Adam Coon - Vantell J. LaRoche - E-Book

Adam Coon E-Book

Vantell J. LaRoche

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Beschreibung

Band 5. März 2024. Sechs Jahre nach den letzten Ereignissen stellt sich der FINK-Gesellschaft die Frage: Wie kann es weitergehen? Der Chef hat etwas Großes in Planung und ist bereit dazu, viele Opfer zur Erfüllung dessen zu lassen. Alles funktioniert, wie er es sich vorstellt. Zufälle spielen ihm in die Karten. Das Universum scheint auf seiner Seite zu stehen. Doch kann es tatsächlich so einfach sein? Können alle Obstakel, die im Weg stehen, überwunden werden? Halten Freundschaften dem Ganzen stand? Liefern sich die Menschen gegenseitig ans Messer?

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WIDMUNG

Für Stefan.

Dafür, dass Du mir damals bei den ersten Schritten zur Publikmachung meines ersten Buches geholfen und mir das nötige Selbstvertrauen gegeben hast.

DER AUTOR

Vantell J. LaRoche. Ein Pseudonym, hinter dem sich ein junger Schreiberling versteckt - im wahrsten Sinne. Denn Vantell wurde 2002 in der kleinen Stadt Görlitz geboren.

Im Jahre 2012 fand der Schreiberling die Liebe zur Literatur und Fremdsprachen und verfasst seither auch eigene Werke.

Das bislang größte Projekt dabei ist die Buchreihe um Adam Coon. Mit abertausenden Worten, Sarkasmus und schlechten Witzen wird das Leben des Coons mit Höhen und Tiefen gestaltet.

WERKE

Adam Coon Bd. 1 - Der Tod serviert mit Essig

Adam Coon Bd. 2 - Der Tod im Klärwerk

Adam Coon Bd. 3 - Der Tod in Person

Adam Coon Bd. 4 - Ein letztes Wiedersehen mit dem Tod

Adam Coon - Die Auferstehung des Todes

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

PROLOG

Seit acht Jahren saß er hier in diesem Loch. Seit acht Jahren wollte er nichts Sehnlicheres als Rache. Rache an der Person, welcher er das hier verdanken konnte. Ein Exempel hatte er bereits statuiert. Doch das reichte ihm nicht. Er wollte mehr. Die anfängliche Genugtuung war längst verklungen.

Die Isolation in der Zelle machte seine Gedanken düsterer und gefährlicher. Perfide.

Wenn sie dachten, sie könnten ihn mit ein paar Betonwänden und Metalltüren aufhalten, dann täuschten sie sich.

Das hatte er schon mehrfach bewiesen.

Er war tief gefallen, doch gewiss nicht war er schwach. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass er metaphorisch wie eine Schildkröte hilflos auf dem Rücken gelegen hatte. Er hatte das Ganze schon einmal durchkauen dürfen, als er noch für ein Syndikat gearbeitet hatte. Es hatte hauptsächlich aus Mitgliedern einer chinesischen Großfamilie bestanden, die ihre kriminellen Machenschaften mittels einer Wäscherei tarnten. Er war der einzige Amerikaner gewesen. Genaugenommen sogar der Einzige, der wirklich die englische Sprache beherrschte. Das war von Vorteil in den Vereinigten Staaten. Die Geschäfte liefen gut. Sehr gut. Es war abwechslungsreich gewesen. Kein Tag war wie der andere gewesen. Vor allem wenn die Japaner wieder einen Kleinkrieg angezettelt hatten. Doch irgendwann waren kleine Syndikate wie seins in den Hintergrund gerutscht, wurden von größeren kriminellen Organisationen und Gesellschaften … nicht verdrängt, eher abgelöst. Es war nur noch eine Frage der Zeit gewesen, bis die „Wäscherei“ komplett zusammengebrochen war. Also hatte er die sogenannten Ablöser ausgekundschaftet und sich schon bald einer Gesellschaft angeschlossen. Machte fortan gemeinsame Sache mit dieser.

Er lachte leise vor sich hin. Wie weit er es doch damals gebracht hatte. Jetzt saß er fest und konnte nur bedingt seine Macht ausüben. Bald, dachte er. Bald würde er herauskommen. Von der süßen Luft der Freiheit wieder kosten dürfen.

Verfeinert mit einem Odium, welches jedoch nicht ihm gelten sollte.

