Admiral Nelson – Unter Englands Flagge - Mac P. Lorne - E-Book

Admiral Nelson – Unter Englands Flagge E-Book

Mac P. Lorne

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Beschreibung

Die Fortsetzung der historischen Dilogie über das Leben von Lord Nelson: vom skandalumwitterten Admiral zum Helden von Trafalgar Band 2 von Mac P. Lornes Dilogie, »Admiral Nelson – Unter Englands Flagge«, nimmt uns mit zu ruhmreichen Seeschlachten, einer skandalösen ménage à trois und der letzten Pflicht eines Helden. Während Horatio Nelson dank seines taktischen Geschicks der Flotte Napoleons eine vernichtende Niederlage zufügt, wird er selbst schwer verwundet. In Neapel wird der Konteradmiral mit allen Ehren gefeiert – und aufopferungsvoll von Emma Hamilton gesundgepflegt. Der unglücklich verheiratete Nelson verliert endgültig sein Herz an die Frau des britischen Botschafters, die er seit ihrer ersten Begegnung nicht vergessen konnte. In Englands Oberschicht und am Königshof sorgt die skandalöse Liebesgeschichte dafür, dass Nelson in Ungnade fällt. Doch dem Vereinigten Königreich droht nach wie vor Gefahr, und es braucht seinen größten Seehelden bald mehr als je zuvor … Historischer Seefahrer-Roman der Extraklasse: Kommen Sie an Bord und segeln Sie mit Lord Nelson! Mac P. Lorne ist ein Meister darin, berühmte Seeschlachten lebendig werden zu lassen und ganz nebenbei Geschichte unterhaltsam und spannend zu vermitteln. Wie der junge Captain Nelson sich in der Karibik die ersten Sporen verdient, schildert der historische Roman »Captain Nelson – Unter der Flagge des Königs«. Von Mac P. Lorne sind noch zwei weitere historische Seefahrer-Romane erschienen: ·         Jack Bannister – Herr der Karibik ·         Der Pirat (Sir Francis Drake)

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Seitenzahl: 576

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Mac P. Lorne

Admiral Nelson

Unter Englands Flagge

Roman

Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

Über dieses Buch

Vom skandalumwitterten Admiral zum Helden von Trafalgar

 

Während Horatio Nelson dank seines taktischen Geschicks der Flotte Napoleons eine vernichtende Niederlage zufügt, wird er selbst schwer verwundet. In Neapel wird der Konteradmiral mit allen Ehren gefeiert – und aufopferungsvoll von Lady Hamilton gesundgepflegt. Der unglücklich verheiratete Nelson verliert endgültig sein Herz an die Frau des britischen Botschafters. Am Königshof fällt Nelson deshalb in Ungnade. Doch dem Vereinigten Königreich droht Gefahr und es braucht seinen größten Seehelden bald mehr als je zuvor …

Der historische Roman »Admiral Nelson – Unter Englands Flagge« ist der zweite Band der Dilogie über das Leben großen Seehelden.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Widmung

Personenverzeichnis

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Epilog

Autorenanmerkungen zu historischen Hintergründen

Zeittafel

Glossar

Bibliografie

 

 

 

 

Wie immer meinen drei Frauen Inga, Jette und Svea gewidmet und für Christine Steffen-Reimann in großer Dankbarkeit.

Personenverzeichnis

Historische Personen, denen der Leser im Laufe des Romans begegnen wird

Horatio Nelson – Englands bekanntester Seeheld

Frances (Fanny) Nisbet – seine Frau

Josiah Nisbet – sein Stiefsohn und Marineoffizier unter seinem Kommando

Edmund Nelson – sein Vater und anglikanischer Geistlicher

William Nelson – sein Bruder, ebenfalls anglikanischer Geistlicher mit dem Drang zu Höherem

Cuthbert Collingwood – Admiral und Freund Nelsons

Prinz William Henry, später König William IV. – Nelsons Freund und Trauzeuge

Admiral John Jervis – Vorgesetzter Nelsons im Mittelmeer und im Atlantik, später Lord High Admiral

Lady Emma Hamilton – eine Lebedame am neapolitanischen Hof und später Nelsons Geliebte

Sir William Hamilton – deren Gemahl, Englands Botschafter in Neapel

Ferdinand IV. und Maria Carolina – Königspaar beider Sizilien

George Cockburn – Captain unter Nelson, brachte später Napoleon nach Elba, stieg bis zum Ersten Seelord auf und beendete die Auspeitschungen und die Zwangsrekrutierungen in der Flotte

Thomas Troubridge, Alexander Ball, Thomas Fremantle – Kapitäne unter Nelsons Kommando

Thomas Masterman Hardy – zuerst Lieutenant unter George Cockburn, später Flaggkapitän unter Nelson, folgte Cockburn als Erster Seelord nach

Ralph Willett Miller, Edward Berry, Samuel Sutton – Flaggkapitäne unter Nelson

Robert Tainsh – ein beherzter Schiffsarzt

Captain John Aylmer – ein verachtungswürdiger Kapitän

John Sykes – Nelsons Bootsführer und sein Lebensretter

Admiral George Keith, Admiral Hyde Parker – Vorgesetzte Nelsons

Captain William Bligh – hatte die Meutereien auf der HMSBounty und auf einem weiteren Schiff zu verantworten, kämpfte vor Kopenhagen unter Nelson, wurde später Gouverneur von New South Wales und löste dort eine erneute Rebellion aus

Gebhard Leberecht von Blücher – preußischer Militär und zusammen mit Wellington Bezwinger Napoleons bei Waterloo

Stephen Decatur – jüngster Captain der USA im 19. Jahrhundert und bis heute eine Legende in der US Navy

William Pitt – britischer Premierminister, entschiedener Gegner der Sklaverei und der napoleonischen Eroberungskriege

Napoleon Bonaparte – Heerführer und Kaiser der Franzosen

Denis Decrès – sein Marineminister

Pierre de Villeneuve – ein glückloser und zögerlicher Admiral

Arthur Wellesley, Herzog von Wellington – Napoleons Bezwinger in der Schlacht bei Waterloo, der dort beendete, was Nelson begonnen hatte

Charles Middleton, Lord Barham – Lord High Admiral vor und während der Schlacht bei Trafalgar

Prolog

Bucht von Cádiz, Mai 1797

Da seid Ihr ja endlich, Nelson!« Vizeadmiral John Jervis, seit Kurzem Earl of St. Vincent, legte außer bei offiziellen Anlässen keinen Wert darauf, mit seinem Titel angesprochen zu werden, und er verwendete diese auch nicht, wenn er mit seinen Untergebenen sprach. Konteradmiral Nelson, der als Ritter des Bathordens ebenso lange Sir war wie Jervis Earl, war das nur recht. »Ihr müsst etwas für mich tun. Was wisst Ihr über die Meutereien in Spithead und bei den Ankergründen unserer Flotte an der Sandbank Nore nahe der Mündung der Themse?«

»Wenig, Sir«, gestand der Konteradmiral ein. »Schließlich war ich auf Euren Befehl hin im Mittelmeer und habe unsere Truppen von Elba abgeholt.«

General de Burgh hatte endlich eingesehen, dass die Insel als einziger englischer Stützpunkt im Mittelmeer nicht mehr zu halten war, und um Evakuierung gebeten. Jervis hatte daraufhin Nelson, seinen wagemutigsten Mann, dorthin geschickt, ihm neben der HMSCaptain als Flaggschiff zwei kleinere Linienschiffe und ein paar Fregatten mitgegeben und ihm befohlen, die Garnison nach Gibraltar zu bringen, wo sie dringend zur Verteidigung des englischen Stützpunktes an der Südspitze Spaniens benötigt wurde. Das war für eine so kleine Flotte eine nahezu unlösbare Aufgabe, denn im Mittelmeer wimmelte es mittlerweile geradezu von französischen und spanischen Schiffen, die nicht durch die Meerenge herauskonnten, weil Jervis nur darauf lauerte, ihnen bei einem Ausbruchsversuch in den Atlantik eine ähnlich schwere Niederlage zuzufügen wie im Februar vor Kap St. Vincent, was ihm und seinem Gast eine Beförderung samt Titel eingebracht hatte.

Nelson war es tatsächlich gelungen, sich zwischen all den kreuzenden Geschwadern durchzumogeln und einen Konvoi von siebzig Transportschiffen sicher und unbeschadet nach Gibraltar zu geleiten. Doch anstatt dafür Lob zu ernten, wie er erwartet hatte, war er von seinem Vorgesetzten zur Rede gestellt worden, weil er nicht für eine weitere Aufgabe zur Verfügung gestanden hatte, als dieser nach ihm verlangte. Aber Jervis war ein guter Menschenkenner, bekam schnell den Unmut seines Konteradmirals mit und fand rasch ein paar versöhnliche Worte.

