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Die HADES-Saga geht weiter!
Als Hera, die Göttin der Frauen, offenbart, dass sie plant Zeus zu stürzen, pocht sie auf Hades’ Unterstützung - doch der Gott der Unterwelt bricht keine Regeln. Nur hat Hades nicht damit gerechnet, dass Hera sich rächt: Sie zwingt ihn eine Reihe von Aufgaben zu bewältigen, die mit jedem Mal schwerer und unglaublicher werden und Hades gesamte Aufmerksamkeit verlangen. Sogar seine geliebte Persephone verliert er aus den Augen - und erkennt erst viel zu spät, dass die angehende Königin der Unterwelt mit ihren eigenen Tragödien zu kämpfen hat ...
Band 2 der HADES-Saga von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Scarlett St. Clair
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Seitenzahl: 581
Titel
Zu diesem Buch
Leser:innenhinweis
Widmung
Teil I
Kapitel Eins
Kapitel Zwei
Kapitel Drei
Kapitel Vier
Kapitel Fünf
Kapitel Sechs
Kapitel Sieben
Kapitel Acht
Kapitel Neun
Kapitel Zehn
Kapitel Elf
Kapitel Zwölf
Kapitel Dreizehn
Teil II
Kapitel Vierzehn
Kapitel Fünfzehn
Kapitel Sechzehn
Kapitel Siebzehn
Kapitel Achtzehn
Kapitel Neunzehn
Kapitel Zwanzig
Kapitel Einundzwanzig
Kapitel Zweiundzwanzig
Kapitel Dreiundzwanzig
Kapitel Vierundzwanzig
Kapitel Fünfundzwanzig
Teil III
Kapitel Sechsundzwanzig
Kapitel Siebenundzwanzig
Kapitel Achtundzwanzig
Kapitel Neunundzwanzig
Kapitel Dreißig
Bonusinhalt
Anmerkung der Autorin
Die Autorin
Die Romane von Scarlett St. Clair bei LYX
Impressum
Scarlett St. Clair
A Game of Retribution
Roman
Ins Deutsche übertragen von Silvia Gleissner
Hades, der König der Unterwelt, sitzt in der Falle. Er will Hera bei ihrem Plan, Zeus zu stürzen, nicht helfen. Doch die Göttin der Frauen und der Ehe pocht auf Hades’ Unterstützung – und droht, die zukünftige Ehe zwischen ihm und Persephone zu verfluchen. Um diesem Schicksal zu entkommen, willigt Hades ein, zwölf Aufgaben für Hera zu bewältigen, die mit jedem Mal schwerer und riskanter werden. Diese Bürde verlangt seine gesamte Aufmerksamkeit, sodass er sogar seine geliebte Persephone aus den Augen verliert. Ein fataler Fehler, denn die angehende Königin der Unterwelt hat mit ihren ganz eigenen Tragödien zu kämpfen – und beginnt zu hinterfragen, ob sie wirklich an Hades’ Seite bleiben kann …
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.
Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.
Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Wir wünschen uns für euch alle
das bestmögliche Leseerlebnis.
Euer LYX-Verlag
Dieses Buch verdankt ihr Hozier und einer wirklich guten Redakteurin. Danke, Christa.
»Sein Fall war wie der Beginn der Nacht.«
Homer, »Ilias«
KAPITEL EINS
Hades manifestierte sich im Schatten der Haupttribüne der Hellenischen Rennstrecke. Schon bald würden hier die herrlichen Zuchthengste der Götter im ersten von drei Rennen gegeneinander antreten, und am Ende dürfte der schnellste unter ihnen den Weg beschreiten, ein Hippokamp von Poseidon zu werden – eines der wertvollen fischschwänzigen Pferde, die seinen Meeresstreitwagen zogen. Doch nicht diese sogenannte Ehre war der Grund für Hades’ Anwesenheit, und auch nicht der übliche Kick, den ihm die Aussicht auf eine risikoreiche Wette bot. Er war hier, um die Echtheit eines angeblichen Orakels, das unter dem Namen Akakios bekannt war, auf die Probe zu stellen.
Hades war sowohl vertraut mit dem Namen als auch den Aktivitäten des Mannes – ein wohlbekannter Relikthändler, der sich hinter der Fassade eines Werkstattbetriebs verbarg. Hades und sein Team hatten seine Angelegenheiten schon seit mehreren Monaten ins Auge gefasst. Sie kannten seine Routinen, seine Ausbildung, seine Briefwechsel, deshalb wurde Hades misstrauisch, als Akakios plötzlich begann, Sterblichen auch einen Blick in die Zukunft zu bieten.
Dabei bot er nicht nur die Zukunft. Er schien eine Art Allwissenheit erlangt zu haben, die nur durch einen göttlichen Segen oder den Besitz von Relikten möglich war – und Hades wusste, dass Ersteres nicht der Fall war, also musste es Letzteres sein.
Er hatte Ilias vorgeschickt, um an seiner Stelle bei dem Rennen zu wetten, und nun stand der Satyr neben der Rennstrecke, das widerspenstige Haar nach hinten gekämmt und im Nacken zusammengebunden, wodurch seine Hörner noch größer und ausgeprägter wirkten. Hades überquerte die Grünfläche, auf der schon bald zwanzig Hengste um die Wette laufen würden, und näherte sich ihm. Sterbliche machten dabei einen weiten Bogen um ihn, doch starrten ihm trotz ihrer Furcht neugierig nach. Heute schien ihre Neugier sogar umso größer, nachdem er offen seine Zuneigung zu einer Person gezeigt hatte, die sie ebenfalls für sterblich hielten.
Persephone, die alles andere als sterblich war, aber darauf bestand, so zu tun, als wäre sie es. Das bereitete ihm weit mehr Sorgen, als er zugeben wollte.
Er hatte nur wenige Laster, darunter Rennen, Whiskey und nun eben Persephone, seine Göttin des Frühlings. Zwei dieser drei hatten nie seine Routinen gestört und nie genug Ablenkung geboten, um sie als solche überhaupt zu bezeichnen.
Aber Persephone war weit mehr als das – sie war eine Sucht. Eine Sehnsucht, die er nie stillen konnte. Selbst jetzt kämpfte er gegen den instinktiven Drang an, zu ihr zurückzukehren, obwohl er den größten Teil des Wochenendes mit ihr verbracht hatte, ihren Körper erforscht hatte und in ihr gewesen war. Sie war auch der Grund, warum er jetzt so spät dran war. Er hatte nicht von ihrer Seite weichen wollen, zum Teil auch, weil er besorgt war, ob sie bleiben würde, trotz ihres Versprechens, dass sie auf seine Rückkehr in die Unterwelt warten würde.
Seine Zweifel bescherten ihm eine heiße Woge der Frustration.
Er hatte nie an sich gezweifelt, aber wenn es um Persephone ging, zweifelte er an allem … sogar an ihrer beider Schicksal.
»Ihr seid spät«, meinte Ilias, ohne ihn anzusehen, denn er hielt den Blick auf das Starttor gerichtet, wo sich Pferde und Jockeys in Stellung brachten.
»Und du bist ein Satyr«, konterte Hades und folgte seinem Blick.
Daraufhin warf Ilias ihm einen Blick zu und hob eine Augenbraue.
»Ich dachte, wir sind gerade dabei, das Offensichtliche festzustellen«, meinte Hades.
Er wurde nicht gern an seine Fehler erinnert, obwohl jene, die ihm am nächsten standen – insbesondere Hekate, die Göttin der Zauberei und Magie –, es scheinbar genossen, ihn immer wieder daran zu erinnern, wie überaus fehlbar er war.
Oder, wie sie es gern ausdrückte, ein Dummkopf.
»Wie sieht es aus?«, fragte Hades und beäugte die kraftvollen Tiere, die sich in ihre jeweiligen nummerierten Startboxen begaben.
»Ich habe auf Titan gesetzt«, sagte Ilias. »Genau wie Ihr mir geraten habt.«
Hades nickte und blickte zu der großen Tafel, auf der die Quoten standen. Titan war für den zweiten Platz favorisiert.
»Ich bin überrascht, dass Ihr nicht Kosmos bevorzugt habt«, bemerkte Ilias.
Hades hörte auch, was der Satyr nicht aussprach – wenn Ihr gewinnen wollt, warum setzt ihr auf Titan? Er kannte Kosmos und dessen Trainer und wusste, dass er ein Favorit Poseidons war. Demzufolge war es wahrscheinlich, dass kein anderes Pferd bei diesem Rennen eine Chance hatte.
Andererseits war es ein Rennen der Göttlichen, und das bedeutete, dass alles möglich war.
»Die Wette ist ein Test«, antwortete Hades.
Ilias sah Hades fragend an, aber er bot keine weitere Erklärung.
Die Pferde und ihre Reiter waren hinter dem Tor in Position, und in wenigen Minuten würde das Rennen beginnen. Hades fühlte eine Anspannung in sich, eine Vorfreude auf das Rennen, die sich in der verzückten und bunten Menge widerspiegelte. Wie bei so vielen Dingen in New Greece ging es beim Pferderennen nicht hauptsächlich um das Rennen, sondern um Mode und darum, gesehen zu werden. Die Outfits waren vielleicht nicht so extrem wie bei der Olympischen Gala, aber die Hüte und Frisuren durchaus.
