99 neue Weihnachtsgeschichten - Willi Hoffsümmer - E-Book

99 neue Weihnachtsgeschichten E-Book

Willi Hoffsümmer

4,8

Beschreibung

Der Nachfolgeband zum Bestseller "Die 100 schönsten Weihnachtsgeschichten" wartet mit neuen Geschichten für Jung und Alt auf. Das bewährte Grundkonzept wird beibehalten: Allen Geschichten ist eine kurze Einleitung beigefügt, in der Altersgruppe und mögliche Einsatzbereiche benannt werden. Ein unerschöpflicher Fundus für Lehrer, Pädagogen, Seelsorger - und Eltern!

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Seitenzahl: 315

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Willi Hoffsümmer (Hg.)

99 neue Weihnachtsgeschichten

Zum Vorlesen in Familie, Kindergarten, Schule und Gemeinde

Impressum

Titel der Originalausgabe: 99 neue Weihnachtsgeschichten

Zum Vorlesen in Familie, Kindergarten, Schule und Gemeinde

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011

ISBN 978-3-451-33999-8

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller

Umschlagmotiv: daniel.schoenen/​photocase.com

E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

ISBN (E-Book): 978-3-451-80298-0

ISBN (Buch): 978

Inhalt

I. Geschichten für 3- bis 7-Jährige

1. Der kleine Tannenbaum

2. Im Dornenwald

3. Das Haus der Varenka

4. Der alte Baum war doch zu etwas nütze

5. Am Hirtenfeuer

6. Die Sternenputzer

7. Die Bärenweihnacht

8. Der Engel und der Hirtenjunge

9. Drei kleine Sterne

10. Ein Esel geht nach Bethlehem

11. Tiere an der Krippe

12. Das Jesuskind liebt alle Tiere

13. Bömmels Weihnachtsgeschenk

14. Ein Geschenk für Weihnachten

15. Wozu die Liebe den Hirtenknaben veranlasste

16. Der rote Mohn

17. Christrosen für Maria

II. Geschichten für Grundschüler/-innen

18. Nikolaus in Not

19. Die Legende vom allerkleinsten Engelchen

20. Dinis Weihnachtswunsch

21. Das Gesicht im Spiegel

22. Weihnachten kann man nicht kaufen

23. Der böse Traum, der alles veränderte

24. Der Bauer und das Bettelkind

25. Von den Blumen auf der hohen Treppe

26. Silvio

27. Der Engel, der nicht fliegen konnte

28. Die Kerze, die nicht brennen wollte

29. Ein Stern ging auf

30. Zwei Briefe an das Christkind

31. Warum die Tanne zum Christbaum wurde

32. Der hässliche Tannenbaum

33. Der Straßenkehrer und das Engelshaar

34. Kara erzählt

35. Vom Geheimnis des Christkindes

36. Der Stern von Bethlehem erzählt

37. Ursels Streichelbild

38. Die Apfelsine des Waisenknaben

39. Der unerwartete Mitspieler

40. Ich bin ja nur ein Esel

41. Der Weihnachtskaktus

42. Maria und das schwarze Schaf

43. Das Kindlein und der Kieselstein

44. Josef gehört in die erste Reihe

45. Die Flucht nach Ägypten

46. Vom vierten König

47. Der verlorene König

48. Plötzlich nahm die fremde Dame die Dose

III. Geschichten für Schüler/-innen weiterführender Schulen

49. Unerwünscht

50. Vielleicht kommt er morgen zu dir

51. Der Weihnachtsbrief

52. Die Gruppe würde ihn Feigling nennen

53. Der Engel im Glatteis

54. Weihnachten in Chicago

55. Papa, Charly hat gesagt

56. Liesel will im Gefängnis bleiben

57. Geschenke von Herzen

58. Die kleine Spieldose

59. Lebenslange Trauer um einen Feind

60. Der Weihnachtstraum

IV. Geschichten für jüngere Erwachsene

61. Vertrauen gegen Vertrauen

62. Der Engel in Uniform

63. Das Kind mit dem Schulranzen

64. Das Geheimnis der Wollmütze

65. Der Eisklumpen

66. Die Bescherung

67. Wann ist Weihnachten?

68. Die Geige

69. Wenn Weihnachten heute stattgefunden hätte

70. Das Flüstern im Herzen

71. Mein schönstes Weihnachtsgeschenk

72. Mein Heinrich

73. Die Versuchung

74. Nicht vor dem Leben kapitulieren

75. Der bucklige Josef

76. Was der Esel dem Christkind zu sagen hatte

77. Der Stein des Eseltreibers

78. Die Klage der Christbäume

79. Merkwürdige Gäste an der Krippe

80. Die goldene Kette

81. Auf der Suche

82. Der Nachweihnachtsengel

V. Geschichten für ältere Erwachsene

83. Das Krippenhuhn

84. Das richtige Wort

85. Der goldene Kreislauf

86. Die Geschichte vom Weihnachtsbraten

87. Das Gesicht des Engels

88. Mein Stern

89. Der Schattenengel

90. Mutter wacht auf

91. Die Macht der Christnacht

92. Der junge Hirte

93. Die Ferntrauung

94. Herr Kreuzer zündet die Kerzen an

95. Nachdenken Josefs

96. König, Bauer und Knecht

97. Der Weihnachtsnarr

98. Friede allen Völkern

99. Die Legende vom Baum im Paradies

Quellenverzeichnis

I.Geschichten für 3- bis 7-Jährige

1.Der kleine Tannenbaum

Hinführung: Ein kleiner Tannenbaum träumt davon, ein schön geschmückter Christbaum zu werden.

Vorlesedauer:ca.2Minuten.

Ein kleiner Tannenbaum träumte davon, einmal so groß zu sein wie die anderen. Wenn im Herbst die Waldarbeiter kamen, um die großen Bäume zu fällen, dann sehnte er sich danach, auch einmal eine große Reise zu machen.

