88 Dinge, die Sie mit Ihrem Kind gemacht haben sollten, bevor es auszieht - Hans Rath - E-Book

88 Dinge, die Sie mit Ihrem Kind gemacht haben sollten, bevor es auszieht E-Book

Hans Rath

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Beschreibung

Unvergessliche Erlebnisse – für die wichtigsten Jahre im Leben Zu schnell ist die Kindheit vorbei: Heute werden noch Windeln gewechselt, und schwups! zieht der Nachwuchs in die eigenen vier Wände. Doch bevor es so weit ist, gibt es einige Abenteuer, die Eltern mit ihren Kindern unbedingt bestehen sollten: Ob zusammen ein zweitausendteiliges Legoboot bauen, eine Geheimsprache erfinden, einfach mal über die Liebe reden, digitalfasten oder gemeinsam einen Berg besteigen, auch wenn Ihr Kind Sie danach eine Woche hasst – egal. Das alles sind Erlebnisse, die Sie für immer miteinander verbinden und ein Leben lang in Erinnerung bleiben werden.

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Hans Rath

Edgar Rai

88 Dinge, die Sie mit Ihrem Kind gemacht haben sollten, bevor es auszieht

Mit Illustrationen von Anja Filler

Informationen zum Buch

Unvergessliche Erlebnisse – für die wichtigsten Jahre im Leben

Zu schnell ist die Kindheit vorbei: Heute werden noch Windeln gewechselt, und schwups! zieht der Nachwuchs in die eigenen vier Wände. Doch bevor es so weit ist, gibt es einige Abenteuer, die Eltern mit ihren Kindern unbedingt bestehen sollten: Ob zusammen ein zweitausendteiliges Legoboot bauen, eine Geheimsprache erfinden, einfach mal über die Liebe reden, digitalfasten oder gemeinsam einen Berg besteigen, auch wenn Ihr Kind Sie danach eine Woche hasst – egal. Das alles sind Erlebnisse, die Sie für immer miteinander verbinden und ein Leben lang in Erinnerung bleiben werden.

Informationen zu den Autoren

Hans Rath, Jahrgang 1965, studierte Philosophie, Germanistik und Psychologie in Bonn. Er lebt in Berlin, wo er sein Geld unter anderem als Drehbuchautor verdient.

Mit seinem Romanerstling «Man tut, was man kann» hat er die Bestsellerliste im Sturm erobert.

Edgar Rai, Jahrgang 1967, studierte Musikwissenschaften und Anglistik in Marburg und Berlin. Er arbeitet ebenfalls als Drehbuchautor und schreibt Romane. Zuletzt erschien sein vielgelobtes Buch «Nächsten Sommer».

Gebrauchsanweisung

Liebe Leserin, lieber Leser,

als Sie eben dieses Buch in die Hand nahmen, haben Sie sich möglicherweise gefragt, wozu Sie einen Ratgeber brauchen, der Ihnen sagt, was Sie mit Ihrem Kind machen sollen. Als wüssten Sie das nicht selbst.

Sie haben recht. Sie brauchen dieses Buch nicht. Dies ist kein Buch, das «gebraucht» werden will. Wir werden Ihnen nicht erklären, wie Sie Ihr Kind aufzuziehen haben. Das wissen Sie hoffentlich ebenso gut wie wir, oder besser.

Trotzdem mögen sich die Ideen, Informationen und Überlegungen, die zwischen diesen Deckeln versammelt sind, in Ihren Augen als hilfreich oder erhellend erweisen. Was Sie aus den folgenden 88Dingen für sich herausziehen möchten, sei ganz Ihnen überlassen. Auch erwarten wir nicht, dass Sie unsere Ansichten teilen oder gar übernehmen. Das haben wir untereinander auch nicht getan. Manches Mal waren wir uns sogar derart uneins, dass wir es für nötig hielten, dasselbe Thema von zwei Seiten zu beleuchten, so zum Beispiel bei «Mit den Fingern essen» und «Tischmanieren beibringen».

Wenn es Ihnen hingegen mit 88Dinge, die Sie mit Ihrem Kind gemacht haben sollten, bevor es auszieht so ergeht, dass Sie Ihr Kind hin und wieder in neuem Licht sehen, sich anregen, überraschen und vielleicht sogar inspirieren lassen, dann haben wir Sie genau da, wo wir Sie haben wollen. Oft stellt sich nämlich im Umgang mit unseren Kindern bereits eine unerwartete Leichtigkeit ein, wenn wir uns Dinge, die wir eigentlich schon wissen oder zu wissen glauben, auf eine neue Weise bewusst machen.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Kinder sind gierige Rotznasen, ständig im Weg, rauben uns den letzten Nerv, schlafen so gut wie nie durch und quatschen immer dazwischen. Doch sie sind auch: ein großes, wundervolles Abenteuer. Und das wollten wir Sie in diesem Buch 88Mal wissen lassen.

