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Seit Stella denken kann, hat sie Gefühle für Heath Holiday, den besten Freund ihres großen Bruders. Doch der hat sie immer nur als kleine Schwester gesehen. Als sie einen vielversprechenden Job in der Baufirma von Heaths Vater ergattert, sieht Stella ihre Chance, endlich beruflich durchzustarten. Sie nimmt sich fest vor, ihre Gefühle beiseitezuschieben. Heath aber bringt sie immer wieder aus dem Konzept. Denn was sie nicht weiß: Auch er fühlt sich schon lange zu ihr hingezogen - doch hat er seinem besten Freund versprochen, Stella niemals näherzukommen. Je mehr sie zusammenarbeiten, desto komplizierter wird es für beide, an ihrem Vorhaben festzuhalten ...
Süß wie Schokolade, aufregend wie der Weihnachtsabend und spicy wie Lebkuchen - der perfekte Lesegenuss für die schönste Zeit des Jahres von USA-Today-Bestsellerautorin Devney Perry.
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Seit Stella denken kann, hat sie Gefühle für Heath Holiday, den besten Freund ihres großen Bruders. Doch der hat sie immer nur als kleine Schwester gesehen. Als sie einen vielversprechenden Job in der Baufirma von Heaths Vater ergattert, sieht Stella ihre Chance, endlich beruflich durchzustarten. Sie nimmt sich fest vor, ihre Gefühle beiseitezuschieben. Heath aber bringt sie immer wieder aus dem Konzept. Denn was sie nicht weiß: Auch er fühlt sich schon lange zu ihr hingezogen – doch hat er seinem besten Freund versprochen, Stella niemals näherzukommen. Je mehr sie zusammenarbeiten, desto komplizierter wird es für beide, an ihrem Vorhaben festzuhalten …
DEVNEY PERRY
Aus dem amerikanischen Englisch von Angela Koonen
Mit zitternden Fingern strich ich meinen Pulli glatt. »Wie sehe ich aus?«
»Hübsch.« Meine beste Freundin Wendy inspizierte mich von Kopf bis Fuß. »Aber die Hose geht gar nicht.«
»Wieso nicht?« Ich drehte mich zur Seite und musterte meinen Hintern im Spiegel.
Wendy trat von meinem Bett weg und reichte mir den grünen Smoothie, den sie mir mitgebracht hatte. »Trink das.«
Ich nahm einen Schluck mit dem Strohhalm und verzog das Gesicht. »Igitt. Wie kriegst du dieses Zeug jeden Tag runter?«
»Das ist gesund. Mit Grünkohl. Runter damit!«, befahl sie, und ihr Kopf verschwand in meinen Schrank.
Ich trug den Smoothie zum Mülleimer in der Küche und warf ihn hinein. Er landete neben dem Smoothiebecher von gestern. Dann nahm ich mir ein rotes Lakritzstäbchen aus der offenen Tüte auf dem Küchentresen.
Wendy kam mit einer Skinny Jeans in der Hand aus dem Schlafzimmer und sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Kaust du etwa Zuckerzeug?«
»Ja. Für meine Gesundheit hatte ich heute Morgen ein Eiweißomelett.« Ich schwenkte das Lakritzstäbchen hin und her. »Und für meine Zufriedenheit habe ich das.«
Mit einem bösen Blick warf sie mir die Jeans zu. »Zieh die an.«
»Ich will am ersten Tag keine Jeans tragen. Meine Hose ist okay.«
»Sie ist sackig.«
»Das ist eine Wide Leg.«
»Sie bringt deinen Hintern nicht zur Geltung.«
Ich rollte mit den Augen. »Ich will meinen Verstand zur Geltung bringen, nicht meinen Hintern.«
»Aber Heath wird da sein.«
Heath. Schon bei seinem Namen schlug mein Herz schneller. »Das spielt keine Rolle.«
»Klar«, erwiderte sie trocken.
»Tut es nicht. Nicht mehr. Er wird mein Kollege sein und sonst nichts.« Das klang so überzeugend, dass ich es beinahe selbst glaubte. »Ich habe ihn hinter mir gelassen und bin bereit, jemanden kennenzulernen, der mich tatsächlich wahrnimmt.«
»Wirklich?«
»Ja. Das war doch bloß eine dumme Schwärmerei.« Die seit fünfzehn Jahren anhält.
