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Jack Bannister - Herr der Karibik E-Book

Mac P. Lorne

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Beschreibung

Vom Kapitän eines Handelsschiffs zum legendären Piraten: Setzen Sie Segel mit Jack Bannister! In seinem opulenten historischen Abenteuerroman »Jack Bannister – Herr der Karibik« lässt Mac P. Lorne das goldene Zeitalter der Piraterie im 17. Jahrhundert lebendig werden.  In höchster Not übernimmt der Erste Offizier Jack Bannister das Kommando, als sein Handelsschiff auf der Heimreise aus der Karibik von Piraten angegriffen wird. Im buchstäblich letzten Moment gelingt es ihm, die Freibeuter abzuwehren. Zurück in London, ernennt ihn die Royal African Company zum Kapitän der Golden Fleece, einer neuen, schwer bewaffneten Galeone. Jack ahnt nicht, dass er die Beförderung vor allem den Affären seiner jungen Frau verdankt. Als er auf einem frivolen Maskenball Zeuge ihres Verrats wird, sagt Jack nicht nur der mächtigen Company den Kampf an, sondern auch dem Königshaus der Stuarts und der als unbesiegbar geltenden Royal Navy.  Mit filmreifen Bildern und exakter Recherche entführt Mac P. Lorne in die Karibik, wo Piraten wie Jack Bannister im 17. Jahrhundert den Mythos von Freiheit und Abenteuer erschufen, den wir bis heute lieben.  Entdecken Sie auch Mac P. Lornes historischen Abenteuerroman »Der Pirat«, mit dem er dem legendären Sir Francis Drake ein Denkmal setzt.   »Mac P. Lorne liefert einen historischen Roman der Superlative.« histojournal online über »Der Pirat«

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Mac P. Lorne

Jack BannisterHerr der Karibik

Historischer Roman

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Setzen Sie Segel mit Jack Bannister!

 

Die Freiheit der Meere, exotische Strände, die Liebe zur launischen See und die Jagd nach Schätzen: Mit Jack Bannister lässt Mac P. Lorne einen legendären Piraten lebendig werden, der im 17. Jahrhundert zum Schrecken der als unbesiegbar geltenden Royal Navy wird. Dabei beginnt der Freibeuter seine Karriere auf einem Handelsschiff. Doch als er herausfindet, dass ihn seine junge Frau mit dem Bruder des Königs betrügt, wechselt er die Seiten …

Inhaltsübersicht

Widmung

Bezeichnung der Segel eines Schiffes im 17. Jahrhundert

Historische Personen

1.Teil  – Der Lieutenant

1. Kapitel  – London, 1681

2. Kapitel – Golden Fleece, 1681

3. Kapitel – Atlantik, 1681

4. Kapitel  – Westafrika, 1681

5. Kapitel  – Karibik, 1682

6. Kapitel  – London, 1682

7. Kapitel  – Jamaica, 1682

8. Kapitel  – Karibik, 1682

2. Teil – Der Captain

1. Kapitel  – London, 1682

2. Kapitel  – Versailles/Paris, 1682

3. Kapitel  – London, 1682

4. Kapitel  – Westafrika, 1682

5. Kapitel  – London, 1683

6. Kapitel  – York Island, 1683

7. Kapitel  – London, 1683

8. Kapitel  – Atlantik, 1684

3. Teil – Der Freibeuter

1. Kapitel  – Cayman Islands, 1684

2. Kapitel  – Port Royal, 1684

3. Kapitel  – Karibische See, 1684

4. Kapitel  – Tortuga, 1684

5. Kapitel – Atlantik, 1684

6. Kapitel – Campeche, 1685

7. Kapitel  – London, 1685

8. Kapitel – Westindien, 1686

9. Kapitel – Tortuga, 1686

10. Kapitel  – Port Royal, 1686

11. Kapitel  – Bannister Island, 1686

Historische Anmerkungen des Autors

Glossar

Bibliografie

Wie immer für meine drei Frauen Inga, Jette und Svea

Personenregister

In dem Roman werden Begriffe und Bezeichnungen benutzt, deren Verwendung zu der Zeit, in der er spielt, durchaus üblich waren, die heute aber als rassistisch und nicht mehr zeitgemäß gelten und von denen ich mich in aller Form distanzieren möchte.