Edgar Rai und Hans Rath

1.Zeit verplempern

Zeit ist kostbar. Nicht unbedingt, wenn man sie im Büro absitzen muss, aber beispielsweise im Urlaub. Da gilt es als Luxus, ganz viel Zeit zu haben. Und zwar so viel, dass man sie regelrecht verplempern kann. Kinder kennen das Prinzip instinktiv. Da sie aus Sicht der Erwachsenen eine Menge Zeit damit vertun, wenig sinnvolle Spiele zu spielen, rumzuhängen oder die Erledigung unliebsamer Tätigkeiten aufzuschieben, scheint es unnötig zu sein, ihnen zu zeigen, wie man Zeit verplempert. Eigentlich müsste man eher den Erwachsenen beibringen, nicht allzu viel Zeit mit blöden Jobs, sinnlosen Diskussionen oder dem falschen Partner zu verschwenden.

Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. Damit Kinder als Erwachsene nicht unzählige Ratgeber lesen müssen, die ihnen erklären, wie sie ihre Zeit effektiv gestalten und optimal einteilen können, muss man ihnen nicht nur zeigen, wie sie Zeit sinnvoll nutzen, sondern eben auch, wie man sie genüsslich verplempert. Wir reden hier nicht von klassischer Freizeit, denn auch die wird in der heutigen Leistungsgesellschaft ja gerne unter Nutzaspekten betrachtet, daher auch der Begriff «sinnvolle Freizeitbeschäftigung». Sinnvoll ist beispielsweise, den Alltagsstress durch Wellnessaktivitäten abzubauen oder mangelnde Bewegung im Job durch Freizeitsport zu kompensieren.

Zeit zu verplempern ist quasi eine Unterabteilung der Freizeit. Hier geht es darum, im wahrsten Sinne des Wortes planlos vorzugehen, also sämtliche Aufgaben und Aktivitäten beiseitezuschieben und sich zu fragen: Worauf hab ich eigentlich jetzt gerade Lust? Wahrscheinlich wird Ihr Kind eine Beschäftigung wählen, die es sowieso gerne mag und die es sich vielleicht auch ohne Ansage gewünscht hätte. Der Unterschied zur sinnlosen Freizeitbeschäftigung besteht darin, dass es nun eben diesen Unterschied kennt. Das Kind weiß, dass es Herr über seine Zeit ist und dass man in selbiger entweder etwas leisten oder sie eben verplempern kann. Diese Erkenntnis ist selbst für manche Erwachsene ein ziemlich schwerer Brocken, deshalb ist es auch in Ordnung, wenn Kinder eine Weile brauchen, um sie zu verstehen: Zeit ist kostbar, aber eben nur dann, wenn wir uns zu ihrem willfährigen Sklaven machen.

Am schwierigsten ist die Aufgabe für die Erwachsenen. Zwar kennen auch Kinder zunehmend Freizeitstress, aber das enge Zeitkorsett, in das die meisten Erwachsenen gezwängt sind, ist ihnen fremd. Deshalb haben Erwachsene beim Zeitverplempern rasch das Gefühl, dass ihnen ebenselbige wegläuft. Just dieses Gefühl muss man als Erwachsener in den Griff bekommen.

Beachten Sie die folgenden drei Regeln, wenn Sie Ihrem Kind (und vielleicht auch sich selbst) beibringen, Zeit zu verplempern, dann kann eigentlich nichts schiefgehen:

Bereiten Sie das Zeitverplempern heimlich vor. Dass Sie ohnehin einen freien Tag haben, muss das Kind nicht wissen.

Gemacht wird, worauf ein jeder gerade Lust hat. Da Ihr Kind dabei auch lernen soll, auf seine innere Stimme zu hören, gehen dessen Wünsche vor. Versuchen Sie ernsthaft, die Wünsche Ihres Kindes zu erfüllen. Ein Kamelritt oder ein großer Eimer Eiscreme sind nicht per se schlechte Ideen.

Das Zeitverplempern ist erst dann zu Ende, wenn Ihr Kind keine Lust mehr hat.

2.Zu zweit sein

Kinder möchten ihre Eltern am liebsten ganz für sich allein haben. Maximale Aufmerksamkeit. Meins. Haben. Weg da. Teilen ist vollscheißkakablöd! Wenn sie zu uns ins Bett kriechen, dann am liebsten in die Mitte, Mama links, Papa rechts. Alles meins. Und zwar nur meins. Nicht einmal Vater und Mutter dürfen sich dann unterhalten. Paradiesische Zustände.