»Übrigens, gute Arbeit, die Ihr mit der Evakuierung von Elba geleistet habt, das muss ich schon sagen. Alle Achtung, dass Ihr den alten Sturkopf de Burgh dazu bewegen konntet, sich zusammen mit seinen Soldaten einzuschiffen. Ich hätte eher gedacht, dass er als Einziger in Portoferraio auf Elba zurückbleibt, um das Fort allein gegen die anstürmenden Franzosen zu verteidigen und dabei unterzugehen wie ein Captain mit seinem sinkenden Schiff. Aber jetzt zur Sache. Es ist vor Englands Küsten zu schwerwiegenden Meutereien gekommen. Diesmal haben sich nicht nur ein paar Matrosen und Offiziere gegen einen übergriffigen Captain wie diesen William Bligh mit seiner HMSBounty zur Wehr gesetzt, sondern die ganze Flotte war betroffen. Englands Küsten waren dadurch eine ganze Zeit lang ungeschützt, weil die Meuterer sich weigerten, auszulaufen, solange ihre Forderungen nicht erfüllt wären. Es stand sogar zu befürchten, dass ein paar Schiffe Anker auf gingen und in französischen Häfen Zuflucht suchten. Stellt Euch das einmal vor! So etwas darf sich auf gar keinen Fall wiederholen!«

»Gewiss, Sir, dennoch hat es mich nicht verwundert, bedenkt man, wie einige Befehlshaber mit ihren Untergebenen umgehen«, konnte Nelson sich nicht verkneifen, anzumerken. »Ihr, Sir, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, kümmert Euch um Eure Männer. Viele andere Offiziere ebenso, aber andere wiederum kein bisschen. Stattdessen versuchen sie, mit drakonischen Strafen das auszugleichen, was sie ihrer Mannschaft an Verpflegung, Kleidung und auch an Sold vorenthalten. Es ist in meinen Augen eine Schande, dass dieser Captain Bligh nicht neben seinen aufgegriffenen Männern an der Rah gehangen hat, denn er war für die Meuterei ebenso verantwortlich wie sie. Und jetzt hat es die ganze Flotte getroffen, sagt Ihr? Hat denn die Admiralität die Aufstände wieder unter Kontrolle bringen können, oder sind unsere Küsten jetzt ungeschützt?«

»Nein, Lord Howe, obwohl schwer krank, hat seinen Genesungsurlaub in Bath unterbrochen, sich in Spithead von Schiff zu Schiff rudern lassen und den Männern versprochen, sich ihrer Forderungen persönlich anzunehmen, worauf sie ihren Dienst wieder aufgenommen haben. Ähnlich ist es wohl auch an der Nore geschehen. Man hat Verpflegungskähne zu den ankernden Schiffen hinausgeschickt, den Sold größtenteils nachgezahlt und ein paar besonders grausame Kapitäne von ihren Posten entbunden. Übrigens, auf Blighs neuem Schiff, das zur Kanalflotte gehört – man hat ihn ja nach der Meuterei auf der HMSBounty sogar befördert, was mir völlig unverständlich ist –, wurde auch gemeutert. Der Kerl lernt es wohl nie, wie man sich eine Mannschaft gewogen macht. Allerdings wurden auch ein paar Rädelsführer des Aufstandes gehenkt und andere durch die Flotte gepeitscht.

Nach der Niederschlagung der Meuterei mussten die widerborstigsten Mannschaften samt ihren Schiffen aus ihren Geschwadern entfernt und zuverlässigen Flotten zugeteilt werden. Wir haben auch ein paar davon abbekommen, und ich musste zu meinem Leidwesen selbst mehrere Todesurteile aussprechen und vollstrecken lassen. Sagt jetzt nichts«, Jervis hob abwehrend die Hand, weil er sah, wie Nelson tief Luft holte, »ich habe es wahrlich nicht gern getan. Aber es ging nicht anders, denn die Männer haben versucht, andere aufzustacheln und die Fackel der Meuterei auch in unser Geschwader zu tragen.«

Nelson, der wusste, wie hoch angesehen Jervis bei allen Seeleuten seiner Flotte vom Offizier über die Deckhands bis runter zu den Schiffsjungen war und wie sehr er sich um jeden einzelnen seiner Untergebenen bemühte, konnte sich vorstellen, wie sehr die Hinrichtungen seinen Vorgesetzten schmerzen mussten, weshalb er sich auch jeden Kommentars enthielt. Dennoch drängte sich ihm sofort eine Frage auf.

»Und inwieweit betrifft das mich, Sir? Auf der HMSCaptain und auch den anderen mir unterstellten Schiffen gab es nicht den leisesten Ansatz einer Meuterei. Dafür verbürge ich mich mit meiner Ehre.«

»Das braucht Ihr nicht zu betonen, Nelson«, knurrte der Admiral. »Ich weiß, dass das Strafbuch Eures Schiffes so unbefleckt ist wie ein Brautkleid, Ihr Eure Männer gut versorgt, ihnen stets mit gutem Vorbild vorangeht und sie deshalb für Euch durchs Feuer gehen, wenn es darauf ankommt. Allein hättet Ihr schließlich die beiden spanischen Linienschiffe vor Kap St. Vincent nicht erobern können. Und dieses Unternehmen war für alle, die daran beteiligt waren, wahrlich ein Himmelfahrtskommando. Genau deshalb brauche ich Euch jetzt aber an anderer Stelle. Ihr holt Eure Flagge auf der HMSCaptain ein. Sie geht in die Werft nach Lissabon, wo sie grundüberholt wird. Dafür bekommt Ihr als neues Flaggschiff die HMSTheseus.«

»Sir?« Nelson verstand nicht ganz, was Jervis damit sagen wollte. Gut, sein Schiff hatte die Werft so nötig wie er nach mehr als vier Jahren auf See Heimaturlaub, aber was hatte das mit der HMSTheseus zu tun, und seit wann gehörte diese zum Geschwader? Vor seiner Abreise nach Elba war das jedenfalls nicht der Fall gewesen.

»Jetzt setzt Euch erst einmal hin und trinkt mit mir ein Glas Portwein, Ihr werdet ihn brauchen«, erhöhte der Admiral die Spannung und geleitete seinen Gast zu zwei bequemen Sesseln an einem kleinen Tisch, auf dem eine gut gefüllte Karaffe stand. Jervis schenkte ihnen selbst ein, woraus Nelson schloss, dass es bei einem Vieraugengespräch bleiben würde. Wobei, wenn man es genau nahm, sogar nur bei einem Dreiaugengespräch, denn er sah ja seit Calvi auf dem rechten Auge so gut wie nichts mehr, fiel ihm ein. Allerdings schmerzte ihn dieser Verlust mittlerweile nicht mehr übermäßig, stattdessen sagte er sich oft, dass es durchaus auch schlimmer hätte kommen können.

»Auf den König!« Der Admiral hob sein Glas, nippte daran und stellte es danach gleich wieder ab. Nelson tat es ihm gleich und war gespannt auf das, was nun kommen würde.

»Die HMSTheseus ist ein Vierundsiebziger wie Eure HMSCaptain«, begann Jervis. »Ihr verschlechtert Euch also nicht in Bezug auf das Schiff. Wohl aber, und das will ich Euch gar nicht verschweigen, bezüglich der Mannschaft. Die HMSTheseus gehörte zur Flotte in Spithead und war dort ein Hort der Verschwörung und Rebellion. Deshalb wurde sie uns zugeteilt, aber auch hier setzte sich die Meuterei fort. Captain Aylmer wagte sich nur noch im Schutze eines Trupps Marineinfanteristen an Deck und kam zu mir, weil er befürchtete, die Mannschaft könnte das Schiff übernehmen und nach Cádiz steuern. Ich habe ihn daraufhin abgesetzt, degradiert und nach England zurückgeschickt. Der Mann ist menschlich eine Katastrophe, hochgradig inkompetent und für eine Schiffsführung völlig ungeeignet. Ihr werdet statt seiner das Kommando auf dem Schiff übernehmen und Eure Admiralsflagge setzen. Vielleicht beeindruckt das die Bande. Aber allein werdet nicht einmal Ihr es schaffen, aus dem Kahn wieder ein ordentliches, zuverlässiges Kriegsschiff zu machen. Deshalb nehmt Euren Flaggkapitän Miller und alle Männer mit, die Ihr glaubt, brauchen zu können. Schickt im Gegenzug dafür die größten Aufrührer auf die HMSCaptain. Bis Lissabon wird es schon gut gehen, und dort sollen sie sich zum Teufel scheren. Ich kann sie ja nicht alle aufhängen. Euch hingegen gebe ich freie Hand und versichere Euch, jedes Urteil abzuzeichnen, das Ihr fällt. Nur, um Gottes willen, bringt mir das Schiff auf Vordermann, Nelson! Es ist gerade einmal zehn Jahre alt und sollte der Stolz und nicht die Schande der Flotte sein.«

Nelson atmete zunächst tief durch und trank dann wie in Trance einen großen Schluck Portwein, der wie flüssiges Feuer durch seine Kehle rann. Auch einen Rum hätte er jetzt nicht verschmäht, aber es ging natürlich nicht an, den Admiral darum zu bitten.

»Sir, ich habe gerade erst eine Mannschaft geformt und gehofft, sie eine Weile behalten zu können«, wagte er einen zaghaften Einspruch, doch Jervis fegte ihn mit einer knappen Handbewegung beiseite.

»Und genau weil Ihr das könnt, Nelson, nämlich Besatzungen zu einer fest aufeinander eingeschworenen Truppe zusammenzuschmieden, die notfalls gemeinsam mit Euch durch die Hölle geht, seid Ihr der richtige Mann für diese Aufgabe. Ich wüsste nicht, wen ich ansonsten mit ihr betrauen könnte. Also hadert nicht mit Eurem Schicksal, sondern dankt Gott, dass er Euch mit der Gabe ausgestattet hat, derart brenzlige Missionen zu einem glücklichen Ende zu führen. Ich jedenfalls vertraue Euch und bin optimistisch, dass Ihr es schaffen werdet.«

Dein Wort in Gottes Ohr, dachte Nelson, denn er war sich dessen keineswegs so sicher wie sein Vorgesetzter. Was, wenn man ihn eines Morgens mit durchgeschnittener Kehle fände? Woher sollte er wissen, auf wen man sich an Bord verlassen konnte und auf wen eher nicht? Alles Fragen, die einem bei einer Schiffsübergabe der bisherige Captain oder gegebenenfalls der Erste Offizier beantworten sollte. Mit Smith auf der HMSAgamemnon hatte er da einen erstklassigen Mann gehabt, aber was erwartete ihn auf der HMSTheseus? Nun, zumindest seinen Flaggkapitän, mit dem er sich gut verstand, konnte er mitnehmen. Das war schon einmal ein Trost, wenn auch ein schwacher.