KAPITEL EINS

01. März, 2024- San Francisco

„FINK will riiise again. FINK. FINK. FINK. Argh!”

Der Barkeeper beobachtete den krächzenden Mann, der zum wiederholten Mal mit dem Kopf auf den Tisch schlug. Doch rauswerfen würde er ihn nicht. Dafür zahlte er zu gut. Die Tür des Lokals öffnete sich, ein weiterer Mann trat herein. Er blickte sich kurz um, dann steuerte er geradewegs die Theke an. Er setzte sich und rief: „Einen Gibson bitte!“

Der Barkeeper musterte ihn einige Sekunden lang, bevor er nickte und mit dem Mixen begann. Während er die Gewürzzwiebeln aufspickte, warf er einen kurzen Blick zu dem Mann. Ein markantes Gesicht. Grüne Augen. Zurückgegeltes Haar. Fantastischer Teint.

„Bitte schön, Schätzchen.“ Der Barkeeper reichte ihm den Gibson.

„Gott, ist das hier ’ne Bärchenbar?“, murmelte der Mann.

„Was?“ - „Nichts.“ Er drehte sich mit dem Rücken zur Theke, nippte an seinem Drink, guckte den anderen Barbesuchern an den Billardtischen zu. Neben den Mann stellte sich eine dunkelhaarige Frau und bestellte ebenfalls einen Drink.

„Hallo, Schönheit“, grinste er schmierig. „Ich bin Stephanos.“

„Jenny, hi“, antwortete sie abweisend.

„Wie wär’s, wenn wir zu mir gehen?“

Geschockt wandte sie sich zu ihm. Die Angewiderheit stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Subtilität ist nicht deine Stärke“, keifte sie.

„Oder ich lade dich zu einem Kaltgetränk ein - bei mir.“

Jenny setzte ein gespieltes Lächeln auf, neigte den Kopf leicht zur Seite und griff nach ihrem Drink. „Weißt du, leck meine nicht vorhandenen Testikel!“

„Uh, Beleidigen mit Eloquenz. Ich steh‘ drauf.“

Schnippisch sagte Jenny: „Ich hoffe, du stehst auch auf Feuchtes“ und schüttete ihm ihren Drink ins Gesicht. Damit ging sie.

Niedergeschlagen griff er nach einer Hand voll Servietten, um sein Gesicht abzutupfen. Der krächzende Mann schaute auf. Er winkte den Barkeeper zu sich und flüsterte: „Zwei Old Fashioned. Für mich und den Herrn da drüben.“

Torkelnd machte er sich auf zu dem Mann. Der Barkeeper stellte ihnen gerade die Drinks hin. Der Begossene blinzelte zwischen dem krächzenden Mann, Barkeeper und Drink skeptisch hin und her. „Doch ‘ne Bärchenbar.“

Lachend schüttelte der Krächzende den Kopf. „Nein, ich bin nicht schwul. Wollte nur Ihr Ego anheben nach der Lappalie.

Mein Name ist Wouter Vaude.“ Sein niederländischer Akzent war deutlich herauszuhören. Vaude streckte ihm seine Hand entgegen.

„Stephanos Swirkonopolis“, stellte der Begossene sich vor und schlug ein. Sie stießen miteinander an und nahmen einen Schluck. Vaude stellte sein Glas ab. Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht.

„Ist was?“, fragte Swirkonopolis.

Vaude zuckte mit den Schultern, ließ den Kopf hängen.

„Nein. Also doch, eigentlich schon. Aber -“

„Erzählen Sie’s ruhig. Immerhin könnte es klischeehafter nicht sein. Wir zwei sitzen in ‘ner Bar, saufen uns die Birne voll. Es wäre komisch, wenn Sie mir von Ihren Problemen nicht erzählen.“

„Na gut. Derzeit leite ich eine … Firma. Der einstige Chef sitzt im Gefängnis. Seit einigen Jahren bereits. Das kotzt ihn richtig an. Er will raus. Jetzt soll ich mir was überlegen. Ich hab‘ aber keine Ahnung, wie man jemanden aus einem Gefängnis ausbricht. Ohne viel Aufruhr.“

Swirkonopolis nickte nachdenklich. Er nippte an seinem Drink, schwenkte ihn ein paar Mal, dann schaute er Vaude fragend an. „Der Cocktail ist ziemlich lecker. Haben Sie sich schon mal die Bedeutung des Wortes Cocktail durch den Kopf gehen lassen? Cock und tail. Schwanz Schwanz. Das … ist ziemlich merkwürdig.“

Beleidigt klappte Vaude die Kinnlade herunter. Was für eine Nuss, dieser Möchtegerngrieche Nopodopolis. Hatte er ihm überhaupt zugehört? „Haben Sie mir überhaupt zugehört?“, fragte er ihn nun laut.

