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Für sein Reich würde er alles tun. Doch für Persephone ist er sogar bereit, die Unterwelt aufzugeben
Persephone ist die Göttin des Frühlings, doch ihre Magie hat sich bis heute nicht gezeigt. Sie wählt daher den Weg einer Sterblichen, zieht für ihr Studium nach New Athens und hat endlich das Gefühl, in ihrem neuen Leben angekommen zu sein. Aber auf einer Party im Nevernight, dem angesagtesten Club der Stadt, begegnet sie dem geheimnisvollen Hades und verliert eine Wette gegen ihn. Ohne es zu wissen, hat sie einen schier unerfüllbaren Vertrag mit dem Gott der Unterwelt geschlossen: Sie muss Leben in seinem Reich erschaffen oder sie verliert ihre Freiheit für immer! Dabei steht sogar noch weit mehr auf dem Spiel, denn Hades hat längst auch von ihrem Herz Besitz ergriffen ...
"A TOUCH OF DARKNESS hat mich vollkommen in seinen Bann gezogen. Diese Geschichte ist absolut sexy, berauschend und mitreißend. Heiliger Hades, ich brauche mehr davon!" AVA REED, SPIEGEL-Bestseller-Autorin
Band 1 der mitreißenden HADES&PERSEPHONE-Trilogie von Bestseller-Autorin Scarlett St. Clair
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Seitenzahl: 527
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
Kapitel eins
Kapitel zwei
Kapitel drei
Kapitel vier
Kapitel fünf
Kapitel sechs
Kapitel sieben
Kapitel acht
Kapitel neun
Kapitel zehn
Kapitel elf
Kapitel zwölf
Kapitel dreizehn
Kapitel vierzehn
Kapitel fünfzehn
Kapitel sechzehn
Kapitel siebzehn
Kapitel achtzehn
Kapitel neunzehn
Kapitel zwanzig
Kapitel einundzwanzig
Kapitel zweiundzwanzig
Kapitel dreiundzwanzig
Kapitel vierundzwanzig
Kapitel fünfundzwanzig
Kapitel sechsundzwanzig
Kapitel siebenundzwanzig
Danksagung
Anmerkung der Autorin
Die Autorin
Die Romane von Scarlett St. Clair bei LYX
Impressum
SCARLETT ST. CLAIR
A Touch of Darkness
Roman
Ins Deutsche übertragen von Silvia Gleißner
Persephone, die junge Göttin des Frühlings, hütet ein tragisches Geheimnis: Niemand darf erfahren, dass Pflanzen und Blumen verblühen, sobald Persephone sie berührt. Nichts Göttliches scheint durch ihre Adern zu fließen, und so beschließt sie, stattdessen das Leben einer Sterblichen zu führen. Um den Ansprüchen ihrer Mutter Demeter zu entkommen, zieht Persephone für ihr Journalismus-Studium nach New Athens, die pulsierende Hauptstadt von New Greece, und beginnt ein Praktikum bei New Athens News. Als sie mit ihrer Mitbewohnerin auf eine Party im Nevernight, dem angesagtesten Club der Stadt, eingeladen wird, hat sie das Gefühl, endlich in ihrem neuen Leben angekommen zu sein. Doch dort begegnet sie dem geheimnisvollen Hades und verliert im Rausch der Gefühle eine Wette gegen ihn. Ohne es zu wissen, hat sie einen Vertrag mit dem Gott der Unterwelt geschlossen, dessen Bedingungen für sie unerfüllbar sind: Sie soll Leben in seinem Reich erschaffen und einen Garten anlegen, der alles auf der Erde – vor allem das Werk von Persephones Mutter – in den Schatten stellt, oder sie verliert ihre Freiheit für immer! Aber während Persephone sich ihrer schier unlösbaren Aufgabe stellt, merkt sie schnell, dass weit mehr auf dem Spiel steht. Denn Hades hat längst auch von ihrem Herz Besitz ergriffen …
Ashley Elizabeth Steele
&
Molly Kathleen McCool
Danke dafür, dass ihr mich liebt.
BESTE FREUNDINNEN FÜR IMMER.
Die Narzisse
Persephone saß in der Sonne.
Sie hatte ihren üblichen Platz im Coffee House gewählt, einen Tisch draußen mit Blick auf die belebte Fußgängerzone. Der Gehweg war gesäumt von schattigen Bäumen und Blumenkästen, die übervoll waren mit roten Astern und rosa und weißem Steinkraut. Eine leichte Brise trug den Duft von Frühling mit sich. Die honigduftende Luft war mild.
Es war ein perfekter Tag, und obwohl Persephone hierhergekommen war, um zu lernen, fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren. Immer wieder wurde ihr Blick angezogen von einem Strauß Narzissen in einer schlanken Vase auf ihrem Tisch. Der Strauß war sehr klein – nur ein paar dünne Stängel – und die Blütenblätter waren braun, spröde und krümmten sich wie die Finger einer Leiche.
Die Narzisse war die Blume und das Symbol von Hades, dem Gott der Toten. Deshalb schmückte sie in der Regel nicht Tische, sondern Särge. Ihre Gegenwart hier im Coffee House konnte nur bedeuten, dass der Eigentümer wahrscheinlich in Trauer war – der einzige Anlass, zu dem Sterbliche den Gott der Unterwelt ehrten.
Persephone fragte sich oft, wie Hades sich wohl dabei fühlte, oder ob es ihn überhaupt interessierte. Immerhin war er mehr als nur der König der Unterwelt. Da er der reichste aller Götter war, hatte er sich den Titel ›der Begüterte‹ verdient und sein Geld in einige der beliebtesten Clubs von New Greece investiert. Und das waren nicht irgendwelche Clubs, sondern Spielhöllen für die Elite. Es hieß, dass Hades eine Schwäche für gute Wetten hatte. Und nur selten akzeptierte er einen anderen Einsatz als die menschliche Seele.
An der Universität hatte Persephone eine Menge über die Clubs gehört, und ihre Mutter, die ihr Missfallen über Hades häufig genug zum Ausdruck brachte, hatte sich ebenfalls gegen seine Unternehmungen ausgesprochen.
»Er gebärdet sich wie ein Marionettenspieler«, hatte Demeter geschimpft. »Entscheidet über Schicksale, als sei er eine der Moiren selbst. Er sollte sich schämen.«
Persephone hatte noch nie einen von Hades’ Clubs besucht, aber sie musste zugeben, dass sie neugierig war – was die Menschen betraf, die dort hingingen, sowie den Eigentümer. Was brachte Menschen dazu, ihre Seele aufs Spiel zu setzen? War es die Gier nach Geld, Liebe oder Wohlstand?
Und was verriet das über Hades? Dass er allen Reichtum der Welt besaß und trotzdem darauf aus war, sein Herrschaftsgebiet noch zu vergrößern, anstatt Menschen zu helfen?
Aber das waren Fragen für später.
Jetzt musste sich Persephone auf etwas anderes konzentrieren.
Sie wandte den Blick von den Narzissen ab und ihrem Laptop zu. Es war Donnerstag, und sie hatte den Campus vor etwa einer Stunde verlassen. Sie hatte ihren üblichen Vanilla Latte bestellt und musste ihre Facharbeit beenden. Erst dann könnte sie sich voll und ganz auf ihr Praktikum bei New Athens News konzentrieren, dem führenden Nachrichtenmedium in New Athens. Morgen fing sie an, und wenn alles gut lief, hätte sie nach ihrem Abschluss in sechs Monaten einen Job.
Sie wollte es allen beweisen.
Ihr Praktikumsplatz befand sich in der sechzigsten Etage der Akropolis – einem Wahrzeichen von New Athens, das mit einhunderteins Etagen das höchste Gebäude der Stadt war. Persephone hatte als Erstes nach ihrem Umzug hierher einen Aufzug zum Observatorium nach ganz oben genommen. Von dort konnte sie die gesamte Stadt überblicken, und es war genauso, wie sie es sich immer vorgestellt hatte: wunderschön, riesig, aufregend. Nun, vier Jahre später, würde sie fast täglich dort zur Arbeit gehen. Sie konnte es immer noch nicht ganz glauben.
Persephones Handy auf dem Tisch summte, und sie griff danach. Eine Nachricht von ihrer besten Freundin Lexa Sideris. Lexa war ihre erste Freundin geworden, als sie nach New Athens gezogen war. Sie hatte sich in der Vorlesung zu Persephone umgedreht und gefragt, ob sie für ihren Laborversuch zusammenarbeiten wollten. Seitdem waren sie unzertrennlich gewesen. Persephone fühlte sich angezogen von Lexas auffallender Art – sie hatte Tattoos, nachtschwarzes Haar und eine besondere Vorliebe für die Göttin der Magie, Hekate.
Wo bist du?
Persephone antwortete, The Coffee House.
Warum? Wir müssen feiern!
Persephone lächelte. Seit sie Lexa vor zwei Wochen von ihrem Praktikum erzählt hatte, lag die ihr damit in den Ohren, das zu begießen. Persephone hatte es geschafft, sie abzuwimmeln, aber inzwischen gingen ihr die Entschuldigungen aus – und Lexa wusste es.
Ich feiere doch schon, textete Persephone. Mit einem Vanilla Latte.
Nicht mit Kaffee. Alkohol. Schnaps. Du und ich. Heute Abend.
Bevor Persephone antworten konnte, kam die Kellnerin mit ihrem dampfenden Latte auf einem Tablett heran. Persephone war oft genug hier, um zu wissen, dass das Mädchen so neu war wie die Narzissen. Sie trug ihr Haar zu zwei Zöpfen geflochten, und ihre Augen waren dunkel und von dichten Wimpern umrahmt.