Seit meinem zwölften Geburtstag, als ich aufhörte zu glauben, alle Jungen hätten Läuse, war ich in Heath verknallt. Den besten Freund meines Bruders. Ihn für mich zu gewinnen war der einzige Wunschtraum meiner Kindheit, der sich bis Mitte zwanzig gehalten hatte. Den Grammy und die Olympiamedaille hatte ich aufgegeben, denn ich hatte weder ein musikalisches Gehör noch irgendein sportliches Talent.
Meine Schwäche für Heath war mal stärker, mal schwächer ausgeprägt gewesen, weil ich ab und zu einen Freund gehabt hatte, der ihm die Schau stahl, aber er war mein Schwarm geblieben.
Bis heute.
Vor zwei Wochen hatte Keith, Heaths Vater, mich als Projektmanagerin in seinem Bauunternehmen eingestellt. Heath und ich würden also bei Holiday Homes Kollegen sein, und es war Zeit, meine Schwärmerei ein für alle Mal zu begraben.
Fünfzehn Jahre waren genug.
Früher wäre ich in einer hautengen Hose hingegangen, weil ich verzweifelt gehofft hätte, er würde meinen Hintern taxieren und vielleicht mehr in mir sehen als Guys kleine Schwester. Doch diese Zeiten waren vorbei.
»Also heißt das, du wirst mit Jake ausgehen?«, fragte Wendy.
»Nein.«
»Ach komm, er ist doch ein heißer Typ.«
»Dann geh du doch mit ihm aus.«
»Wir arbeiten zusammen. Das wäre schräg.«
Jake war wie sie Personal Trainer im größten Fitnessstudio der Stadt. Er war heiß, da hatte Wendy recht. Aber er wusste, wie heiß er war, und ich hatte keine Lust, einen Mann zu daten, der täglich drei Stunden in den Spiegel starrte.
Ich hatte mein Lakritzstäbchen aufgegessen und nahm mir trotz Wendys tadelndem Blick ein zweites.
»Okay, ich fahre jetzt besser zum Gym. Ich habe um acht Uhr einen Kunden.« Sie holte ihren Parka von der Couch und schlüpfte hinein. »Viel Glück für deinen ersten Tag. Ich erwarte einen detaillierten Bericht.«
»Aye, aye, Sheriff.«
»Ganz falsch.« Sie kicherte. »Captain! Aye, aye, Captain.«
»Ich wäre lieber Sheriff als Captain. Ich werde so leicht seekrank.«
Sie lachte und kam zu mir, um mich zum Abschied zu drücken. »Denk noch mal drüber nach und zieh eine Hose an, die deiner Figur schmeichelt.«
»Das werde ich nicht tun.« Ich brachte sie zur Tür und winkte ihr, als sie über den vollen Parkplatz vor meinem Wohnkomplex eilte. Dann überprüfte ich im Bad noch einmal Make-up und Frisur.
Meine blonden Locken trug ich als stilvollen, langweiligen und bürotauglichen Knoten und auf den Lippen ein helles Rosa – ein klassischer, aber hübscher Farbton. Mein grauer Pulli war flauschig. Obwohl ich strahlende kühne Farben bevorzugte, war ich die Schlichtheit in Person. Das einzig Hervorstechende an meinem Outfit war seine Schicklichkeit. Besonders bei der Hose.
Okay, vielleicht hatte Wendy doch recht. Die Hose war ein kleines bisschen … sackig.
Ich drehte mich vor dem Spiegel, sodass ich über die Schulter auf meinen Hintern sehen konnte. Er wirkte … riesig.
»Deshalb trage ich die Hose sonst nie.« Ich zog die Unterlippe zwischen die Zähne und änderte ein paarmal meine Position. Egal aus welchem Blickwinkel ich ihn betrachtete, er erschien doppelt so groß und dabei flach wie ein Pfannkuchen.
Na und? Meine Kollegen würden da gar nicht hingucken. Es war nicht das Ziel, Heath zu beeindrucken. Vermutlich würde er mich sowieso übersehen.
Vor einem Jahr hatte mein Bruder ein Ski-und-Party-Wochenende in Big Sky organisiert. Heath und ich waren damals auch dabei. Ich stolzierte in meinem winzigen Bikini herum und stieg in den Whirlpool. Ich war praktisch nackt. Aber hatte er mich wahrgenommen? Nein. Eine engere Hose würde daran auch nichts ändern.