»Was steht denn als nächste Aufgabe für die HMSTheseus an, Sir?«, wollte Nelson wissen und hoffte, wenigstens eine Zeit lang vom kräftezehrenden Blockadedienst befreit zu werden, um sich ganz der Mannschaft und ihren Belangen widmen zu können.

»Ihr werdet Euer Geschwader so dicht an die Küste von Cádiz heranführen, dass Euer Ausguck die Soldaten auf den Wällen zählen kann«, eröffnete der Admiral ihm seinen neuen Auftrag und begrub damit die im Stillen von ihm gehegte Erwartung. »Reizt die Dons, bis es ihr Stolz nicht länger zulässt und sie den sicheren Hafen verlassen! Dann komme ich mit dem Gros der Flotte, und wir schlagen sie gemeinsam wie vor Kap St. Vincent! Denn gelingt es den Spaniern, sich hier mit denen aus dem Mittelmeer und womöglich noch mit den Franzosen und Niederländern zu vereinigen, dann gnade uns und England Gott! Die Armada, die damals 1588 von Lord Howard, Drake, Hawkins, Frobisher, und wie diese königlichen Piraten noch alle hießen, auf den Grund des Meeres geschickt worden ist, war nämlich eine Flotte von Fischerbooten gegen das, was uns nunmehr erwarten würde. Deshalb müssen wir die feindlichen Geschwader einzeln vernichtend schlagen, nur dann haben wir eine Chance. Und unzuverlässige Mannschaften oder gar Schiffe, die zum Feind überlaufen, sind dabei das Letzte, was wir brauchen können. Versteht Ihr jetzt, wie wichtig Eure Aufgabe ist, Nelson?«

»Aye, Sir, aber Ihr und ich allein werden das kaum schaffen.« Der Konteradmiral gedachte, keine Mördergrube aus seinem Herzen zu machen, und glaubte, es sich selbst schuldig zu sein, noch ein paar Worte zu den Aufständen in der Heimatflotte zu sagen. »Warum kommt es denn immer wieder zu Meutereien wie auf der HMSBounty? Weil es leider noch Befehlshaber gibt, denen das Wohl der ihr anvertrauten Besatzung völlig gleichgültig ist. Kapitäne, die zusammen mit ihren Zahlmeistern die einfachen Matrosen um ihren Lohn, ja selbst um ihre Verpflegung betrügen und sich dann wundern, warum unmotivierte und schlecht ernährte Männer nicht in der Lage sind, die ihnen gestellten Aufgaben zu erfüllen. Und wenn sie diese nicht mehr meistern, lassen ihre Kommandanten die Katze aus dem Sack und den Deckhands das Fleisch von den Rippen oder sie gar zu Tode peitschen. Der Admiralität sind diese Missstände durchaus bekannt, aber was tut sie dagegen? Großzügig darüber hinwegsehen, solange es geht. Man will ja schließlich keinen Captain verärgern, der womöglich aus einflussreicher Familie stammt und Verbindungen bis in die höchsten Kreise hat! Es ist manchmal einfach nur zum Kotzen! Doch verzeiht, Sir, ich habe mich im Ton vergriffen.«

Nelson, dem gerade aufgegangen war, was er gesagt hatte, erschrak deshalb, doch Jervis lachte nur.

»Kein Einspruch, Euer Ehren, wie man vor Gericht sagt«, meinte der Admiral begütigend. »Aber Ihr und ich, wir werden das kaum ändern, wie Ihr völlig richtig angemerkt habt. Das Einzige, was wir tun können, ist, mit möglichst gutem Beispiel voranzugehen. Vielleicht wacht dann der eine oder andere Seelord oder Parlamentarier auf und hinterfragt endlich einmal die Ursachen für den Aufruhr. Wobei, da habe ich wenig Hoffnung. Die setze ich stattdessen in Euch, Nelson. Ich vertraue Euch, enttäuscht mich nicht! Macht aus der HMSTheseus wieder ein Schiff, auf das ich mit Stolz blicken kann, wenn es in unserem Geschwader segelt. Ich bitte Euch!«

Nelson stand auf, da er annahm, dass die Besprechung damit beendet war, und verbeugte sich vor dem Vizeadmiral.

»Ich werde mein Bestes geben und mich sogleich an die Arbeit machen, Sir.«

Mehr, das wusste Nelson, gab es dazu nicht zu sagen und konnte Jervis auch nicht erwarten.

1. Kapitel

Cádiz, Teneriffa, Sommer 1797

Das Erste, was Nelson auffiel, als er durch die Schiffspforte die HMSTheseus betrat, war der abgrundtiefe Gestank, der ihm entgegenwehte. Flaggkapitän Miller, der schon längere Zeit vor seinem Admiral eingetroffen war, begrüßte ihn zusammen mit der Ehrenwache, bestehend aus Royal Marines und Bootsmännern, die wie immer mit ihren Pfeifen einen Heidenradau veranstalteten. Was aber sofort auffiel, war der erbarmungswürdige Zustand der Uniformen der Soldaten und auch der Bekleidung der Seeleute, die eigentlich nur noch aus Lumpen bestand. Nelson holte schon Luft, um etwas zu sagen, aber Miller schüttelte leicht den Kopf, sodass er sich seine Worte verkniff und dem Flaggkapitän in die Heckkajüte folgte.

Hier war das Bild ein völlig anderes. Rotsamtene Vorhänge, zusammengehalten von golddurchwirkten Kordeln, hingen zwischen den Fenstern, auf dem Boden lagen dicke Teppiche, und das gesamte Mobiliar war feinste und aus exotischen Hölzern gefertigte Tischlerarbeit. Ein Diener in Livree wieselte herum, kam vor lauter Bücklingen kaum in die Senkrechte und versuchte, fortwährend Wein anzubieten, bis es Miller reichte und er den Lakaien mit einem »Raus!«, das Tote aufgeweckt hätte, aus der Kajüte scheuchte.

»Das Schiff ist ein einziger Saustall, Sir«, machte sich der Flaggkapitän dann Luft, sobald sie allein waren. »Verdreckt von oben bis unten. Entweder hat Captain Aylmer absolut keinen Wert auf Reinlichkeit gelegt, oder die Männer haben sich seit Wochen geweigert, seinen Befehlen zu Rein Schiff Folge zu leisten. Der Erste Offizier ist ein Säufer, den müssen wir umgehend loswerden. Obwohl er für die Ausrüstung des Schiffes verantwortlich ist, hat er entweder völlig versagt oder keine Ahnung von seinen Aufgaben. Es fehlt nicht nur an Proviant und frischem Wasser – aus den Tonnen stinkt es zum Himmel –, sondern auch an so wichtigen Dingen wie Tauwerk, Leinwand, Ersatzblöcken, Nägeln und einfach allem, was ein Schiff braucht, wenn es seine Aufgaben erfüllen soll. Die Männer laufen in Lumpen herum, aber der Captain«, Miller machte eine weit ausholende Geste, die die gesamte Kajüte umfasste, »lebte in Saus und Braus. Und da wundert sich jemand, dass die Mannschaft irgendwann aufbegehrt hat? Mich überrascht das jedenfalls nicht, nachdem ich das hier gesehen habe. Mich wundert es höchstens, dass dieser Aylmer mit dem Leben davongekommen ist.«

»Wie sieht denn das Strafbuch aus?«, wollte Nelson wissen, da dieses erfahrungsgemäß mehr über die Schiffsführung aussagte als das offizielle Logbuch.

»Voll bis zur letzten Seite. Fast täglich gab es Auspeitschungen, die nie unter zwei Dutzend Hieben ausfielen. Vier Dutzend waren die Regel. Aylmer hat sogar zwei Deckhands kielholen lassen, weil sie sich ihm gegenüber angeblich nicht ehrerbietig genug verhalten hatten. Beide haben die Tortur natürlich nicht überlebt. Dementsprechend ist die Stimmung an Bord. Dass die Mannschaft vorhatte, zu den Spaniern überzulaufen, glaube ich sofort. Aber nur aus purer Verzweiflung und keinem anderen Grund. Mir kommt das Schiff vor wie eine Pulverkammer mit weit geöffneten Türen. Ein Funke genügt, und alles geht hoch.«

»Dann wollen wir zusehen, dass wir die Türen so schnell wie möglich wieder zubekommen, Mr. Miller«, meinte Nelson nachdenklich. »Was wir als Erstes brauchen, ist frische Verpflegung. Nichts beruhigt aufgebrachte Männer schneller als ein saftiges Stück Rindfleisch. Wir sind nahe unter der portugiesischen Küste. Schickt Boote an Land und lasst alles Nötige herbeischaffen.«

»Und womit bezahlen wir das?«, wollte Miller wissen. »Die Schiffskasse ist ebenso leer wie die Proviantfässer. Captain Aylmer scheint sie als letzte Amtshandlung noch geplündert zu haben.«

»Dann werden wir uns an den Zahlmeister halten müssen«, erwiderte Nelson gefasst. »Ich will ihn sprechen, sofort. Während ich ihn mir hier in der Kajüte zur Brust nehme, lasst seine Kajüte durchsuchen. Kehrt das Unterste zuoberst, klopft die Dielen und Planken ab. Ich kenne diese Burschen! Die finden immer ein Versteck für ihr Raubgut. Sollte mich sehr wundern, wenn das auf dem Kahn hier anders wäre.«

»Aye, Sir«, lachte Miller, dem der Befehl sehr zupassekam. »Und viel Vergnügen hier in Eurem Palast. Ich gönne ihn Euch, denn Ihr habt ihn Euch redlich verdient.«

Der Flaggkapitän wusste, was er sich herausnehmen konnte, und sein Admiral reagierte wie erwartet.