In der Weihnachtszeit wurden auch kleinere Bäume abgeschlagen, und eines Tages drang eine Axt auch in seinen Stamm. Vor Schmerz wurde der kleine Tannenbaum fast ohnmächtig. Er spürte sofort, dass er jetzt Abschied nehmen musste von den anderen Bäumen und den Vögeln, Eichhörnchen und Kaninchen. Ach, vielleicht würde er auch Sonnenschein und Wind nie mehr spüren?

Aber die Vögel hatten ihm ja erzählt, dass er in der Stadt geschmückt würde mit Äpfeln, Sternen, goldenen Kugeln und glitzerndem Lametta, und viele Lichter würden ihn unvergleichlich schön machen. Da überwand er leichter den Abschiedsschmerz.

Und richtig: Eine Familie wählte ihn aus und schmückte ihn bald mit vergoldeten Nüssen und Spielzeug. Und oben in seine Spitze setzten sie einen glänzenden Stern.

Als der Heilige Abend kam, erstrahlte er in seiner ganzen Pracht; er glitzerte und leuchtete so schön, wie man es in Worten gar nicht wiedergeben kann.

Als dann die Kinder mit großen Augen hereintraten und andächtig zuhörten, als die Geschichte vom kleinen Jesuskind in der Krippe vorgelesen wurde, da war der kleine Tannenbaum ganz glücklich und hätte mit keinem auf der Welt tauschen mögen.

Doch viel zu schnell war Weihnachten vorbei. Sie rissen den Schmuck von seinen Zweigen, schimpften über seine Nadeln, die piekten und überall zerstreut herumlagen, und warfen ihn in den Hof in eine kalte, garstige Ecke. Jetzt war der kleine Tannenbaum ganz unglücklich und hatte große Angst, dass sie ihn zersägen oder verbrennen würden. Aber da bemerkte er in seinen Ästchen ein paar Fäden Lametta, die vergessen worden waren: die leuchteten immer noch und erinnerten daran, wie schön es gewesen war. Da schloss der kleine Tannenbaum seine Augen und träumte. Er sah noch einmal seine Schwestern und Brüder im Wald, atmete den Duft der Kerzen ein, erinnerte sich an das Kind in der Krippe und dachte: Wenn dieses Kind der Herr der Welt ist, dann kann jetzt nicht alles zu Ende sein.

Könnte das Lametta doch sprechen und ihm etwas erzählen von der Herrlichkeit, die mit dem Kind in der Krippe eines Tages beginnt.

Der erste Teil nach Hans Christian Andersen

2.Im Dornenwald

Hinführung: Überall dort, wo Maria und das Kind in ihrem Leib hinkommen, wird alles schöner. Wir hören, wie aus Dornen Rosen wachsen.

Vorlesedauer: ca. 2Minuten.

Auf ihrem Weg nach Bethlehem mussten Maria und Josef auch einen Wald durchqueren. Trocken und starr ragten die dürren Stämme empor. Dazwischen aber wucherten hart und knorrig Büsche, die statt der Blätter nur lange, spitze Dornen trugen. Diese reckten sich den Wanderern entgegen und rissen an ihren Kleidern. Vor allem dem Eselchen, das sich nicht so dünn machen konnte wie die Menschen, erging es sehr schlecht. Die Dornen fuhren ihm immer wieder in sein armes Fell, dass es schließlich gar nicht mehr weitergehen mochte. Da half auch alles Bitten und Schelten nichts. Das Eselchen stand wie angewurzelt und schrie nur jämmerlich „I-ah“, als Josef es mit seinem Wanderstab antreiben wollte. Da schimpfte Josef auf die Dornenbüsche, die ihnen die Reise so beschwerlich machten. Maria aber, die liebe Gottesmutter, legte ihrem Mann sanft die Hand auf seinen Arm und sprach: „Lieber Josef, schimpf die armen Büsche nicht so sehr. Sie können doch nicht anders, als Dornen tragen. Es ist ja ganz trocken in dieser Gegend. Hätten sie nur genügend Wasser, ich gebe dir mein Wort: sie würden für uns und unser liebes Kind duftende Rosen tragen.“ Dann hob sie die Augen auf zum Himmel und bat: „Lieber Gott, lasse deine Güte herniederrinnen als einen Leben spendenden Tau, dass diese armen Dornenbüsche sich verwandeln können, wie sie es ersehnen.“

Kaum hatte Maria dieses Gebet gesprochen, da fiel ein milder Tau vom Himmel herab auf die Dornenbüsche. Die sogen voller Freude das Wasser auf, und als sie das taten, da fielen alle Dornen von ihnen ab. An deren Stelle aber erblühten die herrlichsten Rosen; die leuchteten in den schönsten Farben und dufteten um die Wette, dass es eine rechte Lust war. Da dankten Maria und Josef für dieses Wunder. Das Eselchen aber ward wieder ganz fröhlich, streckte die Nase in die würzige Luft und trabte munter voraus, Bethlehem entgegen.

Georg Dreißig

Das folgende Lied, das gut zu der Geschichte passt, hat etwas Bezauberndes und Geheimnisvolles an sich, so dass es auch schon Kinder sehr gerne singen.

Was trug Maria unter ihrem Herzen? Kyrie eleison!

Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen,

das trug Maria unter ihrem Herzen! Jesus und Maria.

Da hab’n die Rosen Dornen getragen. Kyrie eleison!

Als das Kindlein durch den Wald getragen,

da haben die Dornen Rosen getragen! Jesus und Maria.

Wer hat erlöst die Welt allein? Kyrie eleison!

Das hat getan das Christkindlein,

das hat erlöst die Welt allein! Jesus und Maria.