Außerdem interessierte es mich nicht, ob er mich heute bei der Arbeit bemerkte, klar?
Klar.
Ich hakte den Bund auf und stieg aus der Hose, aber nicht wegen Heath. Ich tat das für mich. Denn wenn man eine neue Stelle antrat, sollte man sich in seinem Outfit gut fühlen. Meine schwarze Lieblingshose war noch im Trockner. Also wühlte ich den Wäschehaufen durch und suchte sie heraus. Ich stieß die Beine hinein, zog den Reißverschluss zu und eilte ins Schlafzimmer, wo ich die hohen Pumps anzog. Vor dem Spiegel prüfte ich ein letztes Mal meine Erscheinung. In dieser Hose hatte ich einen Hintern. Einen großartigen Hintern.
»Viel besser.«
Den Mantel überm Arm ging ich nach draußen zum Parkplatz. Über Bozemans Straßen lag eine Schneedecke. Die Sonne schien und sorgte für eine blendende Fahrt durch glitzerndes Weiß.
Meine Heimatstadt war schon seit Thanksgiving weihnachtlich geschmückt. Um die altmodischen Straßenlaternen entlang der Main waren Girlanden und Schleifen gewickelt. In allen Schaufenstern sah man Schnee und Zuckerstangen. Für mich war das die schönste Jahreszeit und dies der beste Tag, um etwas Neues zu wagen.
Im Laufe meiner siebenundzwanzig Jahre hatte Bozeman sich gewandelt. Die ausgedehnten Felder rings um die Stadt waren inzwischen mit Wohn- und Geschäftshäusern bebaut. Die meisten Gesichter im Lebensmittelmarkt kannte ich nicht mal vom Sehen, aber das Lächeln der Leute war geblieben. Unsere Kleinstadtwurzeln reichten tief. Ich glaubte gern, dass das freundliche Zusammenleben auch mit den Familien zu tun hatte, die seit Generationen hier lebten – so wie meine. Und die Holidays.
Es freute mich, die Gemeinde wachsen zu sehen und dazuzugehören. Seit ich mein Wirtschaftsdiplom in der Tasche hatte, hatte ich als Projektmanagerin für eine örtliche Baufirma gearbeitet. Die Häuser, die sie baute, waren hübsch, aber alle gleich. Spekulationsobjekte und Wohnblocks waren nicht übermäßig ansprechend. Als ich also hörte, dass Holiday Homes, die erstklassige Architektenfirma in unserem Tal, ihren Mitarbeiterstab erweitern wollte, warf ich meinen Namen in den Hut.
Ich konnte jahrelange Erfahrung in der Branche nachweisen und war verdammt gut in meinem Beruf. Und falls sie mich unter den Bewerbern ausgewählt hatten, weil Guy und Heath beste Freunde waren, tja … Ich war entschlossen, mich zu beweisen.
Von heute an.
Mein Magen schlingerte, als ich meinen SUV auf den Firmenparkplatz lenkte und in eine Parkbucht fuhr. Mit zitternden Händen stellte ich den Motor ab. Doch ich konnte mich nicht überwinden auszusteigen. Ich saß da und starrte auf das schöne holzverschalte Gebäude mit den riesigen Fenstern, die die Sonne unter dem blauen Himmel reflektierten.
Bei Holiday Homes würde ich fast doppelt so viel verdienen wie vorher. Mit dem Gehalt konnte ich mir im nächsten Jahr ein eigenes Haus leisten und aus meiner Mietwohnung ausziehen.
»Los geht’s.« Ich holte tief Luft, straffte die Schultern, nahm meine Handtasche und ging hinein.
Es roch nach Kaffee und Sägemehl, genau wie am Tag meines Vorstellungsgesprächs.
»Guten Morgen«, grüßte die Dame mit den langen grau-weißen Haaren, die die Rezeption besetzte. »Schön, Sie wiederzusehen, Stella.«
»Hallo.« Meine Stimme schwankte. »Freut mich auch, Sie zu sehen.«
»Sind Sie gespannt?«
»Ja, und ein bisschen nervös.«
»Ich habe Ihren Lebenslauf gesehen. Sie werden das großartig machen. Tatsächlich bin ich gerade Ihre Einstellungsunterlagen durchgegangen.« Sie stand auf und kam hinter dem Empfangspult hervor, um mir die Hand zu geben. »Gretchen.«
»Natürlich. Wir haben uns schon bei meinem letzten Besuch gesehen.« Ich schüttelte ihr aufgeregt die Hand.