„Klar“, meinte Swirkonopolis selbstverständlich. „Chef im Knast. Chef will raus. Sie wissen nicht wie.“ Was dachte sich dieser Kunde von Niederländer? Als könnte ich nicht zuhören und gleichzeitig über Schwänze philosophieren.

Warte, was? Das war falsch ausgedrückt, euh.

„Wie dem auch sei“, redete Vaude weiter, „ich hatte ihm versprochen die Firma un-“

„Kurze Frage, sprechen wir hier wirklich von einer Firma?“

Vaudes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, er rieb sich überlegend den Hals. Er wog ab. Sollte er reinen Tisch machen oder auf die „Firma“ beharren? Eigentlich war es ihm egal, seitdem er eh der Meinung war, FINK komplett gegen die Wand gefahren zu haben. Ganz ehrlich, was hatte er also noch zu verlieren? „Nein“, antwortete er schließlich. „Die Rede ist von der FINK-Gesellschaft.“ Die war Swirkonopolis ein Begriff. „Auf jeden Fall hatte ich dem Chef, Cole Spencen, versprochen, dass FINK unbesiegbar sein und aus der Asche ihrer Opfer aufsteigen wird. Nach all den Höhen und Tiefen … Wir hatten dafür Exempel statuiert, aber die Behörden hatten uns zu fest an den Eiern. Wir waren mal die Nummer Eins unter den kriminellen Organisationen an der gesamten Ostküste. Wir waren sogar weltweit gefragt. Und jetzt? Der klägliche Rest von uns ist hier in Frisco untergetaucht.“

„Sie sitzen also auf heißen Kohlen?“

„Ja, nicht einmal mehr das Drogengeschäft läuft so wie damals.“

„Na ja, dann sollten Sie vielleicht in noch kleineren Schritten denken, um wieder Anschluss zu finden. Das Versprechen mal beiseiteschieben. Ganz klein bei Null neustarten. Angefangen zum Beispiel bei den Drogen. So schwer kann es doch nicht sein.“

Der Kerl war Vaude eindeutig zu optimistisch, wenn er so dachte. „Dann würde mich interessieren, was Sie von Beruf her machen?“

„Ich bin Kaufmann im Einzelhandel.“ Vaude nickte ihm lächelnd zu. Immer noch zu optimistisch. Eventuell sollte man ihn aufklären. „Wissen Sie, Stephanos, mir scheint’s, Sie sind noch etwas grün hinter den Ohren. Sie können nicht auf die Straße spazieren und fragen: Hey, wer will Koks oder LSD? Klar, theoretisch kann man das schon machen, aber dann sind Sie entweder ein Kleinkrimineller mit Todeswunsch, je nachdem wo Sie fragen, oder Sie wollen die Polizei bei sich zuhause haben. Für sowas braucht man ein Netz aus bestimmten Personen und das wurde mir vor sechs Jahren genommen. FINK ist nur noch ein winziger Haufen. Einflusslos.

Wir haben nichts mehr zu sagen. Also ja, so schwer kann es sehr wohl sein.“

„Dann müssen Sie mit FINK ein Zeichen setzen, wenn Sie wieder ernst genommen werden wollen“, meinte Swirkonopolis unbeeindruckt und trank seinen Cocktail in einem Zug leer. Vaude schaute ihn fragend an. Er erwartete, dass er fortfuhr. „Na, was ist denn damals vor sechs Jahren passiert?