Leider lässt die Vertreibung aus dem Paradies nicht lange auf sich warten. Bald schon beanspruchen die dreisten Eltern Aufmerksamkeit für sich, den Job, Freunde, Hobbys, und das Kind wird in die Kita geschickt, den Kindergarten, die Schule. Allerspätestens wenn ein Geschwisterkind im Anmarsch ist oder sich die Eltern trennen und das Kind sich plötzlich in einer Patchwork-Familie wiederfindet, ist es vorbei mit der ungeteilten Aufmerksamkeit. Und zwar endgültig. Dann gibt es nie mehr nur «ich», und falls doch, dann höchstens in homöopathischen Dosen. Und was muss das Kind sich anhören, wenn es vor Wut gegen den Tisch tritt? «He, du bist nicht alleine auf der Welt!»

Unerhört! Die ganze Kindheit ist eine einzige Lektion im Verzichtüben. Schwupps ist man zehn, elf Jahre alt und hat das Gefühl, die ungeteilte Aufmerksamkeit stehe einem erstens sowieso nicht mehr zu, und zweitens brauche man sie auch gar nicht mehr wirklich. Stimmt vielleicht sogar. Nur geht es hier nicht um das, was Ihr Kind unbedingt braucht, sondern darum, was es sich wünscht. Auch ein bereits relativ reifes Kind wünscht sich wenigstens von Zeit zu Zeit, Sie ganz allein für sich zu haben.

Viele von Ihnen mögen jetzt einwenden, den Kindern werde heutzutage ohnehin zu viel Aufmerksamkeit zuteil. Unser gesamtes Leben drehe sich nur noch um die lieben Kleinen. Wir würden uns ihm geradezu unterwerfen. Manch einer mag sogar überzeugt sein, dass wir unsere Kinder durch ein Übermaß an Aufmerksamkeit zu kleinen Tyrannen erziehen. Sollte das bei Ihnen der Fall sein, drehen Sie den Spieß einfach um, und buchen Sie für Ihr Kind ein hübsches Ferienzeltlager, wo ihm gar nichts anderes übrigbleibt, als sich anzupassen und die eigenen Ansprüche zurückzuschrauben. Auch eine schöne Sache.

Sollten Sie jedoch nach eingehender Selbstbefragung zu dem Schluss kommen, dass in Ihrem Fall die Ansprüche Ihres Kindes zwischen Arbeit, Familie und den Anforderungen des Alltags eher zerrieben werden, und sollten Sie darüber hinaus das deutliche Gefühl haben, dass es sowohl für Sie als auch für Ihr Kind mal wieder an der Zeit wäre, nur füreinander da zu sein, dann sollten Sie sich genau dafür ein paar Tage Zeit nehmen. Fahren Sie weg. Nur Sie und Ihr Kind. Keine schmutzige Wäsche, keine Arbeit, keine Verpflichtungen. Paradiesische Zustände.

3.Sich durchsetzen

Haben Ihre Eltern Sie als Kind mit unkonventionellen Methoden dazu angehalten, sich durchzusetzen? Wurden Sie beispielsweise zum Tatort Ihrer vermeintlichen Charakterschwäche gezerrt, um in einem zweiten Anlauf und unter elterlicher Aufsicht Ihre Durchsetzungskraft unter Beweis zu stellen? Etwa zum Nachbarskind, das den geliehenen Ball nicht wieder rausrücken wollte? Oder zum Obststand auf dem Markt, wo Sie sich mit zweitklassiger Ware haben abspeisen lassen? Solche Erziehungsmaßnahmen waren im vergangenen Jahrhundert nicht selten, und manchem Erwachsenen sträuben sich noch heute beim Gedanken an ähnliche Erlebnisse die Nackenhaare.

Für Eltern ist das Thema nach wie vor neuralgisch. In einer Leistungsgesellschaft gilt es als überaus wichtig, starke Ellenbogen zu haben, wenn man vorwärtskommen will. Man stelle sich nur einmal vor, ein Kind strotzte nur so vor Allgemein- und Spezialwissen, könnte dies in mehreren Sprachen kundtun und gäbe sich obendrein kultiviert und umgänglich, bekäme aber den Mund nicht auf, sobald es um die Wurst ginge. Die Investitionen in seine Bildung wären dann womöglich nur noch die Hälfte wert. Genau davor haben viele Eltern Panik. Deshalb sollten Kinder schon früh lernen, sich die Butter nicht vom Brot nehmen zu lassen. Doch wie erreichen Sie das ohne pädagogische Überreaktionen?