»Passt nur auf, Miller, dass ich Euch nicht kielholen lasse!«, rief er ihm hinterher, doch sein Vertrauter war schon durch die Tür verschwunden, und es dauerte nicht lange, da wurde der Zahlmeister, eskortiert von zwei Marineinfanteristen, hereingebracht.

»John Masterman, zu Euren Diensten, Sir Horatio«, dienerte sich der Mann, der zur Schiffsführung gehörte, an und verneigte sich tief.

Nelson hatte hinter dem Schreibtisch Platz genommen, und da sich die Fenster hinter seinem Rücken befanden und die Sonne hell durch sie in den Raum hereinschien, konnte der Zahlmeister seinen Gesichtsausdruck nicht sehen. Der Admiral dagegen musterte ihn lange und ausgiebig, und sosehr er sich auch vorgenommen hatte, unvoreingenommen zu sein, stand sein Urteil über den Mann danach dennoch fest.

»Könnt Ihr mir erklären, Mr. Masterman, wieso die HMSTheseus fast ohne Proviant und wichtige Ausrüstung hier angekommen ist?« Nelson sprach leise und ruhig, wirkte dadurch aber bedrohlicher, als wenn er gebrüllt hätte. »Dabei müssten laut Ausgabenbuch die Vorratskammern geradezu überquellen und Seiler und Schiffszimmerleute gar nicht mehr wissen, wo sie das viele Tauwerk, die Spieren, Planken, Nägel und alles andere unterbringen sollen. Doch nichts davon ist vorhanden. Die Mannschaft läuft in Lumpen herum, dabei ist hier vermerkt«, der Admiral zeigte auf die Kladde, »dass sechshundert blau gestreifte Hemden, weiße Hosen und Schuhwerk gekauft worden sind. Nun, ich höre, Mr. Masterman! Was haben Sie mir zu sagen?«

Der Zahlmeister, in einen Rock aus feinstem Stoff gekleidet, unter dessen Ärmelaufschlägen die Spitzen eines weißen Seidenhemdes zu sehen waren, machte keineswegs einen verlegenen Eindruck, als er antwortete.

»Alles, was ich eingekauft und ausgegeben habe, ist von Captain Aylmer abgezeichnet worden. Ich habe mir also nichts vorzuwerfen und zuschulden kommen lassen! Was kann ich dafür, wenn die Kerle mit der ihnen übergebenen Kleidung so liederlich umgehen, dass nach wenigen Wochen nur noch Fetzen davon übrig sind? Und sie fressen wie siebenköpfige Raupen! Ständig heißt es: Wir sind nicht satt geworden, bringt uns mehr Essen. Ist es da ein Wunder, wenn das Pökelfleisch und der Schiffszwieback nie reichen? Man sollte die Halunken auf halbe Ration setzen, das ist meine Meinung! Aber dann drohen sie ja zu meutern, und deshalb hat sich der Captain das nicht getraut.«

Nelson lehnte sich in seinem Sessel zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und hatte größte Mühe, ruhig zu bleiben.

»Nun, Mr. Masterman, ich habe zwar, zugegeben, noch nicht jeden Mann an Bord gesehen, aber von den wenigen, die mir bisher über den Weg gelaufen sind, war kein einziger wohlgenährt, geschweige denn dick. Im Gegensatz zu Euch, wie ich anmerken darf. Ihr könnt ja kaum noch aus den Augen schauen, so sehr sind sie in Fett eingebettet! Von Eurer Wampe ganz zu schweigen. Und offenbar habt Ihr auch keine Probleme mit Eurer Kleidung. Die Adresse Eures Schneiders hätte ich gern. Aber wahrscheinlich könnte ich mir einen solchen Rock, wie Ihr ihn tragt, sowieso nicht leisten.«

Der Admiral sah, wie der Zahlmeister zornesrot anlief und anhob, etwas zu entgegnen, es sich dann aber verkniff und stattdessen betreten schwieg.

»Noch eine letzte Frage, Mr. Masterman.« Es kostete Nelson geradezu Überwindung, dem selbstgefälligen Fettsack nicht an die Kehle zu gehen. »Wo ist das fehlende Geld aus der Schiffskasse? Schließlich seid Ihr dafür verantwortlich, und es gibt keine Rücklagen für den Sold der Männer und ihre Verproviantierung.«

Masterman zuckte nur mit den Achseln und wollte schon mit einer Rechtfertigung beginnen, aber die konnte er sich sparen, denn die Antwort gab ein anderer.

»Hier, Sir.« Miller war zurück und warf eine prall gefüllte Geldkatze auf den Schreibtisch. »Mehr als fünfhundert Pfund in Gold. Gefunden unter der Koje und einer losen Planke in der Kajüte dieses Drecksacks da. Ich denke, das reicht fürs Kriegsgericht.«

»Aber Sir Horatio, das dürft Ihr nicht!« Der Zahlmeister rang die Hände und fiel auf die Knie. »Das ist mein Geld, mühsam zusammengespart in all den Jahren, in denen ich König und Vaterland treu gedient und unzählige Mühsale auf mich genommen habe. Versteckt habe ich das Gold doch nur, damit es mir nicht von den Halunken an Bord geraubt wird.«

»Nachdem Ihr es ihnen zuvor gestohlen habt«, donnerte Nelson jetzt und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Erzählt mir doch nichts! Miller, legt den Kerl in Ketten, bis er vor ein Kriegsgericht gestellt wird. Ich werde umgehend Admiral Jervis in Kenntnis setzen. Das Gold ist beschlagnahmt. Nehmt davon, was Ihr braucht, um frischen Proviant, Wasser, Wein und vor allem Zitronen und Limonen von den Portugiesen zu kaufen. Schon auf dem Weg in diese Kajüte hier habe ich Fälle von Skorbut gesehen. Eine unglaubliche Sauerei nenne ich das, denn wir wissen schließlich alle, wie man diese frühere Geißel der Seefahrt heutzutage bannen kann.«

»Sehr richtig, Sir Horatio, da kann ich Euch nur beipflichten.« Ein kleiner Mann drängte sich an Captain Miller und den Marinesoldaten vorbei, die gerade mit Masterman in ihrer Mitte die Kajüte verlassen wollten, und verbeugte sich vor Nelson.

»Wer, zum Teufel, seid Ihr denn?«, schnauzte der Admiral den Ankömmling nicht gerade bester Laune an, der sich daraufhin vorstellte.

»Dr. Robert Tainsh, ich bin der Schiffsarzt. Und wenn Ihr jemanden an Land schickt, dann hätte ich hier eine Liste von Dingen, die wir dringend benötigen, um aus diesem Dreckstall wieder ein ansehnliches Schiff mit einer gesunden Besatzung zu machen, Sir. Bei Captain Aylmer und dem Zahlmeister bin ich leider stets auf taube Ohren gestoßen, wenn ich etwas für die Hygiene an Bord und das Wohlergehen der Mannschaft tun wollte. Ich hoffe, dass sich das jetzt umgehend ändert, sonst werden sich sehr bald die Krankheitsfälle häufen und wir die Leichen in Segeltuch, von dem auch viel zu wenig an Bord ist, einnähen müssen.«

»Gut, Mr. Tainsh, dann sagt mir doch einmal, was Eurer Meinung nach dafür wichtig ist.« Der Mann war ganz nach Nelsons Geschmack. »Ich bin ganz Ohr.«

»Wie Ihr ja bereits selbst bemerkt habt, Sir, gibt es erste Fälle von Skorbut an Bord, Eure diesbezüglichen Anmerkungen waren völlig richtig. Zusätzlich brauchen wir aber dringend frisches Obst, Gemüse – vor allem Zwiebeln wären gut – und natürlich dringend neues Trinkwasser. Das an Bord stammt nämlich aus Zisternen in Southampton, weil es billiger ist als Frischwasser aus Quellen. Des Weiteren muss gründlich Rein Schiff gemacht und durchgelüftet werden. Der vorherige Captain hatte dafür keinen Sinn, obwohl ich ihn oft auf die unhaltbaren Zustände hingewiesen habe. Er spielte lieber mit seinen Offizieren von früh bis abends Karten und hielt sie damit von ihrem Dienst ab. Aber von allein und ohne Befehl halten die einfachen Seeleute das Schiff nun einmal nicht sauber, wie Ihr bestimmt wisst. In den unteren Decks schimmelt es bereits. Dem können wir nur mit salpeterhaltiger Säure Herr werden. Ich kann eine solche Lösung herstellen, wenn Ihr mir die nötigen Ingredienzien verschafft. Außerdem müssen die Hängematten der Besatzung dringend gewaschen und danach regelmäßig gelüftet werden. Sie sind voller Ungeziefer, und einige Männer haben bereits eitrige Ausschläge und Geschwüre. Wenn Ihr bitte Eure Offiziere anweisen würdet, dafür zu sorgen? Und um bei dieser Hitze Frischluft in die Decks zu bringen, empfiehlt sich das Anbringen von Windsegeln außenbords.«

Nelson bekam den Mund nicht wieder zu. Der Mann hatte keinerlei Respekt vor seinem Rang und brachte seine Wünsche und Anregungen vor, als wären sie das Normalste von der Welt. Womit er allerdings letztlich recht hatte, musste der Admiral zugeben.

»Noch irgendwelche Befehle an mich und Bestellungen, die Ihr aufgeben möchtet, Doktor?«, erkundigte sich Nelson mit sarkastischem Unterton, der aber an Tainsh völlig abprallte.