Damit wir einen Ansatz finden.“

Vaude zuckte mit den Schultern. „Spencen saß bereits zwei Jahre, genauso lang war ich FINKs Leiter. Wir waren in jeglichen Branchen drin. Von Attentaten bis hin zu Zuhälterei. Ich bemerkte, wie sehr sich das Drogengeschäft weiterentwickelte und ich wollte teil daran haben. Beziehungsweise wollte ich das ganze Geschäft in unserem Einflussbereich übernehmen. FINK auch in puncto Drogen an die Spitze bringen. Ich baute Kontakte zum „Baron“ in New York City auf. Wir trafen ein paar Vereinbarungen. Schmiedeten Pläne, wie wir am besten vorgehen würden. Ich berichtete Spencen davon, er war davon nicht abgetan. In unseren Plänen kam ein Mann vor, er sollte dabei eine wichtige Konstante bilden. Leider wollte er nicht und schien sich auch bei den Behörden verplappert zu haben. Zumindest hingen uns kurz danach verschiedenste Behörden mehr als sonst im Nacken. Nahmen mehrere von uns fest. Andere wiederum wandten sich von uns ab, hatten nichts mehr mit FINK zu tun. Der Rest, wie zum Beispiel ich, floh und tauchte hierher unter. Wie Sie sich vorstellen können, ließ der Baron den Deal platzen. Stellte uns als Witzfigur dar. Das taten auch andere, die vorher mit uns zusammengearbeitet hatten. Seither ist die Auftragslage für uns sehr bescheiden.“

Swirkonopolis überlegte. Stirnrunzelnd trank er nun auch noch seinen Gibson aus. „Hm, diesen Mann umzubringen -“

„Der ist schon tot. Seinen Mord hatte Spencen damals angeordnet, aber bezüglich einer anderen Geschichte. Glaube ich. Sicher bin ich mir nicht.“

„Oh, okay. Hätte uns wahrscheinlich auch nicht viel gebracht.

Aber dieser Baron.“ Er wollte doch nicht etwa. „Der wäre ein hübsches Ziel.“ Herrgott, schluckte Vaude. Er konnte doch nicht einfach den Baron umbringen. Eigentlich schon, doch damit würde er kein Zeichen setzen, sondern einen verlorenen Krieg in die Welt rufen. Den würde FINK nicht mehr überleben, das stand fest. Er selbst würde ihn mit Sicherheit auch nicht überstehen.

Seit geraumer Zeit fragte er sich Tag für Tag, wie es aussähe, wo er stünde, was mit FINK wäre, hätte Adam Coon damals nicht Nein gesagt. Spencen würde wohl nach wie vor sitzen, freiwillig hätte ihn Coon nicht herausgeholt. Das konnte sich Vaude zumindest nicht vorstellen. Doch er hätte nie etwas den Behörden verraten. Die hätten sich nie mehr als gewöhnlich eingemischt. FINKs Einfluss wäre nie untergraben worden. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte sich die Gesellschaft vor Aufträgen kaum retten können, und er hätte wie Dagobert Duck in einem gigantischen Raum voller Geld schwimmen können.

„Nur ein wenig Schaden verursachen. Unter keinen Umständen den Baron umbringen. Ich meine, er könnte uns danach von Nutzen sein, da bringt er uns tot rein gar nichts.“ Nicht umbringen? Swirkonopolis redete ja noch mit ihm. Er war so in Gedanken versunken gewesen. „Schadet es ihm, wenn wir ihm ein paar Drogen klauen?“ Hatte er Vaude die Frage ernsthaft gestellt? Wenn ja, dachte der Kerl viel zu klein. Ein paar Drogen bedeuteten nichts. Er musste in deutlich größeren Dimensionen denken. „Aber bestimmt reicht das nicht“,

grübelte Swirkonopolis.

„Wenn Sie sozusagen über den Baron ein Zeichen setzen wollen, dann müssten Sie schon eines seiner Anwesen in die Luft jagen oder so“, sagte Vaude in einem nüchternen Ton. Swirkonopolis schaute ihn mit großen Augen an.

Verdammt. Vaude blinzelte beunruhigt zurück.

04. März, 2024- New York City

Swirkonopolis und Vaude standen in einem scheinbar vereinsamten Industriepark in Queens. Scheinbar war das Stichwort. Denn insgeheim lagerten hier Tonnen von Drogen aller Art. Vaude stand fassungslos mit offenem Mund davor. Sein Herz raste. Er war aufgeregt, aber nicht im guten Sinne. Unterdessen zündete Swirkonopolis seelenruhig eine Zigarette an. Vaude musterte ihn. Der Kerl rauchte? In den letzten drei Tagen hatte er ihn nie dabei gesehen. Swirkonopolis bemerkte den skeptischen Blick. „Keine Sorge“, meinte er.

„Dient nur der Epik des Momentes. Zur Info, ab ‘nem gewissen Punkt sollten wir hier weg. Bereit?“ Vaude nickte nur.

