigkeiten eingehandelt zu haben, sah er davon ab, sie in der Kapkolonie zurückzulassen.

Im Gegenteil! Die Stimmung unter der Besatzung hatte sich verbessert, da viele die Speisen als schmackhafter empfanden, die jetzt in der Bordküche zubereitet wurden.

15

Für viele Wochen sah die Besatzung der FAR HOPE nun kein Land mehr.

Nur das Azurblau des Indischen Ozeans.

Captain Blackwell ließ die Ausgucke verdoppeln, da er befürchtete, auf französische Kriegsschiffe zu treffen, die von Madagaskar oder Ile de France und anderen französischen Besitzungen im Indischen Ozean aus unterwegs waren.

Als dann endlich der Ruf „Land in Sicht!“ ertönte, war das für alle an Bord eine Erleichterung. Die Freudenrufe konnte man wahrscheinlich meilenweit hören.

Catherine stand wie alle anderen auch an Deck.

Die Küste nahte heran. Sie sah bräunlich bis gelblich aus. Hohe Rauchsäulen ragten in den Himmel empor.

„Warum brennt es dort?“, fragte Catherine einen der Männer.

„Weil die Eingeborenen ihr Land ständig in Brand halten“, sagte einer der Matrosen – ein freundlicher, gutmütiger Kerl namens Todd.

„Aber wieso zünden sie ihr Land an?“, fragte Catherine.

„Sie jagen damit – und sie bekämpfen die natürlichen Gegner ebenfalls mit Feuer“, gab Todd Auskunft. „Eine Fahrt an der Küste Neu Hollands entlang ist immer eines der seltsamsten Erlebnisse, über die ein Seefahrer berichten kann. Vor allem hält jeder, dem man das in England erzählt einen für einen Geschichtenerzähler, der sich bei seinen Übertreibungen nicht zurückhalten kann. Aber du siehst ja nun mit eigenen Augen. Dieses Land brennt. Es scheint fast so, als hätten die Eingeborenen es durch Feuer geformt.“

Die ganze Fahrt an der Küste dieses rätselhaften Landes entlang sahen sie von der FAR HOPE aus an Land die Feuer brennen. Mal zahlreicher, mal nur vereinzelt. Aber immer stiegen die Rauchwolken empor.

Dass so manch einer gedacht hatte, sich tatsächlich am Rand des Höllenschlunds zu befinden, der hier her gekommen war, konnte sich Catherine nun lebhaft vorstellen.

Ab und zu kam die FAR HOPE nahe genug ans Ufer heran, um einzelne Eingeborene sehen zu können, die von hohen Klippen aus zu ihnen hinüberblickten.

Captain Blackwell sah die Mischung aus Entsetzen und Staunen in Catherines Gesicht. „Na, bereust du es schon, her gekommen zu sein?“

„Nein“, flüsterte sie. „Niemals werde ich das bereuen.“

Sie dachte daran, dass es nun nicht mehr lange dauern konnte, bis sie John Billings wiedersah.

Ihr Herz schlug wie wild bei dem Gedanken daran.

Aber andererseits war John ein Gefangener und das bedeutete, dass es möglicherweise gar kein Wiedersehen gab. Zumindest nicht in Freiheit.

Sie biss sich auf die Lippen.

Die Frage, was sie konkret dagegen unternehmen wollte, dass John weiterhin in einer Strafkolonie Zwangsarbeit leisten musste, hatte sie bisher einfach verdrängt.

Aber nun brach diese Frage natürlich umso heftiger in ihr auf.

Vielleicht sollte ich mich an den Gouverneur der Kolonie wenden!, dachte sie sich.

Die FAR HOPE passierte die Meeresstraße zwischen der Terra Australis und der Insel Tasmanien, wo es seit 1803 auch einen Stützpunkt der Briten gab. Einen kleinen Hafen namens Hobart.

Diesen Hafen lief die FAR HOPE auch zunächst an. Die Strecke, die jetzt noch vor ihnen lag, entsprach fast der Entfernung zwischen Portsmouth und Lissabon.