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Die schwarzen Segel des Unheils.
In der Nähe des Dorfes Calmmeany an der irischen Westküste im Jahr 1801.
Der Klang einer Kirchenglocke mischte sich mit dem Rauschen des Meeres. Es ist wieder so weit, dachte Seamus O'Leary schaudernd. Die Zeit des Todes beginnt ...
Die Glocke kündigte das Grauen an, das von der See her kam. Über Jahrhunderte hinweg hatte das Böse hier immer wieder seine Opfer gesucht.
Nebel war aus den Wiesen aufgestiegen und umwaberte das graue Gemäuer der Kirchenruine. Auch über das Meer hatte sich eine hohe, undurchdringliche Nebelwand gelegt. Und im Grau dieses Nebels hob sich die dunkle Silhouette eines Segelschiffes ab.
"Herr im Himmel, steh uns bei", murmelte O'Leary mit totenbleichem Gesicht ...
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Seitenzahl: 126
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Impressum
Die schwarzen Segel des Unheils
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BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: iStock/Pobytov
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-0828-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die schwarzen Segel des Unheils
von Alfred Bekker
In der Nähe des Dorfes Calmmeany an der irischen Westküste im Jahr 1801
Der Klang einer Kirchenglocke mischte sich mit dem Rauschen des Meeres. Es ist wieder so weit, dachte Seamus O’Leary schaudernd. Die Zeit des Todes beginnt …
Die Glocke kündigte das Grauen an, das von der See her kam. Über Jahrhunderte hinweg hatte das Böse hier immer wieder seine Opfer gesucht.
Nebel war aus den Wiesen aufgestiegen und umwaberte das graue Gemäuer der Kirchenruine. Auch über das Meer hatte sich eine hohe, undurchdringliche Nebelwand gelegt. Und im Grau dieses Nebels hob sich die dunkle Silhouette eines Segelschiffes ab.
»Herr im Himmel, steh uns bei«, murmelte O’Leary mit totenbleichem Gesicht …
Seamus O’Leary sah einen Mönch auf den Strand zulaufen. Das war Bruder Cordwain.
Der Mönch drehte sich jetzt zu O’Leary um und winkte ihm zu.
Ein mutiger Mann, dachte O’Leary. Mutiger als die Meisten von uns. Ich hoffe nur, dass sein Opfer nicht umsonst sein wird.
O’Leary winkte zurück. Er presste die Lippen aufeinander.
Reiß dich zusammen!, ermahnte sich O’Leary innerlich selbst. Er dachte an das, was Bruder Cordwain ihm aufgetragen hatte. Er wusste genau, dass er den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen durfte.
Zwei Männer, die nichts mit dem uralten Fluch des Blutes zu tun haben, werden das Grauen beenden, ging es ihm durch den Kopf, während er weiter auf die Kirchenruine zustrebte. Die Glocke schlug noch immer – heftiger denn je. Es hatte fast den Anschein, als würde in ihrem metallischen Klang die ganze kalte Grausamkeit des Fluchs mitschwingen, der Calmmeany nun schon seit so langer Zeit heimsuchte.
»Gott sei mit dir, Bruder Cordwain«, murmelte O’Leary vor sich hin.
Er flüsterte die Namen einiger Heiliger – und außerdem die uralte Silben, die angeblich eine magische Kraft wachriefen. Eine Kraft, die ihm Schutz geben sollte gegen die Mächte der Finsternis.
Noch nie zuvor in seinem Leben hatte Seamus O’Leary so große Angst gehabt. Mit Ausnahme einer Nacht, als er noch sehr klein gewesen war und seine Mutter ihn auf den Arm genommen und gewiegt hatte.
O’Leary erinnerte sich noch gut daran, wie sie mit ihrem Lied die Schreie zu überdecken versucht hatte, die über Calmmeany zu hören gewesen waren – aus Dutzenden von Häusern, in denen sich die Bewohner verbarrikadiert hatten, obwohl sie eigentlich hätten wissen müssen, dass es gegen diesen Schrecken keinen Schutz gab.
Zumindest nicht für jene, die verflucht waren.