Das Mädchen lächelte und fragte: »Vanilla Latte?«
»Ja«, antwortete Persephone.
Die Kellnerin stellte ihr die Tasse hin und klemmte sich das Tablett unter den Arm.
»Brauchen Sie sonst noch etwas?«
Persephone erwiderte ihren Blick. »Glauben Sie, dass Lord Hades Sinn für Humor hat?«
Die Frage war nicht wirklich ernst gemeint – und Persephone fand sie lustiger als alles andere, was sie heute gehört hatte. Aber die Augen der Kellnerin weiteten sich, als sie rasch erwiderte: »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Sie fühlte sich offensichtlich unwohl, wahrscheinlich durch die Erwähnung von Hades’ Namen. Die meisten vermieden es, ihn auszusprechen, oder sie nannten ihn Aidoneus, um seine Aufmerksamkeit nicht auf sich zu ziehen. Aber Persephone hatte keine Angst. Vielleicht hatte das mit der einfachen Tatsache zu tun, dass sie eine Göttin war.
»Ich denke, er muss einen Sinn für Humor haben«, erklärte sie. »Die Narzisse ist ein Symbol für Frühling und Wiedergeburt.« Ihre Finger schwebten über den welken Blütenblättern. Wenn überhaupt, dann sollte die Blume ihr Symbol sein. »Warum sollte er sie sonst für sich beanspruchen?«
Persephone sah das Mädchen weiter an, das tief errötete und stammelte: »L-lassen Sie mich wissen, wenn Sie etwas brauchen.«
Und damit huschte sie zurück an die Arbeit.
Persephone machte ein Foto von ihrem Latte und schickte es Lexa, bevor sie einen Schluck nahm.
Dann steckte sie ihre Earbuds in die Ohren und konsultierte ihren Planer. Persephone stand auf Organisation, aber noch mehr als das stand sie darauf, beschäftigt zu sein. Ihre Wochen waren randvoll – Vorlesungen am Montag, Mittwoch und Donnerstag und bis zu drei Stunden täglich in ihrem Praktikum. Je mehr sie arbeitete, umso mehr Ausreden hatte sie dafür, dass sie nicht nach Hause nach Olympia zurückkehren musste, um ihre Mutter zu besuchen.
Nächste Woche hatte sie einen Geschichtstest und einen Abgabetermin für eine Arbeit im selben Kurs. Aber sie machte sich keine Sorgen. Geschichte war eins ihrer Lieblingsfächer. Es ging um »Die Große Herabkunft« – so wurde der Tag genannt, an dem die Götter auf die Erde herabgestiegen waren – und den Großen Krieg, die schrecklichen und blutigen Schlachten, die darauf gefolgt waren.
Es dauerte nicht lange, bis Persephone in ihren Recherchen und ihren Text vertieft war. Sie las gerade einen Gelehrten, der behauptete, Hades’ Entscheidung, Zeus’ und Athenas Helden wieder auferstehen zu lassen, sei der entscheidende Faktor in der finalen Schlacht gewesen, als sorgfältig manikürte Hände ihren Laptop zuklappten. Sie fuhr zusammen und blickte auf in ein Paar beeindruckend blaue Augen in einem ovalen Gesicht, umrahmt von dichtem schwarzem Haar.
»Du. Wirst. Es. Nicht. Glauben.«
Persephone nahm die Earbuds aus den Ohren. »Lexa, was machst du denn hier?«
»Ich war gerade auf dem Heimweg von der Vorlesung und dachte, ich schau mal vorbei und überbringe dir die guten Neuigkeiten!«
Aufgeregt wippte sie auf den Fußballen vor und zurück, ihr blauschwarzes Haar tat es ihr gleich.
»Welche Neuigkeiten?«, fragte Persephone.
»Ich habe uns ins Nevernight gebracht!« Lexa konnte sich kaum zügeln, und bei der Erwähnung des berühmten Clubs drehten sich einige Leute um und starrten zu ihnen herüber.
»Ssssch!«, machte Persephone. »Willst du uns umbringen?«
»Sei nicht albern.« Lexa verdrehte die Augen, senkte aber die Stimme. Ins Nevernight hineinzukommen war unmöglich. Die Warteliste des Clubs war ewig lang, und Persephone wusste auch, warum.
Nevernight gehörte Hades.
Die meisten Unternehmen von Gottheiten waren wahnsinnig populär. Dionysos’ Kollektion an Weinen war in Sekunden ausverkauft und enthielt Gerüchten zufolge Ambrosia. Dabei konnte es durchaus vorkommen, dass sich Sterbliche in der Unterwelt wiederfanden, wenn sie zu viel von dem Nektar getrunken hatten.
Aphrodites modische Gewänder waren derart begehrt, dass ein Mädchen erst vor ein paar Monaten für eins zur Mörderin geworden war. Es hatte einen Prozess gegeben mit allem, was dazugehört.
Und das Nevernight war ebenfalls eine Erfolgsgeschichte.
»Wie hast du es geschafft, auf die Liste zu kommen?«, fragte Persephone.
»Ein Typ bei meiner Praktikumsstelle kann nicht hin. Er steht seit zwei Jahren auf der Warteliste. Kannst du glauben, wie viel Glück wir haben? Du. Ich. Nevernight. Heute Nacht!«
»Ich kann nicht mit.«
Lexas Schultern sanken herab. »Komm schon, Persephone. Ich hab uns ins Nevernight reingebracht! Da geh ich doch nicht allein hin!«
»Nimm Iris mit.«
»Ich will mit dir gehen! Wir müssen doch feiern. Außerdem gehört das definitiv zu deinen Collegeerfahrungen!«
Persephone war sich ziemlich sicher, dass Demeter da anderer Meinung wäre. Sie hatte ihrer Mutter einige Dinge versprechen müssen, bevor sie nach New Athens zum Studieren gegangen war. Dazu gehörte, dass sie sich von den anderen Göttern fernhalten würde.
Zugegeben, sie hatte nicht viele ihrer Versprechen gehalten. Mitten im ersten Semester war sie im Hauptfach von Botanik zu Journalismus gewechselt. Sie würde nie das angespannte Lächeln ihrer Mutter vergessen, die ›wie nett‹ durch zusammengebissene Zähne hervorpresste, als sie die Wahrheit herausfand. Persephone hatte die Schlacht gewonnen, aber Demeter hatte ihr den Krieg erklärt. Am Tag danach folgte ihr eine von Demeters Nymphen, wohin sie auch ging.
Dennoch war die Wahl des Hauptfachs nichts im Vergleich zu der Bedingung, sich von den anderen Göttern fernzuhalten. Denn die Götter wussten nicht, dass Persephone existierte.
Sie wussten zwar, dass Demeter eine Tochter hatte, doch Persephone war nie am Hofe von Olympia eingeführt worden. Sie wussten also definitiv nicht, dass sie sich hier als eine Sterbliche ausgab. Persephone war sich nicht sicher, wie die Götter darauf reagieren würden, wenn sie sie entdeckten, aber sie wusste, wie die ganze Welt reagieren würde – und zwar nicht gut. Man würde alles über die neue Göttin wissen und sie einordnen wollen. Ihre Existenz wäre bedroht, ebenso wie ihre Freiheit, die sie gerade erst gewonnen hatte. Das war ganz und gar nicht das, was sie wollte.
Persephone war nur selten mit ihrer Mutter einer Meinung, aber sie wusste, dass es das Beste war, wenn sie ein normales, sterbliches Leben führte. Sie war nicht wie andere Götter und Göttinnen.
»Ich muss wirklich lernen und eine Arbeit schreiben, Lexa. Außerdem fängt mein Praktikum morgen an.«
Sie war entschlossen, bei New Athens News einen guten Eindruck zu machen. Verkatert oder unausgeschlafen am ersten Tag dort aufzukreuzen, war da sicher nicht der beste Weg.
»Du hast doch gelernt!«
Lexa deutete auf ihren Laptop und den Stapel Notizen auf dem Tisch. Doch was Persephone wirklich getan hatte, war, eine Blume zu studieren und über den Gott der Toten nachzudenken.
»Und wir wissen beide, dass du diese Arbeit schon geschrieben hast, du bist nur Perfektionistin.«
Persephones Wangen wurden rot. Und wenn schon. Lernen war die eine Sache, worin sie richtig gut war.
»Bitte, Persephone! Wir gehen auch früh, damit du Zeit zum Ausruhen hast.«
»Und was mache ich im Nevernight, Lex?«
»Tanzen! Trinken! Rummachen! Vielleicht ein kleines Glücksspiel? Keine Ahnung! Aber das ist doch der Spaß dabei!«
Persephone wurde wieder rot und wandte den Blick ab. Die Narzisse schien ihren Blick finster zu erwidern und alle ihre Versäumnisse widerzuspiegeln. Sie hatte noch nie jemanden geküsst. Bevor sie aufs College gekommen war, war sie noch nicht mal in der Nähe von Männern gewesen, und auch jetzt hielt sie Distanz. Hauptsächlich aus Furcht davor, dass ihre Mutter sich materialisieren und diese Männer zerschmettern würde.
Das war keine Übertreibung. Demeter hatte sie immer vor Männern gewarnt.