 

Historische Personen, denen der Leser im Laufe des Romans begegnen wird:

 

Jack Bannister – ein Kapitän, der zum Piraten wurde

 

William Lewis – sein Freund und Vertrauter

 

Nicholas Crispe – Geschäftsführer der Royal African Company

 

John Evelyn – ein begnadeter Gartenbauer und Lebemann

 

Sir John Banks, Edward Colston, John Locke, Tobias Rustat – Teilhaber der Royal African Company

 

Thomas Corker – Midshipman, später Faktor der Royal African Company auf York Island, heiratet eine Eingeborene und hat mit ihr zwei Söhne

 

James Stuart, Duke of York, ab 1685 als James II. König von England, Schottland und Irland – Schirmherr und Hauptnutznießer der Royal African Company

 

Louis XIV., absolutistischer Herrscher von Frankreich, genannt »der Sonnenkönig«

 

Philippe I. d’Orléans, Louis’ Bruder, und sein Liebhaber, der Chevalier de Lorraine

 

Otto Friedrich von der Groeben, Philipp Pietersen Blonck, Mattheus de Voß, Walter von Leugreben – Kurbrandenburgische Seeleute und Entdecker

 

Thomas Lynch – Gouverneur von Jamaica

 

Hender Molesworth – sein Nachfolger als Gouverneur von Jamaica

 

Henry Morgan – berühmt-berüchtigter Pirat, ab 1677 Vizegouverneur von Jamaica und Richter des Obersten Gerichtshofs der Vizeadmiralität

 

Major Peter Beckford und Kapitän Edward Spragg – Offiziere der Royal Navy

 

Pierre-Paul Tarin de Cussy – Gouverneur von Tortuga

 

Laurens de Graaf, Michiel Andrieszoon, Nicholas van Hoorn, Jan Willems, Jacob Evertson, Michel de Grammont – Piraten der Karibik mit unterschiedlichen Nationalitäten

 

Alexandre Olivier Exquemelin – Schiffsarzt und Schriftsteller, der unter mehreren Freibeuterkapitänen segelte und um 1680 ein in mehrere Sprachen übersetztes Buch über »Die Amerikanischen Seeräuber« verfasste

1.Teil  – Der Lieutenant

1. Kapitel  – London, 1681

Jack Bannister war nach seinem eigenen Dafürhalten der glücklichste Mensch auf Gottes weitem Erdenrund. Soeben hatte ihn der Pfarrer der Kirche St. Nicholas in Deptford, dem Ortsteil von London, in dem sich die meisten Werften und Faktoreien der großen Handelshäuser befanden, mit Marie-Claire, der Tochter von Captain Gilbert Magminot, vermählt. Nun schritt er, ganz stolzer Ehemann und seine strahlende, junge Frau am Arm, durch das von Entermessern, Degen und Säbeln gebildete Spalier seiner Schiffskameraden, die das Paar hochleben ließen.

Die Braut war von ihrem Vater zum Altar geführt worden und ihre Hand dort von diesem in die seine gelegt worden. Wie sehr hätte Jack sich gewünscht, dass auch seine Eltern an seinem schönsten Tag dabei gewesen wären. Aber sein Vater, ebenso einst Captain in der Royal Navy wie Magminot – dessen Vorfahren, wie der Name unschwer erahnen ließ, aus Frankreich stammten –, war in der letzten Seeschlacht gegen die Holländer gefallen, und seine Mutter bald darauf aus Gram über den Tod ihres geliebten Mannes verstorben.

Jack, der eigentlich mit Vornamen Joseph hieß, was aber nahezu in Vergessenheit geraten war, wäre damals als junger Seekadett plötzlich allein auf dieser Welt gestanden und sich bestimmt sehr einsam und verlassen vorgekommen, hätten ihn die Magminots nicht wie einen Sohn aufgenommen. Sie und die Familie Bannister waren seit Urzeiten befreundet, bewohnten als Nachbarn Kapitänshäuser nahe der großen, königlichen Werft von Deptford, und Jack und Marie-Claire hatten schon als kleine Kinder am Strand der hier langsam und breit dahinfließenden Themse Sandburgen gebaut.