Weise und Text aus dem Eichsfeld

3.Das Haus der Varenka

Hinführung: Wer Gott um etwas bittet, bekommt oft etwas anderes geschenkt, das weiterhilft.

Vorlesedauer:ca.1½Minuten.

Vor langer Zeit lebte friedlich in den weiten Wäldern Russlands die Witwe Varenka. Aber eines Tages wütete ein schrecklicher Krieg. Alle flohen und rieten auch Varenka zur Flucht. Doch sie dachte: Wer stärkt dann die müden Wanderer oder nimmt die Kinder auf, die sich verirren? Sie kniete nieder und bat Gott, um ihr Haus eine Mauer zu bauen.

Aber Gott half nicht.

Anderntags pochte ein Ziegenhirt auf der Flucht bei ihr an, dem nur eine kleine Ziege geblieben war: „Nimm uns auf, sonst fressen uns die Wölfe!“, bat er. Da öffnete Varenka ihnen die Tür. Abends betete sie wieder, Gott möge eine Mauer um ihr Haus bauen.

Aber Gott half nicht.

Schließlich schluchzte ein kleines Mädchen vor der Tür, das auf der Flucht Vater und Mutter verloren hatte. Varenka nahm es auf. Das Donnern der Kanonen war jetzt schon bedrohlich nahe. Morgen würden die Soldaten da sein! Abends betete Varenka noch inständiger als zuvor.

Und – in der Nacht fiel Schnee! Er fiel so dicht, dass er erst bis zum Fenstersims reichte und dann das ganze Haus bedeckte.

Am Mittag zogen die Soldaten suchend durch den Wald. Sie gingen an der Hütte vorbei.

Da wusste Varenka, dass Gott sie doch erhört hatte – auf seine Weise.

Bernadette Watts

4.Der alte Baum war doch zu etwas nütze

Hinführung: Wir hören von einem alten Baum, der sterben wollte und dann zu etwas Großem wurde.

Vorlesedauer:ca.2½Minuten.

Auf einer Lichtung in einem Wald stand ein alter, krummer Baum. Sturm und Unwetter hatten ihn gezeichnet. Und alt war er, sehr alt. Er wusste, dass seine Tage gezählt sind. Ein Sturm noch und sein Stamm würde umknicken wie ein Streichholz.

Er war nicht unglücklich darüber, nein, schließlich hatte er ein langes und gutes Leben gehabt. In seinen besten Jahren trug er so viele Früchte, dass sich seine Äste bis zum Boden bogen. Doch jetzt berührten sie nur dann die Erde, wenn sie abknickten. Gerne wäre er noch zu etwas nütze gewesen, bevor er endgültig…! „Ach ja“, dachte er, „erinnern wird sich wohl keiner an mich und vermissen schon gar nicht.“

Eines Tages nun fing ein hektisches Treiben um ihn herum an. Es wurde gehämmert, gesägt, gehobelt und geschliffen. Auf der Lichtung wurde ein Stall gebaut. „Nun, vielleicht können die mich ja brauchen“, dachte er, „als Bretter für die Wände; als Balken, die das Dach halten, oder als Türrahmen?“ Er streckte seinen krummen Stamm, so gut er konnte, damit man ihn ja nicht übersah.

Aber die Stallwände standen und keiner hatte ihn geholt; das Dach wurde errichtet und keiner holte ihn; der Türrahmen wurde eingepasst und keiner holte ihn. Ja, nicht einmal für die Zaunlatten brauchte man den alten, krummen Baum. Traurig und ohne Kraft stand der Baum da; ja, es schien sogar, als ob sein Stamm noch etwas krummer geworden sei.

Und wirklich: beim nächsten Sturm knickte der Stamm um, ohne sich auch nur ein bisschen zu wehren! Am anderen Morgen kam ein Mann, begutachtete den umgefallenen Baum, holte eine Motorsäge und trennte den Stamm von Wurzel und Krone. Dann holte er Hammer und Meißel und schnitzte mit kräftiger Hand eine – Krippe aus dem alten Baumstamm. Danach trug er die Krippe in den Stall und füllte sie mit duftendem Heu.

Und ratet mal, was noch in diese Krippe gelegt wurde? Eine Frau und ein Mann kamen eines Tages in den Stall und brachten dort ein Kind zur Welt. Und sie legten das Baby genau in diese Krippe. Und man sagte, dieses Kind sei Jesus, der Gottessohn.

Sagt mir, ist es nicht das Schönste, was passieren konnte?: Gottes Sohn zu tragen, ihm Geborgenheit, Schutz und Wärme zu geben?

So war der alte, krumme Baum schließlich sogar zu etwas Besonderem berufen worden!

Monika Endres

5.Am Hirtenfeuer

Hinführung: Es ist schön, an einem Lagerfeuer zu sitzen und zuzuhören, was die Großen sich alles erzählen.

Vorlesedauer:ca.3Minuten.

Auf den Feldern vor den Toren der Stadt Bethlehem brannte ein Feuer. Drumherum saßen die Hirten und wärmten sich, denn es war Winter, und die Nächte waren kalt. Um sie her im Kreis lagerten die Schafe in friedlicher Ruhe. Nur die Hunde streiften rastlos um die Herde und wachten.