»Für die Götter bist du eins von zwei Dingen«, hatte sie Persephone erklärt, als die noch sehr jung war. »Entweder Machtspiel oder Spielzeug.«
»Da irrst du dich sicher, Mutter. Götter lieben. Es gibt doch mehrere, die verheiratet sind.«
Darauf hatte Demeter gelacht. »Götter heiraten der Macht wegen, meine Blume.«
Und als Persephone älter geworden war, war ihr klar geworden, dass ihre Mutter recht hatte. Unter den verheirateten Gottheiten gab es keine, die sich tatsächlich liebten. Stattdessen verbrachten sie den größten Teil ihrer Zeit damit, einander zu betrügen und dann auf Rache für diesen Betrug zu sinnen.
Das bedeutete, dass Persephone dereinst als Jungfrau sterben würde, denn Demeter hatte auch klargemacht, dass Sterbliche ebenfalls keine Option waren.
»Sie … altern«, hatte sie angewidert gesagt.
Persephone hatte beschlossen, nicht mit ihrer Mutter darüber zu streiten, dass Alter keine Rolle spiele, wenn die Liebe wahrhaftig war, denn sie war zu der Erkenntnis gelangt, dass ihre Mutter nicht an Liebe glaubte.
Also, zumindest nicht an romantische Liebe.
»Ich … hab nichts anzuziehen«, versuchte Persephone es mit einer lahmen Ausrede.
»Du kannst dir von mir ausleihen, was du willst. Ich mache dir auch Haare und Make-up. Bitte, Persephone!«
Sie schürzte die Lippen und dachte nach.
Sie würde sich von den Nymphen, die ihre Mutter bei ihrem Apartment platziert hatte, davonstehlen und ihre Aura stärken müssen, was zu weiteren Problemen führte. Demeter würde wissen wollen, warum Persephone plötzlich mehr Magie brauchte. Das wiederum könnte sie auf die besondere Absicherung für ihr Praktikum schieben.
Ohne Aura wäre Persephones Anonymität dahin, denn es gab ein offensichtliches Merkmal, das alle Gottheiten als göttlich identifizierte: ihre Hörner. Persephones waren weiß und erhoben sich spiralförmig in die Luft wie die eines größeren Kudus. Ihre übliche Aura hatte in der Gegenwart Sterblicher immer ausgereicht, doch sie wusste nicht, ob dies auch bei einem Gott zutraf, der so mächtig war wie Hades.
»Ich will Hades nicht wirklich begegnen«, sagte sie schließlich.
Die Worte schmeckten bitter auf ihrer Zunge, denn sie waren eine Lüge. Wahrheitsgemäßer wäre, dass sie mehr über ihn und seine Welt wissen wollte. Dass er so schwer greifbar und seine Wetten mit den Sterblichen so erschreckend waren, machten Hades für Persephone unglaublich interessant. Der Gott der Toten repräsentierte alles, was sie selbst nicht war – etwas Finsteres und Verlockendes.
Verlockend, weil er ein Mysterium war, und Mysterien bedeuteten Abenteuer; und das war etwas, wonach sich Persephone mehr als alles andere sehnte. Vielleicht war es auch die Journalistin in ihr, die darauf brannte, ihm ein paar Fragen zu stellen.
»Hades wird nicht da sein«, antwortete Lexa. »Götter arbeiten nie in ihren eigenen Unternehmen!«
Das war zutreffend, und bezüglich Hades wahrscheinlich umso mehr. Es war wohlbekannt, dass er den dunklen Glanz der Unterwelt bevorzugte.
Lexa starrte Persephone einen langen Moment an und lehnte sich dann über den Tisch.
»Hat es etwas mit deiner Mutter zu tun?«, fragte sie halblaut.
Persephone schaute ihre Freundin überrascht an. Sie redete nicht über ihre Mutter. Sie dachte, je weniger sie über sie redete, umso weniger Fragen müsste sie beantworten und umso weniger Lügen müsste sie dann erzählen.
»Woher weißt du das?«, war das Einzige, was Persephone als Antwort einfiel.
Lexa zuckte mit den Schultern. »Na ja, du redest nie über sie, und vor ein paar Wochen kam sie im Apartment vorbei, während du in der Vorlesung warst.«
»Was?« Persephone blieb der Mund offen stehen. Von diesem Besuch hörte sie zum ersten Mal. »Was hat sie gesagt? Wieso hast du mir nichts davon erzählt?«
Lexa hob die Hände. »Okay, erstens, deine Mom ist Furcht einflößend. Ich meine, sie ist atemberaubend, so wie du, aber«, Lexa schauderte, »kalt. Zweitens, sie hat mir gesagt, dass ich es dir nicht erzählen soll.«
»Und du hast auf sie gehört?«
»Nun, ja. Irgendwie dachte ich, sie würde es dir selbst sagen. Sie meinte, sie habe darauf gehofft, dich zu überraschen, aber da du nicht zu Hause seist, würde sie dich anrufen.«
Persephone verdrehte die Augen. Demeter hatte sie nicht angerufen. Wahrscheinlich war sie dort gewesen, um nach etwas zu suchen.
»War sie in unserem Apartment?«
»Sie bat darum, dein Zimmer zu sehen.«
»Verdammt.« Persephone würde die Spiegel überprüfen müssen. Es war möglich, dass ihre Mutter eine Verzauberung hinterlassen hatte, um sie zu kontrollieren.
»Auf jeden Fall hatte ich den Eindruck, dass sie … etwas überbehütend ist.«
Die Untertreibung des Jahres. Demeter war überbehütend bis an den Punkt, dass Persephone praktisch achtzehn Jahre lang keinen Kontakt zur Außenwelt gehabt hatte.
»Ja, sie ist ein Miststück.«
Lexa zog die Augenbrauen hoch und sah amüsiert aus.
»Deine Worte, nicht meine.« Sie zögerte und fragte dann sicherheitshalber: »Willst du darüber reden?«
»Nein«, antwortete Persephone. Darüber zu reden würde nicht dazu führen, dass sie sich besser fühlte – aber ein Ausflug ins Nevernight vielleicht schon. Sie lächelte. »Aber ich komme heute Abend mit.«
Morgen würde sie ihren Entschluss wahrscheinlich bereuen, vor allem falls ihre Mutter davon erfuhr, aber genau jetzt war ihr rebellisch zumute – und wie konnte man besser rebellieren als damit, den Club jenes Gottes zu besuchen, den ihre Mutter am wenigsten leiden konnte?
»Wirklich?« Lexa klatschte in die Hände. »Oh, meine Götter, wir werden so viel Spaß haben, Persephone!« Lexa sprang auf. »Wir müssen uns gleich fertig machen!«
»Es ist doch erst drei Uhr.«
»Na ja.« Lexa zupfte an ihrem langen dunklen Haar. »Diese Haare sind schlimm. Es dauert eine Ewigkeit, bis ich fertig gestylt bin, und ich muss noch deine Haare und Make-up machen. Wir sollten also gleich anfangen!«
Persephone machte keine Anstalten, zu gehen.
»Ich komme gleich nach«, sagte sie. »Versprochen.«
Lexa lächelte. »Super! Das wird großartig. Du wirst sehen.«
Lexa umarmte sie und tanzte förmlich davon.
Persephone blickte ihr lächelnd nach. In diesem Moment kam die Kellnerin zurück und streckte die Hand aus, um Persephones Tasse zu nehmen. Die Göttin ließ ihre Hand vorschnellen und packte das Mädchen am Handgelenk.
»Wenn du meiner Mutter irgendetwas anderes berichtest als das, was ich dir sage, werde ich dich töten.«
Es war dasselbe Mädchen wie vorhin, mit den niedlichen Zöpfen und den dunklen Augen, aber unter der Aura des jungen Collegemädchens entdeckte sie die Zeichen einer Nymphe – schmale Nase, lebhafte Augen und kantige Gesichtszüge. Persephone war es schon vorhin aufgefallen, als das Mädchen ihr Getränk gebracht hatte, doch sie hatte keine Notwendigkeit gesehen, sie zur Rede zu stellen. Die Nymphe tat nur, was Demeter ihr befohlen hatte – spionieren. Doch nach der Unterhaltung mit Lexa wollte sie kein Risiko eingehen.
Die Nymphe räusperte sich und mied Persephones Blick. »Sollte Eure Mutter herausfinden, dass ich gelogen habe, wird sie mich töten.«
»Wen fürchtest du mehr?« Persephone hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass Worte ihre mächtigste Waffe waren.
Sie drückte noch einmal fester ihr Handgelenk und ließ dann los. Die Nymphe räumte hastig den Tisch ab und flüchtete dann. Persephone musste zugeben, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte wegen der Drohung, aber sie hasste es, verfolgt zu werden, und sie hasste es noch mehr, ständig beobachtet zu werden. Die Nymphen waren wie Demeters Klauen, die fest in Persephones Haut saßen.
Ihr Blick fiel auf die sterbende Narzisse, und sie streichelte mit den Fingerspitzen über die welken Blütenblätter. Auf Demeters Berührung hin wären sie voller Leben neu aufgeblüht, doch durch ihre Berührung kringelten sie sich und zerfielen.
Persephone mochte die Tochter von Demeter und die Göttin des Frühlings sein, aber sie konnte verdammt nichts zum Wachsen bringen.
Nevernight
Das Nevernight war eine schlanke Obsidianpyramide ohne Fenster, höher als die hellen Gebäude um sie herum. Von der Ferne betrachtet sah sie aus wie ein Riss im Gewebe der Stadt. Den Turm konnte man von überall in New Athens sehen. Demeter hatte gesagt, Hades habe den Turm nur aus einem Grund so hoch gebaut: um die Sterblichen an ihr endliches Dasein zu erinnern.