Sie schien mir eine nüchterne Person zu sein, denn sie übersprang den üblichen Small Talk und brachte mich sofort zu meinem Büro.
Zwanzig Minuten lang zeigte sie mir, was bei dem Telefon, dem Laptop und dem E-Mail-Programm zu beachten war. Dann gab sie mir einen Stoß Unterlagen, die ich durchlesen und unterschreiben sollte.
»Jetzt zeige ich Ihnen das Haus«, sagte sie. »Dann lasse ich Sie mit dem Papierkram allein. Keith ist gerade bei einem Kunden, sollte aber ab zehn in seinem Büro sitzen.«
»Klingt gut.« Ich nickte zu lebhaft und klang noch immer nervös. Und wann würden meine Hände endlich aufhören zu zittern?
»Keith ist ein großartiger Chef. Ich arbeite hier seit fünfzehn Jahren. Sie werden keine bessere Familie finden.«
Ich öffnete den Mund, um ihr zu sagen, dass ich die Holidays schon kannte, als ich noch Zöpfe trug, ließ es aber bleiben und nickte noch einmal begeistert.
Als Kind hatte ich mit Heath und seinem Zwillingsbruder Tobias auf dem Schulhof Fangen gespielt, war mit ihnen in die Highschool und aufs College gegangen. Vielleicht vermutete Gretchen längst, dass unsere private Verbindung der Grund war, weshalb ich jetzt an diesem Schreibtisch saß.
Es wäre nicht gut, das auszuposaunen. Vielmehr sollte ich der Firma und ihren Mitarbeitern zeigen, dass ich für sie ein Gewinn war. Gut möglich, dass man mich begünstigt hatte, aber ich würde allen zeigen, dass ich meinen Aufgaben gewachsen war.
Bei Gretchens Hausführung fielen viele Namen und Jobtitel. Holiday Homes, vor dreißig Jahren in Keiths Garage entstanden, war zu einem Unternehmen mit zwanzig Büroangestellten und dreimal so vielen Arbeitern angewachsen.
Das Firmengebäude war zweigeschossig, im oberen Stock befanden sich die meisten Büros, darunter auch meines, im Erdgeschoss drei Konferenzräume mit großen holzgerahmten Fenstern und daneben ein Pausenraum mit Kühlschrank, Espressomaschine und zwei Kaffeekannen.
Keiths Eckbüro war noch dunkel. Im Büro daneben saß auch niemand, aber das Licht war eingeschaltet. Ich brauchte nicht zu fragen, wem es gehörte, denn ein Hauch von Heaths herbem Rasierwasser wehte mir entgegen.
Ich erlaubte mir nicht, in dem Duft zu schwelgen. Nicht heute. Denn von jetzt an war Heath mein Kollege. Eine Autorität in der Firma. Ein Freund meiner Familie. Mehr nicht.
»Heath muss gekommen sein, während wir oben waren«, sagte Gretchen. »Wir werden ihm sicher irgendwo begegnen.«
»Okay.« Ich hatte schon immer viel Zeit damit verbracht, Heath irgendwo zu begegnen.
»Er leitet unsere größeren Bauprojekte, und das Baupersonal ist ihm unterstellt. Sie werden die Poliere und die Arbeiter bei den Projekten noch kennenlernen. Die kommen und gehen hauptsächlich vom Bauhof aus, aber einmal im Monat halten wir eine Personalversammlung ab. Und Sie werden die Jungs auf den Baustellen sehen.«
»Darauf freue ich mich schon.« Wie früher.
Der Bauhof befand sich am anderen Ende der Stadt in einem Industriegebiet, nicht weit von einer beliebten Holzhandlung. Für mich lag er abseits von allem, sowohl von meinem Zuhause als auch von meiner Arbeitsstätte. Aber in der Zeit, als ich noch zur Highschool und Heath schon zur Montana State gegangen war, war ich fast täglich dort vorbeigekommen, weil ich gehofft hatte, ihn zu sehen.
In den Sommerferien war er der Kerl auf dem Bauhof gewesen, der Anhänger mit Material belud. Ab und zu hatte ich einen Blick auf ihn werfen können, wie er schweißglänzend Kanthölzer auf einen Pick-up stapelte und dabei hinreißend aussah.