»Lord Hades.« Eine Stimme lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich, und er drehte sich um und sah Kal Stavros wenige Schritte hinter sich stehen. Kal war der CEO von Epik Communications, einem Medienkonglomerat. Ihm gehörten Fernseh- und Radiosender, Nachrichtenagenturen, sogar Themenparks. Darunter die New Athens News.
Hades hasste die Medien aus vielerlei Gründen, aber Kal Stavros stand fast ganz oben auf der Liste, nicht nur weil er die Verbreitung von Falschinformationen förderte, sondern auch weil er ein Magus war, ein Sterblicher, der dunkle Magie praktizierte, und bereits zweimal wegen Missbrauchs gemaßregelt worden war.
Ein drittes Mal, und er würde verbannt und möglicherweise bestraft werden.
Wie so viele blieb der Sterbliche auf Abstand zu Hades, auch wenn er die Hände in die Taschen seiner gebügelten dunkelblauen Anzughose geschoben hatte, um Lässigkeit zu demonstrieren. Seine leuchtend blauen Augen glitzerten, doch Hades wusste, dass es keine Bewunderung war. Wenn Kal den Gott der Toten ansah, dann sah er nur Macht und Potenzial.
Beides Dinge, die er nicht besaß.
Kal nahm die Hände aus den Taschen, um sich zu verneigen, und Hades machte ein finsteres Gesicht – nicht nur für Kal, sondern auch für jene in seiner Nähe. Er wollte nicht, dass jemand vielleicht angesichts ihrer Begegnung dachte, dass sie sich nahestünden.
»Es ist mir ein Vergnügen«, meinte Kal und richtete sich grinsend wieder auf.
»Kal«, sagte Hades. »Was verschafft mir die Störung?«
Seine Worte klangen deutlich ablehnend, doch falls der Sterbliche es bemerkte, ignorierte er es.
»Vergebt mir«, meinte er bloß, auch wenn er ganz und gar nicht zerknirscht klang. »Ich hätte mich Euch anderswo genähert, aber ich habe schon seit Wochen um ein Treffen gebeten und nichts gehört.«
Hades’ Gereiztheit wuchs, wie eine dezente Hitze, die sich in seiner Kehle staute.
»Schweigen wird für gewöhnlich als ein Nein verstanden, Kal«, antwortete er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Tor zu. Jeder andere hätte dies als Entlassung verstanden, aber Kal nicht. Er hatte schon oft den Fehler gemacht, zu nahe an die Sonne zu fliegen, und wie es aussah, wollte er es wieder tun.
Er wagte es tatsächlich näher zu treten, und Hades’ richtete sich auf und ballte die Fäuste. Er nahm auch Ilias’ drohenden Blick wahr.
»Ich hatte gehofft, mit Euch über eine mögliche Partnerschaft sprechen zu können«, meinte Kal. »Eine zu … gegenseitigem Nutzen.«
»Die Tatsache, dass du glaubst, du könntest mir nutzen, Kal, offenbart dein erhebliches Maß an Überheblichkeit und Ignoranz.«
»Wenn man Eure kürzliche Erfahrung mit einer gewissen Journalistin in Betracht zieht, denke ich das nicht.«
In Kals Stimme lag ein Anflug von Ärger, doch seine Worte weckten Hades’ Aufmerksamkeit – und aus dem lauen Gefühl der Gereiztheit wurde ein Inferno.
»Vorsicht, was du da sagst, Kal«, warnte Hades. Er wusste nicht, wohin dieses Gespräch führen würde, aber ihm gefiel nicht mal die Aussicht darauf, dass Persephones Name über die Lippen dieses Sterblichen kommen könnte.
Kal grinste, ohne die Gefahr zu bemerken, in der er schwebte – oder vielleicht wollte er Hades auch verärgern und ihn dazu bringen, in der Öffentlichkeit auszurasten, damit seine Reporter etwas davon hatten.
»Ich könnte dafür sorgen, dass Euer Name nie wieder in den Medien auftaucht.«
Diese Worte trafen Hades wie heißes Öl, auch wenn er es nicht zeigte. Obwohl Kals Angebot ihn nicht im Mindesten reizte, fragte er: »Was genau schlägst du vor?«
»Eure öffentliche Beziehung mit einer meiner Journalistinnen …«
»Sie ist nicht deine Journalistin, Kal«, knurrte Hades.
Der Sterbliche starrte ihn einen Moment lang an, fuhr dann aber fort. »Wie dem auch sei, Ihr habt ihr gestattet, über Euch zu schreiben, was andere dazu ermutigen wird, dasselbe zu tun und sich dabei auf Eure Beziehung zu stürzen. Wollt Ihr das?«
Das wollte er ganz und gar nicht, vor allem weil es Persephone noch mehr in Gefahr bringen würde.
»Deine Worte klingen seltsam drohend, Kal«, meinte Hades.
»So ist es ganz und gar nicht«, antwortete der Mann. »Ich weise lediglich auf die Konsequenzen Eurer Taten hin.«
Hades war sich nicht sicher, was der Sterbliche mit Taten meinte. Dass er Persephone die Artikel hatte schreiben lassen? Oder spielte er auf ihr jüngstes öffentliches Wiedersehen vor dem Coffee House an, bei dem sie losgerannt und in seine Arme gesprungen war, ohne dabei die Schaulustigen zu beachten, die das Ganze fotografiert und gefilmt hatten?
»Ich kann Euch helfen, Eure Privatsphäre zu schützen.«
»Für einen Preis, meinst du?«
»Einen kleinen«, gab Kal zu. »Nur einen Anteil an der Eigentümerschaft des Iniquity.«
Da wurde Kals Stimme übertönt von einer lauten Glocke, gefolgt vom Getöse der sich öffnenden Tore und dem Donnern der Hufe, als alle zwanzig Pferde lospreschten. Die Stimme des Sprechers erhob sich über die lärmende Menge:
»Wie erwartet geht Kosmos früh in Führung, dahinter Titan …«
Er ratterte noch weitere Namen herunter – Layland in der Innenbahn, Maximus außen, doch die ganze Zeit über blieb Kosmos in Führung, mit Titan nur um eine Länge hinter ihm. Die Worte des Sprechers machten Hades das Herz schwer, und er knirschte mit den Zähnen, erbittert vom Jubel der Menge – doch dann geschah etwas Unerwartetes. Titan schien besser Fuß zu fassen, und dann segelte er förmlich an Kosmos vorbei über die Ziellinie.
Die Stimme des Sprechers wurde lauter, als er aufgeregt den Gewinner verkündete.
»Titan, der dunkle Hengst und Superstar der Göttlichen, gewinnt den Hellenischen Cup! Kosmos ist Zweiter!«
Innerhalb von Minuten war das Rennen vorbei, und Hades wandte sich vom Geländer ab und wollte gehen, als eine Hand sich auf seinen Arm legte.
»Unser Handel, Hades«, beharrte Kal.
Da drehte der Gott sich blitzschnell um, packte Kals Handgelenk und schob ihn von sich.
»Verpiss dich, Kal.«
Und damit verschwand er.
Hades manifestierte sich an der Bar des Nevernight.
Der Club war makellos, die Tanzfläche leer, doch er wusste, dass seine Angestellten sich im Schatten aufhielten und für die Öffnung heute Nacht bereit machten – ein Ereignis, das nie ganz friedlich ablief. Zwangsläufig gab es immer ein paar Leute, die glaubten, ihr Status würde ihnen Zutritt gewähren, und je nach Anspruchsdenken führte das zu sehr öffentlichen Wutanfällen, die Mekonnen – oder in sehr ernsten Fällen Ilias – dann handhaben musste.
Sterbliche und Unsterbliche gleichermaßen hörten nie auf, die Fehler der Menschheit anschaulich vorzuführen. Es gab Augenblicke, in denen Hades sich fragte, ob es richtig gewesen war, solch ein Paradies in der Unterwelt zu erschaffen. Vielleicht wäre es besser, wenn sie das Jenseits fürchteten – wenn sie ihn fürchteten. Dann würden Menschen wie Kal es nie wagen, mit derart hochfahrenden Vorstellungen an ihn heranzutreten.
Bei dem Gedanken an die Dreistigkeit des Mannes überkam ihn eine weitere Woge der Verdrossenheit.
Noch schlimmer, Kals Ersuchen brachte eine weitere Sorge mit sich – die um Persephones Sicherheit. Hades hatte unzählige Feinde. Er wollte nur sehr ungern etwas an ihrem Wiedersehen bereuen, aber er hätte vorsichtiger sein sollen. Er hätte sie beide in eine Aura hüllen und teleportieren können – alles, um zu verhindern, dass die Öffentlichkeit Einblick in ihr Leben bekam und sie so exponiert war.
Doch der Schaden war schon angerichtet, und die Welt sah zu.
War Persephone darauf vorbereitet? Es war eine Sache, beliebt zu sein, aber eine ganz andere, die erwählte Geliebte eines Gottes zu sein. Sie wollte nicht ihrer Göttlichkeit wegen bekannt sein. Würde sie es müde werden, als seine Geliebte bekannt zu sein?
Er nahm eine Flasche Whiskey vom Regal vor der hintergrundbeleuchteten Wand und trank direkt einen Schluck. Plötzlich spürte er, dass er nicht allein war, und als er sich umdrehte, sah er Hera, die Göttin der Ehe und seine neidische Schwägerin. Sie stand mitten auf der Tanzfläche, gekleidet in tadelloses Weiß, ihr Gesicht kantig und stolz.