Persephone bekam es zunehmend mit der Angst zu tun, je länger sie vor Hades’ Club stand. Lexa war verschwunden, um mit ein paar Mädchen von der Uni zu plaudern, die sie in der Warteschlange gesehen hatte. Persephone war also allein zurückgeblieben, um ihren Platz zu verteidigen. Sie war ganz und gar nicht in ihrem Element; umgeben von Fremden, im Begriff, das Territorium eines anderen Gottes zu betreten, gekleidet in ein freizügiges Etwas. Sie ertappte sich dabei, dass sie immer wieder die Arme verschränkte und wieder öffnete, unentschlossen darüber, ob sie den tiefen Ausschnitt ihres Kleides verstecken oder akzeptieren sollte. Sie hatte sich ein pinkes Glitzerteil von Lexa geborgt, die weit weniger Oberweite besaß. Ihr Haar fiel in lockeren Wellen um ihr Gesicht, und Lexa hatte ein Minimum an Make-up aufgetragen, um ihre natürliche Schönheit zu betonen.
Wenn ihre Mutter sie jetzt sähe, würde sie sie direkt zurück ins Gewächshaus schicken, oder – wie Persephone es irgendwann zu nennen begonnen hatte – das Glasgefängnis.
Der Gedanke ließ ihren Magen Purzelbäume schlagen. Sie sah sich um und fragte sich, ob Demeters Spione in der Nähe waren. Hatte ihre Drohung an die Nymphe im Coffee House ausgereicht, damit diese über ihre Pläne mit Lexa Stillschweigen bewahrte? Seit ihrem Entschluss, heute Abend mitzukommen, war ihre Fantasie aufgeblüht, was Demeters Strafen für sie anging, sollte sie sie erwischen. Trotz ihrer Fürsorge war ihre Mutter eine rachsüchtige Göttin. Tatsächlich hatte Demeter sogar eine ganze Parzelle im Gewächshaus der Bestrafung gewidmet – jede Blume, die dort wuchs, war einst eine Nymphe, ein König oder sonst ein Geschöpf gewesen, das ihren Zorn auf sich gezogen hatte.
Es war dieser Zorn, der Persephone paranoid machte und sie dazu gebracht hatte, jeden Spiegel in ihrem Zuhause zu überprüfen, als sie zum Apartment zurückgekehrt war.
»Oh, meine Götter!« Lexa war eine Erscheinung in Rot, und Blicke folgten ihr den ganzen Weg zurück zu Persephone. »Ist das nicht umwerfend?«
Persephone musste beinahe lachen. Sie war nicht so tief beeindruckt von der Pracht der Götter. Wenn sie schon mit ihrem Reichtum, ihrer Unsterblichkeit und Macht protzen wollten, dann wäre der Menschheit zu helfen doch das Mindeste, was sie tun könnten. Doch stattdessen verbrachten sie ihre Zeit damit, Sterbliche gegen Sterbliche auszuspielen und die Welt nur so zum Spaß zu zerstören und nach ihren selbstsüchtigen Wünschen umzuformen.
Persephone blickte wieder den Turm hinauf und runzelte die Stirn. »Schwarz ist nicht wirklich meine Farbe.«
»Wenn du erst Hades zu Gesicht bekommst, wirst du ein anderes Liedchen singen«, meinte Lexa.
Persephone warf ihrer Mitbewohnerin einen finsteren Blick zu. »Du hast mir erzählt, er sei nicht hier!«
Lexa legte die Hände auf Persephones Schultern und sah ihr in die Augen. »Persephone. Versteh mich nicht falsch, du bist total heiß, aber … wie stehen die Chancen, dass gerade du Hades’ Aufmerksamkeit auf dich ziehst? Da drin ist es brechend voll.«
Damit hatte Lexa nicht unrecht – und doch: Was, wenn ihre Aura versagte? Ihre Hörner würden Hades’ Aufmerksamkeit erregen. Und er würde sich auf keinen Fall die Chance entgehen lassen, sich einer anderen Gottheit auf seinem eigenen Territorium entgegenzustellen. Vor allem einer, der er noch nie begegnet war …
Persephone bekam ein ungutes Bauchgefühl. Sie zupfte an ihrem Haar und strich ihr Kleid glatt. Ihr war nicht bewusst, dass Lexa sie beobachtete, bis die sagte: »Weißt du, du kannst auch einfach ehrlich sein und zugeben, dass du ihn gern mal treffen würdest.«
Persephones Lachen darauf klang erbärmlich. »Ich will Hades nicht begegnen.«
Sie war sich nicht sicher, warum es so schwer war, das Gegenteil zu gestehen. Sie konnte sich einfach nicht dazu bringen, zuzugeben, dass sie dem Gott tatsächlich gern begegnen wollte.
Lexa bedachte sie mit einem wissenden Blick, doch bevor ihre beste Freundin etwas sagen konnte, waren vorn an der Schlange Rufe zu hören. Persephone spähte dorthin, um zu sehen, was los war.
Ein Mann versuchte, einem großen Oger am Club-Eingang – eine jener berüchtigt unbarmherzigen, brutalen Kreaturen, die Hades als Wächter für seine Festung beschäftigte – einen Haken zu verpassen. Natürlich war das eine sehr schlechte Idee: Der Oger blinzelte nicht einmal, als seine Hand sich um das Handgelenk des Mannes schloss. Aus den Schatten traten zwei weitere Oger, groß und schwarz gekleidet.
»Nein! Moment! Bitte! Ich will doch nur – ich brauche sie einfach zurück!«, schrie der Mann, als die Kreaturen ihn packten und fortzerrten.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Persephone seine Stimme nicht mehr hören konnte.
Lexa neben ihr seufzte. »Einer ist immer dabei.«
Persephone warf ihr einen ungläubigen Blick zu.
Lexa zuckte mit den Schultern. »Was? Im Delphi Divine steht immer wieder eine Story über irgendeinen Sterblichen, der in die Unterwelt einbrechen will, um einen geliebten Menschen rauszuholen.«
Das Delphi Divine war Lexas Lieblingsklatschmagazin. Es gab nur wenige Dinge, die ihrer Besessenheit mit den Göttern gleichkamen – außer vielleicht Mode.
»Aber das ist unmöglich«, argumentierte Persephone.
Alle wussten, dass Hades dafür berüchtigt war, die Grenzen seines Reiches streng zu sichern – keine Seele kam rein oder raus ohne sein Wissen.
Persephone beschlich das Gefühl, dass das auch für seinen Club galt. Und der Gedanke jagte ihr Schauer über den Rücken.
»Hält die Leute nicht davon ab, es zu probieren«, erwiderte Lexa trocken.
Als sie in Sichtweite des Ogers kamen, fühlte Persephone sich plötzlich nackt. Ein Blick in die Knopfaugen der Kreatur, und sie hätte fast einen Rückzieher gemacht. Doch dann verschränkte sie die Arme und gab sich Mühe, das missgestaltete Gesicht des Monsters nicht zu lange anzusehen. Es war von Furunkeln bedeckt, und sein Unterbiss entblößte messerscharfe Zähne. Obwohl die Kreatur ihre Aura nicht durchschauen konnte – die Magie ihrer Mutter übertraf die der Oger –, wusste Persephone, dass ihre Mutter viele Spione überall in New Athens hatte. Sie konnte gar nicht vorsichtig genug sein.
Lexa nannte ihren Namen, und der Oger sprach kurz in ein Mikro am Revers seiner Jacke. Einen Moment später streckte er die Hand aus und zog die Tür ins Nevernight auf.
Persephone sah überrascht, dass der kleine Raum, den sie betraten, halbdunkel und still war. Die beiden Oger von zuvor waren in ihn zurückgekehrt.
Die Kreaturen ließen den Blick über Lexa und Persephone gleiten. »Handtaschen?«
Sie öffneten ihre Taschen, damit die beiden sie auf verbotene Dinge überprüfen konnten, eingeschlossen Handys und Kameras. Die einzige Vorschrift im Nevernight lautete: keine Fotos. Tatsächlich galt diese Regel für jede Veranstaltung, die Hades besuchte.
»Woher soll Hades es überhaupt wissen, wenn irgendein neugieriger Sterblicher ein Foto macht?«, hatte Persephone gefragt, als Lexa ihr die Vorschrift erklärt hatte.
»Ich hab keine Ahnung«, gestand Lexa. »Ich weiß nur, dass er es weiß, und die Konsequenzen sind es nicht wert.«
»Was für Konsequenzen?«
»Ein kaputtes Handy, Besuchsverbot im Nevernight und eine Erwähnung in einem Klatschmagazin.«
Persephone krümmte sich innerlich. Hades war es ernst, und das passte ins Bild; der Gott schätzte seine Privatsphäre. Er war noch nicht einmal mit einer Geliebten in Verbindung gebracht worden. Persephone bezweifelte, dass Hades ein Keuschheitsgelübde abgelegt hatte wie Artemis und Athene, doch er hatte es geschafft, sich aus dem Licht der Öffentlichkeit herauszuhalten.
Irgendwie bewunderte sie das an ihm.
Sobald sie überprüft waren, öffneten die Oger eine andere Tür. Lexa nahm Persephones Hand und zog sie mit hindurch. Ein Schwall kalter Luft traf sie und mit ihr der Duft nach Alkohol, Schweiß und etwas, das bitteren Orangen ähnelte.
Narzissen. Persephone erkannte den Duft.