„Wäre das schön“, seufzte Samuel, der junge Schäfer, plötzlich, „wenn es keine Wölfe mehr gäbe, die die Herde bedrohen!“ Jakob aber schüttelte unwillig den Kopf und erwiderte seinem Kameraden: „Was sollen die Träume! Solange es Schafe gibt, wird es auch Wölfe geben, die sie reißen.“

Da hob Elias, der Alte, das weiße Haupt, blickte die beiden mit hellen Augen an und sprach geheimnisvoll: „Wer weiß, wer weiß. Ich habe von einer Verheißung gehört, dass eines Tages die Wölfe friedlich mit den Lämmern grasen werden.“

„Wann wird das sein?“, fragte Samuel rasch. Der Alte wiegte bedächtig das Haupt. „Im Buche steht, dass eines Tages der Sohn Gottes als Mensch geboren werden wird. Dann wird alle Feindschaft auf Erden aufhören und Friede unter den Menschen und unter den Tieren sein. Aber wann dieser Tag anbricht, das weiß niemand zu sagen.“

Sinnend schauten die Hirten ins Feuer. Auf einmal vernahmen sie einen lieblichen Gesang, so süß, dass er ihnen das Herz anrührte. Als sie sich umwandten, gewahrten sie auf der Straße zur Stadt einen alten Mann und eine junge Frau im blauen Kapuzenmantel, die von einem kleinen Esel begleitet wurden. Und die Frau sang, sang für das Kind, das sie unter dem Herzen trug, und heiterer Friede breitete sich aus in den Seelen derer, die ihr lauschten.

Die Hirten schauten der Frau nach, bis sie ihren Blicken entschwunden war. Als sie sich endlich wieder dem Feuer zuwandten, merkten sie, dass auch die Schafe die Köpfe nach Bethlehem gekehrt hatten, und selbst die Hunde hatten in ihrem rastlosen Lauf innegehalten und standen mit gespitzten Ohren. Plötzlich wies Samuel vorsichtig mit der Hand über die Herde und flüsterte: „Seht einmal, dort! Das ist keiner unserer Hunde; das ist der Wolf!“

Die anderen Hirten folgten seinem Zeichen und nickten dann. Ja, der Wolf bei den Schafen. Wie diese stand er, vom Zauber des Gesangs ergriffen, und schaute gen Bethlehem. Da leuchtete das Gesicht des alten Elias, und er rief: „Noch glaubten wir, dass das Wunder, von dem wir sprachen, erst in ferner Zeit geschehen werde, und nun ist es ganz nahe. Der Sohn Gottes kommt in die Welt. Untrüglich ist das Zeichen: Friedlich grast der Wolf bei den Lämmern.“

Georg Dreißig

6.Die Sternenputzer

Hinführung: Weil die Sterne am Himmel so leuchten und glitzern, glauben manche, dass Engel sie immer wieder blank putzen.

Vorlesedauer: ca. 2Minuten.

Damit die Sterne am Himmel am Abend und in der Nacht glitzern und funkeln, müssen sie am Tage ganz gründlich von den Sternenputzern geschrubbt und geputzt werden.

Jeder Sternenputzer ist für einen Stern verantwortlich. Da gibt jeder sich natürlich die allergrößte Mühe, dass sein Stern so blank geputzt wird, dass es eine Freude ist.

Doch plötzlich wirft ein Sternenputzer traurig seine Putzlappen weg und sagt: „Ich weiß gar nicht, warum wir uns jedes Jahr so viel Mühe geben sollen! Die Menschen auf der Erde haben überall bunte Lichter und leuchtende Reklameschilder aufgehängt. Da schauen sie doch gar nicht mehr zu unserem Weihnachtsstern am Himmel hinauf.“

„Ja“, meint ein anderer Sternenputzer leise, „im letzten Jahr haben sie den Weihnachtsstern schon ganz vergessen. Sie kümmern sich nicht mehr darum, ob er nun schön funkelt und glitzert. Da wirft ein dritter Sternenputzer seinen Lappen zu den anderen: „Also putzen und schrubben wir nicht weiter!“ Alle umstehenden Sternenputzer nicken und schauen mit traurigen Gesichtern um sich.

Nur einer scheint nicht einverstanden zu sein und sagt: „Stellt euch einmal vor, wenn in der Weihnachtszeit doch ein paar Kinder zum Himmel hinaufsehen, um den Weihnachtsstern zu suchen. Es wäre doch schlimm, wenn sie ihn nicht finden, weil er nicht am hellsten strahlt und leuchtet.“

„Sehr schlimm wäre das!“, pflichten ihm die anderen Sternenputzer leise bei. „Auch wenn nur ein einziges Kind den Weihnachtsstern nicht finden könnte, wäre das sehr schlimm.“ Und nach einem kurzen Augenblick holen die Sternenputzer einer nach dem anderen ihren Putzlappen zurück.

Glaubt nur, am Weihnachtsabend wird der Weihnachtsstern so hell glitzern und funkeln wie noch nie vorher so, daß wieder viele Menschen zu dem Weihnachtsstern hinaufsehen und sich freuen, Kinder undgroßeLeute.

Um zwei Drittel gekürzt von Micaela Kemme

7.Die Bärenweihnacht

Hinführung: Wir hören eine Geschichte, in der das Kind in der Krippe nicht vorkommt. Aber alle tun das, was das Jesuskind wollte: Sich gegenseitig helfen.

Vorlesedauer:ca.5Minuten.

In dem einen Jahr, da geschah es, dass der alte Korbinian zu Weihnachten ganz allein war. Seine Freunde waren weg, und niemand hatte zu ihm gesagt: „Du kannst doch ganz einfach zu uns kommen. Ja, komm doch zu uns, wir warten, bis du kommst.“ Und so war der alte Korbinian allein geblieben. Er hatte auch kein Holz mehr zum Heizen, und es fror ihn an den Händen.