»Das wäre vorläufig alles, Sir. Aber ich lasse es Euch wissen, wenn das Gelieferte nicht von der entsprechenden Qualität ist oder weitere Dinge benötigt werden.«

»Jetzt würde ich aber doch gern wissen, Doktor, ob Ihr mit Captain Aylmer ebenso gesprochen habt wie soeben mit mir«, erkundigte sich der Admiral nochmals verblüffter von dem forschen Auftreten des Schiffsarztes, als er es zuvor schon gewesen war.

»Nein, Sir, das habe ich nicht«, gab Tainsh unumwunden zu. »Weil er mich dann bestenfalls auspeitschen, vielleicht aber auch umbringen hätte lassen. Und wer wäre dann überhaupt noch für die Männer an Bord da gewesen? Wenn Ihr mir ein offenes Wort gestattet, Sir?«

»Nur zu.« Nelson war gespannt auf das, was jetzt noch kommen würde. »Offener kann es ja kaum mehr werden.«

»Captain Aylmer und Mr. Masterman sind nicht schlechter als viele andere Männer mit vergleichbaren Positionen in der Flotte. Der Captain hält sich für Gott. Mal für einen gütigen, mal für einen strafenden, ganz nach seinem Gutdünken, denn seine übergeordneten Stellen bestärken ihn ja schließlich ständig in diesem Glauben. Und der Zahlmeister ist Jesus. Er gibt, wem er will, und erweckt den Eindruck, Wunder wirken zu können. Aber nur, wenn er es selbst möchte und für angemessen hält. Was die Mannschaft erhält, ist in jedem Fall ein Gnadenakt. Wenn allerdings ein Deckhand sein verbrieftes Recht einfordert, ist er sofort ein Aufrührer und gehört ausgepeitscht oder gar gehenkt. Und da wundert man sich, wenn es aus den geschundenen Männern herausbricht und sie sich dagegen wehren und rebellieren? Ich mich nicht. Aus genau diesen Gründen ist es in Frankreich zum Aufstand gegen den Adel gekommen, der sich nicht anders verhalten hat als der in England oder aber, um beim Thema zu bleiben, viele Schiffsoffiziere, die ja zum großen Teil der Aristokratie angehören. Zugegeben, niemand kann gutheißen, wohin das in Frankreich geführt hat. Aber wenn unsere Regierung und alle ihr unterstehenden Stellen wie die Admiralität nicht aufpassen, kann diese revolutionäre Woge auch schnell über den Kanal schwappen. Man sollte die Männer einfach nicht wie Vieh, sondern wie Menschen behandeln, dann werden sie auch mit Freude und Aufopferung ihrem Vaterland dienen. Anderenfalls …«

»Ich habe nie etwas anderes getan!«, brauste Nelson auf, der plötzlich der Meinung war, sich rechtfertigen zu müssen.

»Eben, Sir, und das ist allgemein bekannt. Deshalb habe ich mir auch die Freiheit genommen, meine Worte Euch gegenüber nicht auf die Goldwaage zu legen. Das Gleiche gilt für Admiral Jervis, der nicht grundlos ›Vater der Flotte‹ genannt wird, und auch für die Offiziere, die ihm unterstehen, weil er keine Ungerechtigkeiten der Mannschaft gegenüber duldet und sie stets ahndet. Es gilt aber leider nicht für alle Kommandanten in der Marine und auch nicht für die im Heer. Viele betrachten ihre Posten ausschließlich als Möglichkeit, sich auf Kosten ihrer Untergebenen zu bereichern. Aber das wisst Ihr schließlich aus eigener Erfahrung. Denkt nicht, die Männer auf den Schiffen wüssten nicht, wie übel man Euch nach Eurer Rückkehr aus Westindien mitgespielt hat. So etwas verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Man hat genau beobachtet, ob Ihr Euch nach den schlechten Jahren auf Halbsold an den Besatzungen Eurer Schiffe schadlos halten werdet. Aber es gibt nicht einen Seemann, der schlecht über Euch redet, und wenn Ihr Euch diesen Ruf erhaltet, könnt Ihr wahrhaft Großes bewirken. Empfehle mich, Sir. Meine Patienten warten.«

Der Doktor griff sich kurz an den Hut und war im nächsten Moment verschwunden wie ein Flaschengeist. Zurück ließ er einen völlig konsternierten Admiral, der sich erst einmal setzen musste, um das Gehörte zu verarbeiten. Aber nachdem er die Worte von Tainsh verinnerlicht hatte, begann sich ein verstohlenes Lächeln auf seinem Gesicht auszubreiten.

 

Auf die Besatzung der HMSTheseus kam in den nächsten Tagen eine Menge Arbeit zu. Als Erstes hieß es, vom Kielschwein bis zu den Gefechtsmarsen Rein Schiff zu machen. Nelson hatte sich von Jervis ausbedungen, hundert seiner besten Männer und Decksoffiziere von der HMSCaptain herüberholen zu dürfen, und der Admiral, der nicht mit so vielen Abgängen gerechnet hatte, hatte letztlich zähneknirschend zugestimmt. Die erfahrenen Seeleute, die teilweise bereits auf der HMSAgamemnon unter Nelson gedient hatten, wurden in den Wachen und Decks verteilt. Sie wussten genau, was man von ihnen erwartete, und gingen stolz mit gutem Beispiel voran, wenn es hieß Alle Mann oder Geschützexerzieren angesagt war. Schnell begriff auch die alte, ausgedünnte Besatzung der HMSTheseus, die ohne jede Gefechtserfahrung und Kampfgeist war und in deren Reihen eine furchtbare Lotterei Einzug gehalten hatte, was es bedeutete, auf einem Schiff unter Konteradmiral Horatio Nelson und Captain Ralph Miller Dienst zu tun. Nach ihrer Wache sanken die Männer zwar kaputt und todmüde in ihre Hängematten, aber die stanken nicht mehr, die Verpflegung war gut, im Vergleich zu vorher sogar exzellent. Die Offiziere behandelten alle unteren Dienstgrade fair, und an Bord herrschte nunmehr Gerechtigkeit gegen jedermann.

Das wurde an einem Morgen am deutlichsten, als Nelson die gesamte Besatzung an Deck befahl und den Blick auf das Flaggschiff richten ließ. Ein Kanonenschuss donnerte über die Bucht, dann wurde an der Breitfockrah ein Mann nach oben gezogen. Zahlmeister John Masterman war von einem durch Vizeadmiral John Jervis einberufenen Kriegsgericht des fortgesetzten Betruges, der Unterschlagung und des Diebstahls für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden.

Nelson hatte dem Gericht nicht angehört, war aber ebenso wie Dr. Tainsh und zwei Männer von der Besatzung der HMSTheseus – der Koch und der Segelmacher – als Zeuge vernommen worden. Der Zahlmeister bestritt zwar alle Vorwürfe, stieß aber auf taube Ohren, denn zu erdrückend waren die Beweise, die gegen ihn vorlagen. Jervis schickte auch einen Brief an die Admiralität nach London, um die Festsetzung und Verurteilung von Captain Aylmer zu veranlassen, über dessen Vergehen er nur ungenügend informiert gewesen war, als er ihn abgesetzt, degradiert und nach England zurückgeschickt hatte.

Bei der Besatzung der HMSTheseus fand dieses rigorose Vorgehen gegen ihre vorherigen Peiniger natürlich breite Zustimmung. Bewies dies doch, dass man nicht immer nur die Kleinen, sondern in Ausnahmefällen eben auch die Großen hängte. Umso williger erfüllten die Männer nun ihren Dienst, und jeder versuchte, sich in den Augen des Admirals und des Captains auszuzeichnen. Als dann auch noch die von Nelson georderte, anständige Bekleidung aus England eintraf – die Mannschaft hatte, anders als von Masterman behauptet, vor der Abreise keinerlei Hemden, Hosen, Jacken und Schuhe erhalten –, sahen Schiff und Besatzung endlich so aus, wie die beiden höchsten Offiziere der HMSTheseus sich das vorstellten.

Eines Morgens kam der Kajütdiener zu Nelson und legte mit den Worten »Das habe ich unter der Tür gefunden, Sir Horatio« einen Fetzen Papier vor diesem auf den Schreibtisch. Mit ungelenker Handschrift waren darauf ein paar Zeilen gekritzelt, die das Herz des Admirals höherschlagen ließen.

»Erfolg möge Admiral Nelson begleiten. Gott segne Captain Miller. Wir danken Ihnen für die Offiziere, die Sie über uns gesetzt haben«, stand darauf geschrieben. Und weiter: »Wir sind froh und fühlen uns wohl und werden jeden Tropfen Bluts vergießen, der in unseren Adern fließt, um Ihnen zu helfen, und der Name der HMSTheseus soll so unsterblich werden wie der der HMSCaptain.«

Als Nelson Miller zu sich rief und ihm die Zeilen zu lesen gab, musste der Captain schlucken, um nicht ebenso feuchte Augen zu bekommen wie sein Admiral zuvor.

 

Nachdem Nelson die erste ihm von Admiral Jervis gestellte Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt hatte, konnte er nun endlich darangehen, sich der zweiten zu widmen. Während das Gros der Flotte den Belagerungsring in fünfzehn Meilen Entfernung um den Kriegshafen und die Stadt Cádiz gezogen hatte, ging er mit der HMSTheseus und den ihm unterstellten Schiffen so dicht an die spanischen Bastionen heran, dass sein Ausguck nicht nur die Soldaten auf den Wällen, sondern sogar die Frauen in bunten Kleidern in den Straßen und vor ihren Häusern sehen konnte. Allerdings hütete er sich wohlweislich davor, in den Bereich der starken Küstenbatterien zu kommen.