Nur geringfügig weniger streng als Demeters Gesicht, dachte er.
»Etwas früh für Alkohol«, meinte sie. In ihrer Stimme lag Abscheu, obwohl er wusste, dass sie hier war, um Wünsche zu äußern. Sie machte sich nie die Mühe, mit anderen Absichten an ihn heranzutreten.
»Etwas früh für deine Verurteilung«, antwortete Hades und widmete sich wieder seiner Flasche – quasi ein Hinauswurf für Hera, die einen Moment lang still stehen blieb, bevor sie tief durchatmete und einen Schritt näher an die Bar herantrat.
Hades machte sich gefasst auf das, was nun kommen mochte.
Er wusste, dass es ihm nicht gefallen würde.
»Bevor ich beginne: Ich hoffe, mein Besuch bei dir bleibt anonym.«
Hades hob eine Augenbraue. »Das kommt darauf an, was du sagen willst.«
Er trank noch einen Schluck, nur um seinen Standpunkt deutlich zu machen.
Heras Miene versteinerte.
Hades hegte keine Abneigung gegen die Göttin, aber er mochte sie auch nicht besonders. Für ihn war sie neutrales Territorium. Ihre rachsüchtige Natur wurde häufig von Zeus angestachelt, denn seine Untreue war der Anlass für viele ihrer Ausbrüche. Im Grunde genommen war die Ehe zwischen Zeus und Hera auf Betrug aufgebaut, aber ihre Grausamkeit war dennoch deplatziert, da sie sich immer gegen jene richtete, die Opfer von Zeus wurden.
Hera hob das Kinn und sah ihn finster an.
»Dir sind Zeus’ Taten wohlbekannt«, sagte sie. »Das Unheil, das er in der menschlichen Rasse anrichtet.«
Sie hatte nicht unrecht. Obwohl keine Gottheit besonders unschuldig war, hatte Zeus der Menschheit wahrscheinlich sogar am meisten geschadet.
»Und auch deine Taten sind mir wohlbekannt«, konnte sich Hades nicht verkneifen.
Heras Mund verhärtete sich noch mehr, und ihre Stimme zitterte. »Ich habe Gründe dafür. Du weißt, wieso.«
»Nenne das Kind ruhig beim Namen, Hera – pure Rache.«
Sie ballte die Hand zur Faust. »Als hättest du noch nie Rache gesucht.«
»Ich urteile nicht über dich«, meinte er und fragte nach einem Moment: »Warum bist du hier?«
Sie starrte ihn an, und Hades erinnerte sich daran, dass er Heras Augen nicht mochte. Das war leicht zu vergessen, da sie meistens bei Zeus stand, und wenn er an ihrer Seite war, erschien sie eher desinteressiert und beinahe unnahbar. Doch wenn man sich im Fokus ihrer Aufmerksamkeit befand, bekam man ihren stechenden Blick zu spüren.
»Ich bin hier, um deine Loyalität zu gewinnen«, erklärte sie. »Ich will Zeus stürzen.«
Das überraschte Hades nicht allzu sehr. Dies war schließlich nicht das erste Mal, dass Hera versuchte, Zeus zu entthronen. Tatsächlich hatte sie es schon zweimal versucht, und sie hatte es geschafft, sich die Hilfe mehrerer Gottheiten zu sichern – und zwar von Apollo, Poseidon und sogar Athene. Doch nur einer von den dreien hatte es auch geschafft, Zeus’ Zorn zu entkommen, sobald dieser wieder frei gewesen war.
»Nein.«
Seine Antwort kam ganz schnell, ohne lange darüber nachzudenken. Hades gefiel Zeus’ Tyrannei ebenso wenig wie jeder anderen Gottheit, aber er kannte auch Heras Absichten. Da war es ihm doch lieber, dass sein launischer Bruder den Thron innehatte, als sie.
»Du willst ablehnen, obwohl du seine Verbrechen kennst?«
»Hera …«
»Nimm ihn nicht in Schutz«, fauchte sie.
Er hatte gar nicht die Absicht, Zeus in Schutz zu nehmen, aber Tatsache war, dass er nur deshalb der König war, weil sie Lose gezogen hatten. Er hatte keine größere Macht als Hades oder Poseidon.
»Du hast es schon einmal versucht und bist gescheitert. Was lässt dich denken, dass es diesmal anders sein wird?«, fragte Hades, denn er war wirklich neugierig. Hatte Hera eine Waffe in ihren Besitz gebracht oder eine Allianz geschmiedet, von der sie glaubte, sie würde den Lauf des Schicksals verändern?
Statt einer Antwort stellte sie fest: »Also hast du Angst.«
Hades knirschte mit den Zähnen. Zeus war die letzte Person im Kosmos, die er fürchtete. Er war lediglich vorsichtig. Das war ein Unterschied.
»Du willst meine Hilfe?«, meinte Hades. »Dann beantworte die Frage.«
Ein hartes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Du scheinst zu glauben, du hättest eine Wahl, doch ich halte deine Zukunft in Händen.«
Hades machte schmale Augen. Er musste nicht fragen, was sie damit meinte. Hera hatte die Fähigkeit, Ehen zu segnen – oder zu verfluchen. Wenn sie es wollte, konnte sie dafür sorgen, dass er Persephone niemals heiraten würde.
»Vielleicht werde ich mich auch mal mit Demeter zusammensetzen. Ich bin schließlich die Göttin der Frauen, weißt du.«
Viele hatten gewusst, dass Demeter eine Tochter hatte, doch sie hatte deren Identität geheim gehalten, was bedeutete, dass nur wenige Gottheiten von Persephones Göttlichkeit wussten. Die neueste Ausnahme war Zeus – und damit automatisch Hera – als Demeter zu ihm gegangen war und die Herausgabe ihrer Tochter verlangt hatte. Zeus jedoch hatte kein Interesse daran gehabt, sich gegen die Moiren zu stellen, und hatte ihre Bitte abgelehnt.
»Wenn du diese Rolle wirklich ausfüllen willst, dann würdest du gut daran tun, Persephone anzuhören, nicht ihre hinterhältige Mutter. Treib keine Spielchen mit mir, Hera. Das wird nicht gut ausgehen.«
Sie gab ein kurzes abgehacktes Lachen von sich und senkte das Kinn mit finsterem Blick. »Ist das deine Antwort?«
»Ich werde dir nicht helfen, Zeus zu stürzen«, wiederholte Hades.
Er würde nie wieder etwas nach den Regeln eines anderen tun. Zeus zu stürzen war weit komplizierter, als Verbündete zu gewinnen. Der Gott des Donners hielt immer Ausschau nach Anzeichen für eine Rebellion, konsultierte Orakel und machte kluge Schachzüge, um zu verhindern, dass auch nur jemand gezeugt wurde, der mehr Macht haben könnte als er selbst. Vielleicht war das die Mühsal eines jeden Eroberers – die Furcht, dass der Ablauf sich wiederholte, so wie es mit den Titanen und den Urgöttern gewesen war. Zeus fürchtete, so zu enden wie ihr Vater Kronos und ihr Großvater Uranos.
Hades hatte keinen Zweifel, dass sich das Blatt irgendwann wenden würde und die Moiren neue Herrscher weben würden – und dann würden die Olympier ins Visier geraten. Er hatte bereits seinen Halbgottneffen Theseus im Verdacht gehabt, solche Pläne zu schmieden, obwohl ihm das Ausmaß dieser Pläne nicht bekannt war. Theseus führte die Triade an, eine Organisation, die den Einfluss und die Einmischung der Götter ablehnte. Ironisch, wenn man bedachte, dass Hades sicher war, dass Theseus hoffte, selbst volle Göttlichkeit oder zumindest gleichwertige Macht zu gewinnen.
»Dann wird dies für uns beide nicht gut ausgehen«, antwortete Hera nun.
Sie starrten einander an, und die Anspannung stieg.
»Wenn du mir nicht hilfst, Zeus zu stürzen, dann wirst du dir das Recht, Persephone zu heiraten, verdienen müssen.«
Hades ballte die Fäuste.
»Hier geht es nicht um Persephone«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»So geht das Spiel, Hades, und alle Götter spielen es. Ich habe um deine Hilfe gebeten, und du hast abgelehnt, also werde ich eben nach Vergeltung streben.«
Sie sagte es so, als ginge es hier lediglich um ein Geschäft, aber Hades kannte Hera, sie sprach keine leeren Drohungen aus. Die Göttin würde so ziemlich alles tun, um dafür zu sorgen, dass sie ihren Willen bekam, was bedeutete, dass sie sich auch nicht zu schade dafür war, Persephone zu verletzen.
»Wenn du sie anfasst …«
»Ich komme nicht in ihre Nähe, wenn du tust, was ich sage«, antwortete sie, tippte sich dann ans Kinn und musterte Hades von oben bis unten. »Also, wie kannst du dir am besten das Recht verdienen, deine geliebte Persephone zu heiraten?«
Ihr Grübeln ließ Hades innerlich kochen. Sie hatte ganz offensichtlich den Wunsch, Schmerz zuzufügen. Sie wusste, dass Hades Persephone heiraten wollte, ebenso wie sie wusste, dass er sich eines solchen Geschenkes unwürdig fühlte. Dies war ebenso sehr eine Bestrafung, wie es für sie eine Unterhaltung war.