Wie so oft gilt: erst mal tief durchatmen und sich nicht verrückt machen lassen. Durchsetzungsfähigkeit ist eine Eigenschaft, die sich nicht allein daran bemessen lässt, wie forsch und kämpferisch jemand zu Werke geht. Bekanntlich gibt es mehrere Wege nach Rom. In der Menschheitsgeschichte haben sich nicht nur diejenigen durchgesetzt, die partout mit dem Kopf durch die Wand wollten, auch Diplomaten, Philosophen oder Humanisten haben erstaunliche Erfolge vorzuweisen. Durchsetzungsfähigkeit ist also offenbar nicht nur eine Frage der Ellenbogen, sondern auch eine des Intellekts, der Intuition sowie der sozialen, kommunikativen und emotionalen Fähigkeiten. So, wie niemand zum Feinschmecker wird, nur weil man ihm täglich Hummer vorsetzt, so wird auch niemand zur Führungspersönlichkeit, bloß weil man ihm Härte und Rücksichtslosigkeit antrainiert.

Wenn Sie Ihrem Kind zeigen möchten, wie man sich durchsetzt, dann müssen Sie Ihre Elternrolle zumindest zeitweise vergessen und Ihr Gegenüber sowie den Gegenstand des Konfliktes ernst nehmen. Um Chancengleichheit herzustellen, legen wir hiermit fest, dass Ihr Kind in der zur Debatte stehenden Frage die alleinige Entscheidungsgewalt hat. Nehmen wir als Beispiel die Wahl der Garderobe. Sie möchten, dass Ihr Kind hübsch aussieht, Ihr Kind besteht jedoch auf einer haarsträubenden Farb- und Stilkombination. Denken Sie daran, es darf diesmal das letzte Wort haben. Argumentieren Sie auf Augenhöhe, und kämpfen Sie mit fairen Mitteln. Nur damit eines klar ist: Drohungen oder Versprechungen sind keine fairen Mittel. Modische Aspekte sind nur insofern von Belang, als Ihr Kind diese teilt. Fragen nach der Zweckmäßigkeit der Kleidung, insbesondere ob sie zu warm oder zu kalt ist, muss Ihr Kind sich schon gefallen lassen. Die Lösung darf aber wiederum in – aus Ihrer Sicht – unmodischen Kombinationen bestehen.

Es ist übrigens zweitrangig, wer gewinnt. Durchsetzungsfähigkeit wurzelt dort, wo ein Bewusstsein dafür entsteht, dass man sich Dinge erarbeiten muss. Ihr Kind wird bemerken, dass es nicht nur Befehlsempfänger war, sondern Einfluss auf die Entscheidung hatte. Machen Sie sich deshalb darauf gefasst, von nun an häufiger herausgefordert zu werden.

4.Ängste teilen

Jetzt wird es ernst. Ängste können nämlich immenses Unheil anrichten. Viele Menschen werden, als Folge traumatischer Erlebnisse etwa, lebenslang von ihnen verfolgt oder beherrscht. Andererseits sind Ängste etwas sehr Nützliches und Teil der normalen Entwicklung eines Kindes – ein Grundgefühl (man spricht auch von Basisemotion oder Primäraffekt), dessen Wurzeln möglicherweise bis in den Mutterleib zurückreichen.

Die Psychologie unterscheidet mehrere typische, dem entsprechenden Entwicklungsstadium des Kindes zugeordnete Ängste. Bereits sehr früh treten Separationsängste auf, es folgen die Angst vor der Dunkelheit, Gewissens-, Kastrations- und Umweltangst. Ab dem «magischen Alter» von etwa drei Jahren kommen die Sozialisations- und Realangst hinzu. Mehr oder weniger unsere gesamte Kindheit über werden wir mit erwachenden Ängsten konfrontiert.

Erinnern wir uns: Wie war das, damals, als wir mit unseren Eltern im Urlaub an der Strandpromenade entlangspaziert sind, für einen Augenblick abgelenkt wurden, und plötzlich waren sie nicht mehr da? Weg. Verschwunden. Oder als wir nachts aufgewacht sind, und da waren diese seltsamen Geräusche und bedrohliche Schattenwesen um uns? Wir nahmen den letzten Mut zusammen und flüchteten uns ins elterliche Bett – das leer war! (Vater und Mutter saßen nur draußen auf dem Balkon, doch das konnten wir nicht wissen.) Dieser plötzliche Sturz in ein schwarzes Nichts, das uns verschluckt, ohne einen einzigen Halt zu bieten – wissen wir noch, wie dieser Abgrund sich anfühlt? So normal und unvermeidbar Ängste sind, so grausam können sie sein. Und es gibt keinen Grund, unsere Kinder mit ihnen allein zu lassen.