Die Befestigungen von Cádiz galten als die stärksten eines Hafens sowohl in der Alten als auch in der Neuen Welt. Das war nicht zuletzt einem Engländer zu verdanken, denn Sir Francis Drake war anno 1587 in die Bucht eingelaufen und hatte dort große Teile der angeblich unbesiegbaren Armada versenkt oder so schwer beschädigt, dass König Philipp II. die geplante Invasion der Insel um ein Jahr verschieben musste. Das wiederum hatte den Engländern die Zeit gegeben, ihre neuen, schnellen und wendigen Schiffe mit den modernsten weittragenden Kanonen auszustatten, die man bekommen konnte, und sich auch ansonsten zu rüsten. Das Ergebnis war bekannt: Die Eroberungspläne des spanischen Königs scheiterten, da seine vorgeblich unbesiegbare Armada vernichtend geschlagen wurde.

Doch aus den Fehlern von damals hatten die Spanier gelernt. Allein auf den starken, den inneren Hafen schützenden Mauern standen siebzig Kanonen und ein Dutzend Mörser, sodass eine Annäherung der englischen Schiffe blanker Selbstmord gewesen wäre. Nelson verfiel deshalb auf einen anderen Plan. Er wusste um den katastrophalen Zustand der spanischen Straßen und verlegte deshalb zwei Fregatten unmittelbar vor die Hafenmündung, die jede Versorgung der Stadt mit Proviant von der Seeseite aus verhindern sollten. Zudem ließ er schwimmende Plattformen bauen, auf die Mörser montiert wurden. Von den Beibooten der HMSTheseus sollten sie im Schutz der Nacht bis auf Schussweite an die Hafenanlagen herangeschleppt werden, um die dort vor Anker und an den Kais liegenden Schiffe der spanischen Flotte zu treffen.

Der erste Versuch brachte nicht den gewünschten Erfolg. Die Befehlshaber der Barkassen wagten sich offenbar nicht nahe genug an die Befestigungen heran, sodass die abgefeuerten Mörsergranaten nur geringen Schaden anrichteten. Als die Spanier daraufhin noch kräftiges Gegenfeuer eröffneten, zogen sich die Engländer zurück, um ihre mühsam gezimmerten Mörserplattformen nicht zu gefährden.

Nelson tobte und befahl, den Angriff, den er diesmal selbst anführen wollte, in der nächsten Nacht zu wiederholen. Aber auch die Spanier waren nicht untätig geblieben und hatten ebenfalls Barkassen und kleine Kutter sowie Kanonenboote herangeholt, mit denen sie ihrerseits die englischen Boote und Plattformen angreifen wollten.

In einem Brief hatte Fanny ihren Gemahl eindringlich beschworen, sich jetzt, nachdem er Admiral war, nicht mehr der Gefahr des Nahkampfes und schon gar nicht des Enterns feindlicher Schiffe auszusetzen. Aber so gut wie immer hörte Nelson nicht auf seine Frau und wagte sich in die erste Linie seiner angreifenden Boote. Er ließ eine Mörserplattform so dicht vor die Befestigungen schleppen, dass die Kanonen des Forts, das auf einer hohen Felsklippe lag, sie nicht mehr erreichen konnten, sondern über sie hinwegschossen.

Diesmal richteten die englischen Granaten ernsthaften Schaden an, und mehr als eine halbe Stunde mussten die Stadt und die Schiffe im Hafen das Bombardement über sich ergehen lassen.

Doch die Spanier gedachten nicht, sich dies ohne jede Gegenwehr gefallen zu lassen, und der Hafenkommandant, Don Miguel Tregoyen, wagte einen verzweifelten Gegenangriff. Mit seinen Booten griff er die der Engländer an, und es kam zu einem verzweifelten Kampf Mann gegen Mann, mit dem kaum einer gerechnet hatte.

 

»Vorsicht, Sir Horatio!«, brüllte John Sykes, Nelsons Bootsführer, und gab dem Admiral einen Stoß, der diesen taumeln ließ und fast über Bord hätte gehen lassen. Aber Sykes hatte gut daran getan, denn an der Stelle, an der sich sein Kommandant gerade noch befunden hatte, rammte urplötzlich ein großes spanisches Boot die Admiralsbarkasse, und Pikeniere stießen mit ihren langen Lanzen zu und verwundeten und töteten gleich mehrere Männer, bevor sie durch Musketenfeuer zurückgeworfen wurden.

Der Bootsführer hatte selbst etwas abbekommen, doch er spürte den Schmerz nicht. Sein ganzes Sinnen und Trachten war darauf ausgerichtet, seinen Kommandanten zu schützen, der mit dem Degen in der Faust die Angreifer abwehrte. Stahl traf auf Stahl, das Handgemenge wurde blutig, Pistolen knallten, und bald merkten die Engländer, dass das Boot, das sie gerammt hatte, doppelt so groß war wie ihr eigenes und ihnen eine deutliche Überzahl Spanier gegenüberstand. Ohne den Admiral in ihrer Mitte hätten sie sich zweifelsfrei ergeben oder zumindest versucht zu fliehen. Doch Nelson kämpfte mit dem Mut der Verzweiflung, einen Fuß auf dem Dollbord der Barkasse, und feuerte seine Männer mit Worten sowie seinem ungebrochenen Kampfwillen an, es ihm gleichzutun. Immer wieder stieß er mit seinem Degen zu, parierte so manchen Hieb und verwundete mehr als einen Angreifer.

John Sykes hingegen war ständig bemüht, Hiebe, die gegen seinen Admiral geführt wurden, von diesem abzuwehren. Er schützte dessen linke Seite und kümmerte sich mehr um Nelsons Leben als um sein eigenes. Mit seinem Entermesser konnte er zweimal Angriffe parieren, die seinen Kommandanten ansonsten mit großer Sicherheit das Leben gekostet hätten. Doch als er sah, wie ein hünenhafter Spanier ausholte, um mit seinem Säbel dem Admiral den Kopf vom Rumpf zu trennen, blieb ihm nichts anderes mehr übrig, als sich ihm in den Weg zu stellen und den Hieb selbst einzustecken. Seine Kameraden sahen ihren Bootsführer fallen, doch das fachte ihre Wut und ihren Kampfgeist nur an. Mit wilden Schreien warfen sie sich auf ihre Gegner, die vor dem energischen Angriff überrascht zurückwichen.

In diesem Moment stieß ein weiteres Boot gegen das spanische. Es war Captain Thomas Fremantle von der Fregatte HMSSeahorse, der den Bedrängten mit seiner Gig, zehn Ruderern und einigen Royal Marines zu Hilfe kam. Er hatte von seiner vorgeschobenen Position in der Hafenmündung aus mitbekommen, was hier vor sich ging, und keine Sekunde gezögert, die Initiative zu ergreifen. Jetzt waren die Engländer ihrerseits in der Überzahl und bald alle Spanier getötet oder über Bord gegangen. Die große Barkasse war erobert worden, aber das interessierte Nelson nur wenig. Er kniete bei seinem Bootsführer und barg dessen Kopf in seinem Schoß.

»Das wird schon wieder, Sykes«, redete er beruhigend auf den Schwerverletzten ein, wusste aber, dass dies eine Lüge war. »Wir bringen Euch zurück aufs Schiff, und dort wird Euch Dr. Tainsh wieder zusammenflicken. Ich brauche doch meinen Bootsführer! Was soll ich denn ohne Euch machen?«

»Danke für Eure Worte, Sir«, murmelte der Sterbende. »Aber Ihr wisst genau, dass es mit mir zu Ende geht. Doch das ist nicht weiter schlimm, wenn Ihr nur jetzt nicht mehr so schlecht von den Männern der HMSTheseus denkt.«

»Das tue ich doch gar nicht«, widersprach der Admiral gerührt. »Alle, und Ihr besonders, haben wahren Heldenmut bewiesen. Das, was Ihr für mich getan habt, Sykes, kann und werde ich Euch nicht vergessen. Niemals, das schwöre ich Euch.«

Nelson merkte erst jetzt, dass er zu einem Toten gesprochen hatte, denn der Körper des Bootsführers war in seinen Armen erschlafft. Doch ihm war, als würde er ein seliges Lächeln auf dessen Lippen sehen.

 

Der nächtliche Angriff auf Cádiz hatte so gut wie nichts gebracht. Von dem Mörser war zwar einiger Schaden angerichtet worden, und man hatte eine Barkasse und zwei kleine Kanonenboote erbeutet, aber selbst auch eins verloren. Auf diese Weise, das war Nelson klar geworden, ließ sich die spanische Flotte weder aus dem Hafen herauslocken noch kam man in ihn hinein, um sie vor Anker liegend zu vernichten. Ein neuer Plan musste also her, und er grübelte darüber nach, was für eine Alternative er Admiral Jervis vorschlagen könnte.

Aber etwas Gutes hatte sich aus dem Abenteuer, auch wenn es mit einem Rückzug auf die Schiffe geendet hatte, doch ergeben: In der ganzen Flotte sprach man bald darüber, dass ein Admiral Seite an Seite mit den einfachen Seeleuten gekämpft und sie nicht in ein todbringendes Gefecht geschickt hatte, ohne dabei auch das eigene Leben zu riskieren. Ebenso wurde die würdevolle Zeremonie zur Kenntnis genommen, mit der John Sykes dem Meer übergeben worden war und bei der Konteradmiral Sir Horatio Nelson persönlich ein paar anerkennende Dankesworte gesprochen hatte. Bis hin zum letzten Mann erkannten die Deckhands, Matrosen, Kanoniere und Seesoldaten, dass die Offiziere, die unter Jervis und Nelson dienten, aus anderem Schrot und Korn waren als diejenigen, die den Aufstand an der Nore und in Spithead provoziert hatten, und jeder Anflug von Meuterei war damit wie vom Wind verweht worden.