Das taten sie doch nicht wirklich! Der Grieche zog noch ein letztes Mal kräftig an der Zigarette, damit sie auch weiterbrannte. Hustete etwas. Dann warf er sie in eine der vielen Benzinpfützen. Nichts. Die Zigarette sog sich voll und erlosch. Vaude funkelte ihn wütend an. „Das sollte der Epik dienen? Ich dachte, Sie werfen Ihr Sturmfeuerzeug hinein. Sie wissen, dass eine Zigarette nicht heiß genug wird, um Benzin zu entzünden?“

Swirkonopolis rieb sich verlegen den Hals. „Jetzt ja“, murmelte er. Er griff in seine Hosentasche und zog sein Sturmfeuerzeug heraus. Wehmütig warf er es geöffnet in das Benzin.

Sie schauten zu, wie sich aus den Benzinpfützen langsam ein loderndes Flammenmeer entwickelte. Wir tun es tatsächlich, schrie Vaudes innere Stimme. Wir fackeln das Drogenlager des Barons ab. „Sie sind sich sicher, dass wir nicht jeden Moment von hinten übermannt werden?“

„Klar“, winkte Swirkonopolis ab. „Bevor Ihre Leute alles vorbereitet haben, wurden erst die Sicherheitsleute ruhig gestellt.“ Die ersten Glasscheiben zersplitterten durch die große Hitzeentwicklung. „Ich denke, wir sollten uns gleich zurückziehen“, sagte der Grieche und schaute hoch zu den dunklen Rauchwolken. Bald würde hier jeder high sein.

„Aber erst noch das.“

Vaude japste erschrocken nach Luft. Seine Augen fixiert auf den kleinen Knopf, den Swirkonopolis plötzlich in der Hand hielt. Stets mit einem Grinsen im Gesicht drückte der Grieche freudig drauf. Binnen Sekunden explodierte neben ihnen ein kompletter Nebenkomplex. „Und Sie haben mich mit Ihrem Job im Einzelhandel nicht angelogen?“, wollte Vaude ungläubig wissen.

„Ich schaue gerne Filme“, antwortete Swirkonopolis, gefesselt von dem Bild, welches sich ihm bot. In einer verschrobenen Art und Weise war es wunderschön. Das einstürzende Gebäude. Die rot-orangenen Flammen, die mit dem Wind tanzten. Die beruhigenden Wolken. Die fernen Sirenen der Feuerwehr und Polizei. Eine nette musikalische

Untermalung. Die Hitze schlug ihm entgegen, er fuhr mit dem Handrücken über die feuchte Stirn.

Vaude wurde ungeduldig. Nicht, dass er es mit der Angst zu tun bekam, er wollte nur nicht länger hierbleiben. „Sollten wir uns nicht langsam zurückziehen?“ Wie aus einer Trance erwacht, zuckte Swirkonopolis zusammen. Er blinzelte etwas beirrt, dann zog Vaude ihn mit sich. „Wir müssen noch was beim Baron abliefern“, fiel es dem Griechen wieder ein und wedelte mit einem Brief vor Vaudes Nase herum.

Der Baron saß an seinem Schreibtisch. Darauf war alles verwüstet. Wutentbrannt starrte er auf den Fernsehbildschirm und die darauf zu sehenden Trümmer des Industrieparks in Queens. Alles weg. Es war alles zerstört.

In seinen Händen hielt er nun einen Brief. Er hatte vor der Eingangstür gelegen. Der Baron riss ihn hastig auf und holte das einfachgefaltene Papier heraus. Er klappte es auf. Zuerst runzelte er die Stirn, dann kräuselte er angespannt die Lippen. Konnte es wirklich sein? Hatte er damals den Bogen überspannt und nun war das die Revanche? Noch lange starrte der Drogenbaron von New York an diesem Tag auf den schwarz gedruckten Finken.

11. März, 2024.

Eine Woche und sie hatten den Baron in die Knie gezwungen. Dank Swirkonopolis‘ wahnwitzigen Plans. Die verkoksten Hände New Yorks suchten wieder bei FINK Halt.

Der Respekt war zurückerlangt – zumindest was die Drogen anbelangte. Alles andere sollte mit der Zeit kommen.

„Es war mir eine Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Sir“, lachte Swirkonopolis und tauschte das kleine Tütchen kristallines LSD gegen einen Batzen Geld. Es handelte sich um mehrere zehntausende Dollar. Als der Käufer das angemietete Apartment verlassen hatte, roch der Grieche an den Scheinen und warf sie in die Luft.