»Tobias?« Gretchen streckte den Kopf in das benachbarte Büro.
»Komm rein, Gretchen.« Ein vertrautes Gesicht empfing mich mit einem breiten Lächeln. Tobias stand von seinem Schreibtisch auf und setzte sich auf die vordere Kante. »Hi, Stella. Willkommen an Bord.«
»Danke.« Ich grinste ihn an, während meine Nervosität ein neues Level erreichte.
Jep, das ist schräg.
Das war Tobias, mit dem ich früher viel Zeit verbracht hatte. Der Junge, der Guy und mich durch unser Wohnzimmer gejagt hatte, wenn wir Fangen spielten. Der einmal ins Bad geplatzt war, als ich gerade auf dem Klo saß.
Jetzt war er praktisch mein Vorgesetzter. Als der Architekt der Firma würde er mir Anweisungen geben und dafür sorgen, dass ich sie befolgte.
Falls er die neue Situation auch seltsam fand, ließ er sich das nicht anmerken. »Wie läuft es bisher?«
»Großartig. Gretchen führt mich durchs Haus. Ich bin sicher, sie wird es bald leid sein, meine ständigen Fragen zu beantworten.«
»Pff.« Die ältere Dame fegte das beiseite. »Ich bin da, um zu helfen. Egal was Sie brauchen.«
»Gretchen, du erinnerst dich noch an unseren Freund Guy Marten, oder? Stella ist seine Schwester.«
»Oh, das war mir noch nicht klar«, sagte sie. »Aber jetzt, da du es erwähnst, erkenne ich die Ähnlichkeit.«
Guy und ich hatten blonde Haare, seine waren aber etwas dunkler als meine. Wir hatten die gleichen hellbraunen Augen und die gleiche schmale Nase. Doch während er ständig herumalberte, nur zufrieden war, wenn er Lacher erntete und gern im Mittelpunkt stand, war ich mehr der ruhige Typ, der die stillen Momente schätzte. Die Frau, die schwimmen oder wandern ging oder sich in ein Buch vertiefte. Meine Freitagabende verbrachte ich im Flanellpyjama mit einer Schüssel Popcorn vor dem Fernseher und sah mir die neueste Serie an, die gerade angesagt war.
»Da Sie Heath kennen, brauchen wir ihn wohl nicht aufzuspüren«, sagte Gretchen und sah auf die Uhr. »Gut, wir haben noch ein wenig Zeit, bis Keith kommt. Ich lasse euch allein. Sie können sich dann in Ihrem Büro einrichten, Stella. Möchten Sie einen Kaffee?«
»Den kann ich mir selbst holen. Danke, Gretchen.«
»Wie Tobias schon sagte: Willkommen an Bord. Wir sind eine Familie und freuen uns, Sie bei uns zu haben. Sie haben Keith beim Vorstellungsgespräch beeindruckt. Er wird Ihnen wahrscheinlich gleich einiges an Arbeit aufbürden.«
»Sie wird damit klarkommen.« Die tiefe raue Stimme kam von der Tür.
Ich drehte den Kopf, und mein dummes Herz stolperte.
Heath lehnte am Türrahmen, die Hände in den Taschen seiner Jeans. »Hi, Stell.«
»Hallo, Heath.« Nicht rot werden, nicht rot werden, bitte, nicht rot werden.
Meine Wangen wurden heiß, trotz meiner eindringlichen Beschwörung. Gegen dieses Erröten kämpfte ich schon mein Leben lang an.
Warum konnte ich Heath nicht genauso gelassen sehen wie Tobias? Wie einen alten Freund? Sie hatten beide die gleichen dunkelbraunen Haare, stechend blauen Augen, weichen Lippen und die gleiche gerade Nase. Tobias hatte sich sogar einen Bart wachsen lassen, und Bärte fand ich schon immer sexy.
Doch waren meine Wangen bei jenem Holiday-Bruder je heiß geworden? Nein. Noch nie. Kein einziges Mal.
Heath hatte eine ganz andere Ausstrahlung.
Vielleicht weil er sich bei seinen Hemden immer die Ärmel hochkrempelte. Vielleicht weil sein Lächeln immer ein bisschen schief war. Oder auch weil er oft lachte und Plätzchen als Grundnahrungsmittel betrachtete.