Die Göttin des Frühlings fand sich auf einem Balkon wieder, der das Erdgeschoss des Clubs überblickte. Überall sah sie Menschen – an Tischen versammelt beim Kartenspielen und Trinken oder Schulter an Schulter an der Bar. Ihre Silhouetten waren beleuchtet von einem roten Hintergrundlicht. Mehrere Polstermöbel bildeten gemütliche Nischen, die gefüllt waren mit Leuten. Aber was Persephones Aufmerksamkeit erregte, war das Zentrum des Clubs: eine abgesenkte Tanzfläche mit wogenden Leibern wie Wasser in einem Becken. Die Menschen bewegten sich in einem hypnotisierenden Rhythmus unter einem Strahl aus rotem Licht. Über ihren Köpfen an der Decke hingen reihenweise Kronleuchter aus Kristall und Schmiedeeisen.
»Komm mit!« Lexa zog Persephone mit sich die Treppenstufen hinunter in Richtung Erdgeschoss. Persephone hielt Lexas Hand fest, denn sie fürchtete, sie würden sich sonst verlieren, während sie sich durch die Menge arbeiteten.
Es dauerte einen Moment, bis ihr klar wurde, wohin Lexa sie steuerte, dann erreichten sie schon die Bar und quetschten sich in eine Lücke, die gerade groß genug für eine Person war.
»Zwei Manhattan«, bestellte Lexa. Doch als sie nach ihrer Handtasche griff, schob sich ein Arm zwischen ihnen hindurch, und ein paar Dollarnoten flogen auf den Tresen.
»Die Drinks gehen auf mich.«
Lexa und Persephone drehten sich um und sahen einen Mann hinter sich stehen. Seine Kieferpartie war so scharf umrissen wie ein Diamant und sein dichtes, lockiges Haar so dunkel wie seine Augen, seine Haut hatte einen wunderschönen Farbton von glänzendem Braun. Er war einer der schönsten Männer, die Persephone je gesehen hatte.
»Danke«, hauchte Lexa.
»Kein Problem«, antwortete er und zeigte beim Lächeln seine hübschen weißen Zähne – ein willkommener Anblick nach den grausigen Fängen der Oger. »Das erste Mal im Nevernight?«
Lexa antwortete schnell: »Ja. Und du?«
»Oh … ich bin Stammgast hier.«
Persephone warf Lexa einen Blick zu, die mit genau dem herausplatzte, was Persephone dachte: »Wie das?«
Der Mann schenkte ihnen ein warmes Lachen. »Einfach Glück, schätze ich.« Er streckte die Hand aus. »Adonis.«
Er schüttelte erst Lexa und dann Persephone die Hand, und sie nannten ihm ihre Namen. »Möchtet ihr mit an meinen Tisch?«
»Sicher«, antworteten sie einstimmig.
Mit ihren Drinks in der Hand folgten Persephone und Lexa Adonis zu einer der Nischen, die sie vom Balkon aus gesehen hatten. Jede hatte zwei halbmondförmige Sofas mit Samtbezug und dazwischen einen Tisch. Dort saßen schon einige Leute – sechs Männer und fünf junge Frauen –, aber sie rutschten zur Seite, damit Lexa und Persephone sich dazusetzen konnten.
»Leute, das sind Lexa und Persephone.« Adonis deutete auf seine Gruppe von Freunden und stellte sie mit Namen vor, aber Persephone bekam nur die von denen mit, die ihr am nächsten waren – Aro und Xerxes waren Zwillinge und hatten beide rotes Haar, Sommersprossen, hübsche blaue Augen und gertenschlanke Körper. Sybille war eine blonde Schönheit, deren lange Beine unter ihrem schlichten weißen Kleid hervorschauten. Sie saß zwischen den Zwillingen und lehnte sich über Aro hinweg, um Persephone und Lexa anzusprechen.
»Woher kommt ihr?«, fragte sie.
»Ionien«, antwortete Lexa.
»Olympia«, antwortete Persephone.
Das Mädchen machte große Augen. »Du hast in Olympia gelebt? Ich wette, es war wundervoll!«
Persephone hatte weit, weit weg von der Stadt gelebt, schicklich im gläsernen Gewächshaus ihrer Mutter, und hatte nicht viel von Olympia gesehen. Es war eins der beliebtesten Touristenziele in New Greece, wo die Götter Rat hielten und weitläufige Besitzungen unterhielten. In Abwesenheit der Göttlichen waren viele der Herrenhäuser und die umgebenden Gärten offen für Besichtigungen.
»Es war wunderschön«, bestätigte Persephone. »Aber New Athens ist ebenfalls wundervoll … ich hatte tatsächlich nicht sehr viel Freiheit in Olympia.«
Sybille schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. »Eltern?«
Persephone nickte.
»Wir sind alle aus New Delphi und vor vier Jahren hierhergekommen, um aufs College zu gehen«, warf Aro ein und deutete auf Sybille und seinen Bruder.
»Auch wir mögen die Freiheit hier«, scherzte Xerxes.
»Was studiert ihr?«, fragte Persephone.
»Architektur«, antworteten die jungen Männer einstimmig. »College der Hestia.«
»Ich bin im College des Göttlichen«, sagte Sybille.
»Sybille ist ein Orakel.« Aro deutete mit dem Daumen auf sie.
Das Mädchen errötete und wandte den Blick ab.
»Das heißt ja, dass du einer Gottheit dienen wirst!« Lexa blieb der Mund offen stehen.
Eine Position als Orakel war begehrt unter Sterblichen, und um eines zu werden, musste man mit prophetischen Gaben geboren sein. Orakel agierten als Boten für die Götter. Zur Zeit der Antike bedeutete das, in Tempeln zu dienen. Heute bedeutete es, als deren Pressemanager zu arbeiten. Orakel gaben Stellungnahmen ab und organisierten Pressekonferenzen, vor allem dann, wenn eine Gottheit etwas Prophetisches zu verkünden hatte.
»Apollo hat ein Auge auf sie geworfen«, meinte Xerxes.
Sybille verdrehte die Augen. »Es ist nicht so toll, wie es sich anhört. Meine Familie war nicht sehr glücklich darüber.«
Sybille musste nicht mehr sagen, denn Persephone verstand schon. Ihre Eltern waren das, was die Getreuen und die Gottesfürchtigen als Gottlose bezeichneten.
Die Gottlosen waren eine Gruppe Sterblicher, die die Götter ablehnten, als diese auf die Erde gekommen waren. Sie hatten sich schon zuvor von ihnen im Stich gelassen gefühlt und wollten ihnen deshalb nicht gehorchen. Es hatte einen Aufstand gegeben, bei dem sich zwei Lager bildeten. Götter, die die Gottlosen unterstützten, benutzten Sterbliche dabei wie Marionetten, hetzten sie über Schlachtfelder, und ein Jahr lang regierten Zerstörung, Chaos und Gewalt. Nach dem Ende der Kämpfe versprachen die Götter ein neues Leben, etwas Besseres als Elysium (offenbar hatte das Hades nicht besonders gefallen), und sie hielten ihr Versprechen. Sie verbanden Kontinente, tauften die Landmasse New Greece und teilten sie in Territorien mit großartigen, glänzenden Städten.
»Also, meine Eltern wären begeistert«, meinte Lexa.
Persephone erwiderte Sybilles Blick. »Tut mir leid, dass sie sich nicht für dich gefreut haben.«
Sybille zuckte mit den Schultern. »Seitdem ich hier bin, ist es besser.«
Persephone hatte immer mehr das Gefühl, dass sie und Sybille eine Menge gemeinsam hatten, wenn es um Eltern ging.
Ein paar Drinks später hatte sich die Unterhaltung auf urkomische Geschichten über die Freundschaft des Trios verlagert, und Persephone ließ den Blick über ihre Umgebung gleiten. Sie registrierte kleine Details wie Reihen winziger Lichter über ihnen, die wie Sterne im Dunkel aussahen, einzelne Narzissen auf den Tischen in jeder Nische und das schmiedeeiserne Geländer des Balkons in der ersten Etage, wo eine einsame Gestalt zu sehen war.
Dort verweilte ihr Blick und traf auf ein Paar geheimnisvolle Augen.
Hatte sie vorhin gedacht, dass Adonis der schönste Mann sei, den sie je gesehen hatte?
Sie hatte sich geirrt.
Dieser Mann starrte sie gerade an.
Sie konnte die Farbe seiner Augen nicht erkennen, aber sie entfachten ein Feuer unter ihrer Haut, und es war, als wisse er das. Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem schroffen Lächeln, das ihre Aufmerksamkeit auf sein kräftiges Kinn mit dunklen Bartstoppeln lenkte. Er war hochgewachsen, mindestens zwei Meter groß, und in Dunkelheit gekleidet, vom pechschwarzen Haar bis zum schwarzen Anzug.
Ihre Kehle wurde trocken, und plötzlich fühlte sie sich unbehaglich. Unruhig überkreuzte sie die Beine – und bereute die Geste sofort, denn der Blick des Mannes fiel dorthin und ruhte einen Moment lang dort, bevor er wieder ihre Gestalt hinaufglitt und ihre Rundungen erfasste. Feuer sammelte sich tief in ihrem Bauch und erinnerte sie daran, wie leer sie sich fühlte und wie unbedingt sie erfüllt werden wollte.
Wer war der Mann, und wie konnte sie solche Gefühle für einen Fremden entwickeln? Sie musste diese Verbindung unterbrechen, die eine derart erstickende Energie zwischen ihnen hervorrief.
Dazu brauchte es lediglich ein Paar zarter Hände, die sich von hinten um die Taille des Mannes schlangen. Persephone wartete nicht ab, um das Gesicht der Frau zu sehen, sondern drehte sich zu Lexa um und räusperte sich.