»Du gehörst nicht dazu«, hatte seine Mutter gemurmelt. »Und ich auch nicht. Sie werden uns verschonen. Ganz bestimmt, mein Junge.«
Sie hatte recht behalten. Welch unaussprechliches Grauen dort draußen auch immer gewütet haben mochte, diese Wesen hatten das Haus der Familie O’Leary nicht betreten.
Aber die grausigen Schreie hatten sich in Seamus O’Learys Bewusstsein förmlich eingebrannt. Oft war er nachts aus dem Schlaf hochgefahren, wenn er von dieser furchtbaren Schreckensnacht geträumt hatte.
Seamus O’Leary war inzwischen vierzig Jahre alt, und in all der Zeit war das Geisterschiff nie wieder zurückgekehrt – bis jetzt!
Aber vielleicht war es das letzte Mal, dass Calmmeany von dieser Plage heimgesucht wurde.
Zumindest dann, wenn Bruder Cordwains Plan aufging. Und Seamus O’Leary war dazu ausersehen, einen wichtigen Beitrag dazu zu leisten – er, der bisher ein vollkommen unscheinbares Leben als Bauer und Schäfer geführt hatte.
O’Leary erschauderte bis ins Mark, als sich plötzlich der Rhythmus des Glockenschlags beschleunigte.
Er hielt kurz inne, bevor er schließlich die Ruine betrat. Im Kirchenschiff fehlte das Dach. Die Mauern verfielen langsam. Moos hatte sich überall ausgebreitet. Ein großer Steinquader hatte ursprünglich als Altar gedient. Er war gespalten. Angeblich war hier einst ein Blitz hingefahren – ebenso wie in die Glocke, bei deren Weihe der Legende nach ein Priester ums Leben gekommen war.
Seit Generationen war diese Kirche ein Ort, der gemieden wurde. Zu stark waren hier die Kräfte des alten Übels wirksam, das Calmmeany in unregelmäßigen Abständen heimsuchte und seine Opfer unter den Bewohnern wählte, als dass irgendein Einheimischer sich hierher getraut hätte.
Der Klang der Glocke war jetzt schier unerträglich laut geworden. Jeder Glockenschlag schmerzte O’Leary im Kopf. Er hatte das Gefühl, kaum noch klar denken zu können. Aber genau das musste er jetzt. Er durfte keinen Fehler machen und musste alles genauso ausführen, wie Bruder Cordwain es ihm aufgetragen hatte.
Nur dann bestand diesmal vielleicht die Chance, das Übel zu bannen – und damit vielleicht auch die große Schuld, die die Bewohner von Calmmeany einst auf sich geladen hatten.
Eine Blutschuld, die sich über die Generationen hinweg fortsetzte und sich auf die Nachfahren übertrug. Angeblich war O’Leary frei davon, denn er kam von auswärts. Aber er hatte eine Einheimische geheiratet und in den Adern seiner Kinder floss dasselbe verfluchte Blut wie bei fast allen Menschen der Gegend.
Vor allem wegen seiner Familie hatte sich Seamus O’Leary auf den Plan des Mönchs eingelassen. Einen Plan, von dem niemand wusste, ob er funktionieren oder vielleicht sogar noch größeres Unheil heraufbeschwören würde.
O’Leary ging die Treppe hinauf, die zur Glocke führte. Die Stufen waren morsch. Der Holzwurm hatte sich durch die Sprossen gefressen. Es war lebensgefährlich, sich hierher zu begeben.
Dann hatte O’Leary den Glockenturm erreicht.
Der Lärm war ohrenbetäubend.
Die Glocke schwang wie von selbst immer wieder hin und her, angetrieben von einer übernatürlichen Kraft. Die dunklen, verrußten Brandspuren jener Blitzeinschläge, die einst den Priester des Ortes getötet hatten, waren noch deutlich zu sehen.
O’Leary nahm ein Stück Holzkohle aus der Tasche seiner abgewetzten Jacke und begann damit, eine Folge von Zeichen auf das Gemäuer zu malen. Magische Zeichen, deren Form er sich für diesen Moment genau hatte einprägen müssen – ebenso wie die die Worte, die er nun hervorbrachte: »Ganterom secanar rhyvoch!«
O’Leary schrie mit dieser uralten Formel auf den Lippen gegen den ohrenbetäubenden Klang der Glocke an, der sich nun auf eigenartige Weise zu einem schrillen Laut verzerrte.