„Machen Sie das jetzt nach jedem abgeschlossenen Verkauf?“, fragte Vaude genervt von dem kindlichen Verhalten seines Geschäftspartners.

„Ich hatte noch nie so viel Geld“, kicherte dieser.

„Sie arme Sau.“ - „Ja!“

Zum hundertsten Mal, so fühlte es sich an, klopfte es heute an der Tür. Vaude erhob sich aus seinem Sessel und öffnete sie. Vor ihm standen Dienstboten des Barons mit einer neuen Lieferung. Der Baron war zu ihrer Marionette geworden und ziemlich kleinlaut. Vaude winkte sie herein und verwies sie mit der Ware in das Nebenzimmer. Im nächsten Moment tauchten auch schon seine Leute in der Tür auf. Sie wollten einen Teil der neuen Lieferung abholen, um weiter verkaufen zu können. Sie verschwanden ebenfalls ins Nebenzimmer.

Mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht schloss Vaude die Tür. Endlich ging es mit FINK wieder etwas bergauf.

Aber das war noch lang nicht das Ende des Weges. Erst recht nicht, wenn er sich seinen Kollegen anschaute, wie er sich in dem Geld auf dem Boden umherwälzte. Gott, wen hatte er sich da nur ins Boot geholt? Sein Plan war zwar aufgegangen, aber sein Verhalten … Nein. Er hatte noch einiges zu lernen, wenn er sich einen ernstzunehmenden Namen in dieser Welt schaffen wollte.

„Ich brauch‘ nie mehr nach San Francisco in den Einzelhandel zurück!“, rief Swirkonopolis wie ein Verrückter. Jetzt geht das wieder los, dachte Vaude und setzte sich in seinen Sessel.

„Wir sollten bald überlegen, wie wir FINK neu ausweiten“, sagte er. Swirkonopolis setzte sich auf und schaute ihn skeptisch an. „Wie ich Ihnen erzählte, stand FINK für mehr als nur Drogen. Das möchte ich wiedererreichen. Das ist unser Hauptziel. Bestenfalls sind wir dann auch wieder global gefragt.“

„Und woran denken Sie dabei?“ - „Das frage ich Sie, Stephanos.“

„Mich?“ - „Sie sprachen von kleineren Schritten. Ihr letzter

Plan war erfolgreich. Also erleuchten Sie mich weiter mit Ihrer Brillanz.“

Swirkonopolis legte sich zurück in sein Geld und blickte nachdenklich an die Decke. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf, blies geräuschvoll Luft aus. Wie konnten sie fortfahren? Der Niederländer hatte Recht. Mit ihrer Zielsetzung konnten sie nicht ewig Drogen verticken, obwohl er persönlich gern noch etwas länger den jetzigen Kurs gefahren wäre. Die FINK-Gesellschaft hatte bei weitem noch nicht genügend Personal zurückgeholt oder neu geworben.

Äußern wollte er das Vaude gegenüber nicht. Er bangte um seinen Platz hier. Nachdem er alles in San Francisco aufgegeben hatte, wollte er nicht gleich alles in New York City verlieren. Leise brummte er sein Unbehagen vor sich hin.

Erstaunlich war es jedoch gewesen. Da ging er einmal in eine Bar und zehn Tage später konnte man ihn für viele, viele Jahre ins Gefängnis sperren. Erzählen konnte man das niemandem, so absurd wie es klang. Er fuhr sich überfragt durchs Gesicht. Dann sagte er einfach, was ihm als Erstes in den Sinn kam. „Menschenhandel.“ Vaude hob eine Augenbraue. „Angefangen mit Prostitution bishin zu Entführungen, Erpressungen et cetera. Über den Baron könnten wir schneller Kontakte in dem Milieu knüpfen, um gewisse neue Leute anzuheuern und das Geschäft hochzuziehen.“

„Interessant.“ Vaude guckte den Griechen eindringlich an, sein Blick durchbohrte ihn förmlich. Seine Mundwinkel zuckten nach oben. „Stephanos, ich liebe Sie und Ihr Hirn.“

„Danke?“ Swirkonopolis lachte innerlich. Ha, jetzt hab‘ ich mich auch noch eigenständig zum Zuhälter gemacht.