Die Gruppe plauderte mittlerweile über den Pentathlon – ein alljährlicher athletischer Wettbewerb mit fünf verschiedenen Disziplinen, zu denen Weitsprung, Speerwurf, Diskuswerfen, ein Ringkampf und eine Reihe kurzer Wettläufe gehörten. In den konkurrierenden Städten von New Greece war er unglaublich beliebt, und obwohl Persephone nicht wirklich ein Sportfan war, liebte sie durchaus den Geist des Pentathlon und jubelte beim Turnier für New Athens. Sie versuchte, der Unterhaltung zu folgen, doch ihr Körper fühlte sich an, als stünde er unter Spannung, und ihre Gedanken waren woanders – zum Beispiel bei der Vorstellung, wie es wohl wäre, dem Mann auf dem Balkon näherzukommen. Er könnte diese Leere füllen, dieses Feuer nähren und ihr Leid beenden.
Nur dass er offensichtlich schon vergeben war – und wenn nicht vergeben, so doch anderweitig mit einer anderen Frau verbunden.
Sie widerstand dem Drang, über die Schulter zu blicken, ob er noch dort war, bis ihre Neugier siegte – doch als sie hinsah, war der Balkon leer. Enttäuscht runzelte sie die Stirn, reckte den Hals und blickte suchend in die Menge.
»Auf der Suche nach Hades?«, witzelte Adonis, und Persephone richtete den Blick auf ihn.
»Oh, nein …«
»Ich habe gehört, er soll heute Abend hier sein«, mischte Lexa sich ein.
Adonis lachte. »Ja, für gewöhnlich ist er oben.«
»Was heißt denn oben?«, fragte Persephone.
»Eine Lounge. Dort ist es leiser. Intimer. Ich schätze, er zieht den Frieden dort vor, wenn er seine Bedingungen aushandelt.«
»Bedingungen?«, echote Persephone.
»Ja, du weißt schon, für seine Wetten. Sterbliche kommen hierher, um ihn für Dinge zu bezahlen – Geld, Liebe, was auch immer. Das Abartige daran ist, wenn der Sterbliche verliert, darf Hades den Einsatz festlegen. Und für gewöhnlich verlangt er von ihnen, etwas Unmögliches zu tun.«
»Was meinst du damit?«
»Es heißt, er kann Laster erkennen. Also verlangt er von dem Alkoholiker, dass er nüchtern bleibt, oder vom Sexsüchtigen, dass er keusch lebt. Wenn sie sich daran halten, dürfen sie weiterleben. Aber sollten sie versagen, bekommt er ihre Seele. Es ist, als wolle er, dass sie verlieren.«
Daraufhin verspürte Persephone eine leichte Übelkeit. Vom Ausmaß von Hades’ Glücksspiel hatte sie nichts gewusst. Das Äußerste, was sie gehört hatte, war, dass er die Seele des Sterblichen verlangte, aber dies klang ja noch viel, viel schlimmer. Es war … Manipulation.
Woher wusste Hades von den Schwächen dieser Sterblichen? Konsultierte er die Moiren, oder verfügte er selbst über diese Macht?
»Darf jeder dort hinauf?«, fragte Persephone.
»Wenn man das Passwort bekommt«, meinte Adonis.
»Wie kommt man an das Passwort?«, fragte Lexa.
Adonis zuckte mit den Schultern. »Wenn ich das wüsste. Ich komme nicht hierher, um mit dem Gott der Toten Geschäfte zu machen.«
Auch Persephone hatte kein Verlangen, einen Handel mit Hades einzugehen, aber sie fragte sich schon, wie man an das Passwort kam. Wie ging Hades eine Wette ein? Trugen Sterbliche dem Gott ihren Fall vor, und er erachtete sie dann für würdig?
Lexa stand auf und griff nach Persephones freier Hand. »Persephone, Toilette.«
Sie zog sie mit sich über die überfüllte Tanzfläche zu den Toiletten. Während sie am Ende der langen Schlange warteten, lehnte Lexa sich zu Persephone, ein breites Lächeln im Gesicht. »Hast du schon mal einen schöneren Mann gesehen?«, platzte sie heraus.
Persephone runzelte die Stirn. »Adonis?«
»Natürlich Adonis! Wen denn sonst?«
Persephone hätte Lexa gern mitgeteilt, dass sie, während sie Adonis beglotzte, jenen Mann verpasst hatte, der die Bezeichnung wirklich verdiente. Doch stattdessen sagte sie: »Du bist ja ganz hin und weg.«
»Ich bin verliebt.«
Persephone verdrehte die Augen. »Du kannst gar nicht verliebt sein, du bist ihm doch eben erst begegnet!«
»Okay, vielleicht nicht verliebt. Aber wenn er mich bitten würde, seine Babys zu bekommen, würde ich Ja sagen.«
»Du bist albern.«
»Nur ehrlich«, grinste Lexa. Dann sah sie Persephone ernst an und meinte: »Verletzbar sein ist okay, weißt du?«
»Was meinst du damit?« Persephones Frage kam bissiger heraus, als sie beabsichtigt hatte.
Lexa zuckte mit den Schultern. »Schon gut.«
Persephone wollte sie bitten, das näher zu erklären, aber bevor sie konnte, öffnete sich eine Toilettenkabine, und Lexa ging hinein. Persephone wartete, sortierte ihre Gedanken und versuchte, darauf zu kommen, was Lexa gemeint haben konnte, als eine zweite Kabine frei wurde.
Als Persephone die Toiletten wieder verließ, sah sie sich nach Lexa um, da sie damit rechnete, dass die auf sie wartete, doch sie fand sie nicht in der Menge. Sie blickte zum Balkon, wo Hades angeblich seine Deals machte: War Lexa etwa hinaufgelangt?
Da traf ihr Blick auf ein Paar meergrüner Augen. Eine Frau lehnte an der Säule am Ende der Treppe. Persephone dachte sich, dass sie irgendwie vertraut wirkte, aber sie wusste nicht, woher. Ihr Haar war wie goldene Seide und strahlte wie Helios’ Sonne, ihre Haut war cremefarben, und sie trug eine moderne Version eines Peplos, der zu ihren Augen passte.
»Suchst du jemanden?«, fragte sie.
»Meine Freundin«, antwortete Persephone. »Sie trägt ein rotes Kleid.«
»Sie ist raufgegangen.« Die Frau wies mit dem Kinn zu den Stufen, und Persephone folgte ihrem Blick. »Warst du dort?«
»Oh, nein, ich war nicht dort«, meinte Persephone.
»Ich kann dir das Passwort geben.«
»Woher hast du das Passwort?«
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Aufgeschnappt.« Dann zögerte sie kurz. »Also?«
Persephone konnte nicht leugnen, dass sie neugierig war. Dies war der Kick, den sie gesucht hatte – das Abenteuer, nach dem sie sich sehnte. »Sag es mir.«
Die Frau lachte leise, und ihre Augen glitzerten auf eine Art, die Persephone misstrauisch machte. »Pathos.«
Tragödie. Persephone fand das schrecklich Unheil verkündend.
»D-Danke«, sagte sie und ging die Wendeltreppe in die erste Etage hoch. Als sie oben ankam, sah sie dort nur eine dunkle Doppeltür mit Goldverzierungen und eine Gorgone als Wächterin davor.
Das Gesicht der Kreatur war voll tiefer Narben – sogar noch mit der weißen Binde vor den Augen war das offenkundig. Wie andere ihrer Art hatte sie eigentlich Schlangen anstelle von Haar. Doch jetzt bedeckte ein weißer Mantel mit Kapuze ihren Kopf und Körper.
Als Persephone sich näherte, registrierte sie, dass die Wände reflektierend waren. Sie sah sich selbst darin und betrachtete ihre geröteten Wangen und ihre leuchtenden Augen. Ihre Aura war schwächer geworden, seit sie hier war. Sie hoffte, dass sie es auf die Aufregung und den Alkohol schieben konnte, falls es jemandem auffiel. Persephone war sich nicht sicher, warum sie so nervös war. Vielleicht weil sie nicht wusste, was sie hinter diesen Türen finden würde.
Die Gorgone hob den Kopf, sagte aber nichts. Einen Moment lang herrschte Stille, doch dann holte die Kreatur tief Luft und erstarrte.
»Göttliche«, flüsterte die Gorgone.
»Wie bitte?«, fragte Persephone.
»Göttin.«
»Du irrst dich.«
Die Gorgone lachte. »Ich habe vielleicht keine Augen, aber ich erkenne eine Gottheit, wenn ich sie rieche. Welche Hoffnung hast du, hier einzutreten?«
»Du bist mutig für eine Kreatur, die weiß, dass sie mit einer Göttin spricht«, meinte Persephone.
Die Gorgone lächelte. »Nur dann eine Göttin, wenn es dir dienlich ist?«
»Pathos!«, antwortete Persephone barsch.
Das Lächeln der Gorgone blieb, doch sie öffnete die Tür, ohne weitere Fragen zu stellen. »Viel Spaß, meine Lady.«
Persephone warf dem Monster einen finsteren Blick zu und trat in einen kleineren, verrauchten Raum. Anders als auf der großen Fläche des Clubs war es hier still und leise. Über ihr hing ein großer Kronleuchter, der gerade genug Licht bot, um Tische und Gesichter zu beleuchten, aber nicht viel mehr. In mehreren Grüppchen saßen Leute beieinander und spielten Karten, aber niemand von ihnen schien sie zu bemerken.
Als die Tür sich mit einem Klicken hinter ihr schloss, begann sie ihre Suche nach Lexa, doch sie stellte fest, dass die Leute und die Spiele sie ablenkten. Sie sah, wie anmutige Hände Karten verteilten, und hörte, wie Spieler an Tischen sich Scherze zuwarfen. Dann kam sie an einen ovalen Tisch, der sich gerade leerte. Sie war nicht sicher, was sie dorthin zog, aber sie beschloss, sich zu setzen.