Gegen jedes Naturgesetz hörte die Glocke nun auf zu pendeln. Sie verharrte regungslos – und doch war ihr Klang noch immer zu hören. Es war jetzt ein verzerrter, metallischer Laut. Ein Geräusch, das mehr und mehr Ähnlichkeit mit klagenden Stimmen hatte.
Wie ein Chor verdammter Seelen, ging es O’Leary durch den Kopf.
Er wiederholte die magischen Worte, die Bruder Cordwain ihm beigebracht hatte, immer wieder aufs Neue. Der schrille Gesang, der ihn umgab, übertönte ihn dabei so stark, dass er nicht einmal seine eigene Stimme hören konnte.
Dann malte er das letzte Zeichen auf den grauen Stein.
»Ganterom secanar rhyvoch!«, schrie Seamus O’Leary noch einmal.
Plötzlich spürte er die Auswirkungen einer unsichtbaren, allgegenwärtigen Kraft. Ihm wurde schwindelig. Für einen Moment glaubte O’Leary, er wäre vollkommen taub, und die Zeit schien im Schneckentempo voranzuschreiten. Jede Bewegung fiel ihm unendlich schwer.
Er hatte das Gefühl, nicht von Luft, sondern von einer zähflüssigen, unsichtbaren Substanz umgeben zu sein, die es fast unmöglich machte, auch nur eine einzige schnelle Bewegung auszuführen. Selbst einige der Ratten, die bis dahin über die dicken Balken im Dachstuhl des Turms gehuscht waren, schienen von dieser eigenartigen Lähmung befallen zu sein und bewegten sich mit so großer Verzögerung, als ob die Pest in ihnen steckte.
In diesem besonderen Augenblick veränderten sich all die Zeichen, die Seamus O’Leary angebracht hatte. Die eigentlich eher runenartigen, von geraden Linien und spitzen Formen gekennzeichneten Symbole bildeten runde Schlingen und spinnennetzartige Fortsätze aus.
Schwarzer Rauch schoss im selben Augenblick aus allen dreizehn Zeichen hervor, während sich dunkle, an ein Spinnennetz erinnernde Verbindungen zwischen ihnen bildeten. Der Rauch schwebte auf eine Weise, die allen Naturgesetzen widersprach, auf die Glocke zu, die von einem immer heller werdenden Lichtflor umgeben wurde.
Schließlich glühte die Glocke auf, so als würde sie geschmolzen. Aber sie verlor keineswegs ihre Form. Und es war auch nicht heiß.
Gleißendes Licht schoss nun aus der Glocke hervor, und Seamus O’Leary fühlte, wie er von einer unheimlichen Kraft erfasst wurde.
Er taumelte zurück und suchte verzweifelt nach Halt. Dann spürte er in seinem Rücken die Wand. Die unheimliche Kraft drückte ihn förmlich gegen das Gemäuer. Die Helligkeit blendete ihn, und er konnte sich nicht mehr bewegen. Das grelle Licht schoss jetzt wie eine Feuerfontäne durch den Dachstuhl des Turms hindurch, so als wäre dort nichts, was diese magische Kraft aufzuhalten vermochte.
Für Augenblicke war Seamus O’Leary scheinbar nur von diesem Licht umgeben. Gleichzeitig spürte er, wie ihn diese gleichermaßen unheimliche wie unerklärliche Kraft vollkommen durchdrang. So heftig geschah dies, dass O’Leary am liebsten laut aufgeschrien hätte, wäre er dazu noch fähig gewesen.
Dann war es plötzlich vorbei. Seamus O’Leary sank auf die Knie. Erst jetzt bemerkte er, dass sie zitterten.
Der Zauber hat gewirkt, begriff er schließlich.
Nun hing alles von Bruder Cordwain ab. O’Leary hatte seinen Beitrag geleistet. Alles, was er hatte tun können, hatte er getan, und wieder Erwarten hatte er es sogar geschafft, die uralten Zaubermächte zu wecken, die offenbar an diesem Ort in besonderer Weise wirksam waren.