Um Kinderängsten beizukommen und Dämonen abzuwehren, gibt es zahlreiche Methoden. Zu wenig ist dabei ebenso falsch wie übermäßige Zuwendung, Bestrafung oder Verhöhnung. Als Reaktion darauf werden sich die Ängste eher verstärken oder gar manifestieren. Ein Stofftiger vor dem Schrank dagegen hat schon so manchen Geist in Schach gehalten, auch lässt sich das Ich eines ängstlichen Kindes stärken, indem sich ihm eine starke Phantasiefigur hinzugesellt. Geschichten können ebenfalls hilfreich sein. Als Identifikationsfigur sollte der Held am Ende seine Herausforderungen gemeistert oder die Dämonen besiegt haben. Das stärkt auch das Selbstvertrauen des Kindes.

Oft aber kann unserem Kind niemand besser dabei helfen, mit seinen Ängsten klarzukommen, als wir selbst. Und hier nun die gute Nachricht: Wir sind unbesiegbar! In den Augen unserer Kinder sind wir Titanen und Titaninnen und verfügen über Kräfte, gegen die selbst der schrecklichste nächtliche Dämon machtlos ist. Wenn es also in diesem Büchlein darum geht, Dinge gemeinsam mit unseren Kindern zu erleben, dann bedeutet das für die Ängste unserer Kinder: da zu sein, wenn’s drauf ankommt.

«Ich bin ja da.» Zuweilen wohnen diesem simplen Satz magische Kräfte inne. Das sollte Sie nicht wundern, denn der sicherste Ort auf der Welt ist für Ihr Kind der an Ihrer Seite.

5.Etwas bauen, das schwimmt

In Abenteuergeschichten spielen Gewässer oft eine zentrale Rolle. Das ist kein Zufall, denn Flüsse, Seen und Meere haben die Menschheit schon immer ebenso fasziniert wie beängstigt. Huckleberry Finn nutzte den Mississippi zur Flucht. Robinson Crusoe wurde zum Gefangenen einer karibischen Insel. Piraten von Captain Flint bis Captain Sparrow schlugen sich – allein berufsbedingt – mit den Gefahren der christlichen Seefahrt herum. Und die Flüsse des amerikanischen Westens galten den Pionieren als Hauptschlagadern des neuen Kontinents, was sich in den Titeln vieler Westernfilme widerspiegelt, etwa Der Mann vom großen Fluss, Black Robe– Am Fluss der Irokesen oder Fluss ohne Wiederkehr.

Damit Ihnen nicht Letzteres passiert, wenn Sie sich auf das Abenteuer einer Seefahrt einlassen, folgen an dieser Stelle ein paar Vorsichtsmaßnahmen. Selbstgebaute Boote und Flöße werden grundsätzlich in flachen, stehenden Gewässern getestet. Trotzdem sollten alle anwesenden Kinder Schwimmwesten tragen. Im Nu ist nämlich jemand ausgerutscht, und ob man dann schnell genug zur Stelle ist, kann man nie wissen.

Die Grundregel beim Bau von Schwimmgeräten lautet: Meistens schwimmen sie nicht. Als Erwachsener müssen Sie also darauf vorbereitet sein, enttäuschte Kinder zu trösten, die gerade miterleben mussten, wie ihr mit viel Liebe zusammengebasteltes Floß binnen Sekunden zum Opfer der Fluten wurde. Alternativ können Sie vor Beginn der Bauarbeiten noch rasch googeln, was Sie so alles wissen müssen, wenn Sie ein Boot bauen wollen. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass mit Ihrer Hilfe ein schwimmfähiges Objekt entstehen wird. So etwas zu konstruieren ist nämlich ziemlich kompliziert. Robinson Crusoe könnte ein Lied davon singen.

Auch wenn Sie also ziemlich sicher sein können, dass Ihre Konstruktion auf dem küstennahen Meeresgrund landen wird, ist das kein Grund, den anwesenden Schiffseignern die bevorstehende Havarie zu ersparen. Erstens soll es allen eine Lehre sein, dass Objekte, die gut aussehen, noch lange nichts taugen müssen (daran dürfen sich die Racker gern beim nächsten Einkauf erinnern). Zweitens steckt im Schiffbruch viel Potenzial für das ganz große Kino. Denken wir nur mal an Titanic. Ein gutes Beispiel übrigens, denn uns wird es ja auch auf der Jungfernfahrt erwischen.