Heath war … Heath. Ein süßer Junge, der sich zu einem wahnsinnig gut aussehenden Mann entwickelt hatte. Er war mein Traum … Den ich mir aus dem Kopf schlagen musste. Praktisch sofort.
Er drückte sich vom Türrahmen weg, kam herein und trat auf mich zu – nah, aber nicht zu nah. Sein Aftershave umfing mich wie eine herzliche Umarmung. Vor seinen eins achtundachtzig kam ich mir vor wie eine Zwergin. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, um in seine hypnotischen blauen Augen sehen zu können. »Wie läuft dein erster Tag?«
»Gut.« Meine Stimme klang kratzig. Rückblickend betrachtet, hatte sie immer so geklungen, wenn er in meiner Nähe war. Wahrscheinlich hielt er das bei mir für normal. Gretchen und Tobias allerdings nicht. Ich räusperte mich und sprach mit etwas tieferer Stimme. »Wie geht es dir?«
Zu tief, verdammt. Jetzt klang ich, als wollte ich einen Mann imitieren.
Gretchen starrte mich an.
Ich lächelte bloß. Hier ist nichts seltsam, Gretchen. Alles normal. Total normal.
»Hab viel zu tun«, antwortete er. Ach ja, ich hatte ihn etwas gefragt. »Die Donnerstage sind immer hektisch.«
Normalerweise trat man eine neue Stelle nicht an einem Donnerstag an, aber als ich bei meinem vorherigen Arbeitgeber gekündigt hatte, war ich gebeten worden, ein paar Tage länger zu bleiben, um mein aktuelles Projekt noch abzuschließen.
»Hast du schon ein Büro bekommen?«, fragte er.
»Jep. Gretchen hat mich mit allem versorgt.«
»Sehr gut.« Er stieß mich am Ellbogen an, und da glühten auch schon wieder meine Wangen. Verdammter Mist. »Ich wollte mir gerade einen Kaffee holen. Ich komme später mal bei dir vorbei. Guy sagte etwas von einer verstopften Toilette. Du musst mir erzählen, wie die Sache ausgegangen ist.«
Ich starrte ihn mit offenem Mund an.
Bei allen Gesprächsthemen, die für Guy und Heath infrage kommen mochten, fanden sie es ausgerechnet erwähnenswert, dass meine Toilette verstopft war?
Ich hasste meinen Bruder. Ich hasste ihn wirklich.
Guy hätte von dem Toilettenvorfall gar nicht erfahren, wenn er nicht hereingeschneit wäre, als ich gerade den Badezimmerboden mit Handtüchern aufwischte.
»Das war eine Kleinigkeit.« Ich schaute zu Tobias und Gretchen, die nicht denken sollten, ich hätte Kloprobleme – egal ob rohr- oder darmmäßig. »Ich habe mit dem Toilettenstab geputzt, und das Scheuerpad, also das Wegwerfdings daran, hat sich im Abflussrohr verfangen. Mein Vater kam rüber und hat es für mich rausgeangelt. Jetzt ist alles wieder in Ordnung. Und von jetzt an werde ich nur noch die Größe eins und zwei runterspülen.«
Oh, mein Gott. Warum, Stella? Warum?
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann lächelte Gretchen und entschuldigte sich. Tobias kicherte und kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück. Und ich schob mich an Heath vorbei und flüchtete in den Pausenraum.
Ich unterdrückte ein Stöhnen. Das war nicht die beste Art, sich bei seinen Kollegen einzuführen. Nicht die schlechteste, aber auch nicht die beste. Doch angesichts meiner Geschichte peinlicher Momente mit Heath war mir das seltsame Gespräch über dieses verdammte Toilettenproblem noch am wenigsten peinlich.
Besser als die Situation, als ich mit vierzehn meine Periode bekam. Heath und Guy spielten draußen Football und ich hatte mich dazugesellt und mich mit einem Buch auf eine Decke gesetzt, weil ich hoffte, Heath würde ein paar Worte mit mir wechseln. Ich hatte meine coolsten weißen Shorts angezogen.
Guy bemerkte das Malheur als Erster und sagte laut vor Heath, ich müsse ins Haus gehen und einen Tampon benutzen.
Das war wohl der schlimmste meiner peinlichen Momente.