„Ich werde vielleicht über die Felder gehen“, sagte er zu sich, „das macht warm.“ Und er ging an den Häusern vorbei, aus der Stadt hinaus bis zu der Böschung, von wo aus man den Fluss sehen kann. Er ging so vor sich hin und merkte mit einem Mal, dass jemand neben ihm ging. Ein Fuchs! Sie gingen eine Weile nebeneinander her, und keiner fragte den anderen, woher oder wohin. Bald sah der alte Korbinian, dass auch noch fünf Krähen und zwei Hasen, sieben Waldmäuse und ein Wiesel mitgingen. Und sie gingen nebeneinander und setzten einen Fuß vor den andern, und keiner sagte ein Wort, denn Tiere sind wortkarg. Erst bei der Buche beim kleinen Wald kratzte ihn der eine Hase am Bein und sagte in der Hasensprache: „Ob Sie mich, bitteschön, tragen könnten, Herr Korbinian? Ein kleines Stück bloß. Nicht weit. Ich bin auch gar nicht schwer. Hasengewicht. Meine Beine – wissen Sie, mir ist so kalt. Auch bin ich nicht mehr der Jüngste.“

Da nahm Korbinian den Hasen auf die Schulter. Bald krochen die Waldmäuse in seine Taschen und das Wiesel unter seine Jacke. Dann nahmen auch die größeren Tiere die kleineren auf den Rücken, weil ihnen die Beine wehtaten.

Sie waren zusammen schon vierundsechzig Waldtiere, elf Vögel und ein Hund aus einem fremden Dorf. „Ein kleines Stück bloß noch“, flüsterte das Wiesel dem Korbinian ins Ohr, „wir gehen nämlich zum Bären. Bei ihm ist es warm, und heute ist doch die große Nacht. Der Bär ist der König.“ Ich weiß schon, manche denken, es gäbe gar keine Bären. Aber in solchen Nächten gibt es doch Bären!

Der Bär war böse. „Wer ist der Mensch? Wo habt ihr ihn her, wer hat ihn mitgebracht? Noch nie war ein Mensch hier, nie!“ Da setzte sich ein kleiner Hänfling auf die Bärenschulter des Königs und sang ihm ins Ohr: „Ich, bitteschön, Herr König. Ich kenne ihn. Er ist der Korbinian. Ich kenne ihn sogar persönlich. Sie wissen schon, er hat mich im vorigen Jahr auf dem Vogelmarkt gekauft und freigelassen. So etwas tat vorher noch niemand. Das ist eine Tat, Herr Bär, und ich lege für ihn meine Flügel ins Feuer, wenn Sie wollen. Meine Familie und ich haben den ganzen Sommer das Lied von dem wunderbaren Mann gesungen, Sie werden sich vielleicht erinnern. Er soll, bitte, bleiben.“

Da drängten sich die Stadtmäuse nach vorn und riefen: „Ja, ja! Das stimmt! Er ist der Korbinian. Wir kennen ihn gut. Wir haben immer sein Brot unter uns geteilt. Jeder die Hälfte, ganz ehrlich. Er ist ein guter Mensch, Herr König. Und wo sollte er überhaupt hingehen, wenn Sie ihn wegschicken? Wo denn hin?“ – Da wurden die Augen des Bären ganz hell, und er wischte sich mit der Pfote über die Schnauze und sagte: „Er bleibt.“

Die Tiere setzten sich um den Bären, und ihre Augen sahen aus wie klares Wasser. „Macht die Lichter an, Freunde!“, sagte der Bär, und die Adler flogen zu den Sternen und putzten sie mit ihren Flügeln blank. Das war eine Nacht, die so groß war, dass den Korbinian die Erde nicht mehr unter den Füßen drückte. „Und was habt ihr mir zu sagen, Tiere?“, fragte der Bär. Ein Hamster trat vor, knöpfte seinen Pelz auf und sagte: „Hier ist ein Schmetterling, Herr König. Ich habe einen Schmetterling vor dem Erfrieren gerettet.“ Er legte ihn dem König zur Probe auf die Pfote, damit er ihn spüren konnte, und steckte ihn dann vorsichtig wieder unter die Pelzjacke. Da hörte Korbinian, wie jemand neben ihm flüsterte: „Der Mann! Vielleicht hat der Mann Hunger.“ Und er merkte, wie ein Eichhörnchen ihm seinen Nussvorrat in die Tasche steckte. Heimlich, und alle Nüsse geknackt. Er probierte die Nüsse, sie waren so wie früher, als er noch nicht allein war. Hinter dem Rücken verteilte er sie weiter an die Waldmäuse. Und er hörte, wie jemand sagte: „Vielleicht friert es den Korbinian.“ Da legten sich die Hasen auf seine Füße und wärmten ihn. Der Bär deckte ihn mit seinem Fell zu, und Korbinian sah den Himmel, und die Sterne waren gar nicht mehr weit. Und der Hamster flüsterte ihm ins Ohr: „Ich könnte dir meinen Schmetterling schenken, wenn du magst. Ich selber brauche ihn ehrlich nicht.“

Der Hänfling setzte sich ganz nah bei seinem Gesicht nieder, und als er den Schnabel auf seinen Schnurrbart legte, da träumte der alte Korbinian vom lieben Gott.

Janosch

8.Der Engel und der Hirtenjunge

Hinführung: Ein kleiner Engel sollte erst gar nicht mit nach Bethlehem, aber dann bekommt er noch einen besonderen Auftrag.

Vorlesedauer: ca. 5Minuten.

Unter den vielen großen herrlichen Engeln, die den Hirten auf dem Feld in der Weihnachtsnacht die Frohe Botschaft brachten, befand sich auch ein ganz kleiner. Eigentlich war er noch viel zu klein für die weite Reise. Seine großen Brüder hatten ihn deshalb gar nicht mitnehmen wollen.

„Du hast noch nie in unserem Chor mitgesungen“, hatten sie gesagt. „Du spielst kein einziges Instrument. Und den Text der Frohen Botschaft bringst du immer durcheinander.“

Der kleine Engel hatte oben im Himmel nicht zu widersprechen gewagt, aber aufgegeben hatte er nicht. Er wollte unbedingt mit nach Bethlehem. Und weil er ein ziemlich schlauer kleiner Engel war, gelang es ihm, sich beim Aufbruch seiner großen Brüder zwischen den weiten, weißen Gewändern und im Rauschen der goldenen Flügel zu verstecken. So flog er mit auf die Erde.