Zunächst bekommt Ihr Schmuckstück also einen Namen. Dann müssen Sie sich noch darauf verständigen, wie sich die Besatzung zusammensetzt. Sind Sie Piraten? Luxusurlauber? Wissenschaftler? Oder ein paar Galgenvögel, die einen Öltanker durch ein Naturschutzgebiet bugsieren wollen? Es wird später wichtig sein, das zu wissen, denn wenn Ihr Boot gesunken ist, werden Sie sich natürlich persönlich um die Bergung kümmern. Ob Sie dann einen Schatz heben, eine Ölpest verhindern oder kostbares technisches Gerät retten müssen, ist einerseits unerheblich, wird Ihnen und Ihren Kindern andererseits über den Verlust des Bootes hinweghelfen.

Vielleicht machen Sie sogar eine erstaunliche Entdeckung. Zusammen schwimmen ist ja schön und gut. Aber nichts verbindet so stark, wie zusammen unterzugehen.

Da der Bau eines tatsächlich schwimmfähigen Gegenstandes meist in die Hose geht, können Sie die gesamte Konstruktion getrost Ihren Kindern überlassen. Dann wird das Boot wenigstens eine schöne Leiche. Eine clevere Alternative ist es, die Jungfernfahrt hinauszuzögern. Ein vermeintlich schwimmfähiges Boot im Garten ist als Spielgerät wesentlich dankbarer als dasselbe Boot auf dem Grund des nächstgelegenen Sees. Wer weiß? Vielleicht lassen sich mit dem Haufen Holz im Garten all jene phantastischen Reisen unternehmen, die Sie bereits in Gedanken mit diesem Boot durchgespielt haben. Ausprobieren können Sie das ja immer noch. Nur wollen Sie das überhaupt?

6.Vor Publikum auftreten

Es gibt Menschen, die kennen kein Lampenfieber. Sie können Reden aus dem Stegreif halten oder beim Karaoke wildfremde Songs mitsingen, ohne dabei auch nur die leiseste Aufregung zu verspüren. Oft hört man dann, diese Leute seien «für die Bühne geboren». Genauso oft gehen einem solche Selbstdarsteller aber auch gewaltig auf die Nerven. In Theaterkreisen spricht man in diesen Fällen von «Rampensäuen» – also Schauspielern, die sich gern auf Kosten ihrer Kollegen in den Vordergrund spielen.

Tatsächlich hat die Qualität einer Bühnendarbietung nichts mit der Nervosität zu tun, die einen vorher oder währenddessen befällt – oder die eben ausbleibt. Sonst würden begnadete Entertainer wie Robbie Williams nicht an Lampenfieber leiden, während so mancher nur mäßig talentierte Amateur dieses Gefühl überhaupt nicht kennt. Zumindest legen das die Erfahrungen diverser Casting-Shows nahe. Wer auf der Bühne keine Gemütsregung spürt, ist deshalb noch lange kein Bühnenprofi. Im Gegenzug ist Lampenfieber kein Grund, eine Bühne zu meiden. Im Idealfall ist es sogar eine Hilfe. Frank Sinatra wurde nachgesagt, er sei in der Lage gewesen, sein Lampenfieber zu hundert Prozent in Energie für die Show umzuwandeln. Nur wer ist schon wie Frank Sinatra?

Alle diese klugen Erwägungen helfen nur wenig, wenn man mit Herzrasen, trockenem Mund und leerem Kopf auf eine Bühne zustrebt. Dabei ist es kaum erheblich, ob fünfzig oder fünfhundert Leute Zeugen einer persönlichen Blamage werden. Verbockt ist verbockt. Die Größe des Loches, in das man sich danach verkriechen möchte, mag vielleicht von Fall zu Fall variieren, das Ausmaß der persönlichen Katastrophe ist immer gleich groß. Ob nun eine Vierjährige im Marienkäferkostüm von der Bühne purzelt oder ein Vierzehnjähriger beim Schulkonzert gleich mehrmals daneben haut, in beiden Fällen geht in genau diesem Moment die Welt unter.

Eine Erfahrung des Erwachsenwerdens ist, dass die Welt Besseres zu tun hat, als unterzugehen, wenn man sich mal einen öffentlichen Patzer leistet. Sie können das Ihrem Kind demonstrieren, indem Sie es nach seiner Blamage nicht mit sorgenvollem Gesicht und wohlmeinenden Ermahnungen empfangen, sondern mit guter Laune und Optimismus. «War doch schon ganz prima! Gratulation! Wir sind stolz auf dich!» Wenn Sie das übrigens verlogen finden, dann schauen Sie sich mal an, was tagtäglich in Wirtschaft und Politik passiert. Wollen Sie da jetzt familienintern Haare spalten, oder was?