Jetzt war Jack Bannister Lieutenant und Erster Offizier an Bord der nagelneuen Golden Fleece, die mit ihren schnittigen Linien und der starken Bewaffnung eine Mischung aus Handels- und Kriegsschiff darstellte und ein gänzlich neues Kapitel in den Annalen der Royal African Company aufschlagen sollte. Er hatte großes Glück gehabt, denn nach dem Ende der Feindseligkeiten gegen Holland waren viele Schiffe der Royal Navy ins Dock verholt oder gleich ganz abgewrackt sowie ihre Offiziere auf Halbsold gesetzt worden. Von dem konnte man nur äußerst bescheiden – oder eigentlich gar nicht – leben.

Doch Gilbert Magminot war nach dem Krieg bei der Royal African Company untergekommen, deren oberster Schirmherr James Stuart war, der Duke of York und Bruder von König Charles II., der zuvor während der Seekriege gegen die Niederlande das Amt des Lord High Admiral innegehabt hatte. Jeder in der Flotte wusste, dass James sich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte und es nur Admiral Monck zu verdanken gewesen war, dass es dem legendären holländischen Flottenführer Michiel de Ruyter nicht gelang, die überlegenen englischen Streitkräfte auf See vernichtend zu schlagen.

Letztlich war ein unbefriedigendes Unentschieden zwischen den beiden rivalisierenden Handelsmächten herausgekommen. Der Duke of York hätte den Krieg gern weitergeführt, doch das starke und selbstbewusste englische Parlament zwang König Charles, den teuren Krieg zu beenden. Und auch die Holländer waren an dessen Weiterführung nicht interessiert gewesen, fielen ihnen doch gerade die Franzosen in den Rücken.

Siege hatten die englischen Rotröcke eher in Amerika als auf See erringen können und dort die holländische Kolonie Nieuw Nederland mit ihrer Hauptstadt Nieuw Amsterdam erobert, die seither den Namen New York trug. Jack, dessen Vater nicht zuletzt wegen der unfähigen Flottenführung des Duke of York gefallen war, fragte sich oft, ob der Bruder des Königs die große Ehre dieser Namensgebung wirklich verdient hatte.

Aber als Magminot für ihn ein gutes Wort einlegte und er daraufhin ein Offizierspatent der Royal African Company erhielt, sträubte er sich nicht gegen das Angebot, sicherte ihm dies doch ein Auskommen, welches es ihm ermöglichte, sich Hoffnungen auf Marie-Claires Hand zu machen. Die Company besaß das königliche Privileg auf den Handel mit Westafrika und Westindien, und ihren Offizieren stand, wenn sie sich denn im Auftrag der Handelsgesellschaft bewährten, eine gesicherte und oft auch glänzende Zukunft bevor. Wobei es Jack durchaus nicht behagte, womit in erster Linie Handel getrieben wurde, nämlich mit Sklaven.

Aber was sollte er tun? Voller Stolz, weil er eine in seinen Augen ehrenrührige Laufbahn als Handelsschiffsoffizier ausschlug, am Hungertuche nagen? Zusehen, wie Marie-Claire, in die er seit Kindheitstagen bis über beide Ohren verschossen war, am Arm eines anderen Mannes zum Altar schritt? Das hätte ihm das Herz gebrochen, und so war ihm nichts anderes übrig geblieben, als ebenso wie sein Schwiegervater bei der Royal African Company anzuheuern und sich dem schmutzigen Geschäft des Sklavenhandels zu widmen. Allerdings immer in der Hoffnung, dass bald wieder eine seefahrende Nation mit seinem Heimatland Streit suchte und er an Bord eines Kriegsschiffes der Royal Navy zurückkehren konnte. Am liebsten auf eine Fregatte, denn die machten, wurden sie von einem einigermaßen schneidigen und kampfesmutigen Kommandeur geführt, die reichste Beute. Die Mannschaften und natürlich die Offiziere waren an den Prisengeldern beteiligt, auch wenn der jeweilige Captain stets den Löwenanteil einstrich. Aber vielleicht würde er ja in absehbarer Zukunft selbst einmal auf dem Achterdeck eines solchen Schiffes stehen und den Befehl zum Entern geben.

Heute war bereits sein allergrößter Traum in Erfüllung gegangen, denn er durfte von nun an die Frau seiner Sehnsüchte die seine nennen. Warum sollte dann nicht eines Tages auch sein anderer, nicht weniger großer, wahr werden? Jack Bannister hoffte es so sehr, wollte er seiner heiß geliebten Marie-Claire doch ein sorgenfreies Leben in gesichertem Wohlstand, wenn nicht gar in angemessenem Luxus, bieten können. Eine so atemberaubende Schönheit wie sie hatte es einfach verdient!