»Ah! Ich hab’s«, meinte sie endlich. »Ich werde dir zwölf Aufgaben stellen. Deine … Vollendung einer jeden Aufgabe wird mir zeigen, wie groß deine Hingabe zu Persephone ist.«
»Schade, dass Zeus das nie für dich tun musste«, bemerkte Hades lakonisch.
Die Worte waren hart, hasserfüllt, das musste er zugeben. Denn Hades verabscheute die Art und Weise, wie Hera mit Zeus verheiratet worden war. Es war durch Täuschung und Schande geschehen, und seine Worte zerrten diese Erinnerung wieder an die Oberfläche. Hera wurde blass vor Wut.
»Töte Briareos«, befahl sie. »Das ist deine erste Aufgabe.«
Hades stockte der Atem, als er das hörte.
Briareos war einer der drei Hekatoncheiren und einzigartig in seiner Erscheinung mit seinen fünfzig Köpfen und hundert Armen. Bei Heras letztem Versuch, Zeus zu stürzen, war es Briareos gewesen, der ihn befreit und sich so Heras Zorn zugezogen hatte. Daher war es einerseits keine Überraschung, dass sie nach Rache strebte, doch ihn von Hades töten zu lassen, das war doch etwas ganz anderes.
Hades mochte Briareos und seine Brüder. Während des Titanenkrieges waren sie Verbündete gewesen, und nur durch sie hatten die Olympischen Götter letztlich die Titanen stürzen können. Sie verdienten die Ehrerbietung der Götter, nicht ihre Klingen.
»Ich kann kein Leben nehmen, das die Moiren nicht durchschnitten haben«, konterte Hades.
»Dann feilsche«, forderte Hera, als wäre das so einfach.
»Du weißt gar nicht, was du da verlangst«, sagte Hades.
Eine Seele für eine Seele. Das war der Tausch, den die Moiren fordern würden – ein Geben oder Nehmen, je nachdem, was sie anzurichten wünschten.
Die Moiren mochten es nämlich gar nicht, wenn die Götter sich in ihre Schicksalsfäden einmischten. Dies würde furchtbare Konsequenzen haben. Hades konnte das Gefühl schon unter seiner Haut spüren, als würden sich die Phantomfäden der Leben, die er verspielt hatte, zusammenziehen.
»Du hast eine Woche«, sagte Hera, ohne seinem Einwand Beachtung zu schenken.
Hades schüttelte den Kopf, und auch wenn er wusste, dass es ihr egal war, sagte er es: »Das wirst du noch bereuen.«
»Wenn ich es bereue, dann du auch.«
Daran hatte er keinen Zweifel.
Als sie verschwand, blieb Hades noch eine Weile in der Stille des Nevernight stehen und rief sich ihren Austausch ins Gedächtnis. Mit einer Sache hatte die Göttin der Ehe recht gehabt. Dies war ein Spiel, das alle Götter spielten, aber sie hatte die falschen Bauern bewegt.
Hades würde am Ende seinen Willen bekommen, und die Göttin würde noch den Tag bereuen, an dem sie beschlossen hatte, ihn auf die Probe zu stellen.
Er trank noch einen Schluck Whiskey, bevor er die Flasche durch den Raum schleuderte, wo sie in einer Explosion aus Glassplittern zerschellte.
»Verdammte Moiren.«
KAPITEL ZWEI
Töte Briareos.
Die zwei Wörter fühlten sich dick und schwer in seiner Brust an, wie ein Stein, der es ihm schwer machte, zu atmen oder zu denken, als er sich in die Unterwelt begab.
Er hatte sich seine Rückkehr ganz anders vorgestellt. Er hatte sich mit erotischen Gedanken daran beschäftigen wollen, wie er sein Wochenende mit Persephone beschließen und den frühen Morgen mit ihr verbringen würde, wenn sie sich beide ihrer Entscheidung stellen mussten, wie sie mit ihrer Beziehung an die Öffentlichkeit gehen wollten – eine Entscheidung, bei der Hades nicht sicher war, ob sie darauf vorbereitet waren. Wenn man Kals vorherigen Versuch einer Art Erpressung bedachte, kreisten die Haie wohl schon.
Nun war er abgelenkt von Heras ungewöhnlichem Befehl und musste Pläne abwägen, um ihren Aufgaben zu entgehen. Sie war nicht die einzige Gottheit mit der Macht, eine Ehe zu segnen, obwohl ihre Fähigkeit, Ehen zu verfluchen, weit gefürchteter war. Letztendlich jedoch lag die Entscheidung bei Zeus, und Hades dachte nicht, dass sein Bruder seine Zustimmung geben würde, wäre Hades für Briareos’ Tod verantwortlich.
Götter, er hasste seine Familie.
Hades erschien in seinem Büro und wollte sich auf die Suche nach Persephone machen – doch er stellte fest, dass er nicht allein war. Thanatos wartete schon. Der Gott des Todes hielt Hades oft über die täglichen Aktivitäten der Seelen auf dem Laufenden – vor allem wenn etwas schiefging. Der Gedanke ließ Hades innehalten.
»Stimmt etwas nicht, Thanatos?«, fragte er, als der Gott eine tiefe Verbeugung machte, sodass sein langes weißblondes Haar sein Gesicht verschleierte.
»Nein, alles in Ordnung, mein Lord«, antwortete Thanatos, als er sich aufrichtete, und seine dunklen Flügel raschelten. Er sah aus wie ein schlanker Schatten, sein Kopf war gekrönt mit einem Paar Gayalhörnern. »Ich wollte Euch lediglich auf ein … Ereignis aufmerksam machen.«
»Ein … Ereignis?«
»Beim Styx«, antwortete Thanatos. »Lady Persephone hat die Seelen begrüßt.«
Daran dass Persephone die Seelen begrüßte, war grundsätzlich nichts Falsches, aber die Art, wie Thanatos ihm die Information präsentierte, ließ Hades’ Herz rasen.
»Komm zum Punkt, Thanatos«, befahl er unwirsch. »Geht es ihr gut?«
Der Gott des Todes blinzelte.
»Nun, ja, natürlich«, sagte er hastig. »Ich wollte nichts anderes andeuten. Ich dachte nur, vielleicht wollt Ihr es wissen und sie … warnen. Ihr wisst ja, dass neue Seelen sehr unberechenbar sein können.«
Hades empfand sofort Erleichterung, auch wenn sein Ärger über Thanatos stieg.
»Willst du etwa … nur tratschen, Thanatos?«, fragte er und zog eine Augenbraue hoch.
Der Gott machte große Augen. »Ich … Nein, das war nicht meine Absicht. Ich dachte nur, Ihr solltet es wissen …«
Hades grinste schief. »Ich werde mit Persephone reden«, sagte er. »Aber wenn du mir das nächste Mal von ihren Heldentaten berichten willst, schlage ich vor, du beginnst damit, wie es ausgegangen ist.«
Thanatos bleiches Gesicht wurde rot. »Ja, mein Lord.«
Ohne ein weiteres Wort verließ Hades sein Büro, um Persephone zu suchen.
Sie war nicht schwer zu finden. Er konnte sie in seinem Reich wahrnehmen. Ihre Präsenz war ein steter Puls, der im Gleichklang mit seinem Herzen schlug. Er folgte ihm, davon angezogen, und fand sie in der Bibliothek in einem der dick gepolsterten Sessel beim Kamin. Selbst wenn er sie nicht hätte wahrnehmen können, hätte er vermutet, dass sie hier Trost suchte. Seine Bibliothek war einer ihrer Lieblingsorte im Palast, und er fand es tröstend, dass es ihr selbst nach ihrer Zeit der Trennung – obwohl er daran nur sehr ungern erinnert wurde – so leichtfiel, zu ihrer vorherigen Routine zurückzukehren.
Von seinem Platz an der Tür konnte er gerade so ihren Blondschopf ausmachen, und als er näher trat, sah er, dass sie las. Eine wirre Mischung an Gefühlen stieg in ihm auf – warme Erleichterung und kaltes Grauen.
Nun war sie hier.
Nun war sie präsent.
Aber der vergangene Monat hatte ihn gelehrt, dass das in nur einem Augenblick enden konnte, und Heras Aufgaben linderten seinen inneren Aufruhr nicht gerade, auch wenn er es schaffte, diese Gefühle zu unterdrücken, während er näher kam.
»Ich dachte mir, dass ich dich hier finden würde«, meinte er, streckte die Hand nach ihr aus und suchte ihren Mund. Er legte die Hand unter ihr Kinn, hob ihren Kopf und presste seine Lippen auf ihre. Sie richtete sich auf, ihm entgegen, und legte die Hand um seinen Nacken, als sie miteinander verschmolzen.
Hades gefiel es. Es erdete ihn, erinnerte ihn daran, dass sie real war – dass sie beide real waren.
Dann löste er sich von ihr, strich mit dem Daumen über ihr Kinn und musterte ihr Gesicht. Auf ihren Lippen, die er noch einmal kosten wollte, verweilte sein Blick am längsten. Ihre Augen leuchteten heute heller – wie das lebhafte Grün ihrer Wiese – und ihm gefiel der Gedanke, dass das etwas mit ihm zu tun hatte.