Sobald er festen Boden unter den Füßen hatte, hüpfte er vergnügt über die Wiese, auf der er gelandet war. Neugierig sah er sich um.

„Aha, das sind also die Schafe!“, rief er entzückt. „Das sind die Hirten! Und das schiefe Häuschen dahinten ist sicher der Stall. Da kann ich sicher gleich hingehen und das Jesuskind anschauen.“

Seine großen Brüder waren nicht sehr erfreut, als sie den kleinen Engel entdeckten. Und dass er so neugierig war und so viel plapperte, gefiel ihnen erst recht nicht.

Der Erzengel Michael nahm ihn beiseite und legte den Finger über die Lippen. „Schscht!“, machte er. „Wenn du schon nicht singen und musizieren und die Frohe Botschaft verkünden kannst wie wir, dann sei wenigstens ruhig!“

Der kleine Engel gehorchte. Er setzte sich zwischen die Schafe und war mucksmäuschenstill. Während die anderen auf ihren Instrumenten spielten und ihre wunderbaren Lieder sangen, gab er keinen Ton von sich. Und bei der Verkündigung der Frohen Botschaft bewegte er nur lautlos die Lippen.

Erst als die Hirten sich auf den Weg zur Krippe machten, wurde er wieder munter. Er wollte sofort hinter ihnen her und das Jesuskind sehen. Außerdem wollte er Maria und Josef die Hand geben. Und den Ochsen und den Esel streicheln.

Der Erzengel Michael erwischte ihn gerade noch rechtzeitig am Ärmel. „Nein, du bleibst hier!“, sagte er streng. „Ich habe eine Aufgabe für dich.“

Der jüngste der Hirten, ein neunjähriger Junge, war nämlich vom Musizieren der Engel und von der Verkündigung der Frohen Botschaft nicht aufgewacht. Er lag noch zwischen den Schafen und schlief.

„Bei ihm bleibst du sitzen!“, bestimmte der Erzengel. „Er ist noch ein Kind und soll sich ausruhen. Wenn er aufwacht, erzählst du ihm, was geschehen ist und führst ihn zum Stall.“

Der kleine Engel war froh und stolz, dass er nun eine richtige Aufgabe hatte. „Ist gut!“, sagte er. „Du kannst dich auf mich verlassen. Und den Heimweg finde ich auch.“ Während seine großen Brüder in den Himmel zurückkehrten, setzte er sich neben den Hirtenknaben und wartete.

Er wartete lange Zeit. Der Morgen graute schon, als der Junge endlich die Augen aufschlug. Als er den kleinen Engel an seiner Seite erblickte, war er zwar ziemlich überrascht, aber kein bisschen erschrocken. „Wer bist du denn?“, rief der Junge. „Ein großer Schmetterling vielleicht? Ist der Frühling schon da?“

„Ich bin kein Schmetterling“, antwortete der kleine Engel. „Und wir haben erst Ende Dezember. Aber in der letzten Nacht wurde dein König und Heiland geboren. Er heißt Jesus und liegt dahinten im Stall zwischen Ochs und Esel in einer Krippe. Ich bin ein Engel und soll dich hinbringen.“

Sofort sprang der Junge auf und reichte dem kleinen Engel die Hand. Zusammen machten sie sich auf den Weg. Einer war so fröhlich und neugierig wie der andere.

Ingrid Uebe

9.Drei kleine Sterne

Hinführung: Wir hören, wie zwei kleine Sterne einem Stern helfen, der erloschen war.

Vorlesedauer:ca.5Minuten.

Am Tage vor Weihnachten traten die drei kleinsten Sterne aus der Milchstraße in die himmlische Kanzlei und baten darum, Weihnachten zu den Menschen gehen zu dürfen.

„Was wollt ihr denn auf der Erde?“, fragte sie der alte Obersternmeister verwundert.

„Wir wollen den Menschen nur ein bisschen Licht und Wärme bringen“, antworteten die Sterne.

„Schenkt ihr ihnen nicht das ganze Jahr über genug Licht?“

„Es ist aber doch Weihnachten, Herr Obersternmeister“, baten die Sterne.

„Nun gut, geht zu den Menschen, aber schenkt nicht all euer Licht fort, sonst findet ihr nicht mehr nach Hause und müsst auf der Erde bleiben.“ So sprach der alte Obersternmeister. Die Sterne nickten froh und machten sich auf den Weg zur Erde.

Sie kamen in eine Stadt, die so dunkel war, als hätte ein Riese seinen Hut über sie gestülpt. Eines der Sternchen lief von Haus zu Haus und hauchte ein wenig gegen die Scheiben. Da entzündete sich überall ein Licht dahinter. Sogar die Menschen bekamen frohe Augen.

Das zweite Sternlein war ins Haus getreten. Überall fand es nur kalte Öfen und tote Herdfeuer vor, und die Menschen in den Stuben froren bitterlich. Da trat der Stern ans Herdloch und blies eine helle Flamme an, die den ganzen Raum durchwärmte. In vielen kalten Stuben begannen die Öfen warm zu werden und die Herde zu prasseln. Damit hatte auch der zweite Stern seine Gaben verschenkt und kehrte in den Himmel zurück.

Der dritte kleine Stern begegnete auf einer einsamen Straße einem Blinden, der mühsam seinen Stock vor sich hersetzte, um damit den Weg abzutasten. Aber er hatte seinen Weg verloren und stand nun hilflos in der Finsternis. Er rief um Hilfe und klopfte mit seinem Stock an die Wände längs der Straße, aber niemand wohnte in den Ruinen. Da trat der kleine Stern zu ihm und schenkte ihm etwas von seinem Licht, aber es war zu wenig. Erst als der Stern all sein Licht an den Blinden verschenkt hatte, begannen dessen Augen zu leben: Er sah wieder, und obwohl es eine ärmliche Welt war, die er um sich erblickte, weinte er darüber vor Freude helle Tränen. Den kleinen Stern neben sich aber gewahrte er nicht mehr, denn der hatte all seinen Glanz verloren. Der Stern fand nun nicht mehr den Weg nach Hause. So musste er wohl für immer auf der Erde bleiben, und die Menschen würden ihn für einen Stein halten und darüber hinwegtreten; denn Steine hatten die Menschen ja genug.