Die frisch vermählte Mrs Bannister war drei Jahre jünger als ihr angetrauter Gatte, dem sie von Herzen zugetan war und den sie aufrichtig liebte, auch wenn er nicht der erste Mann in ihrem bisherigen Leben gewesen war. An einer schönen Blume rochen schließlich viele Nasen, und dass sie von ausgesuchter Attraktivität war und die Begierden der Männer weckte, stand völlig außer Frage und war ihr auch bewusst.

Eigentlich hätte sie heute dem Anlass und der Mode entsprechend eine aufwendig aufgetürmte Perücke tragen müssen und es auch gern getan, weil sie den Kopfputz, der aus Paris kam und die Damenwelt im Sturm erobert hatte, elegant und mondän fand. Aber da ihr Gemahl es grundsätzlich ablehnte, sich etwas anderes als seinen Uniformhut aufs Haupt zu stülpen, Perücken geradezu verabscheute und seine braune Mähne am Hinterkopf stets nur mit einem schwarzen Samtband bändigte, hatte Marie-Claire, wenn auch mit Bedauern, auf eine Zweitfrisur verzichtet. Stattdessen hatte ihr eine Freundin das honigblonde, seidige Haar, das ihr bis auf den kleinen, apfelförmigen Po fiel, hochgesteckt und kleine, weiße Rosenknospen hineingeflochten.

Dabei hätte ihr so eine kunstvolle Perücke, wie man sie jetzt der französischen Mode folgend bei Hofe trug, bestimmt überaus gut gestanden. Wenn ihr der Coiffeur dann noch eine lange, gedrehte Haarlocke den schlanken Hals bis zum Brustansatz hinabfallen hätte lassen, wären ihrem Gemahl sicher die Augen herausgefallen. Nun, irgendwann, wenn er die Karriereleiter bei der Company noch weiter hinaufgestiegen war – und dass es dazu kam, dafür wollte sie schon sorgen –, würde er wohl nicht länger darum herumkommen, ihr solch einen Kopfputz zu schenken und vielleicht sogar selbst eine Allongeperücke zu tragen. Obwohl, an Letzterem hatte Marie-Claire so ihre Zweifel, denn dann hätte Jack sich ja seine unbändige Haarpracht, die nie im Leben unter einer Perücke Platz finden würde, kurz schneiden oder sogar gänzlich scheren lassen müssen. Und ob sie ihn dazu bewegen konnte, wusste selbst sie nicht zu sagen.

Die blauen Augen der jungen Frau blitzten keck und lebenslustig, während ihr diese Gedanken durch den Kopf schossen, und ihre sinnlichen, roten Lippen, gerahmt von kleinen Grübchen, formten sich zu einem versonnenen Lächeln. Ihre Figur war makellos, vielleicht etwas zu schlank für den geltenden Zeitgeschmack. Aber an üppigen Körpern und fast aus dem Dekolleté springenden, schweren Brüsten fand sie wenig Gefallen. Und ihr Mann, der nun so stolz und selbstbewusst an ihrer Seite schritt, wie er ihr zigfach versichert hatte, auch nicht.

Wie sie ihn bewunderte, diesen gut aussehenden, großen, breitschultrigen und muskulösen Seehelden! Ihr Vater sagte ihm eine steile Laufbahn in der Company voraus, sonst hätte er ihm seine Tochter auch niemals zur Frau gegeben. Vorausgesetzt allerdings, Jack überwarf sich nicht noch einmal mit seinem Kapitän, so wie auf der letzten Reise.

Captain Fletcher, so hatte es ihr der Vater berichtet, war zwar ein übler Menschenschinder, und wem schon das Leben der Deckhands wenig galt, dem galt das seiner ebenholzfarbigen Fracht schon gar nichts. Meist brachte der Schiffsführer deshalb auch nur die Hälfte der an der Sklavenküste in Afrika erworbenen Schwarzen lebend nach Westindien. Aber trotzdem erzielte er für die Company stets satte Gewinne, und nur das zählte für Nicholas Crispe und seine Familie, die Haupteigentümer der Gesellschaft waren.