18. März, 2024.

„Wir sind voll die Pimps“, lachte Swirkonopolis. Um seinen Hals hing eine protzige Goldkette. Ein toller Kontrast zu seinem lilafarbenen Anzug und schwarzen Hemd. Auf seinem Kopf trug er eine ebenfalls lila Fedora. Und sein Lächeln. Ja, sein Lächeln zierte eines dieser goldenen Grillz.

Vaude trat neben ihn. „Nicht dein Ernst!“

„Zu viel?“

„Nein“, schüttelte Vaude übertrieben den Kopf. „Überhaupt nicht. Hättest dir ruhig noch einen Kanarienvogel auf die Schulter setzen können.“

„Hätte ich?“ Vaude blinzelte ihn stutzig an. Mental schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Manchmal hinterfragte er es doch, wie sie so weit gekommen waren, wenn er seinen Kollegen anschaute. Er hatte gute Pläne, aber offensichtlich knallten bei ihm des Öfteren irgendwelche Synapsen durch. Na gut, Genialität reicht dem Wahnsinn die Hand, gestand er.

Auf dem Tisch vor ihnen lagen die Bilanzen der letzten Wochen. Es war beeindruckend, wie schnell FINK den Ruf als renommierte Gesellschaft rückerlangt hatte. Es konnte nur noch aufwärts gehen.

„Wir sind verdammt gut“, meinte Swirkonopolis. Er konnte es genauso wenig fassen, wie weit sie es binnen kurzer Zeit geschafft hatten. Wie weit er es gebracht hatte. Vom Einzelhandelskaufmann zum Drogenhändler. Die Beförderung zum Menschenhändler. Als Nächstes wahrscheinlich noch zum eiskalten Mörder beziehungsweise zum eiskalten Typen, der Mordaufträge an seine Mitarbeiter verteilte. Selbst morden wollte er nicht. Das war nun wirklich nicht seine Natur.

Einen Menschen zu töten, ihm eigenmächtig das Leben zu entreißen, das konnte er nicht übers Herz bringen. An diesem Punkt zog er die Grenze. Er wusste, dass seine Ansichten bizarr waren. Aktiv morden nein, aber sozusagen passiv, das war in Ordnung? Nun ja, irgendwie musste er es sich selbst rechtfertigen, damit sein Gewissen nicht vollends daran verdarb. Derzeit übertünchte noch das viele Geld die schlechten, teils reuevollen Gefühle.

Er war sich absolut sicher, irgendwann würde er a) einen Therapeuten benötigen oder b) alles abstreiten, verleugnen und komplett zum Psychopathen à la Hitchcock werden. Vielleicht aber auch à la Ernst Stavro Blofeld mit weißer Katze auf dem Schoß und nur noch einem gesunden Auge. Das Klingeln eines Telefons riss ihn aus seiner verschrobenen Gedankenwelt.

„Wouter Vaude“, meldete sich der Niederländer. „Oh, schön zu hören … Natürlich, er soll hochkommen.“ Er legte auf und drehte sich zu Swirkonopolis. „Ein neuer Kunde“, sagte er.

„Okay. Brauchst du mich dafür? Ich wollte noch zum Schneider wegen neuer Anzüge und so.“

„Nein, geh ruhig.“ Hoffentlich kaufst du dir was … Dezenteres, fügte er in Gedanken hinzu. Swirkonopolis wollte gerade verschwinden, da fiel Vaude noch etwas anderes ein.

„Mh, Stephanos, eine Sache noch.“ - „Hm?“

„Wenn du zurück bist, und der Termin beendet, sollten wir uns mal zusammensetzen und reden. Über eine dringliche Angelegenheit.“ Swirkonopolis nickte und ging. Es war äußerst dringend. Vor zwei Tagen wurde er erneut telefonisch von Spencen kontaktiert. Wie er das immer machte, wusste er bis heute nicht. Hatte er im Gefängnis tatsächlich derart viel Einfluss oder gar Macht, um ohne Weiteres telefonieren zu können? Jedenfalls machte Spencen ihm Druck bezüglich seines Ausbruchs oder wie er es nannte „seiner erzwungenen Freilassung“. Am liebsten wollte er jetzt auf der Stelle raus. Vaude sollte endlich aus dem Arsch gekrochen kommen. Wenn er draußen war, wollte er gleich mit seinen Racheplänen loslegen. Eine Person, hatte er Vaude erzählt, stand ganz oben auf der Liste. Sie trug oberste Priorität.