»Wie war dein Tag, Liebling?«, fragte er leise.
»Gut«, antwortete sie, und ihre Atemlosigkeit ließ ihn lächeln.
»Ich hoffe, ich störe dich nicht. Du wirkst recht gebannt von deinem Buch.« Er warf einen kurzen Blick darauf, bevor er sich wieder aufrichtete.
»N-nein. Ich meine … es ist nur etwas, das Hekate mir zum Lesen aufgetragen hat.«
»Darf ich?«, fragte er.
Sie gab ihm das Buch, und er las den Titel, Zauberei und Chaos. Er unterließ es, die Augen zu verdrehen über Hekates Wahl der Lektüre. Andererseits war es keine Überraschung, dass die Göttin der Magie entschied, seine Geliebte die Kunst des Chaos zu lehren. Es war eine Form von Magie, die sowohl harmlos als auch zerstörerisch sein konnte, und Hades hatte keinen Zweifel, dass Hekate die Absicht hatte, Persephone das gesamte Spektrum zu lehren.
Er würde später mit ihr sprechen müssen.
»Wann beginnst du dein Training mit Hekate?«, fragte er.
»Diese Woche«, sagte sie. »Sie hat mir Hausaufgaben gegeben.«
»Hmm«, brummte er und blätterte noch einige Seiten um, bevor er das Buch schloss. »Ich hörte, du hast heute neue Seelen begrüßt.«
Er sagte es beiläufig, doch als er den Blick hob, um ihr in die Augen zu sehen, straffte sie sich, bereit, ihre Entscheidung zu verteidigen.
»Ich war spazieren mit Yuri, als ich sie an den Ufern des Styx stehen sah.«
»Du hast eine Seele aus dem Asphodeliengrund geführt?« Das war weit besorgniserregender für ihn als die Tatsache, dass sie Seelen begrüßt hatte.
»Es ist Yuri, Hades. Außerdem weiß ich nicht, warum du sie so isoliert hältst.«
»Damit sie keine Probleme verursachen.«
Er bewunderte Persephone für ihr Zutrauen, und von allen Seelen war Yuri wahrscheinlich diejenige, die am wenigsten das Protokoll brechen würde. Doch ihnen freien Lauf in der Unterwelt zu gewähren, würde sich als schwierig erweisen. Nicht einmal Persephone gelang es, dort nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Als sie zuletzt in die Wildnis seines Reiches gestolpert war, hatte sie sich Auge in Auge mit Tantalos wiedergefunden.
Sie musste diese Begegnung vergessen haben, denn sie lachte, und in ihren Augen leuchtete Belustigung auf – doch die erstarb, als sie seinen Blick sah. Sein Blick fiel auf ihre Lippen, die nun leicht geöffnet waren, als sie ihn musterte, und seine Gedanken nahmen eine ganz andere Wendung.
Er holte Luft und wollte schlucken, aber seine Kehle war trocken. Plötzlich wollte er nur noch die Distanz zwischen ihnen überwinden. Vielleicht könnte er doch noch den Abend bekommen, den er sich mit Persephone vorgestellt hatte, bevor Hera alles ruiniert hatte, doch da senkte Persephone den Blick.
»Die Seelen im Asphodeliengrund verursachen nie Probleme«, meinte sie.
»Du denkst, ich irre mich.«
Er war nicht überrascht.
»Ich denke, du rechnest dir selbst nicht hoch genug an, wie sehr du dich verändert hast, und deshalb traust du den Seelen nicht zu, dass auch sie das erkennen.«
Ihre Worte überraschten ihn und rührten etwas Warmes in ihm auf.
»Warum hast du sie begrüßt?«, fragte er, neugierig, was sie dazu veranlasst hatte, sich ihnen zu nähern.
»Weil sie Angst hatten, und das gefiel mir nicht.«
Hades wollte lachen, aber er konnte es unterdrücken. »Manche von ihnen sollten Angst haben, Persephone.«
»Und die werden auch Angst haben, ungeachtet meiner Begrüßung. Die Unterwelt ist schön, und dir liegt die Existenz deines Volkes am Herzen, Hades. Warum sollten die Guten einen solchen Ort fürchten? Warum sollten sie dich fürchten?«
Einmal mehr hätte er fast über ihre Einschätzung gelacht, wäre sie nicht so ernst dabei. Hätte jemand gelauscht, er hätte wohl nie vermutet, dass sie gerade von ihm sprach, dem Gott der Unterwelt. Doch obwohl vielleicht ein Körnchen Wahrheit in dem lag, was sie sagte, war es doch nicht mehr als das, und er fürchtete den Tag, an dem sie entdeckte, dass es anders war.
»Sie fürchten mich gewissermaßen immer noch. Du warst diejenige, die sie begrüßt hat.«
»Du könntest sie mit mir begrüßen.«
Sie sagte es so, als fürchte sie, dass er ihren Vorschlag vielleicht vorschnell ablehnen könnte.
»So sehr dir der Titel der Königin missfällt, bist du doch dabei, wie eine zu handeln«, bemerkte er.
Das Lächeln, das ihre Worte ihm anfangs ins Gesicht gezaubert hatten, verschwand, als er bemerkte, wie sie zögerte: »Erregt das … dein Missfallen?«
»Warum sollte es mir missfallen?«
»Ich bin keine Königin.«
Diese Antwort gefiel Hades gar nicht. Es war, als ginge sie auf Distanz zu der Vorstellung daran, und als sie aufstand und ihm das Buch aus den Händen nahm, sagte er: »Du wirst meine Königin sein. Die Moiren haben es verkündet.«
Er registrierte, wie sie sich straffte und trotzig das Kinn vorschob. Ihr gefiel nicht, was er sagte, doch statt ihn damit zu konfrontieren, drehte sie sich um und ging mit dem Buch in der Hand zu den Bücherstapeln.
Hades folgte ihr und tauchte vor ihr auf, als sie zwischen den Regalen durchging.
»Missfällt dir das?«, fragte er.
»Nein«, antwortete sie und drängte sich an ihm vorbei, und während er ihr folgte, ergänzte sie: »Obwohl es mir lieber wäre, du würdest mich als Königin wollen, weil du mich liebst, und nicht, weil die Moiren es verkündet haben.« Sie stellte das Buch zurück an seinen Platz.
Er runzelte die Stirn und wartete, bis sie sich zu ihm umdrehte, bevor er fragte: »Du zweifelst an meiner Liebe?«
Ihre Augen wurden groß, und ihre Lippen öffneten sich ein wenig. »Nein! Aber … ich vermute, wir können uns nicht aussuchen, was andere über unsere Beziehung sagen.«
Hades hob eine Augenbraue und trat einen Schritt näher. »Und was sagen sie genau?«
Wieder wandte sie den Blick ab und zuckte mit den Schultern, als sie antwortete: »Dass wir nur wegen der Moiren zusammen sind. Dass du mich nur erwählt hast, weil ich eine Göttin bin.«
Er runzelte die Stirn. Das klang seltsam – wie etwas, das ihre Mutter sagen würde.
»Habe ich dir je einen Grund gegeben, so etwas zu denken?«
Das hatte er nicht.
Er kannte die Antwort schon.
»Wer hat in dir Zweifel gesät?«
»Ich habe nur angefangen, nachzudenken über …«
»Meine Motive?«
»Nein …«
Seine Augen wurden schmal. »Es scheint aber so.«
Sie wich einen Schritt zurück, obwohl ihr nur wenig Raum blieb, auf Distanz zu ihm zu gehen, als ihr Rücken auf das Bücherregal traf, was die Anspannung zwischen ihnen nicht geringer machte.
»Tut mir leid, dass ich etwas gesagt habe«, sagte sie ungehalten und verschränkte die Arme, als wolle sie eine Barriere zwischen ihnen schaffen.
»Dafür ist es zu spät.«
»Willst du mich bestrafen, weil ich sage, was ich denke?« Ihre Augen blitzten auf, voll Trotz, doch die Worte weckten sein Interesse.
»Bestrafen?«, fragte er und kam näher. Er nahm ihre Hände weg von ihrem Oberkörper, und sein Schwanz wurde hart und schwer, als er sich an ihre Hüften drückte. »Ich bin begierig zu hören, wie du denkst, dass ich dich bestrafen könnte.«
Sie holte Luft, ihr Brustkorb hob sich, und Hades konnte das Verlangen in ihren Augen sehen, doch sie kämpfte dagegen an, denn sie wollte der Versuchung nicht nachgeben. »Ich möchte eine Antwort auf meine Frage.«
Er hatte alles vergessen, was sie vor ihrer Andeutung von Bestrafung gesagt hatte. »Erinnere mich noch einmal an sie.«
Sie sah ihn scheu an, und es dauerte einen Moment, bis sie antwortete. Und die ganze Zeit über wurde sein Schwanz noch härter, noch immer zwischen ihre Beine gepresst.
»Wenn es die Moiren nicht gäbe, würdest du mich dann immer noch wollen?«
Ein beunruhigender Gedanke durchfuhr ihn, als er über ihre Worte nachdachte.
Wenn es die Moiren nicht gäbe, würdest du mich dann immer noch wollen? Er nahm sich einen Moment, die Worte zu verstehen, sie sich durch den Kopf gehen zu lassen, doch ein Teil von ihm konnte nicht recht begreifen, warum sie es für nötig hielt, eine solche Frage zu stellen. Spielte es überhaupt eine Rolle?