Jack Bannister war mit Fletcher über die Behandlung der Seeleute, ihre mageren Rationen und das schlechte, brackige Wasser, das schon nach wenigen Tagen auf See aus den Tonnen stank, übel in die Haare geraten und hatte dabei auch gleich eine Lanze für die unter unsäglichen Bedingungen an Bord des Schiffes zusammengepferchten und dahinvegetierenden Sklaven gebrochen.

Fast wäre es zur Meuterei der Offiziere und der Besatzung gekommen, hätte der Captain nicht eingelenkt. Die Schwarzen, von denen etliche zuvor wie die Fliegen gestorben waren, konnten nun wenigstens jeden zweiten Tag für eine Stunde an Deck, um dem Gestank in ihren Quartieren zumindest für eine kurze Zeit zu entfliehen und frische Luft in die Lungen zu bekommen. Währenddessen wurden ihre Unterkünfte, in denen sie angekettet und eng aneinanderliegend die Überfahrt verbringen und auch ihre Notdurft verrichten mussten, mit Seewasser ausgespritzt und die Fäkalien ins Meer gespült. Jack hatte es auch sehr zum Ärger des Captains durchgesetzt, dass schon vor Jamaica, dem Ziel der Reise, auf einer der ersten, zu den Kleinen Antillen zählenden Karibikinseln Frischwasser und Früchte an Bord genommen wurden. Dass er dazu gezwungen worden war, darüber hatte sich Fletcher nach seiner Rückkehr bei Crispe bitterlich beschwert und von diesem – wie nicht anders zu erwarten – auch recht bekommen.

Um ein Haar wäre dies das Ende der Karriere von Jack Bannister bei der Company gewesen, doch Crispe war intelligent genug, sich auch bei der Besatzung und den anderen Offizieren umzuhören. Und was er von diesen erfuhr, zeichnete ein ganz anderes Bild von den Vorkommnissen an Bord als das von Captain Fletcher geschilderte. Die Männer waren fast alle an Skorbut erkrankt und kaum noch in der Lage gewesen, das Schiff zu manövrieren. Wären sie in dieser Lage auf die gefürchteten Piraten der Karibik gestoßen, hätten diese leichtes Spiel mit ihnen gehabt und reiche Beute machen können. Und so kam Jack Bannister noch einmal mit einer Verwarnung davon und wurde nicht einmal degradiert, sondern sogar auf die neue Golden Fleece versetzt, die demnächst auslaufen sollte, was einer Beförderung gleichkam.

Viel Zeit wird das Paar also nicht miteinander verbringen können, denn spätestens nächste Woche muss Jack sich an Bord seines neuen Schiffes melden und ist dann für mindestens ein Jahr auf See, sinnierte Gilbert Magminot vor sich hin, der, die eigene Frau am Arm, hinter den frischgebackenen Eheleuten herschritt. Er wusste keineswegs zu sagen, ob das gut oder schlecht für die Jungvermählten war, denn er kannte die überschäumende Lebenslust seiner Tochter. Das eine oder andere Gerücht, das selbst ihm zu Ohren gekommen war, besagte, dass Marie-Claire Liebeleien durchaus nicht abgeneigt war. Allerdings wusste er nicht, ob es sich dabei nur um harmlose Flirts, wie unter jungen Leuten üblich, gehandelt hatte, oder sie womöglich sogar weitergegangen war. Zutrauen würde er dies seiner Tochter zu seinem Leidwesen durchaus. Seine Frau war ihm dabei auch keine große Hilfe, denn wenn er sie danach befragte, wich sie ihm stets aus und wechselte schnell das Thema.

Aber vielleicht würde sich Marie-Claire jetzt ja auch zusammenreißen, da sie eine verheiratete und gut situierte Ehefrau war, auf der in dem kleinen Deptford zudem alle Blicke ruhten, und die unweigerlichen Trennungen, die bei Seeleuten nun einmal an der Tagesordnung waren, die Liebe frisch halten. Denn dass seine Tochter Jack Bannister liebte, dessen war er sich gewiss und ließ sich auch nicht übersehen. Ihre Blicke, zärtlichen Berührungen und geflüsterten Schwüre, wenn sie sich unbeobachtet und nicht belauscht wähnten, sprachen Bände. Hätte sie allerdings im nahe gelegenen London mit seinen Theatern, Bällen und sonstigen Vergnügungen gewohnt, hätte sich Magminot wesentlich mehr Sorgen gemacht. Dorthin gingen verheiratete Frauen gemeinhin zwar nur in Begleitung ihrer Ehegatten, aber man hörte doch so einiges munkeln.