Der zweitschlimmste war der, als ich in der siebten Klasse und Heath bei uns zu Besuch war, um mit Guy Videospiele zu spielen. Mom hatte zum Frühstück Eier gebraten, und von denen bekam ich immer ein Grummeln im Bauch. Ich lungerte bei ihnen herum und hing förmlich an Heaths Lippen. Er sagte etwas Witziges, ich lachte, und dabei entfuhr mir ein Furz. Das Geräusch und der Gestank hatten die beiden aus dem Zimmer gejagt.
Verstopfte Toilette? Kein Ding. Ich hatte schon viel, viel Schlimmeres überlebt. Der Rest des Tages würde völlig normal verlaufen. Ich würde mir Kaffee holen und vor meinem Gespräch mit Keith an meinem neuen Schreibtisch schnell die Unterlagen durchgehen.
»Tassen …« Ich öffnete die Schranktüren über den Kaffeekannen im Pausenraum und fand nur leere Fächer. »Okay, vielleicht brauche ich keinen Kaffee.«
»Tassen sind da drüben.« Heath kam herein und ging zu dem Regal neben dem Kühlschrank. »Ich habe Dad gesagt, dass das kein logischer Platz dafür ist, aber er wollte sie neben dem Geschirrspüler stehen haben.«
»Ah. Nun ja, offen gesagt bin ich deiner Meinung.«
»Danke.« Er grinste und reichte mir eine weiße Keramiktasse. »Ich bin froh, dass du hier bist. Wir sind überlastet, und es wird großartig, jemanden mit Erfahrung an Bord zu haben.«
»Ich freue mich auch, hier zu arbeiten.« Ich füllte meine Tasse und lächelte. »Mein alter Job hat mir schon auch gefallen, aber ich denke, dieser hier entspricht mehr meinen Interessen. Die Häuser, die ihr baut, finde ich wirklich toll.«
Holiday Homes war für seine Detailfreude bekannt. Bei der jährlichen Parade of Homes war ihr Ausstellungsstück in den letzten fünf Jahren jedes Mal mein Favorit gewesen.
»Wir haben demnächst einige Projekte, die Spaß machen werden«, sagte er.
»Gut.« Ich hob grüßend meine Tasse. »Ich sollte mich jetzt besser um meine Einstellungsunterlagen kümmern. Bis dann.«
Er nickte. »Schönen Tag.«
Ich ging und war absolut beeindruckt von mir, weil ich es während dieser Plauderei geschafft hatte, nicht rot zu werden oder Unsinn zu plappern.
Natürlich hatte ich schon viele Male mit Heath gesprochen. Aber meistens war Guy dabei gewesen und hatte mich aufgezogen oder herumgealbert. Wenn wir nun jeden Tag als Kollegen und ohne meinen Bruder zusammentrafen, würde Heath mich vielleicht als erwachsene Frau betrachten.
Ich war einen Schritt von meinem Büro entfernt, als er mich rief.
»Stella.«
»Ja?« Ich drehte mich um.
Er kam zu mir und direkt in meine persönliche Distanzzone.
Mir stockte der Atem, als ich seine Körperwärme spürte.
Er bückte sich und ging dabei in die Hocke. Dann spürte ich seine Finger an meiner Wade.
Sprachlos und entsetzt sah ich zu, wie er sich aufrichtete und mir ein winziges Ding aus schwarzer Spitze hinhielt.
Einen Stringtanga.
Meinen Stringtanga.
Der hatte sich anscheinend in meiner schwarzen Hose verfangen. Und herausgelugt. Den ganzen Morgen. Während meines Rundgangs mit Gretchen, bei der sie mich den Kollegen vorgestellt hatte. Während ich mit Heath im Pausenraum gewesen war.
Das beschämte mich unsäglich.
»Ähm …« Er hielt ihn mir immer noch hin.
Fassungslos schnappte ich ihn von seiner Handfläche. Hätte ich mich nicht noch mal umgezogen, sondern die andere Hose anbehalten, wäre die statische Haftung nicht zum Problem geworden. Doch da stand ich nun in der engen Hose mit einem Stringtanga in der Faust.
Der Blutfleck in den weißen Shorts und der stinkende Furz verblassten dagegen.
Mit einem kleinen Lächeln trat er an mir vorbei und ging den Flur hinunter in sein Büro.
»Oh, mein Gott.« Ich stellte meinen Kaffee ab und barg mein glühendes Gesicht in den Händen.
Sobald Heath Holiday ins Spiel kam, war ich geliefert.