Abschiedstour - Christine Prayon - E-Book

Abschiedstour E-Book

Christine Prayon

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Beschreibung

Vielleicht löst das Wort »Abschiedstour« bei Ihnen Verwunderung, Trauer oder gar Panik aus. Das macht nichts. Genau so ist es beabsichtigt. Ein Abschied steigert den Marktwert dieses Produkts. Dabei spielt es keine Rolle, um welchen Abschied es geht: Verabschiedet Christine Prayon sich von der Bühne? Möglich. Ist das Kabarett tot? Oder reden wir hier von einem Abschied im ganz großen Stil? Vom Ende des Kapitalismus? Möglich. REINGELEGT!! Natürlich nicht möglich. Der Kapitalismus ist das Hinterletzte, aber er ist alternativlos. Basta. Ende der Diskussion. Also mach schon: KAUF JETZT DAS BUCH.

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Seitenzahl: 82

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Ebook Edition

Christine Prayon

Abschiedstour

Eine Utopie

Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.westendverlag.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-865-5

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2021,

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

Titel

Vorwort

Falls wir jetzt doch noch Kapitalismus haben

Utopia oder: Das Kabarett ist eh tot

Der GröCoZ

Die Nachrichten I

Der Brennpunkt

Gespräch in der Garderobe

Pause

Radio Diarrhoe

Mann oder Frau?

Falschblinker

Verbrauchertipps

Die Nachrichten II

Die Werbung

Schinkenpelz

Kurze Zwischenfrage

Schlandfunk

#gänsehaut

Letztes Kapitel

Brööt7

Die Nachrichten III

BONUSMATERIAL

Zugabe Nummer eins – 80 Jahre Ermächtigungsgesetz

Zugabe Nummer zwo – Flüchtlinge

Zugabe Nummer drei – Martin Luther

Zugabe Nummer vier – Gentrifizierung

Zugabe Nummer fünf – System Change Not Climate Change

Zugabe Numm…

Landmarks

Inhalt

Vorwort

Bücherschreiben ist nichts für mich. Lieber erzähle ich meine Geschichten auf der Bühne. Da kann man, wenn man mal nichts zu sagen hat, einfach nur gucken. Oder mit den Zehen wackeln.

Warum also ein Buch? Weil es gerade keine Bühnen gibt. Wegen Dingsbums, Sie wissen schon. Das ist wie bei … sagen wir mal, wie beim Juchtenkäfer, dem sein natürlicher Lebensraum genommen wird, sagen wir mal, weil Andere bei ihm zuhause einen Bahnhof bauen. Der stirbt dann aus oder er geht woanders hin.

Da Aussterben für mich momentan noch keine Alternative ist, suche ich mir meine Bühnen jetzt woanders.

Da wäre ich nun also. In Ihrem Buch.

Was machmer?

Normalerweise würde ich jetzt erst mal einen Schluck Wasser trinken und ins Publikum gucken und dann in mein Textbuch, 20 oder 30 Sekunden lang, für das Publikum gefühlte zehn Minuten. Dann würde das Publikum beginnen, unsicher zu werden (meint die das ernst?), Einige würden beginnen, nervös zu lachen oder das Nichtgeschehen lustig zu kommentieren, Andere würden sich über die amüsieren, die beginnen, nervös zu werden, und wieder Andere hätten jetzt schon Lust, die Karte zurückzugeben.

Es lässt sich schwer beschreiben, was in solchen Momenten im Theater geschieht. Ich versuche mal, eine Entsprechung für meine neue Bühne, das Buch, und mein neues Publikum, Sie, die Leser*innen, zu finden. Wie wäre es damit:

Und …? Haben Sie was gespürt? War es unangenehm? War’s komisch? Möchten Sie das Buch am liebsten türenknallend verlassen? Sind Sie jetzt gespannt, wie es weitergeht?

Wunderbar. So soll es sein. Das ist die Magie der Bühne!

Falls wir jetzt doch noch Kapitalismus haben

Sie müssen sich das so vorstellen: Ich, die von Ihnen bezahlte Künstlerin, sitze »jetzt«, also in einer Zeit lange vor der, in der Sie jetzt, also tatsächlich jetzt-jetzt, diese Zeilen lesen, vor meinem leeren Blatt Papier und es ist Dingsbums, Sie wissen schon.