Jack Bannister hingegen hatte von einem derartigen Raunen, die Frau an seinem Arm betreffend, noch nicht das Geringste vernommen. Das konnte er auch gar nicht, hatte er sich doch die meiste Zeit in den letzten Jahren auf See befunden. Und wenn er sich dann einmal ein paar Wochen daheim befand, konnte er kein Auge von Marie-Claire wenden, überhäufte seine Angebetete mit Geschenken und war überglücklich, als sie einwilligte, seine Frau zu werden, und das Ehepaar Magminot ihnen seinen Segen dazu gab. Diesem war es ganz recht, ihre Tochter in festen Händen zu wissen, und Jack Bannister ein angesehener Mann, der wohl in die Fußstapfen seines Vaters und Schwiegervaters treten würde. Außerdem liebte er ihre Tochter abgöttisch, und auch sie ließ schon seit Längerem verlauten, dass ihr der junge Lieutenant nicht gleichgültig war. Was konnten sich Eltern denn mehr für ihr einziges Kind wünschen?

 

Von der Kirche ging es zum Gasthaus zum Blauen Walfisch, wo der Wirt dank des sonnigen Wetters die Tische und Bänke im Freien hatte aufstellen können. Nun tischte er auf, was Küche und Keller nur hergaben, denn die Eltern der Braut, die traditionsgemäß die Feier ausrichteten, wollten sich nicht lumpen lassen.

Jack Bannister hatte alle seine bisherigen Schiffskameraden eingeladen, denn die Hochzeit war gleichzeitig der Abschied von ihnen. Er würde zukünftig auf einem anderen Segler der Company Dienst tun und musste diejenigen, die ihm ans Herz gewachsen waren, ihrem Schicksal und der Befehlsgewalt von Captain Fletcher überlassen. Doch daran wollte er heute nicht denken, sondern mit seiner Frau und seinen Freunden sein Glück feiern.

Der Tag war schon weit fortgeschritten, Bier und Wein flossen in Strömen, und auch ein Fässchen Rum war aufgebockt worden, da näherte sich von Trinity House, dem Sitz der Royal African Company in Deptford, herkommend eine Kutsche.

Als Vertreter der Familie Crispe, den Hauptaktionären der Handelsgesellschaft, rollte Nicholas Crispe heran, um dem Brautpaar seine Aufwartung zu machen und zu gratulieren. Schließlich waren sowohl Gilbert Magminot wie auch Jack Bannister verdiente Offiziere im Dienst der Company, und man vergab sich als Gesellschafter nichts, wenn man sich diese gewogen hielt.

Ein Lakai sprang sofort ab, als die Kutsche hielt, und klappte den Tritt heraus, damit Nicholas Crispe bequem aussteigen konnte. Dieser, ganz nach der neusten Mode gekleidet, den obligaten Spazierstock mit Silberknauf in der Hand, eine gewaltige Allongeperücke auf dem Kopf, tänzelte mehr, als dass er schritt, auf die Feiernden zu.

Jack, sein Schwiegervater und auch die Frauen erhoben sich sofort, wobei sich die beiden Männer vor ihrem Dienstherrn verbeugten und etwas von »Welch große Ehre« murmelten, während die Damen in einen tiefen Knicks versanken. Alle vier waren sich der Ehre bewusst, die ihnen durch die Anwesenheit des Hauptgeschäftsführers der Company zuteilwurde, und deshalb hocherfreut über dessen Besuch. Nur das Schiffsvolk, schon reichlich angetrunken, sah das anders und grölte Crispe entgegen. Auch der eine oder andere Fluch war darunter, denn schließlich sahen sie ihn als einen der Verantwortlichen für die schlechten Bedingungen an Bord an, unter denen sie auf den langen Reisen zu leiden hatten. Aber die waren immer noch besser als die bei der Royal Navy, und Crispe wusste, wie er die Männer zu nehmen hatte.

»Behaltet doch Platz, Mesdames et Messieurs«, gab sich der Gast ganz charmant und folgte mit seiner Anrede den Sitten bei Hofe. »Ich will nicht weiter stören, sondern nur die Glückwünsche meiner Familie, der Company und, wenn ich so frei sein darf, auch die Seiner Königlichen Hoheit, des Duke of York, zur heutigen Eheschließung überbringen. Doch zuvor lasst mich den anwesenden Männern und auch Frauen noch jeweils ein Fass von dem spendieren, was hier ausgeschenkt wird. Ich kann doch davon ausgehen, Wirt, dass Ihr das Beste, was Euer Keller zu bieten hat, auffahren werdet?«

Der Besitzer des Blauen Walfischs kam vor lauter Verbeugungen fast nicht wieder in die Senkrechte.