Der Dealer nickte. »Madam.«
»Spielen Sie?«, fragte eine Stimme hinter ihr. Es war ein tiefes Grollen, das sie bis in den Brustkorb spürte.
Sie drehte sich um und begegnete einem Paar endlos tiefer Augen. Der Mann vom Balkon stand in ihrem Schatten. Ihr Blut erhitzte sich, wurde fast unerträglich heiß und ließ sie erröten. Sie presste die überkreuzten Beine zusammen und ballte die Fäuste, um sich unter seinem Blick nicht zu winden.
Aus der Nähe konnte sie ein paar Lücken in ihrer Beschreibung von ihm füllen. Er war auf finstere Weise schön – auf eine Weise, die ein gebrochenes Herz verriet. Seine Augen hatten die Farbe von Obsidian und waren umrahmt von dichten Wimpern, sein Haar war am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengebunden. Sie hatte recht damit gehabt, dass er hochgewachsen war, denn sie musste den Kopf in den Nacken legen, nur um seinen Blick zu erwidern.
Als Persephones Brustkorb zu schmerzen begann, wurde ihr erst klar, dass sie, seit der Mann sich genähert hatte, den Atem angehalten hatte. Langsam holte sie Luft und atmete damit seinen Duft ein – Rauch, Würze und Winterluft. Der Duft füllte jegliche Leere in ihr.
Während sie ihn anstarrte, trank er einen Schluck aus seinem Glas und leckte sich dann über die Lippen. Er war die Sünde in Person. Sie konnte es daran fühlen, wie ihr Körper auf ihn reagierte – doch sie wollte nicht, dass er das bemerkte. Also lächelte sie und sagte: »Ich bin bereit zu spielen, wenn Sie bereit sind, es mir beizubringen.«
Seine Lippen krümmten sich zu einem Lächeln, und er zog eine dunkle Augenbraue hoch. Er nahm sich noch einen Drink, ging dann an den Tisch und nahm neben ihr Platz. »Es ist mutig, sich an einen Tisch zu setzen, ohne das Spiel zu kennen.«
Sie begegnete dem Blick des Mannes. »Wie würde ich es sonst lernen?«
»Hmm.« Er dachte darüber nach, und Persephone beschloss, dass sie seine Stimme mochte. »Schlau.«
Der Mann starrte sie an, als versuche er sie einzuordnen, und sie erbebte.
»Ich habe Sie noch nie gesehen.«
»Nun, ich war noch nie hier«, antwortete sie und zögerte. »Sie sind sicher oft hier.«
Er lächelte. »Stimmt.«
»Warum?«, fragte Persephone. Sie war überrascht, dass sie die Frage laut aussprach – ebenso wie der Mann. Er zog die Augenbrauen hoch. Sie versuchte zurückzurudern. »Ich meine – Sie müssen darauf nicht antworten.«
»Ich werde darauf antworten. Wenn Sie mir eine Frage beantworten.«
Sie musterte ihn einen Moment lang und nickte dann. »Gut.«
»Ich komme her, weil es … Spaß macht«, sagte er, aber es klang nicht so, als wüsste er, was das bedeutete. »Und jetzt Sie – warum sind Sie heute Abend hier?«
»Meine Freundin Lexa stand auf der Liste.«
»Nein. Das ist die Antwort auf eine andere Frage. Warum sind Sie heute Abend hier?«
Sie dachte über seine Frage nach und antwortete dann: »Es kam mir zu dem Zeitpunkt rebellisch vor.«
»Und jetzt sind Sie da nicht mehr so sicher?«
»Oh, ich bin sicher, dass es rebellisch ist.« Persephone strich mit der Fingerspitze über die Tischfläche. »Ich bin mir nur nicht sicher, wie ich morgen darüber denke.«
»Gegen wen rebellieren Sie denn?«
Sie sah ihn an und lächelte. »Sie sagten, eine Frage.«
Er erwiderte ihr Lächeln, und ihr Herz pochte härter. »Das ist wahr.«
Persephone blickte in diese endlos tiefen Augen und hatte das Gefühl, als könne er sie sehen – nicht die Aura oder auch nur ihre Haut und Knochen, sondern ihr Innerstes, und das ließ sie schaudern.
»Ist Ihnen kalt?«, fragte er.
»Was?«
»Sie zittern, seit Sie hier sitzen.«
Sie spürte, wie ihr Gesicht rot wurde. »Wer war die Frau vorhin bei Ihnen?«
Verwirrung trat in sein Gesicht, die aber sogleich verflog. »Oh, Minthe. Ihre Hände sind oft da, wo sie nicht hingehören.«
Persephone wurde blass – das klang nach einer Mätresse, und falls dem so war, war sie nicht weiter interessiert. »Ich … denke, ich sollte gehen.«
Er hielt sie zurück, indem er eine Hand auf ihre legte. Seine Berührung war wie Elektrizität und wärmte sie innerlich. Sie zog hastig die Hand weg.
»Nein«, sagte er, fast befehlend, und Persephone sah ihn finster an.
»Wie bitte?«
»Was ich damit sagen möchte ist, dass ich Ihnen noch nicht gezeigt habe, wie das Spiel geht.« Seine Stimme senkte sich zu einem hypnotisierenden Grollen. »Gestatten Sie.«
Es war ein Fehler, seinem Blick standzuhalten, denn dabei war es ihr unmöglich, Nein zu sagen. Sie schluckte und brachte es fertig, sich zu entspannen. »Dann zeigen Sie es mir.«
Seine Augen brannten sich in sie, bevor sein Blick auf die Karten fiel. Er mischte sie und erklärte: »Dies ist Poker.«
Sie registrierte, dass er anmutige Hände und langgliedrige Finger hatte. Ob er wohl Klavier spielte?
»Wir ziehen fünf Karten, und wir beginnen mit einem Einsatz.«
Persephone blickte an sich herab – sie hatte ihre Clutch nicht bei sich, aber schon sprach der Mann weiter: »Also dann, eine Antwort auf eine Frage. Wenn ich gewinne, beantworten Sie eine Frage, die ich stelle, egal welche, und wenn Sie gewinnen, beantworte ich Ihre.«
Persephone verzog das Gesicht. Sie wusste, was er fragen würde, aber Fragen zu beantworten, war weit besser, als all ihr Geld und ihre Seele zu verlieren, also stimmte sie zu: »Gut.«
Seine sinnlichen Lippen formten ein Lächeln, das in seinem Gesicht Fältchen vertiefte, die ihn noch attraktiver aussehen ließen. Wer war dieser Mann? Sie vermutete, dass sie nach seinem Namen fragen konnte, aber sie war nicht daran interessiert, Freundschaften im Nevernight zu knüpfen.
Während der Mann jedem von ihnen fünf Karten ausgab, erklärte er, dass es beim Poker zehn verschiedene Rankings gab, wobei die High Card ganz unten stand und der Royal Flush ganz oben. Das Ziel bestand darin, ein besseres Blatt zu ziehen als der andere Spieler. Er erklärte noch andere Dinge wie Schieben, Passen und Bluffen.
»Bluffen?«, wiederholte Persephone.
»Manchmal ist Poker nur ein Spiel der Täuschung … vor allem dann, wenn man am Verlieren ist.«
Persephone blickte auf ihr Blatt und versuchte sich zu erinnern, was er über die verschiedenen Ränge gesagt hatte. Sie legte ihre Karten offen auf den Tisch, und der Mann tat dasselbe.
»Sie haben zwei Damen«, sagte er. »Und ich habe ein Full House.«
»Also … haben Sie gewonnen«, stellte sie fest.
»Ja«, antwortete er und beanspruchte sofort seinen Preis. »Gegen wen rebellieren Sie?«
Sie lächelte ironisch. »Meine Mutter.«
Er hob eine Augenbraue. »Warum?«
»Wenn ich das beantworten soll, müssen Sie ein weiteres Mal gewinnen.«
Er gab erneut und gewann wieder. Dieses Mal stellte er die Frage nicht, sondern sah sie nur erwartungsvoll an.
Sie seufzte. »Weil … sie mich wütend gemacht hat.«
Er starrte sie wartend an, und sie lächelte. »Sie haben nie gesagt, dass die Antwort detailliert sein muss.«
Er erwiderte ihr Grinsen. »Für die Zukunft notiert, versichere ich Ihnen.«
»Die Zukunft?«
»Nun, ich hoffe doch, dass dies nicht das letzte Mal ist, dass wir Poker spielen.«
In Persephones Bauch flatterten Schmetterlinge los. Sie sollte ihm sagen, dass dies das erste und letzte Mal war, dass sie ins Nevernight kam.
Nur dass sie sich nicht dazu bringen konnte, die Worte auszusprechen.
Wieder gab er und gewann. Persephone hatte es langsam satt, zu verlieren und die Fragen des Mannes zu beantworten. Warum war er überhaupt interessiert an ihr? Wo war diese Frau, die vorhin bei ihm gewesen war?
»Warum sind Sie wütend auf Ihre Mutter?«
Sie dachte einen Moment lang über diese Frage nach. »Sie will, dass ich etwas bin, das ich nicht sein kann.« Persephone senkte den Blick auf die Karten. »Ich verstehe nicht, warum jemand das tut.«
Er legte den Kopf schief. »Haben Sie keine Freude an unserem Spiel?«
»Doch. Aber … ich verstehe nicht, warum Menschen gegen Hades spielen. Warum wollen sie ihm ihre Seele verkaufen?«
»Sie stimmen nicht deshalb einem Spiel zu, weil sie ihre Seele verkaufen wollen«, sagte er. »Sie tun es, weil sie glauben, sie könnten gewinnen.«
»Und tun sie es? Gewinnen?«
»Manchmal.«
»Macht ihn das zornig, was denken Sie?« Eigentlich hätte die Frage nur ein Gedanke in ihrem Kopf sein sollen, aber dennoch waren ihr die Worte entschlüpft.