Es ist also eine Zeit, in der man eigentlich gar nichts von Bestand schreiben kann, da sich alles wöchentlich, täglich, an manchen Tagen sogar stündlich ändert. Das Einzige, das man mit Gewissheit sagen kann, ist, dass nachher nichts mehr so sein wird wie vor Dingsbums. Es ist also eine Zeit für Utopien und selbstverständlich auch für Dystopien, je nachdem, ob man der »Das Glas ist halb voll«- oder der »Das Glas ist halb leer«-Typ ist.

Ich bin der »Halb voll«-Typ, aber nur, weil ich im Grunde der »Halb leer«-Typ bin und mich aus Angst vor Depressionen für das Andere entschieden habe.

Anders gesagt: Wir können uns im Moment sicherlich alle darauf einigen, dass das Glas so was von halb leer ist, dass der ganze zusammengekratzte Rest-Optimismus höchstens in dem Wörtchen »halb« steckt, und auch das ist noch ein Euphemismus. Es ist ja nicht mal halb leer, das Glas. Da ist noch so ein Pfützchen drin, und das ist nicht mal Wasser oder Wein oder Matcha-Latte. Das ist ganz trübe, übel riechende … ich sag’s nicht. Stellen Sie es sich selber vor. Darum geht es doch auf der Bühne – um Imagination!

Ich komme mal auf den Punkt. Gerade weil das Glas so kurz vor leer ist, gibt es jetzt zwei Möglichkeiten (genau genommen gibt es natürlich immer mehr als zwei Möglichkeiten, aber das ist wieder ein anderes Thema): Entweder wird es nach Dingsbums besser oder es wird schlimmer. Entweder biegen wir links oder rechts ab. Entweder Utopie oder Dystopie. Zu einfach? Zu populistisch? Ich darf das, ich mache Satire.

Entweder lernt die Gesellschaft aus dieser Dingsbums­krise, die wie die Finanzkrise, die Flüchtlingskrise oder der Klimawandel nur eine weitere Systemkrise ist. Oder die Gesellschaft lernt nichts daraus und der Kapitalismus dreht noch eine weitere, womöglich letzte Runde, bevor sich das mit der Menschheit dann von selbst erledigt. Immer noch zu einfach? Ja, natürlich. Wenn ich es weniger einfach sage, wird es nicht deutlich.

Ich habe mich für die Utopie entschieden. Das Glas ist halb voll. Das ist schön. Jetzt gibt es nur ein Problem: Es ist nicht komisch. Über Utopien zu reden ist interessant, anstrengend, anregend, aber komisch ist es nicht.1

Das ist an sich kein Problem, denn es MUSS ja nicht komisch sein. Für mich als Kabarettistin ist es aber eben doch ein Problem, weil ich gar nicht weiß, ob ich anders als »komisch« über eine Sache reden KANN oder WILL … Heidewitzka! Ich bin ein Rindvieh. Jetzt hab ich doch schon wieder vergessen, dass ich gar keine Kabarettistin mehr bin. Hach, diese vermaledeiten alten Muster und Denkstrukturen. Schluss damit! Christine! Das hier ist ein Buch, keine Bühne! Du bist …

Gucken Sie mal gerade weg.

Ja, ich meine Sie, den Leser oder die Leserin. Gucken Sie mal weg. Die nächsten Zeilen gehen nur an meine Adresse. Das ist so eine Art Ausstieg aus der Rolle, also so eine Art Theatermonolog, wenn die Rolle auf der Bühne allein ist und anfängt, ganz selbstverständlich mit sich selbst zu reden, wofür ich jetzt keine Entsprechung im Buch finde. Deshalb bitte: Gucken Sie mal kurz weg. Sie können beim nächsten Kapitel weiterlesen.