 

»Was soll der Unsinn, Nelson?« Admiral Jervis stemmte die Arme in die Hüften und blickte seinen Untergebenen missbilligend an. »Ich habe schon nicht genügend Schiffe, um die spanischen Häfen zu blockieren, und da wollt Ihr von mir noch ein paar für Euer wahnwitziges Unternehmen haben? Ihr denkt doch wohl nicht im Traum daran, dass ich das absegne!«

»Sir, bedenkt doch, wenn der gefangene spanische Leutnant nicht gelogen hat, wovon ich ausgehe, was in diesem Fall für eine immense Beute auf uns wartet. Und es ist schließlich bereits einmal einer englischen Flotte gelungen, den Hafen von Santa Cruz de Tenerife einzunehmen und die dort vor Anker liegenden spanischen Schatzschiffe zu erbeuten.«

»Ja, ich weiß, Admiral Robert Blake ist das Kunststück anno 1657 geglückt. Aber er hatte schließlich auch achtundzwanzig schwerbewaffnete Kriegsschiffe zur Verfügung! Das ist mehr, als unsere gesamte Flotte hier zählt! Und die kann ich auf gar keinen Fall von Cádiz abziehen, will ich nicht selbst von einer Fockrah baumeln. Bestenfalls stellt man mich vor ein Erschießungskommando, wenn ich diesen mir von der Admiralität zugeteilten Posten verlasse. Also vergesst das Ganze besser, denn Euer Vorhaben hat nur sehr wenig Aussicht auf Erfolg.«

Doch so schnell gab Nelson nicht auf, hatte er erst einmal einen Plan gefasst. Von dem gefangen genommenen spanischen Offizier hatte er erfahren, dass die alljährlich aus Manila kommende Schatzgaleone El Príncipe de Asturias im Hafen von Santa Cruz auf Teneriffa Schutz gesucht hatte und dortbleiben sollte, bis die Engländer von Spaniens Küsten vertrieben worden waren oder von selbst die Blockade aufgaben. Die mögliche Beute würde eine Summe von sechs oder gar sieben Millionen Pfund betragen, ein unvorstellbar hoher Betrag, nur vergleichbar mit dem, was Francis Drake einst von seiner Weltumsegelung mit nach Hause gebracht hatte. Deshalb ließ Nelson auch nicht nach, Jervis zu bestürmen, bis dieser schließlich genervt nachgab.

Den Ausschlag für dessen revidierte Entscheidung hatten letztlich ein paar erfolgreiche Unternehmen auf den Kanaren von kleineren Einheiten der englischen Flotte gegeben. So war es zwei Fregatten gelungen, ein reich beladenes spanisches Handelsschiff aufzubringen, bevor es den sicheren Hafen erreichen konnte, und Lieutenant Thomas Hardy hatte sogar eine französische Brigg aus dem Hafen von Santa Cruz herausgeholt, zu deren neuem Befehlshaber er daraufhin ernannt worden war. Das Schiff war mit wertvollen Geschenken für aufständische Fürsten auf dem Weg nach Indien gewesen, die Beute also durchaus beachtlich.

Nelson hoffte, dass der Gouverneur von Gibraltar ihm die Soldaten für das Landungsunternehmen zur Verfügung stellen würde, die er erst unlängst aus Elba zurückgeholt hatte. Doch sowohl bei dem höchsten Beamten der Krone auf dem Felsen wie auch bei General de Burgh stieß er diesbezüglich auf taube Ohren. Die Army dachte gar nicht daran, die Navy bei einem Unternehmen zu unterstützen, bei dem es in ihren Augen in erster Linie ums Beutemachen ging, und sah sich stattdessen verpflichtet, den Zugang zum Mittelmeer gegen alle Angriffe von Land und See zu halten.

Also entschloss sich der Konteradmiral, das Unternehmen allein mit Marineinfanterie durchzuführen, und bat Jervis um zweihundert zusätzliche Männer, die er auch bekam. Vor der Abfahrt versammelte er noch einmal die Kommandanten der ihn begleitenden Kriegsschiffe zu einem abschließenden Gespräch in seiner Kajüte auf der HMSTheseus und pflegte damit einen Führungsstil, wie es ihn bisher so in der Royal Navy noch nicht gegeben hatte.

»Gentlemen, unser wichtigster Verbündeter muss die Überraschung gepaart mit Schnelligkeit sein«, eröffnete Nelson die Besprechung. »Haben die Spanier die Möglichkeit, sich auf unseren Angriff vorzubereiten, wird es sehr schwierig für uns werden. Hier ist eine Karte des Hafens. Wie Ihr seht, liegt er in einer lang gestreckten Bucht, die die Spanier Bias Diaz nennen. Aber sie ist nicht gegen Stürme geschützt, sodass das Hafenbecken von künstlich aufgeschütteten Molen gebildet wird. Die meisten Schiffe müssen aber auf Reede ankern. Ihrer sollten wir uns als Erstes bemächtigen und dann die Stadt einnehmen. Oder gibt es andere Vorschläge?«

»Was ist mit den drei Forts, die den Hafen schützen?«, wollte Thomas Troubridge wissen, der auf Nelsons Wunsch mit seiner wieder instand gesetzten HMSCulloden zu dem Unternehmen abkommandiert worden war. »Sollen wir sie mit den Breitseiten unserer Linienschiffe niederkämpfen, oder gibt es vielleicht einen anderen Weg, sie einzunehmen? Denn ohne dass die Forts erobert oder anderweitig ausgeschaltet worden sind, wird das Ganze ein Himmelfahrtskommando, und wir holen uns womöglich ebenso blutige Nasen wie vor Cádiz.«

Das war nun etwas, woran Nelson gar nicht gerne erinnert werden wollte, und so wandte er sich an Captain Richard Bowen, den Kommandanten der Fregatte HMSTerpsichore, der erst unlängst von Teneriffa zurückgekehrt war und vor Santa Cruz die Handelsfregatte Príncipe Fernando gekapert hatte.

»Was meint Ihr, Bowen? Landungsunternehmen oder intensives Geschützfeuer?«

»Sir, ich war an Land und hatte Gelegenheit, einen Blick auf die Befestigungen zu werfen. Der Gouverneur hat mich empfangen, nachdem wir vorgegeben hatten, spanische gegen englische Gefangene austauschen zu wollen. Die hatten wir zwar gar nicht an Bord, aber das tut hier nichts zur Sache. Der eigentliche Hafen wird nur von einem Fort geschützt, dem Castillo de San Cristóbal, in dessen Nähe sich auch die sichersten Ankergründe befinden. Das andere, das Castillo del Paso Alto, liegt nordöstlich der Stadt und ist für unser Vorhaben nahezu ohne Bedeutung. Dann gibt es noch südwestlich das Castillo de San Juan Bautista, das mit seinen Kanonen unsere Schiffe aber nicht erreichen kann, wenn wir uns nördlich halten. Die eigentliche Hafenfestung ist von der Landseite her nahezu ungeschützt und nur mäßig befestigt. Ein paar vorgefertigte Leitern würden bestimmt genügen, um die Wälle zu überwinden. Wir sollten mit einem größeren Sturmtrupp etwas nördlich des Castillos an Land gehen, dann können wir es im Morgengrauen stürmen. Das ist stets die beste Zeit für einen Überfall, weil dann die Wachen immer am müdesten sind.«

»Ist bekannt, wissen wir von unseren eigenen«, feixte Captain Samuel Hood, der Neffe von Admiral Hood und Kommandant des dritten Vierundsiebzigers im Geschwader. »Wollen wir die Schiffe außerhalb der Sichtweite von Santa Cruz vor Anker gehen lassen? Dann wird es aber ein weiter Weg für die Ruderer.«

»Wobei zu bedenken ist, dass es auf den Hügeln rund um die Stadt Wachtürme gibt, von denen man weit aufs Meer hinausblicken kann«, warf Thomas Fremantle, der mit seiner Fregatte HMSSeahorse auch dabei sein würde, ein. »Ich denke nicht, dass wir so weit draußen auf See bleiben können, zumindest nicht bei Tage.«

»Das sehe ich auch so«, stimmte Nelson zu. »Wir werden es machen, wie es Captain Bowen vorgeschlagen hat. Zuerst setzen wir nachts einen Landungstrupp ab, der die Hafenfestung einnehmen soll. Dann gehen wir im Halbkreis vor dem Hafen vor Anker, und ich schicke dem Gouverneur eine Aufforderung zur Kapitulation. Außerdem werde ich von ihm verlangen, die El Príncipe de Asturias herauszugeben. Ich denke zwar nicht, dass er darauf eingehen wird, aber einen Versuch ist es wert. Noch Ergänzungen oder Fragen, Gentlemen?«

»Ja, Sir«, meldete sich Captain Thomas Waller von der dritten Fregatte, der HMSEmerald, zu Wort. »Ist es nun unsere Aufgabe, nur das Schatzschiff zu kapern – vorausgesetzt, es ist überhaupt noch da –, oder sollen wir auch die Stadt und vielleicht sogar die ganze Insel besetzen, so wie damals Korsika? Das wäre natürlich ein Coup, der seinesgleichen suchen würde und die Handelsrouten der Spanier zu ihren Besitzungen in Übersee nachhaltig stören könnte. Was wiederum unseren Companies zugutekäme. In diesem Fall möchte ich aber zu bedenken geben, dass wir dafür unbedingt mehr Truppen benötigen, die vor Ort bleiben, wenn unsere Schiffe zur Flotte zurückkehren.«

Nelson kratzte sich nachdenklich am Kinn. Das war ein Aspekt, an den er noch gar nicht gedacht hatte. Der junge Captain hatte aber durchaus recht. Gelänge es, Santa Cruz, den bedeutendsten Hafen auf den Kanaren, zu erobern, wäre es bestimmt auch möglich, die ganze Insel zu besetzen. Und wer Teneriffa besaß, dem gehörten zweifellos auch die »Glücklichen Inseln«, wie die Römer das Archipel einst genannt hatten, das war gar keine Frage. Wenn er doch nur die Truppen aus Gibraltar hätte! Warum musste General de Burgh denn nur so stur sein? Hatte er ihn und seine Garnison nicht vor der Gefangenschaft, wenn nicht gar dem garantierten Untergang gerettet? Und das war der Dank dafür? Nun, darüber zu sinnieren, war müßig, denn die Navy konnte die Army nun einmal nicht dazu zwingen, ihr ohne direkte Befehle aus London beizustehen. Und die gab es schließlich nicht, und so war man wie so oft wieder einmal auf sich allein gestellt.