»Selbstverständlich, Mylord«, dienerte er. »Eurem Wunsch soll sofort Genüge getan werden. Niemals würde ich es wagen, etwas anderes als das Beste vom Besten meinen geschätzten Gästen anzubieten.«

»Was auch immer das ist«, meinte Crispe nachsichtig und sonnte sich in dem Jubel, der das Gegröle verdrängte, als sich herumsprach, was er gerade ausgegeben hatte. Aber an einem solchen Tag konnte man sich schon einmal großzügig zeigen, wenn nur am nächsten die Zügel wieder gewohnt streng angezogen wurden.

»Dürfen wir Euch einen Platz und ein Glas Wein anbieten, Mylord?«, erkundigte sich der Bräutigam höflich und wies auf den Lehnstuhl am Kopf der Tafel, den er bisher innegehabt hatte.

»Gern«, stimmte Crispe, ohne sich zu zieren, zu. »Auch wenn ich nicht lange bleiben kann. Wichtige Geschäfte, Ihr versteht? Immer im Dienst der Company unterwegs. Aber wem sage ich das? Ausgerechnet den Männern, die unseren Reichtum durch ihren Wagemut und die Entbehrungen, die sie auf langen Reisen auf sich nehmen, so vortrefflich mehren.«

Mit diesen Worten ließ sich Crispe neben Marie-Claire nieder, die er allerdings schon von Empfängen, die die Company für ihre Kapitäne und deren Familien zu bestimmten Anlässen gegeben hatte, kannte. Doch er hatte sie lange nicht gesehen und war von ihrer erblühten, atemberaubenden Schönheit ebenso entzückt wie jeder andere Mann weit und breit auch. Nur, dass Nicholas Crispe es gewohnt war, zu bekommen oder aber sich zu nehmen, was immer er begehrte. Und es hatte nur eines einzigen Blickes auf die Jungvermählte bedurft, um seine Begierde zu wecken und diesbezüglich Pläne zu schmieden. Er winkte den ihn begleitenden Lakaien herbei, der auch sogleich herangeeilt kam und seinem Herrn ein kleines Kästchen aus Ebenholz überreichte.

»Ich hätte es natürlich niemals gewagt, hierherzukommen, ohne zumindest der Braut ein Hochzeitsgeschenk mitzubringen. Wenn Ihr so gütig sein wollt, Madame, diese kleine Gabe huldvoll anzunehmen. Ihr würdet mir eine große Freude bereiten.«

Nicholas Crispe klappte den Deckel der Schatulle nach oben, und zum Vorschein kam ein meisterlich gearbeitetes, zierliches goldenes Collier, das sich allerdings zur Mitte hin verbreiterte und einen blauen Saphir umschloss, der genau die Farbe der Augen der Braut besaß. Die junge Frau schlug vor Überraschung die Hand vor den Mund und starrte auf das edle Schmuckstück, ohne im ersten Moment etwas sagen zu können.

Ihrem Gemahl erging es nicht anders, aber aus einem anderen Grund. Jack hatte seiner Angetrauten nur einen einfachen Goldreif zur Hochzeit schenken und am Altar an den Finger stecken können. Zu mehr reichte seine gegenwärtige Heuer einfach nicht aus, und so fasste schon etwas wie Wehmut nach seinem Herzen, als er sah, welche großzügige Gabe sich sein Dienstherr erlauben konnte.