Christine! Das hier ist kein Kabarett! Hier muss nichts auf Pointe enden. Hör auf, zwanghaft komisch sein zu wollen. Lass los! Christine! Lass los! Lass, verdammt noch mal, los! Ich meine das ernst, lass jetzt mal los! Sieh das doch mal als Chance hier! Halt das einfach mal aus, dass keiner lacht. Guck mal, das ist doch das Schöne an einem Buch, dass du gar nicht mitkriegst, dass keiner lacht. Es kann dir doch so was von scheißegal sein, was die Idio… und überhaupt: Das Kabarett ist eh tot.

Utopia oder: Das Kabarett ist eh tot

Wissen Sie, was Sie für Glückspilze sind, dass die Bühnen dicht sind und Sie sich kein Kabarett mehr ansehen müssen?

Stellen Sie sich mal vor, ich würde das jetzt hier machen wie früher, vor Dingsbums. Wissen Sie noch – Kabarett? Stellen Sie sich mal einen Moment vor, ich würde Ihnen jetzt was über Demokratieabbau erzählen, über unser ungerechtes Bildungssystem, über die Schere zwischen Arm und Reich … Wofür?? Soll ich Sie aufklären? Worüber? Darüber, dass unsere Politik von Konzernen gemacht wird, FÜR Konzerne? Darüber, dass unsere total unabhängige Presse ein paar reichen Säcken gehört?Ui, da hab ich Ihnen jetzt ein Geheimnis verraten, ne?

Sollen wir uns aufregen? Sollen wir uns darüber aufregen, dass Stuttgart 21 ein völlig sinnloses Projekt ist, welches in Mafia-Manier und mit fetten Lügen auf Teufel komm raus durchgesetzt wird? Oder darüber, dass 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Nazis in Deutschland morden und der Verfassungsschutz da offensichtlich tief mit drinsteckt und das alle wissen und das keine Sau interessiert und das absolut folgenlos bleibt?

Sollen wir uns darüber aufregen, dass die Lufthansa neun Milliarden Euro bekommt, während hier ein Theater nach dem anderen vor der Schließung steht? Sollen wir uns darüber aufregen, dass aus Krisen scheinbar nie was gelernt wird? Dass das, was für die Leute vorher schon scheiße war, nachher in der Regel noch scheißer ist? Dass es immer mehr Verlierer und die immer gleichen Gewinner gibt?

Sollen wir Schuldige dafür finden, um nicht über das Prinzip reden zu müssen, über die strukturellen Ursachen, die den immer gleichen Mist in immer neuen Farben und Formen hervorbringen, ob das Finanzkrise oder Flüchtlingskrise oder … Dingsbumskrise heißt, ob das Stuttgart 21 ist oder ’ne Überwachungs-App, Abgasskandale, Abhörskandale, Abwrackpauschale?

Haben wir uns schon oft drüber aufgeregt, oder?

Wenn Korruption und Lüge so klar, so evident, so transparent und salonfähig sind, dass darüber nicht mehr aufgeklärt werden muss, und wenn es jeden Tag einen neuen Aufreger gibt, sodass ich mit dem Michaufregen gar nicht mehr hinterherkomme und das Michaufregen so normal wird, dass mich eigentlich nichts mehr aufregen kann, dann brauch ich auch kein Kabarett.

Wenn alles transparent ist – was soll man dann mit Kabarett sichtbar machen? Was willste da überhaupt satirisch zuspitzen? Ist doch alles Satire. Und selbst das festzustellen, ist überflüssig, weil das schon so viele festgestellt haben. Früher waren Verschwörungstheorien noch theoretisch und Realität realistisch. Früher waren Verschwörungstheorien voll abgefahren, heute ist Realität der heiße Scheiß. Ich schwöre, Realität ist die geilste Verschwörung von allen. Also jetzt richtig echte Realität, nicht Tagesschau oder so.

Was willste da Kabarett machen? Geht ja auch gar nicht: Kabarett ist Kritik plus Witze. Aber Kritik ist gerade so … Gestern hab ich die Frau an der Käsetheke gefragt, ob sie mir den Gouda nicht bitte mal in dickere Scheiben schneiden könne, weil die den immer so hauchdünn schneidet, dass der mehr Luft als Käse ist. Sagt die zu mir: »Nicht in dem Ton! Mit Käse-Leugnern rede ich nicht!«

Ich sag nix mehr.