Als die beiden Sterne in den Himmel zurückkehrten, fragte der Obersternmeister böse, wo sie ihren Gefährten gelassen hätten. „Wir haben ihn verloren“, antworteten die beiden Sterne. Da richtete der alte Herr sein Fernrohr auf die Erde und suchte nach dem verlorenen Stern. Und er sah ihn, ohne Licht und grau wie ein Stein, auf der einsamen Straße liegen.

„Warnte ich ihn nicht, sein ganzes Licht zu vertun? Nun darf er nicht mehr nach Hause!“, schimpfte der Obersternmeister.

„Wenn wir alle ihm ein bisschen von unserem Licht abgeben, darf er dann wieder zurückkehren?“, baten die Sterne. Der Obersternmeister überlegte eine Weile, und weil es gerade Weihnachten war, mochte er nicht nein sagen. Er nickte nur. Da fuhren die beiden Sternlein auf einem Windstoß durch die Milchstraße und sammelten überall die Lichtspenden ein. Es ward so viel Licht, dass sie es gar nicht mehr tragen konnten. Dann fuhren sie zur Erde nieder, um dem erloschenen Stern das Licht zu bringen. Wie freute er sich, als er wieder leuchtete, und er funkelte schöner und herrlicher als früher.

Nun steht er wieder am Himmel. Mitten in der Milchstraße. Wer Zeit dazu hat, suche ihn mal vor dem Schlafengehen – oder denke über diese Geschichte nach.

Ernst Wichert

10.Ein Esel geht nach Bethlehem

Hinführung: Ein kleiner Esel auf dem Weg zur Krippe wird belächelt und verspottet. Aber er hält durch und – wird belohnt.

Vorlesedauer:ca.5Minuten.

Zu jener Zeit, als über dem Stall von Bethlehem ein heller Stern stand, ging ein Raunen durch das Land: Ein Kind ist geboren in einem ärmlichen Stall! Es soll der neue König sein!

Ein König in einer Krippe auf Heu und Stroh? Ungläubig schüttelten die Leute die Köpfe. Doch ein jeder, der an den König glaubte, machte sich auf den Weg nach Bethlehem. Auch ein kleiner Esel wollte gehen. Aber sein Herr sagte: „Das ist doch Unsinn! Ein König wird in einem Palast geboren und nicht in einem Stall.“ Und er verbot dem Esel, nach Bethlehem zu gehen.

Da aber der Glaube des kleinen Esels so stark war, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich unbemerkt davonzustehlen.

Es war tiefe Nacht, als der kleine Esel fortging. Er fürchtete sich in der Dunkelheit und wäre am liebsten gleich wieder umgekehrt. Doch wollte er nicht den neuen König begrüßen? „Gewiss wird dieser mich freundlich anlächeln“, dachte der kleine Esel. Bei diesem Gedanken verflog seine Angst. Und der kleine Esel ging weiter, Schritt für Schritt nach Bethlehem. Steile Hügel musste er überwinden, und die Wege waren steinig. Doch der Esel achtete nicht darauf. Er dachte nur an den König, den er begrüßen wollte.

Unterwegs begegnete er vielen Tieren. „Wohin gehst du, kleiner Esel?“, fragte ihn ein Kamel. „Nach Bethlehem. Ein neuer König soll dort geboren sein. Ich will ihn begrüßen. Darüber wird sich der neue König freuen und mich anlächeln.“

„Was bildest du dir ein, du Esel! Der König wird dich niemals anlächeln. Davonjagen wird er dich, weil du nur ein einfältiges Tier bist“, sprach das Kamel und stapfte weiter.

Traurig blickte der kleine Esel dem Kamel nach. Was sollte er tun? Sollte er weitergehen? Oder lieber umkehren?

Engel in goldenen Gewändern waren den Hirten auf dem Felde erschienen. So wurde erzählt. Sie hatten von dem neuen König gesungen und von Frieden auf Erden. „Ein König, welcher Engel vorausschickt, damit sie sein Kommen ankündigen und Frieden auf Erden verheißen, der wird mich nicht fortjagen“, sagte der kleine Esel bei sich. Und zuversichtlich trottete er weiter, Schritt für Schritt nach Bethlehem.

Auf einer Anhöhe stand ein Löwe. Geringschätzig musterte er den Esel, der einen König begrüßen wollte, und sprach: „Nur mich wird der neue König anschauen, bin ich doch ein gewaltiges Tier, du aber bist ein Nichts.“ Der Löwe schüttelte seine prächtige Mähne und sprang davon. Verschüchtert blieb der kleine Esel stehen.

Eine Hyäne trat ihm in den Weg. „Du törichter Esel!“, grinste sie. „Du bist gerade gut genug, Lasten zu tragen, aber nicht würdig, deinen Rücken vor einem König zu beugen. Geh zurück, woher du gekommen bist“, höhnte die Hyäne und machte sich davon.

Zurückgehen sollte er? Nein, das wollte er nicht. Was wussten denn alle diese Tiere von seinem brennenden Wunsch, den König in der Krippe zu sehen? Und was konnte er dafür, dass er ein Esel war?

Immer wieder kamen Tiere vorüber, die ihn auslachten. Ein Wolf musterte ihn verächtlich. Selbst die Schafe machten sich über ihn lustig. Und ein Widder zeigte ihm unfreundlich den Rücken.