Alternativ können Sie Ihr Kind auch selbst an das Abenteuer eines öffentlichen Auftritts heranführen. Vielleicht bietet sich eine gemeinsame Darbietung anlässlich einer Familienfeier an. Ihr Kind und Sie könnten ein Gedicht aufsagen oder ein Lied zu Gehör bringen. Sie beide würden den Moment des Lampenfiebers ebenso gemeinsam erleben wie den Moment des Triumphes, wenn Ihnen diese herkulische Aufgabe gelungen wäre. Und Sie würden sich wechselseitig Mut oder Trost zusprechen können, falls einer von Ihnen der Aufgabe nicht ganz gewachsen wäre. Sollten zufällig Sie das sein, können Sie Ihrem Kind gleich mal zeigen, dass alles nur halb so schlimm ist, wie es scheint. Das ist nämlich die erste Grundregel im Showgeschäft. Da es von Auftrittsmöglichkeiten nur so wimmelt, muss man einer verpatzten Chance nicht hinterherweinen. Nächstes Mal läuft es besser. Basta.

Regel Nummer zwei lautet: Im Zweifelsfall hat das Publikum keine Ahnung. Dieses völlig übersättigte Pack kann echte Kunst nicht von Kasperletheater unterscheiden. Eine Schande, dass man sich für so einen Haufen von Ignoranten überhaupt abrackert.

Regel Nummer drei: Das Programm war unspielbar. Die komplexe Struktur von «Zum Geburtstag viel Glück» musste zwangsläufig zu Texthängern und falschen Tönen führen.

Sollte Ihr Kind übrigens irgendwann fragen, ob all Ihre Einwände nicht lediglich kaschieren sollen, dass Sie beide es gründlich verbockt haben, dann wissen Sie zumindest, dass es sich bei Ihrem Nachwuchs schon mal nicht um einen kapriziösen Künstler handelt. Das wäre dann auch ein schöner Erfolg.

7.Mit Anstand verlieren

Ein schlechter Verlierer weiß nicht, wann er verloren hat. Obwohl das Spiel längst entschieden ist, jammert er noch über vermeintliche Ungerechtigkeiten, die ihn den Sieg gekostet haben. Schlechte Verlierer sind nach eigener Meinung immer Opfer der Umstände. Oft finden sie sogar ein Publikum, das ihre Version bestätigt, denn sie sind meist ganz gute Selbstdarsteller. Oberflächlich betrachtet ist es sehr schwierig, sie von echten Helden zu unterscheiden, denn die wollen in der Regel ebenfalls nicht anerkennen, dass sie verloren haben. Erst bei genauerem Hinsehen fällt auf, was die beiden Typen unterscheidet: Helden jammern zum einen nicht, zum anderen ist ihr Ziel nie bloßer Selbstzweck. Schlechte Verlierer hingegen brauchen Erfolge nur, um ihr Ego aufzupolieren.

Schaffen sie es nicht aufs Siegertreppchen, versuchen sie sich mit anderen Mitteln zu profilieren. Etwa indem sie die Spielregeln in Frage stellen oder angebliche Formfehler ausmachen. Manche schrecken selbst vor Betrug und Manipulation nicht zurück. Typisch sind inszenierte Missgeschicke, die ein vorzeitiges Ende des Spiels zur Folge haben. Beim Sport kann das vorgetäuschtes Verletzungspech sein, bei einem Brettspiel das scheinbar unbeabsichtigte Umstoßen des Spieltisches.

Ist Ihr Kind ein schlechter Verlierer? Haben Sie das oben beschriebene Verhalten bereits bei Ihrem Nachwuchs beobachtet? Falls ja, dann kann das eine vorübergehende Phase sein. Das ist die gute Nachricht. Aber es könnte sich eben auch um die zunehmende Verfestigung eines nicht gerade angenehmen Charakterzugs handeln. Dann sollten Sie umgehend handeln.

Schlechten Verlierern begegnet man nach landläufiger Ansicht, indem man selbst ein guter Verlierer ist. Das heißt, man spielt fair und kämpft von der ersten bis zur letzten Sekunde. Hat es nicht zum Sieg gereicht, gönnt man dem glücklichen Gewinner die Lorbeeren. In der Praxis bestätigen Sie mit einem solchen Verhalten jedoch lediglich die Strategie Ihres Kindes. Es wird gewinnen und sich obendrein darin bestärkt fühlen, dass es wichtiger ist, Niederlagen zu vermeiden, als redlich zu bleiben. Besser ist es deshalb, wenn Sie ebenfalls mit falschen Karten spielen. Präsentieren Sie Ihrem Kind den schlechtesten Verlierer aller Zeiten. Es wird dann rasch merken, wie wenig Spaß ein Spiel macht, das man ausschließlich des Gewinnens wegen spielt.