Die Moiren waren.
Also waren auch sie.
Das war alles.
Doch das waren nicht die Worte, die sie hören wollte, und sie würden auch nicht der Wahrheit entsprechen, denn Hades wusste, dass das, was zwischen ihnen war, über das Schicksal hinausging.
Selbst wenn ihre Zukunft sich auflösen würde, würde er darum kämpfen.
Mit aller Verzweiflung.
Sie senkte langsam den Blick und wollte sich zwischen ihm und dem Regal wegschieben, auf der Suche nach einem Ausweg, aber er umfasste ihr Kinn und zwang sie erneut, ihn anzusehen.
Als er ihre Aufmerksamkeit hatte, strich er mit den Fingern über ihr Kinn, während er heiser flüsternd fragte: »Weißt du, woher ich wusste, dass die Moiren dich für mich geschaffen haben?«
Sie schüttelte den Kopf.
Er beugte sich vor und gestattete seinen leicht geöffneten Lippen, ihre Haut zu berühren. »Ich konnte es auf deiner Haut schmecken«, sagte er, und seine Lippen folgten der Spur seiner Fingerspitzen – über ihr Kinn, ihre Wange. »Und das Einzige, was ich bereue, ist, dass ich so lange ohne dich gelebt habe.« Seine Zähne schrammten über ihre Ohrmuschel und ihren Hals, eine leichte Berührung, die ihr den Atem stocken ließ. Dann trat er einen Schritt zurück.
Sie schwankte einen Moment lang, und ein Ausdruck der Verwirrung huschte kurz über ihr Gesicht, bevor sie die Stirn runzelte. »Was war das?«, wollte sie wissen.
Er grinste über ihren Zorn und antwortete: »Vorspiel.«
Und dann legt er sie sich über die Schulter und verließ die Bibliothek.
»Was machst du da?«, wollte sie wissen und presste die Hände an seinen Rücken im Versuch, aufrecht zu bleiben.
»Beweisen, dass ich dich will«, antwortete er.
Da sein offensichtlich harter Schwanz nicht ausreichte.
»Lass mich runter, Hades!«
Er grinste über ihre Atemlosigkeit, und seine Hand glitt die Rückseite ihres Oberschenkels hinauf unter ihren Rock und fand ihre intime Wärme. Ihr Stöhnen spornte ihn an, und plötzlich war es ihm nicht mehr so wichtig, für das, was er mit ihr anstellen wollte, einen Ort zu finden, wo sie allein waren. Er stützte sie an die Wand, während ihre Hände in sein Haar glitten und ihre Lippen sich trafen. Er umfasste ihr Kinn und öffnete ihren Mund mit seiner Zunge, während er mit der anderen Hand ihren Po umfasste und seine harte, pochende Erektion zwischen ihren weichen Hüften rieb.
Dies war ein Bedürfnis, dachte er. Ein Elixier, das seinen fieberhaften Verstand heilte.
»Ich werde dich bestrafen, bis du schreist«, versprach er und fühlte die Wahrheit seiner Worte in seiner Brust. »Bis du so hart um meinen Schwanz kommst, dass du keinerlei Zweifel mehr an meiner Zuneigung hast.«
Er hätte nicht gedacht, dass sein Schwanz noch härter werden konnte, doch dann drang ihre Magie an die Oberfläche. Sie duftete warm und süß, und er konnte sie wie Blitze an ihren Fingerspitzen spüren, als sie nach seiner rief – nach den Schatten und den Fäden unter seiner Haut – und seine Erregung wurde noch größer, die berauschende Vorfreude, sie um sich zu spüren, heiß, pulsierend, in Ekstase.
Er bog ihren Kopf nach hinten, um ihrem Blick zu begegnen und abzuwägen, ob sie bereit für ihn war, und sie sagte: »Löse deine Versprechen ein, Lord Hades.«
Sein Unterleib spannte sich an, sein Schwanz pochte, und plötzlich verlangte ihn so drängend nach ihr, dass er nicht länger warten konnte. Er schob seine Hand zwischen sie, um seine Erektion zu befreien und sie an die Wand gedrückt zu nehmen – doch da gab diese nach, und er stolperte vorwärts, mit Persephone in den Armen und fing sich gerade noch, bevor sie auf dem Boden landeten.
Er richtete sich auf und stellte sie auf die Füße, drückte sie aber weiter an sich, denn sie hatten Publikum – sogar ein recht großes, bestehend aus dem Großteil seines Personals im Palast, und dazu Thanatos, Hekate und Charon.
Thanatos blickte in ihre Richtung, und als er den Blick abwandte, lag ein leichter Rotton auf seinen bleichen Wangen. Charons dunkle Augen weiteten sich, bevor auch er den Blick abwandte und breit grinste. Hekate war die Einzige, die sie beide offen anstarrte, eine Augenbraue und einen Mundwinkel hochgezogen.
Ein Teil von ihm räumte ein, dass er sich besser hätte überlegen müssen, wo er Sex mit Persephone haben wollte, doch letzten Endes gehörte der gesamte Palast ihm.
Er konnte Sex haben, wo er wollte.
Hades räusperte sich, und Persephone warf einen Blick hinter sich, bevor sie das Gesicht an seiner Brust verbarg, und einen Moment lang war ihm, als könne er die Wärme ihrer Verlegenheit durch sein Hemd hindurch fühlen.
»Guten Abend«, sagte er. »Lady Persephone und ich sterben vor Hunger, und wir wünschen, allein zu sein.«
Ihre Hände ruhten unter seinem Jackett, bis er das Wort ergriff, und sie knuffte ihn in die Rippen. Er ächzte und hielt sie fester, während sein Personal hastig aufräumte. Dann marschierten sie alle der Reihe nach zur Tür hinaus, mit voll beladenen Tellern in den Händen, und mit jedem »Guten Abend, mein Lord, meine Lady«, vergrub Persephone das Gesicht tiefer an seiner Brust.
Hekate war die Letzte, die ging, und im Vorbeigehen schob sie sich eine Weintraube in den Mund, bevor sie die Tür hinter sich schloss.
»Also«, meinte er und schob sie rückwärts, bis sie auf den Tisch traf. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Das kannst du nicht ernst meinen.«
»Todernst«, antwortete er.
»Der … Speisesaal?«
Er verstand ihr Zögern nicht, da sie das doch schon einmal getan hatten. Aber vielleicht hatte sie sich auch etwas ganz anderes vorgestellt, als er ihr eine Bestrafung versprochen hatte.
»Ich bin ziemlich hungrig, und du?«
Er hob sie auf den Tisch und eroberte ihren Mund, strich mit der Zunge über ihre Lippen und tauchte dann in ihren Mund ein, um mit ihrer Zunge zu spielen. Seine Hände glitten über ihre Taille hoch an ihre Brüste. Er wollte ihre glatte Haut streicheln, begnügte sich aber damit, ihre Brustwarzen zu reizen, indem er jede durch das Kleid hindurch in den Mund nahm. Ihre Beine um ihn spannten sich an, und sie grub die Fersen in seine Kehrseite und drängte seine Hüften näher an sich heran. Er gab ihr kurz nach und beugte sich vor, um sie zu küssen, während er sie auf den Rücken drückte. Als sie auf dem Tisch lag, richtete er sich auf und nahm ihren Anblick in sich auf – eine buchstäbliche Göttin, eine Königin aus eigenem Recht, die vor ihm ausgebreitet lag, und ihr goldenes Haar floss über den Tischrand. Ihr Brustkorb hob und senkte sich, und in ihren Augen schimmerte eine Begierde, die er tief in sich spüren konnte.
Sie war ein Traum – und er wollte nie daraus erwachen.
Er hob ihre Beine, sodass ihre Fersen auf der Tischplatte ruhten, und küsste ihre Kniekehlen. Ihr Rock war an ihre Hüften hochgeschoben, und er drückte ihre Beine auseinander und entblößte ihre empfindsamste Stelle, als sein Mund sich über ihre Klitoris schloss.
Sie bog den Rücken durch und hob die Beine, um ihn zu umschlingen, doch obwohl es ihm gefiel, ihre Schenkel an seinem Gesicht zu fühlen, bot diese Position nur wenig Lust für sie und Erreichbarkeit für ihn, also drückte er ihre Beine erneut nieder und verwöhnte sie weiter mit seiner Zunge. Sie schmeckte warm und feucht, und er war ganz gefangen von ihr, als sie sich stöhnend wand und ihn mit geflüsterten Worten anfeuerte.
Dann streckte sie ein Bein aus, und ihr Fuß rieb über seine Erektion, und so gern er diese befreit hätte, um in sie zu gleiten, wollte er sie mehr als alles andere kommen lassen.
Und sie war kurz davor.
Ihr Körper war angespannt wie eine Bogensehne, und Hades wollte in ihrer Lust schwelgen – doch dann wurde alles unterbrochen von einem Klopfen an der Tür.
Persephone erstarrte, und eine Welle des Missmuts durchfuhr ihn.
»Ignoriere es«, befahl er unwirsch und blickte von seinen Knien zu ihr auf, während er weitermachte. Sein Gesicht wurde heiß, und ihm klangen die Ohren, als er Persephone an den Tischrand schob und sich bereit machte, ihrem Körper jedes Fünkchen Ekstase zu entlocken. Und danach würde er seine eigene Lust in sie verströmen.