Er grinste, und sie konnte sein Lächeln tief in den Eingeweiden spüren. »Liebes, ich gewinne so oder so.«
Ihre Augen wurden groß, und ihr Herz setzte aus. Hastig stand sie auf, und sein Name kam über ihre Lippen wie ein Fluch. »Hades.«
Sein Name auf ihrer Zunge schien eine Wirkung auf ihn zu haben, aber sie konnte nicht sagen, ob gut oder schlecht – seine Augen verdunkelten sich, und seine Lachfältchen schmolzen zu einer harten, unlesbaren Maske.
»Ich muss gehen.«
Sie drehte sich um und verließ den kleinen Raum.
Dieses Mal ließ sie sich nicht von ihm aufhalten. Sie eilte die Wendeltreppe hinunter und drängte sich durch die Masse der Körper im Hauptgeschoss. Und die ganze Zeit war sie sich überdeutlich der Stelle am Handgelenk bewusst, wo Hades’ Finger ihre Haut berührt hatten. War es übertrieben zu sagen, dass die Stelle brannte?
Es dauerte eine Weile, bis sie den Ausgang fand, und als sie ihn fand, drängte sie sich durch die Türen hinaus. Draußen atmete sie einige Male tief durch und hielt dann ein Taxi an. Sie stieg ein und schickte Lexa eine kurze Nachricht, um sie wissen zu lassen, dass sie weg war. Sie hatte ein schlechtes Gewissen und wollte nicht, dass Lexa früh ging, nur weil sie selbst nicht eine Minute länger in diesem Turm bleiben konnte.
Und da wurde ihr mit einem Schlag klar, was sie getan hatte.
Sie hatte Hades, dem Gott der Unterwelt, gestattet, sie zu unterweisen, sie zu berühren, gegen sie zu spielen und ihr Fragen zu stellen.
Und er hatte gewonnen.
Doch das war noch nicht das Schlimmste.
Nein, das Schlimmste war, dass da eine Seite von ihr war – eine Seite, von deren Existenz sie bis heute Abend nichts gewusst hatte –, die wieder hineinlaufen, ihn suchen wollte und nach einer Lektion in der Anatomie seines Körpers verlangte.
New Athens News
Der Morgen kam schnell.
Persephone blickte prüfend in den Spiegel, um sicherzugehen, dass ihre Aura intakt war. Die Magie war schwach, weil sie geliehen war, aber sie reichte aus, um ihre Hörner zu verbergen und ihre flaschengrünen Augen moosgrün aussehen zu lassen.
Sie hob die Hand, um einen weiteren Hauch von Aura über ihre Augen zu legen. Sie waren am schwersten zu tarnen, denn es brauchte die meiste Magie, um ihr helles Leuchten zu trüben. Plötzlich stutzte sie, als ihr etwas am Handgelenk auffiel.
Etwas Dunkles.
Sie schaute genauer hin. Eine Reihe schwarzer Punkte markierte ihre Haut, manche kleiner, manche größer. Es sah aus, als sei ein schlichtes, elegantes Tattoo auf ihren Arm gestochen worden.
Und das war falsch.
Persephone drehte das Wasser auf und schrubbte ihre Haut, bis sie rot und wund war, aber die Farbe ging weder ab noch verschmierte sie. Tatsächlich schien sie noch dunkler zu werden.
Dann fiel ihr der Moment gestern Abend im Nevernight ein, als Hades’ Hand sich auf ihre gelegt hatte, damit sie nicht ging. Die Wärme seiner Haut war auf sie übergegangen, doch als sie später aus dem Club geflohen war, war diese Wärme zu einem Brennen geworden, das noch intensiver wurde, als sie zu Bett ging.
Sie hatte mehrere Male das Licht angemacht, um ihr Handgelenk zu begutachten, aber nichts war zu sehen.
Bis heute Morgen.
Persephone hob den Blick zum Spiegel, und der Zorn brachte ihre Aura ins Wanken. Warum hatte sie seiner Forderung, zu bleiben, nachgegeben? Warum hatte sie nicht erkannt, dass sie den Gott der Toten dazu eingeladen hatte, ihr ein Kartenspiel beizubringen?
Sie wusste, warum. Sie war geblendet gewesen von seiner Schönheit. Warum hatte niemand sie gewarnt, dass Hades ein charmanter Bastard war? Dass sein Lächeln einem den Atem raubte und sein Blick das Herz stehen bleiben ließ?
Was war dieses Mal an ihrem Handgelenk, und was bedeutete es?
Eins wusste sie sicher: Hades würde es ihr sagen.
Heute.
Doch bevor sie in den Obsidianturm zurückkehren konnte, musste sie zu ihrem Praktikum. Ihr Blick fiel auf eine hübsche Schachtel mit Goldverzierungen, die sie von ihrer Mutter bekommen hatte. Sie stand auf ihrem Schminktisch und enthielt nun Schmuck. Als Persephone zwölf gewesen war, waren darin fünf Goldsamen gewesen. Demeter hatte sie mit ihrer Magie erschaffen und gesagt, sie würden einst zu Rosen erblühen in der Farbe von Gold – für sie, die Göttin des Frühlings.
Persephone hatte sie eingepflanzt und ihr Bestes getan, sie zu pflegen, doch statt zu den erwarteten Blüten heranzuwachsen, wurden sie welk und schwarz.
Sie würde nie den Gesichtsausdruck ihrer Mutter vergessen, als die auf die verwelkten Rosen starrte – schockiert, enttäuscht und voll Ungläubigkeit, dass die Blumen ihrer Tochter wuchsen wie etwas, das direkt aus der Unterwelt kam.
Demeter hatte die Hand ausgestreckt, die Blumen berührt, und sie waren voller Leben aufgeblüht.
Persephone ging nie wieder in ihre Nähe und mied diesen Teil des Gewächshauses.
Als sie nun auf die Schachtel blickte, brannte das Mal auf ihrer Haut so heiß wie ihre Beschämung. Sie durfte nicht zulassen, dass ihre Mutter es herausfand.
Sie kramte in der Schachtel, bis sie ein Armband fand, das breit genug war, um das Mal zu bedecken. Das würde genügen müssen, bis Hades es entfernte.
Persephone ging zurück in ihr Zimmer, doch sie kam nicht weit, da ihre Mutter sich vor ihr materialisierte. Persephone fuhr zusammen, und ihr Herz klopfte, als wolle es ihr aus dem Brustkorb springen.
»Bei den Göttern, Mutter! Kannst du nicht wenigstens die Tür benutzen wie normale Eltern? Und anklopfen?«
An einem normalen Tag hätte sie sie nicht so angefahren, aber sie war nervös. Demeter durfte nichts vom Nevernight erfahren. Gedanklich ging sie kurz alles durch, was sie gestern Abend getragen hatte – das Kleid war in Lexas Zimmer, die Schuhe in ihrem Schrank, und den Schmuck hatte sie in ihre Handtasche getan, die am Türgriff hing.
Die Göttin der Ernte war wunderschön und gab sich nicht mit Magie ab, um ihr elegantes, siebenendiges Gehörn zu verbergen. Ihr Haar war so blond wie das von Persephone, aber lang und gerade. Sie hatte schimmernde Haut und hohe Wangenknochen, die so natürlich rosig waren wie ihre Lippen. Demeter hob das spitze Kinn und betrachtete Persephone mit kritischen Augen – Augen, die sich von Braun zu Grün zu Gold veränderten.
»Unsinn«, sagte sie, nahm Persephones Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und wirkte noch etwas Magie. Persephone wusste, was sie tat, ohne in den Spiegel blicken zu müssen – sie bedeckte ihre Sommersprossen, machte ihre Wangen leuchtender und glättete ihr welliges Haar. Demeter mochte es, wenn Persephone ihr ähnelte, während Persephone es vorzog, ihrer Mutter so wenig ähnlich zu sehen wie möglich. »Du magst die Sterbliche spielen, aber du kannst trotzdem göttlich aussehen.«
Persephone verdrehte die Augen. Ihre Erscheinung war also noch eine Sache, mit der sie ihre Mutter enttäuschte.
»Na bitte!«, rief Demeter schließlich aus und ließ ihr Kinn los. »Wunderschön.«
Persephone blickte in den Spiegel. Wie erwartet – Demeter hatte alles verdeckt, was Persephone an sich mochte. Dennoch brachte sie ein gezwungenes »Danke, Mutter« heraus.
»Das war nichts, meine Blume.« Demeter tätschelte ihr die Wange. »Also, erzähl mir von diesem … Job.«
Aus Demeters Mund klang das Wort wie ein Fluch. Persephone biss die Zähne zusammen. Sie war überrascht, wie schnell und stürmisch der Zorn in ihr aufloderte. »Es ist ein Praktikum, Mutter. Wenn ich gut bin, könnte ich einen Job bekommen, wenn ich meinen Abschluss gemacht habe.«
Demeter runzelte die Stirn. »Liebes, du weißt doch, dass du nicht arbeiten musst.«
»Das sagst du«, brummte Persephone in sich hinein.
»Wie war das?«
Sie drehte sich zu ihrer Mutter um und sagte lauter: »Ich will das tun. Ich bin gut darin.«
»Du bist in so vielen Dingen gut, Kore.«