Alternativ können Sie im Spiel von Zeit zu Zeit die Positionen tauschen. Bei manchen Spielen gehört das ja bereits zu den Regeln. Man schlüpft quasi in die Rolle des Gegners, indem man dessen Spielposition und Punktestand übernimmt. Jetzt muss man aus einer Position heraus agieren, in die man den anderen zuvor selbst gebracht hat – mit welchen Mitteln auch immer. Was man dabei lernen kann? Ganz einfach: C’est la vie – so ist das Leben. Man könnte auch sagen: Es ist nicht nur okay, ab und zu nicht zu gewinnen, sondern es gehört einfach zum Spiel des Lebens dazu. Außerdem ist niemand einsamer als ein schlechter Verlierer, dem man auf die Schliche gekommen ist. Wer ein paar Mal einen eigentlich netten Spieleabend mit unschönen Tricks gesprengt hat, der kann sich darauf gefasst machen, bald mehr Zeit vor dem Fernseher zu verbringen. Allein.

Im Kleinen wird es auch Ihrem Kind so ergehen. Wenn es sich ständig das Beste, Tollste und Schnellste herauszupicken versucht, muss es damit rechnen, sozial geächtet zu werden. Zugegeben, es ist ein langer Weg vom Mensch-ärgere-Dich-nicht-Brett bis zum sozial inkompatiblen Neurotiker. Wir wollen Sie ja auch nur davor warnen, Ihrem Kind ständig Erfolgserlebnisse zu bescheren. Es ist richtig, Kinder zu bestärken, es ist aber genauso richtig, Ihnen nicht vorzugaukeln, dass sie per se auf der Gewinnerseite stehen. Ihr Kind wird sonst eines Tages eine simple Überlegung anstellen: Wenn es im Wettstreit mit Ihnen ständig die Nase vorn hat, dann heißt das nicht nur, dass es ein geborener Gewinner ist. Es heißt auch: Sie sind der geborene Verlierer.

Und jetzt erklären Sie Ihrem Kind mal das Gegenteil.

8.Shoppen

Nein, an dieser Stelle wird es nicht darum gehen, dass Sie Ihrem Kind beibringen, wie es gezielt und sinnvoll einkauft. Im Gegenteil. Shoppen ist die hohe Kunst sinnloser Zeit- und Geldverschwendung. Aber auch das will gelernt sein.

Sie rümpfen die Nase? Sie finden, dass Sie Ihrem Kind einen solchen Blödsinn nicht beibringen müssen? Warum nicht? Würden Sie Ihre Hand dafür ins Feuer legen, noch nie geshoppt zu haben? Nie? Nicht einmal ein klitzekleiner Lustkauf? Das Fläschchen Prosecco und das sündhaft teure Badesalz für einen entspannten Abend nach einem langen und harten Arbeitstag wären ebenso überflüssig gewesen wie das Schickimicki-Handy mit allem Schnickschnack, obwohl es ein einfaches Gerät auch getan hätte, oder? Beides klare Fälle von Shopping.

Wenn Kinder oder Heranwachsende ihr rares Taschengeld für vermeintlichen Unfug wie Glanzbilder, Comics, Süßigkeiten oder gruselige Klamotten raushauen, schütteln Erwachsene gerne verständnislos den Kopf. Dabei vergessen wir, dass Bierkrugsammlungen, Groschenromane, Sportflitzer, Sonnenstudios oder Steaks vom Kobe-Rind keine Erfindungen von Kindern sind. Auch Erwachsene verprassen also Geld für Dinge, über deren Nutzen man zumindest streiten kann. Warum sollte man sein Geld auch nicht auf diese Weise ausgeben? Dem Konsum entkommen wir ebenso wenig wie der Mode. So, wie eine unmodische Latzhose ein modisches Statement ist, wäre auch weitgehender Konsumverzicht nichts anderes als eine von vielen möglichen Konsumhaltungen.

Wer sich politisch an dieser Front abrackern will, der soll das gerne tun. Alle anderen dürfen shoppen gehen, bis die Kreditkarte qualmt. So lange es die finanziellen Möglichkeiten hergeben, dürfen Sie sich also ruhig – zumindest zeitweise – der kompensatorischen Wirkung des Shoppens hingeben. Ob Sie die gekauften Produkte wirklich brauchen, ist dabei weniger entscheidend als deren beruhigende oder stimulierende Wirkung. Klamotten, die Sie niemals anziehen werden, können Ihnen dennoch das Gefühl geben, attraktiv zu sein. Sportgeräte, die Sie niemals benutzen werden, können dokumentieren, dass Sie immerhin gute Vorsätze haben. Und Bücher, die Sie niemals lesen werden, zeugen trotzdem von solidem Bildungsbewusstsein – deswegen gibt es auch in vielen deutschen Häusern eine ungelesene Bibliothek.