Es war wie ein Kreislauf von Leben und Tod – ein Geben und Nehmen – und das würde er nie verspielen.
Es klopfte erneut.
»Lord Hades?«
»Verschwinde!«
Noch ein Wort von der anderen Seite der Tür, und er würde denjenigen, wer immer es war, in den Tartaros schicken.
»Es ist wichtig, Hades.«
Verdammt. Jetzt erkannte er die Stimme – Ilias.
Er richtete sich vollständig auf, und Persephone tat es ihm gleich.
»Einen Moment, mein Liebling.«
Er versuchte, seinen Missmut im Zaum zu halten, doch das war schwierig angesichts der Art der Unterbrechung, und Persephones Blick, der von seinem harten Schwanz über seinen Körper glitt, um seinem Blick zu begegnen, machte es noch schlimmer.
»Du wirst ihm nicht wehtun, oder?« Ihre Stimme klang leise und weich und drängte ihn, zurückzukehren.
»Nicht zu sehr«, antwortete er, obwohl er bereits mögliche Optionen durchdachte.
Er trat zurück und ließ den Blick kurz auf ihrer geröteten Haut verweilen, dem Beweis, wie nahe er sie ihrem Orgasmus gebracht hatte, bevor er hinausschlüpfte, wo Ilias auf ihn wartete.
»Es sollte besser wichtig sein«, zischte er, »oder ich schicke dich in den Tartaros – ein Jahr für jedes Wort, das du aussprichst. Also wähle sorgfältig.«
Ilias wirkte nicht beeindruckt von Hades’ Drohung, als er antwortete: »Es ist dringend.«
Hades musterte den Satyr einen Moment lang und gestand sich ein, dass dieser ihn noch nie gerufen hatte, wenn es nicht absolut notwendig war. Was bedeutete, dass was immer geschehen war, nicht gut war. Hades fragte sich, ob es etwas mit Kal oder Hera zu tun hatte, und versteifte sich bei dem Gedanken.
»Ich bin gleich so weit«, erklärte er.
Ilias nickte. »Ich bin beim Sicherheitsdienst.«
Das machte Hades neugierig – und leicht besorgt. Aber er schob diese Gedanken beiseite, als er in den Speisesaal zurückkehrte, ohne dem Satyr nachzublicken. Persephone war von der Tischkante gerutscht und stand nun, den Blick zur Decke gerichtet. Hades wunderte sich, was sie dort so interessant fand, aber er fragte nicht, sondern schwieg, als sie sich zu ihm umdrehte.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie und hielt die Arme weiter verschränkt, als wolle sie eine Art Wall zwischen ihnen errichten. Ein Wall, den er nicht akzeptieren wollte.
Er ging näher, und sie legte die Hände an seine Taille. »Ja«, antwortete er. »Und nein. Ilias hat mich auf ein Problem aufmerksam gemacht, das besser früher als später erledigt werden sollte.«
»Wann wirst du zurück sein?«
»Eine Stunde. Vielleicht zwei«, vermutete er, je nachdem, was Ilias wollte. Aber er wollte Persephone nicht beunruhigen.
Enttäuschung verdunkelte ihre Augen.
Er legte einen Finger unter ihr Kinn, um ihren Blick festzuhalten. »Glaube mir, Liebling, dich zu verlassen ist die schwerste Entscheidung, die ich jeden Tag treffe.«
»Dann tu es nicht«, sagte sie und schlang die Arme um seine Taille. »Ich komme mit.«
Daraufhin versteifte er sich. Er wusste nicht, was Ilias ihm zeigen wollte, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass durch Persephones Anwesenheit bei seiner Arbeit etwas Gutes herauskäme, zumindest an der Oberfläche.
»Das ist nicht klug.«
»Warum nicht?«
»Persephone …«
»Es ist eine einfache Frage.«
»Ist es nicht«, antwortete er barsch und bereute sogleich seinen Zornausbruch, als ihre Augen groß wurden und ein harter Zug um ihren Mund erschien. Er seufzte. Alles, was er wollte, war, das hinter sich zu bringen, damit er zu ihr zurückkehren konnte. Konnte sie das denn nicht sehen?
»Also gut«, meinte sie und trat einen Schritt von ihm zurück. Ihre Distanz war spürbarer als der Verlust einer physischen Berührung. »Ich werde hier sein, wenn du zurückkehrst.«
Sagte sie das nur, um ihn zu beschwichtigen?
»Ich mache es wieder gut«, versprach er.
Sie zog eine Augenbraue hoch und befahl wie eine Königin: »Schwöre es.«
Er schenkte ihr ein schwaches Lächeln, und sein noch immer steifer Schwanz befeuerte seinen Wunsch, sie zu provozieren. »Oh, Liebling. Du musst mir keinen Schwur entlocken. Nichts wird mich davon abhalten, dich zu vögeln.«
Obwohl es sich wie ein Sakrileg anfühlte, sie zu verlassen, ohne sie vorher zum Kommen gebracht zu haben.
KAPITEL DREI
Hades traf Ilias in der obersten Etage des Nevernight, die dem Sicherheitsdienst vorbehalten war. Sie bestand aus einem großen Raum, doch verliefen Wände und Decke schräg zu einer im Schatten liegenden Spitze, so wie der gesamte Grundriss des Gebäudes. Der Raum war in das fahle Licht von Computerbildschirmen getaucht, das auf die ernsten Gesichter von Hades’ Sicherheitsteam fiel. Im Moment war allerdings nur ein Bruchteil des Teams hier. Der Rest streifte durch die unteren Etagen und die dunklen Gassen draußen, Ausschau haltend nach allem, was unerwünscht sein könnte.
Ilias stand vor einer Reihe von Bildschirmen an der Wand gegenüber. Es gab einen pro Warteraum, sechs an der Zahl, und vier Räume waren besetzt. Sie waren bestimmt für jene Besucher, die die Regeln des Nevernight übertraten. Solche Regelverletzungen kamen jede Nacht vor und reichten von Fotoaufnahmen über das Kartenzählen bis hin zu – in seltenen Fällen – Spionage.
Hades rechnete schon damit, über Letzteres von Ilias informiert zu werden, angesichts seiner letzten Besucher. Doch als er den Blick prüfend über die Bildschirme über den Kopf des Satyrs hinweg gleiten ließ, erblickte er ein vertrautes Gesicht – eines, das ihn zutiefst schockierte.
»Ist das Leuke?«
Er fragte, obwohl er die Antwort wusste. Das weiße Haar und die bleiche Haut der Meeresnymphe ließen sich nicht verwechseln. Es war lange her, seit er sie geliebt hatte, seit sie ihn hintergangen und er sie in eine Pappel verwandelt und dann vergessen hatte.
Doch nun war sie hier, zurückgekehrt aus ihrem Gefängnis.
Wie war das geschehen?
Er hatte sie auf jeden Fall nicht befreit.
»Sie ist es«, bestätigte Ilias. »Hat eine ganz schöne Szene gemacht, als sie hier ankam.«
Hades fragte sich, wie viele Menschen ihren Ausbruch wohl mitbekommen hatten, bevor die Situation eingedämmt werden konnte, doch als wisse Ilias, was er dachte, sagte er: »Wir haben schon mit der Schadensbegrenzung begonnen.«
»Wurde sie schon befragt?«
Ilias schüttelte den Kopf. »Ich dachte mir, Ihr würdet das gern übernehmen.«
Das wollte er in der Tat, auch wenn Leuke sehr viel Zeit für sich gehabt hatte. Genug Zeit, um sich Lügen auszudenken, und auch weit genug Zeit, um daran zu feilen, dass diese nicht als Lügen entlarvt wurden. Es war eine Taktik, die sie gut beherrschte und sicher nicht vergessen hatte, auch wenn sie Jahre als Baum ohne Bewusstsein verbracht hatte. Wenn sie heute erwacht war, in dem Glauben, dass Hades sie eben erst mit ihrer Untreue konfrontiert hatte – welch ein Schock musste es da gewesen sein, zu erfahren, dass mehr als zweitausend Jahre vergangen waren. Unmittelbar fragte er sich, ob er damit grausam oder vielleicht sogar freundlich gegen sie gehandelt hatte.
Er musterte sie noch einmal über den Bildschirm. Sie hatte den Stuhl weit weg vom Tisch an die Wand geschoben, die Knie an die Brust gezogen und die dünnen Arme darum geschlungen. Sie sah klein und unschuldig aus, doch so hatte Hades sie nicht in Erinnerung.
»Was werdet Ihr mit ihr tun?«, fragte Ilias. Hades war klar, dass der Satyr nicht aus Sorge fragte. Er fragte lediglich, weil er wissen wollte, was seine nächste Aufgabe wäre, die wahrscheinlich darin bestehen würde, sich mit der Nymphe zu befassen.
Hades sah Ilias an. Er hatte nicht über diesen Moment hinaus gedacht. Doch er sah keinen Grund dafür, dass Persephone jemals von Leuke erfahren sollte. Zumal er sich vorstellen konnte, wie sie wohl reagieren würde, wenn sie nicht nur erfuhr, dass seine Geliebte aus der Antike zurückgekehrt war, sondern auch noch, wie er damals mit ihrem Verrat umgegangen war – nämlich nicht gut.