»Gott sei mit dir, Bruder Cordwain«, murmelte Seamus O’Leary vor sich hin. »Mit dir – und uns allen!«
***
Bruder Cordwain erreichte den Strand. Die Küste in der Gegend um Calmmeany war ansonsten zumeist schroff und felsig. Unzählige Schiffe waren hier im Verlauf der Jahrhunderte schon an den Riffen zerschellt. Aber in dieser Bucht gab es einen der wenigen Abschnitte, in denen grobkörniger Sand vorherrschte und Boote anlanden konnten.
Die finstere Silhouette trat mehr und mehr aus dem grauen, undurchdringlichen Nebel hervor. Die Segel schienen schlaff von den Rahen zu hängen. Es blies kein Wind, was für diese wilde, raue Küste sehr ungewöhnlich war. Am Strand brachen sich die Wellen. Geräusche mischten sich in das beständige Rauschen. Stimmen.
Bruder Cordwain schluckte.
Die Stimmen der Wiedergänger, erkannte er schaudernd. Stimmen, die halb wehklagend, halb hasserfüllt und wutentbrannt klangen.
Boote wurden zu Wasser gelassen. Niemand ruderte auf ihnen. Es war eine geisterhafte Kraft, die sie auf den Strand zutrieb.
Es waren Männer, die wie spanische Söldner des sechzehnten Jahrhunderts gekleidet waren. Sie trugen Helme, Brustharnische, Degen und Arkebusen – altertümliche Handfeuerwaffen. Hin und wieder war auch eine Radschlosspistole zu sehen.
Ihre Gesichter waren bleich, ihre Gestalten schienen manchmal an Substanz zu verlieren und wirkten dann durchscheinend, so als würden sie jeden Moment vollkommen verblassen.
Die Augenhöhlen waren von einem dämonischen Licht erfüllt, das manchmal zunahm und zu pulsieren begann.
Sie sprachen Spanisch. Zumindest glaubte Bruder Cordwain, dies zu erkennen.
Weitere der Gestalten ließen sich an der Schiffswandung herab, da offenbar sämtliche Boote bereits benutzt wurden. Die geisterhaften Waffenknechte landeten auf der Wasseroberfläche, die für sie wie fester Grund war. Sie liefen beinahe schwebend über das unruhige Wasser.
Die ersten Söldner erreichten nun den Strand. Ihre schweren Stiefel hinterließen keinerlei Spuren und Abdrücke, obwohl es eigentlich unmöglich war, dass sie nicht wenigstens ein oder zwei Zentimeter in den vom Meerwasser durchfeuchteten Untergrund einsanken.
»Muerte y venganza!«, sagte einer von ihnen, und die anderen wiederholten diese Worte immer wieder, fast wie in einem Singsang. »Muerte y venganza! Muerte y venganza!« Die Augen der Unheimlichen glühten dabei auf und pulsierten im Rhythmus des Singsangs.
Bruder Cordwain faltete unterdessen die Hände und begann, ein Vaterunser zu beten. Dann breitete er die Arme aus.
»Hier bin ich«, sagte er. »Ein Unschuldiger – bereit, sich zu opfern für die Schuldigen, so, wie es unser Herr Jesus Christus einst getan hat. Und so, wie er die Welt durch seinen Kreuzestod erlöst hat, soll auch Calmmeany erlöst werden.«
»Muerte y venganza!«, schallte es ihm entgegen.
Muerte y venganza – Tod und Rache! Die Eindringlichkeit dieser Worte war kaum zu ertragen. Bruder Cordwain hoffte nur inständig, dass ihm der Herr genügend Kraft geben würde, um diese Tortur durchzuhalten. Der Mönch hatte das Gefühl, ihm müsse jeden Moment der Kopf zerspringen, so schlimm war es.
Die Wiedergänger blieben stehen.
»Hier bin ich«, sagte Bruder Cordwain noch einmal. Er war sicher, dass die Wiedergänger ihn verstanden. Trotzdem sagte er es ein weiteres Mal, diesmal allerdings auf Spanisch. »Estoy aqui«, murmelte er.