„Sir, Ihr Termin. Mr. Hunt.“ An der Seite des FINK-Mitgliedes stand ein leger gekleideter Mann. Die Hemdärmel hochgekrempelt. Hände bequem in den Hosentaschen. Kurze dunkle Haare, die trotzdem lang genug waren, um dass sie ihm ins Gesicht fielen. Gepflegter Dreitagebart. Ein selbstgefälliger Gesichtsausdruck. Irgendetwas kam Vaude an ihm bekannt vor, doch er konnte seinen Finger nicht darauflegen. Komm schon, Wouter, egal. Setz ein Lächeln auf und bring den Deal über die Bühne. „Mr. Hunt!“, grüßte Vaude in übertrieben freundlicher Manier. „Schön, dass Sie hier sind.“ Er setzte sich in einen Sessel und deutete Hunt, Gleiches zu tun. Hunt nickte dankend. „Schön, dass Sie es so kurzfristig einrichten konnten, Mr. Vaude.“ Diese Mimik.

Diese Gestik. Er kannte sie. Aber woher? Denk nach, du alter klootzak! „Sie müssen wissen, ich war schon immer ein großer Bewunderer der FINK-Gesellschaft. Bedauerlich, dass sie damals zerschlagen wurde. Jetzt ist sie aber zurück, und ich würde gern meine Unterstützung anbieten – in gewisser Weise. Ich würde gern Ihre Dienste in Anspruch nehmen.“

Vaude lächelte ihn weiter übertrieben an. „Und was schwebt Ihnen vor, Mr. … Hunt?“

„Ich denke an eine Party. Musik, Alkohol, Drogen, Nutten.

Das volle Programm.“

„Aus-“ Vaude stockte. Party? „gezeichnet.“ Party!

„Ja, genau. Eine Party“, wiederholte Hunt. Scheiße, hatte er das laut geschrien? Egal, Party! 2018. Die vervloekte Party des Barons. Der Kerl war die gesamte Zeit mit dieser verdammten Frau … und Coon. Was passierte hier? Was sollte das Schauspiel? „Entschuldigen Sie mich für ‘nen Moment. Nur ‘ne Kleinigkeit.“ Vaude sprang auf und huschte ins Nebenzimmer.

Verarschen konnte der Kerl andere. Nicht ihn. Nicht Wouter Vaude. „Du und du“, er zeigte auf zwei stämmige Männer, „mitkommen.“ Sie gingen zurück, Hunt schaute Vaude fragend an. „Bei so einer Party muss man natürlich auch für Sicherheit sorgen. Gern möchte ich Ihnen FINKs talentiertes Sicherheitspersonal demonstrieren. Mister Hunt.

Oder soll ich Sie bei Ihrem Rang betiteln, Detective?“

„Touché. Sie haben mich erwischt, Vaude. Detective Nicholas Monday. NYPD. Sie können sich vorstellen, ich hab‘ einige Fragen an Sie. Sie und FINK können nicht einfach zurückkehren. Wir hatten doch damals unsere Gründe, Sie zu verjagen.“

Vaude grunzte amüsiert. „Detective, wir hatten damals genauso unsere Gründe gehabt, Adam Coon umzubringen.

Damit gingen Sie auch nicht ganz d’accord. Ich weiß, wie Sie sich fühlen. Sie wissen, wie ich mich fühle. Aber wie wir damals bereits angekündigt hatten, wird FINK unbesiegbar.“

„Damit werden Sie nicht durchkommen, Vaude.“

„Oh, doch.“ Er schnippte mit den Fingern. Die zwei Männer neben ihm setzten sich in Bewegung. Einer packte Monday an den Armen und hielt ihn fest. Der andere schlug ihn beinahe besinnungslos. Sie ließen ihn auf den Boden fallen. Blutend lag er da und blickte zu Vaude auf. Dieser grinste ihn an. „Schöne Grüße an Ihren ehemaligen Captain, Nickiboy!“

Mit aller Kraft trat er dem Detective ins Gesicht. „Verfrachtet ihn nach Downtown vors Präsidium“, befahl er und sah zu, wie sie den bewusstlosen Körper aus dem Apartment schleiften. Die Reinigungskraft würde sich freuen, wenn sie die Blutspur sah.

„Schatz, ich bin zuhause!“, rief Swirkonopolis.

„Was zum Teufel“, kam Vaude wütend in den Raum. „Und da regst du dich auf, wenn wir gefragt werden, wie lang wir zusammen sind.“