Da begann der Esel sich seiner grauen Eselshaut zu schämen und wagte kaum noch die Augen zu heben. So geschah es, dass er vom Weg abirrte und in der Dunkelheit beinahe zu Tode stürzte. Der kleine Esel rieb sich die schmerzenden Flanken und ließ mutlos den Kopf hängen. Wie finster es war! Nirgends ein Licht, welches Trost spendete. Oder täuschte er sich? Löste sich die Finsternis nicht auf in einen goldenen Dunst?

Die Engel, die in goldenen Gewändern zu ihm herabgestiegen waren, konnte der kleine Esel nicht erkennen. Aber er spürte ihre Nähe. Vertrauensvoll folgte er ihnen Schritt für Schritt nach Bethlehem.

Der kleine Esel achtete nun nicht mehr auf die Tiere, die ihm begegneten. Er hörte auch ihren Spott nicht mehr. Er sah nur noch das Licht, welches sich ausbreitete und immer heller wurde. Da erblickte er den Stern über Bethlehem!

Freudig betrat der kleine Esel den ärmlichen Stall. Darin lag ein Kind auf Heu und auf Stroh, so wie es gesagt worden war. Leise begrüßte der kleine Esel den neugeborenen König. Und als das Kind ihm freundlich zulächelte, da wusste der kleine Esel, dass der neue König auch dem geringsten seiner Geschöpfe Liebe schenkt.

Gerda Marie Scheidl

11.Tiere an der Krippe

Hinführung: Die Tiere überlegen, wie sie dem Kind in der Krippe eine Freude machen können.

Vorlesedauer:ca.2Minuten.

In der Nacht, als der König der Welt geboren wurde, waren es außer Maria und Josef Tiere, die als Erste das Jesuskind sehen konnten. Genauer gesagt: Ochs und Esel, die friedlich im hinteren Teil des halb verfallenen Stalles ruhten, bekamen die Geburt hautnah mit. Und dann waren es Hunderte von Schafen, die mit ihren Hirten zum Kind in der Krippe eilten. Ihr vielzähliges Blöken ließ das Kind in den Armen seiner Mutter fröhlich lächeln.

Die Tiere sagten untereinander, dass sie ein solch schönes und strahlendes Menschenkind noch nie gesehen hatten, und sie überlegten, welche Freude sie ihm wohl machen könnten.

Der Ochs sagte: „Ich werde mich an den Eingang der Hütte stellen, dann kann kein schlechter Mensch und kein böses Tier hier hineinkommen.“

Der Esel sagte: „Ich werde jetzt nicht mehr so störrisch sein und die Mutter mit ihrem Kind auf meinem Rücken über das Gebirge tragen.“

Und die Schafe stritten sich fast, weil jedes von ihnen dem Kind seine Wolle schenken wollte, damit es etwas Warmes zum Anziehen habe.

Nur einer, der grauschwarze Schäferhund Selgra, wusste nicht, wie er das Kind erfreuen sollte. und er wurde ganz traurig.

Da kam eine Spitzmaus aus dem Stroh gelaufen und setzte sich neben Selgra. Sie hatte überhaupt keine Angst. „Ich weiß, was du tun kannst“, sagte sie, „du kannst doch so toll springen! Zeige dem Christuskind deine Künste!“

Der Hund schaute zuerst erstaunt, dann aber nickte er strahlend. Und er sprang hoch und weit und überschlug sich: er sprang über die Krippe auf den Rücken des Esels, machte auf dem Nacken des Ochsen Männchen und war ganz aus dem Häuschen.

Ein glückliches Lächeln war im Gesicht des Christuskindes. Und auch Ochs und Esel, die Schafe, die Hirten und Maria und Josef klatschten begeistert Beifall. So waren alle zufrieden und freuten sich. Auch die Maus war froh, denn sie hatte Selgra etwas geschenkt, das dann alle fröhlich machte: ihren klugen Rat!

Hans Orths

12.Das Jesuskind liebt alle Tiere

Hinführung: An der Krippe sind manchmal viele Tiere versammelt: die Schäfchen, der Esel, der Ochs, das Kamel, manchmal sogar das Pferd und der Elefant. Was meinst du, welches Tier das Kind in der Krippe am meisten lieb hat?

Vorlesedauer:ca.2½Minuten.

In der Vorfreude auf den Heiligen Abend hatten die vier Kinder schon drei Tage vorher die Krippenfiguren aus der untersten Schublade holen dürfen. Nur Maria und Josef und das Kind mussten noch zweimal schlafen. Jetzt standen die Figuren in Reih und Glied: die ernsten Hirten, die prächtigen Könige, der kleine Junge mit dem Apfelkörbchen und das Mädchen mit dem weißen Lamm; daneben all die vielen weißen Schäfchen, der steifbeinige Ochse und das Eselchen mit den langen Ohren und den melancholischen Augen. Dann kamen die großen Tiere: das stolze Pferd, das für Europa an der Krippe steht, das Kamel mit der langen Nase für den Erdteil Asien und der majestätische, breite und glänzende Elefant, der für Afrika wie ein Turm dastand. So sehr der kleine Hans diesen Elefanten auch liebte, er durfte ihn sowie Pferd und Kamel erst ganz weit entfernt vom Stall aufstellen, weil sie erst am Dreikönigstag zur Krippe finden.

Für Leon war das Kamel überhaupt das interessanteste Tier an der Krippe, weil es wochenlang nichts fressen braucht, da es genug Vorräte in seinem Höcker hat, und weil es mit seinen breiten Füßen nicht im Sand einsinkt und vor allem, weil es viel Wasser in seinem langen Hals speichern kann. Hanna schwörte auf das Pferd und hätte es am liebsten noch zwei Nächte mit ins Bett genommen. Die kleine Susi griff nach einem Schäfchen, um es lieb zu halten; es war so schön weiß. Gewiss liebte das Kind in der Krippe die Schäfchen am meisten!