Der Singsang der Wiedergänger erstarb. Für einige Augenblicke war es, abgesehen vom Rauschen des Meeres, das hier in unmittelbarer Nähe der Küstenlinie ohnehin immer alles untermalte, ganz still. Das Leuchten in den Augen der geisterhaften Wiedergänger wurde etwas schwächer. Ihre Körper wirkten durchscheinender und blasser als zuvor. Manche von ihnen schienen jetzt kurz vor der endgültigen Auflösung zu stehen.
»Ich bin hier!«, wiederholte Bruder Cordwain. »Nehmt mich mit, und nehmt euren Fluch von Calmmeany!«
Der Anführer der Wiedergänger hob einen Arm. Daraufhin richtete einer der anderen Söldner seine altertümliche Waffe auf Bruder Cordwain. Der Söldner wirkte so blass und durchscheinend, dass Cordwain für einen Moment Schwierigkeiten hatte, seine genauen Umrisse vom grauen Nebel im Hintergrund zu unterscheiden.
»Ich bin zu jedem Opfer bereit!«, rief Bruder Cordwain.
Der Söldner betätigte den hakenförmigen Abzug der Waffe. Der Knall war ohrenbetäubend. Die daumennagelgroße Bleikugel traf den Mönch in der Brust. Cordwain taumelte einen Schritt zurück, wankte und sank dann auf die Knie.
Der Söldner, der ihm am nächsten stand, zog daraufhin sein Schwert. Es war so durchscheinend, dass man es kaum sehen konnte, als er die Klinge durch die Luft fahren ließ. Als der Toledo-Stahl den Kopf des Mönchs vom Rumpf trennte, spritzte das Blut in einer hohen Fontäne hervor. Der Kopf rollte über den Boden. Der Ausläufer einer Welle erreichte ihn und drehte ihn noch einmal.
Der Körper des Geköpften sackte in sich zusammen.
Der Anführer der Söldner stieg über den Toten hinweg. Einer seiner Füße war dabei so geisterhaft und durchscheinend, dass der Stiefel glatt und ohne Widerstand durch Bruder Cordwains Körper hindurchglitt.
»Vamos!«, rief der Anführer dann mit erhobenem Schwert, und diesem Augenblick leuchteten nicht nur seine Augen grell auf, sondern auch eine Narbe, die unterhalb des rechten Auges in fast waagerechter Linie verlief. »Muerte y venganza!«
»Muerte y venganza!«, antwortete einer der anderen Wiedergänger. Seine geisterhafte, dröhnende stimme hallte dabei nach, so als würde er sich in einem geschlossenen Gewölbe befinden.
»Niemand wird uns entkommen«, murmelte der Anführer in spanischer Sprache leise vor sich hin und hob dann grimmig das Schwert. »Niemand …«
***
Bis zum Dorf Calmmeany war es nicht weit. Fast lautlos näherten sich die geisterhaften Söldner. Sie brachen die Türen der Häuser auf und wenig später gellten die ersten Schreie. Einmal krachte ein Schuss, aber zumeist starben die Bewohner durch Schwerthiebe oder durch Stoßwaffen.
Im Dorf herrschte helle Aufregung.
Ein kleiner Teil der Bevölkerung hatte das Dorf verlassen, war zu Verwandten in den Nachbarorten geflohen. Bruder Cordwain hatte sie gewarnt und ihnen gesagt, dass es eine geheime Gesetzmäßigkeit gab, mit der sich die Wiederkehr dieser Geister vorhersagen ließ. Aber die meisten hatten nur gelacht und den Mönch, der in der ganzen Umgebung als ein ziemlich sonderbarer Mann galt, nicht weiter ernst genommen.
Erst als plötzlich die Glocken der alten Kirche zu läuten begonnen hatten, hatten es einige mit der Angst zu tun bekommen. Am Horizont sah man mehrere Wagen und ungefähr zwei Dutzend Fußgänger dahinziehen.
Doch die Wiedergänger waren längst auf die Fliehenden aufmerksam geworden und hatten die Verfolgung aufgenommen. Die anderen wandten sich den Bewohnern zu, die sich in ihren Häusern verbarrikadiert hatten.