Leuke war eine Komplikation.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Bleibe einfach … in Bereitschaft.«
Ilias nickte, und Hades ging hinaus.
Er könnte in den Raum teleportieren, und häufig tat er das auch, wenn er jene zur Rede stellte, die ihm unrecht getan hatten. Doch nun wollte er Zeit, um nachzudenken und sich darauf vorzubereiten, der Geliebten, die er vergessen hatte, gegenüberzutreten. Also wanderte er von Etage zu Etage, unsichtbar für die Menge, während sein Missmut wuchs.
Natürlich musste Leuke nur einen Tag, nachdem es ihm gelungen war, wieder mit Persephone zusammenzufinden, zurückkehren, dachte er bitter und blieb dann stehen. Der Gedanke ließ ihn stutzen. Vielleicht war das kein Zufall. Vielleicht war ihre Rückkehr absichtlich eingefädelt worden.
Vielleicht von Demeter.
Und mit einem Mal war er mehr als erpicht darauf, Leuke zu treffen, und er zögerte nicht. Eine Wolke aus aufgeladener, erhitzter Luft traf ihn, als er die Tür öffnete. Die Nymphe fixierte ihn mit einem kalten Blick, und ihre blauen Augen wurden schmal vor Verachtung.
»Du.«
Das war alles, was sie sagte, aber sie sagte es voller Hass, und dann stürzte sie sich auch schon auf ihn.
Sie war schlank und biegsam und bewegte sich flink, fast so, als hätte sie Flügel. Sie sprang über den Tisch zwischen ihnen, als sei er gar nicht da. Ihre Wut war berechtigt, aber Hades wollte die Nymphe trotzdem nicht in seine Nähe kommen lassen, also streckte er blitzschnell die Hand aus, und seine Magie erschuf Schatten, die sie mitten im Sprung festhielten.
»Du hast jedes Recht, wütend zu sein«, sagte er. »Aber wenn du hier bist, um mich um Hilfe zu bitten – wovon ich ausgehe –, dann tust du besser daran, deine Hände bei dir zu behalten.«
Sie spuckte ihm ins Gesicht, und er gab sie so schnell frei, dass sie zu Boden fiel und finster zu ihm aufblickte.
»Hast du mich nicht schon genug verletzt?«
Er hatte ihre Stimme so lange nicht mehr gehört, dass er vergessen hatte, wie sie klang. Trotz ihrer Wut sprach sie leise, doch jedes Wort war bedächtig ausgesprochen und fühlte sich wie ein weiterer Stein auf seiner Seele an, wie noch mehr Schuld, die er tragen sollte. Er zuckte beinahe zusammen, doch es gelang ihm, seine kalte Gelassenheit beizubehalten. Er wollte nicht, dass Leuke glaubte, sie sei willkommen, an seine Seite zurückzukehren. Tatsächlich war es ihm lieber, wenn sie auf Abstand blieb.
Doch dann bemerkte er ihre Tränen.
»Was ist das für ein Ort?«, flüsterte sie, nahm wieder ihre vorherige Position auf dem Stuhl ein und zog die Knie an die Brust.
Hades war verwirrt und bestürzt, von ihren Tränen sowie von ihrer Frage, und da wurde ihm klar, dass er kaum bedacht hatte, wie groß der Schock für sie wirklich sein musste. Er hatte böse Absichten vorausgesetzt und tat es noch immer – doch das schmälerte nicht das Trauma Leukes, in eine Welt zurückzukehren, die so vollkommen anders aussah als jene, an die sie sich erinnerte.
Er ging vor ihr in die Hocke.
»Was willst du wissen?«, fragte er.
Sie versteifte sich ein wenig. Wahrscheinlich war sie überrascht von der Veränderung seines Verhaltens. Einen Moment später fragte sie: »Wie lange ist es her?«
Kummer stieg ihm die Kehle hoch. Er wollte nicht antworten. Irgendwie hatte er das Gefühl, wenn er es laut aussprach, würde ihn das noch grausamer machen.
»Über zweitausend Jahre.«
Sie blinzelte, und einen Moment lang stand nichts als Leere in ihren Augen. »Zweitausend«, wiederholte sie, als würde es ihr helfen zu begreifen, wie viel sich in all diesen Jahren verändert haben mochte, wenn sie es laut aussprach. Dann konzentrierte sich ihr Blick auf ihn, und ihm war, als würde sie sich daran erinnern, wie er ausgesehen hatte in dem Augenblick, als er sie in einen Baum verwandelt hatte.
Vielleicht war es falsch von ihm gewesen, zu glauben, er könne sie befragen. Sie stand eindeutig unter Schock.
»Warum?«
Hades war nicht auf ihre brechende Stimme vorbereitet. Schuldgefühle drehten ihm den Magen um, und weil er keine Erklärung hatte, schwieg er.
»Warum?«, wiederholte sie, diesmal fordernder. Ihre tränenfeuchten, geröteten Augen machten ihren Zorn noch deutlicher.
Er knirschte mit den Zähnen. »Zuerst wegen deiner Untreue.«
Sie schüttelte leicht den Kopf, als würde sie es nicht verstehen. »Du hast zweitausend Jahre gebraucht, um über meinen Verrat hinwegzukommen?«
Hades zögerte. Er wollte ihrer Feststellung widersprechen, denn er wollte nicht, dass sie dachte, er habe ihr all diese Jahre nachgetrauert. Doch die Wahrheit gestehen wollte er auch nicht – er hatte sie vergessen.
»Und Apollo? Was war seine Strafe?«
Wieder antwortete Hades nicht, denn die Wahrheit war beschämend. Er hatte Apollo nicht so bestraft wie sie. Tatsächlich hatte er dem Gott der Musik gar nichts getan, und damals war ihm das sogar gerecht erschienen. Schließlich hatte Apollo Leuke aus Rache verführt für Hades’ Weigerung, ihm eine Wiedervereinigung mit seinem Geliebten, Hyakinthos, zu gewähren. Also hatte Hades den Gott allein mit seinem Elend gelassen.
Mit einem Schnauben wandte sie den Blick ab, und noch mehr Tränen liefen über ihre Wangen. »Du bist immer noch derselbe«, flüsterte sie.
Hades runzelte die Stirn. Er wollte ihr erzählen, dass er sich verändert hatte, so wie diese neue Welt, in der sie sich wiederfand – doch was würde das bringen? Sie war ein Opfer seines Zorns geworden, und daran ließ sich nichts ändern, egal wie sehr er sich verändert hatte.
Er stand auf. Es war falsch gewesen, zu glauben, er könnte sie jetzt befragen, doch das hieß, dass er sie noch für längere Zeit im Auge behalten musste.
»Du hast viel zu lernen, wenn du in diese Welt zurückkehren willst«, meinte er.
»Das ist alles, was du zu sagen hast?«
Er sah sie an. Er war nicht sicher, was sie von ihm wollte, und er hatte das Gefühl, dass es nicht wirklich Worte gab, die zu diesem Augenblick passten.
Als er nichts weiter sagte, sprach sie erneut, und ihre Worte klangen bitter. »Wie ich sehe, hast du dich wirklich nicht verändert.«
»Wenn das wahr wäre, hätte ich dir gesagt, dass ich dir gar nichts schulde über das Leben hinaus, das ich dir gewähre, und mich dann von dir abgewandt.« Er erkannte die Ironie seiner Worte. Denn auch wenn er ihr Leben gewährte, so hatte er ihr auch genug davon genommen.
»Ich brauche deine Almosen nicht.«
»Ach nein?«, fragte er. »Dann bietet dir wer immer dich zurückgeholt hat Hilfe an?«
Daraufhin runzelte sie die Stirn. »Warst das nicht du?«
Die aufrichtige Verwirrung in ihrer Miene beunruhigte ihn, und er fragte: »Wie genau bist du heute Nacht hierhergekommen?«
»Ich bin einfach aufgewacht«, sagte sie. »Und ich schrie deinen Namen, bis mich jemand hierherbrachte.«
Er musterte sie einen langen Moment. Er nahm keine Lüge wahr, und auch wenn sie vielleicht Teile der Wahrheit ausließ, konnte es tatsächlich sein, dass sie die Person, die ihr ihre natürliche Gestalt zurückgegeben hatte, nicht gesehen hatte.
Dennoch traute Hades ihr nicht. Ilias würde ein Auge auf ihre Aktivitäten haben müssen, sobald sie untergebracht war.
Er wandte sich zur Tür.
»Meine Leute werden dir helfen, den Übergang in diese Welt zu bewältigen«, erklärte er. »Doch darüber hinaus kontaktiere mich nie mehr.«
Damit ging er.
Jemand trieb Spielchen mit ihm, und das gefiel ihm gar nicht.
Zuerst Kal, dann Hera und jetzt Leuke.
Er hatte das Zusammentreffen mit ihr kurz, präzise und endgültig halten wollen, doch ihm war klar, dass er noch einmal mit ihr würde sprechen müssen. Er brauchte mehr Informationen über ihre plötzliche Verwandlung. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass sie nicht wusste, wer dafür verantwortlich war, und ihre Verbindung zu ihm war zu bedeutsam, als dass irgendwer sie nicht gegen ihn einsetzen würde.