»Gute Fragen, Mr. Waller«, meinte Nelson deshalb auch mürrisch. »Darüber werden wir vor Ort entscheiden, wenn wir sehen, wie sich alles entwickelt. Aber glaubt mir, ich werde das im Hinterkopf behalten. Morgen früh lichten wir die Anker. Das Wetter ist ja ausgesprochen freundlich, und der Wind weht beständig aus Nordost. Wollen wir hoffen, dass wir bald wieder mit reicher Beute und erfolgreich zur Flotte zurückkehren können.«

 

Bereits nach fünf Tagen sichtete der Ausguck der HMSTheseus den spitzen Kegel des gewaltigen Vulkans Pico del Teide, der die Insel Teneriffa überragte. Nelson hatte einmal gelesen, dass er der höchste Berg Spaniens war, obwohl das Land doch mit den Pyrenäen über ein beachtliches Hochgebirge verfügte. Santa Cruz, das Ziel des Unternehmens, lag im Nordosten der Insel und war somit leicht und hoffentlich auch unentdeckt zu erreichen.

Bisher war alles glatt verlaufen, was in dem Admiral die Hoffnung nährte, dass es auch so bleiben würde. Zu dem Geschwader waren noch das kleine, fünfzig Kanonen tragende Linienschiff HMSLeander sowie die Sloop HMSFox gestoßen, die die Verbindung zwischen den Schiffen halten sollte. Somit hatte der Konteradmiral vier Linienschiffe, drei Fregatten, ein vor Cádiz erbeutetes Mörserboot und eben die schnelle Sloop unter seinem Kommando, was in seinen Augen völlig ausreichend für das geplante Vorhaben war.

Doch von Anfang an ging alles schief. Zwar gelang es den Fregatten, die die Landungstruppen an Bord hatten, sich der Küste unbemerkt zu nähern und die Boote mit mehreren Hundert Männern abzusetzen, doch sie kamen trotz größter Anstrengungen kaum voran. Starker, ablandiger Wind blies ihnen entgegen, der gleichzeitig hohe Wellen auftürmte, und noch dazu gab es eine starke Strömung, gegen die anzurudern, nahezu unmöglich war. Als dann die Nacht dem Tag wich, die Boote immer noch weit vom Ufer entfernt waren, jetzt aber entdeckt und aus dem Castillo de San Cristóbal heraus das Feuer auf sie eröffnet wurde, tat Captain Troubridge als Befehlshaber des Unternehmens das einzig Richtige und befahl den Rückzug.

Das war die Situation, die Nelson vorfand, als er mit den Linienschiffen eintraf, um den Spaniern seine überlegene Macht zu demonstrieren und den Gouverneur zur Übergabe der Insel aufzufordern. Davon konnte von deren Seite aber keine Rede mehr sein, doch so schnell gedachten die Engländer nicht, aufzugeben. Allerdings war von einem Schatzschiff weit und breit nichts zu sehen, und nicht einmal kleinere Handelsschiffe lagen auf Reede vor Anker.

Während sich die Linienschiffe mit den Küstenbefestigungen von Santa Cruz ein ergebnisloses Artillerieduell lieferten, wurde ein erneutes Landeunternehmen versucht. Diesmal sollte Marineinfanterie am helllichten Tage weiter nordöstlich der Stadt und außerhalb der Reichweite der Kanonen der Festung Castillo del Paso Alto an Land gehen, in das Hinterland vorstoßen und entweder Santa Cruz in den Rücken fallen oder die weiter westlich auf einer Hochebene gelegene Inselhauptstadt La Laguna, die unbefestigt war, einnehmen.

Nichts davon war allerdings durchführbar. Wieder führte Troubridge das Kommando, und wieder musste er sich wutschnaubend zurückziehen. Diesmal war es allerdings dem zerklüfteten, bergigen Gelände geschuldet, durch das es kein Durchkommen gab. Die Landung am Strand vor dem Barranco El Bufadero, einer tiefen Schlucht, die die steilen, schroffen und hohen Küstenklippen durchschnitt, war zwar geglückt, doch Letztere waren einfach unpassierbar und machten ein Vordringen zu den Höhen über Santa Cruz oder einen Vorstoß ins Landesinnere unmöglich. Dazu kamen Milizen, die der Gouverneur mobilisiert hatte und die gut geschützt von der anderen Seite der Schlucht auf die Engländer schossen und ihnen erste Verluste zufügten. Troubridge befahl erneut den Rückzug und fragte sich, wie sein Admiral das wohl aufnehmen würde.

Doch Nelson blieb erstaunlich ruhig, auch wenn es innerlich in ihm kochte. Aller guten Dinge sind drei, sagte er sich und beschloss, den nächsten Angriff selbst anzuführen. Diesmal sollte es wieder des Nachts geschehen, und das Ziel war nicht die Umgehung der Stadt, sondern ein frontaler Überfall auf den Hafen und die Strände von Santa Cruz, von denen aus weiter vorgerückt und die Castillos eingenommen werden sollten.

Die Kapitäne der Schiffe verlangten allesamt, ihre Bootsmannschaften selbst anführen zu dürfen, nachdem sie erfahren hatten, was ihr Admiral plante. Keiner wollte zurückbleiben und sich womöglich Feigheit vorwerfen lassen, wenn der Kommandeur des Unternehmens voranging. Alle Versuche, Nelson davon abzuhalten, waren fehlgeschlagen, und so wurden sechs Abteilungen gebildet, die mit ihren Booten an verschiedenen Stränden von Santa Cruz landen und dann die Stadt stürmen sollten. Siebenhundert Mann waren dafür vorgesehen, und zusätzlich war die Sloop mit einer starken Besatzung versehen worden. Sie konnte aufgrund ihres geringen Tiefganges notfalls auf den Strand auflaufen, um sie an Land zu setzen. Nelson selbst wollte die Mole erobern und von dieser Stelle aus weiter vorrücken.

 

Der Admiral machte sich gerade fertig, um in das für ihn bestimmte Boot zu steigen, als ihm sein Stiefsohn, der als Lieutenant auf der HMSTheseus diente, gemeldet wurde. Zuerst wollte er ihn nicht empfangen, doch der junge Mann ließ sich nicht abweisen, und bevor es womöglich noch zu einer lautstarken Auseinandersetzung kam – Nelson kannte schließlich dessen überschäumendes und nicht immer angenehmes Temperament –, ließ er ihn zu sich.

»Josiah, was soll das?«, ging der Admiral auch sofort auf seinen Stiefsohn los. »Du siehst doch, dass ich zu tun habe, und ich denke, dass du als Lieutenant in einer Nacht wie dieser auch genug Aufgaben an Bord zu erledigen hast. Oder sollte ich mich darin täuschen und deshalb mit Captain Miller ein ernstes Wörtchen reden müssen, sobald wir zurück sind, damit er dich härter herannimmt?«

»Genau darum geht es, Sir«, wehrte sich der junge Mann. »Warum soll ich als wachhabender Offizier an Bord bleiben, während alle meine Kameraden das Kommando über ein Boot erhalten? Wisst Ihr, wie mich das vor den anderen dastehen lässt? Es ist schon schwer genug, dass man mir beständig Begünstigung unterstellt, weil mein Stiefvater der Admiral ist! Soll jetzt auch noch der Vorwurf der Feigheit dazukommen? In diesem Fall bitte ich um meinen sofortigen Abschied, denn das wäre mehr, als ich ertragen kann.«

Seufzend ließ sich Nelson in einem Sessel nieder und sah zu dem vor ihm stehenden Sohn seiner Frau auf.

»Josiah, niemand zweifelt an deinem Mut«, versuchte er, den aufgebrachten Jüngling zu besänftigen. »Wenn deine Kameraden das tatsächlich tun sollten, musst du dies deinem vorgesetzten Offizier, in diesem Fall also Captain Miller, melden. Er wird schon wissen, was zu tun ist. Und im Übrigen: Mit sechzehn Jahren das Kommando über ein Linienschiff übertragen zu bekommen, ist nicht gerade eine ehrenrührige Aufgabe. Ich denke also, dass deine Schiffskameraden dich eher darum beneiden werden, gibt dir das doch die Gelegenheit, dich zu bewähren und zu beweisen. Bleib also an Bord und kümmere dich während unserer Abwesenheit um die HMSTheseus, ich bitte dich!«

Doch Josiah blieb hartnäckig, was Nelson allerdings hatte kommen sehen.

»Sir, bei allem Respekt, aber das Schiff kommt auch ohne mich klar, es braucht mich nicht. Notfalls wird der alte Master, besser als ich es je könnte, alles Notwendige veranlassen. Ich hingegen will mit an Land kommen, und wenn es das Letzte ist, was ich je tue. Notfalls schwimme ich, wenn es keinen Platz für mich in einem der Boote gibt.«

So viel zu mangelndem Mut, dachte Nelson bei sich und begann, stolz auf seinen Stiefsohn zu sein, der es ihm in den vier Jahren, in denen sie jetzt gemeinsam in der Navy dienten, nicht immer leicht gemacht hatte. Dennoch versuchte er ein weiteres Mal, ihn zum Einlenken zu bewegen.