»Mylord, ich bin sprachlos und über alle Maßen gerührt«, brachte Marie-Claire endlich hervor, die von dem kostbaren Schmuckstück äußerst angetan war. »Soll diese edle Gabe tatsächlich für mich sein? Womit habe ich denn ein solches Geschenk verdient?«

»Damit, dass Ihr mir gestattet, Euch das Collier umzulegen, Mrs Bannister«, entgegnete Crispe galant und erhob sich, um hinter die Jungvermählte zu treten. Er nahm das Schmuckstück und legte es sanft um Marie-Claires Hals, die den Kopf leicht neigte, damit er es in ihrem Nacken leichter schließen konnte. Da ihr Haar hochgesteckt war, zeichneten sich die schlanken Linien ihres Halses deutlich ab, und Crispe strich mit den Fingern genussvoll über die zarte Haut. In diesem Moment wusste er, dass er sich irgendwann vom Haaransatz über den schlanken Hals und die Schultern bis zu den Brüsten und weiter zum Schoß dieser blonden Schönheit vorküssen würde, um sie dann, während ihr Mann auf hoher See weilte, zu beglücken. Er kannte dazu Mittel und Wege, und bislang war es ihm noch immer gelungen, alle Frauen, die er begehrte, in sein Bett zu bekommen.

Jack Bannister, der etwas verdattert danebenstand, hatte das Gefühl, dass hier etwas geschah, was ganz und gar nicht geschehen sollte. Zumindest verweilten nach seinem Dafürhalten Crispes Hände länger, als es schicklich war, auf Marie-Claires Hals und ihrer Haut. Aber welche Möglichkeit hatte er, einzugreifen? Keine, wurde ihm bewusst, wollte er nicht einen Skandal heraufbeschwören, der ihn und wahrscheinlich auch seine Schwiegereltern die Existenz kosten würde. Und bevor er etwas Dummes und Unüberlegtes tun konnte, war der Spuk auch schon wieder vorbei, denn Crispe war ein Mann, der in jeder Situation wusste, wie weit er gehen konnte. Und hier und heute war nicht der Zeitpunkt, um eine junge Ehefrau, noch dazu vor den Augen ihres Mannes und einer Menge Gäste, in Verlegenheit zu bringen. Aber der Tag würde kommen, dessen war er sich gewiss. Deshalb verabschiedete er sich auch ebenso schnell und überraschend, wie er gekommen war, von der Hochzeitsgesellschaft und rollte mit seiner Kutsche wieder davon. Jack Bannister sah ihm eine ganze Weile stumm nach und hatte irgendwie den Eindruck, es würde Schwefelgeruch in der Luft liegen.

 

Das Fest ging bis weit nach Mitternacht, und es wurde so viel gegessen, getrunken, gelacht und getanzt, dass sich wohl jeder in ganz Deptford noch lange daran erinnern würde. Erst spät gelang es Jack, seine ihm Angetraute dazu zu bewegen, die Hochzeitsfeier zu verlassen und sich mit ihm ins Haus seiner Eltern, das nun auch das ihre war, zu begeben. Begleitet wurde das Brautpaar von einer johlenden Menge, die allerlei frivole Anspielungen und auch Gesten machte und lauthals forderte, dass der Bräutigam seine Frau gefälligst über die Schwelle zu tragen habe.

Jack ließ sich nicht lange bitten, hob die federleichte Marie-Claire hoch, die sofort ihre langen, schlanken Arme um seinen Nacken schlang und sich an seine Brust schmiegte, allerdings nicht, ohne ihrem Mann zuvor einen zarten Kuss auf die Wange gehaucht zu haben. Ein wenig graute ihr vor der Hochzeitsnacht, aber die weise Frau in Greenwich hatte ihr versichert, dass schon alles gut gehen würde, wenn sie sich nur ganz exakt an ihre Anweisungen hielte.

Marie-Claire hatte ihre Jungfräulichkeit bereits vor einer ganzen Weile an John Evelyn, den Vater ihrer besten Freundin Mary, verloren. Der weltgewandte Mann, der zuvor in Frankreich gelebt und dort die Tochter des englischen Botschafters geheiratet hatte, war nach Deptford gezogen, um die ehemalige Residenz seines Schwiegervaters auf Vordermann zu bringen. Er war ein begnadeter Gartenbauer, der diese Kunst am Hofe König Louis XIV. erlernt hatte. Der Adel und das vermögende Bürgertum rissen sich geradezu um ihn, wollte doch jeder etwas vom Glanze des Sonnenkönigs abhaben, selbst wenn es nur ein kleines Stück angelegter Garten war.

Sayes Court, so hieß das Anwesen der Evelyns, war selbst von einem großen Garten umgeben, den der Gartenbaumeister nach seinen Vorstellungen gestaltet und zum Park erweitert hatte, der ihm nun als Vorzeigeobjekt und Aushängeschild diente.

In diesem hatte Marie-Claire gern mit ihrer Freundin und deren sieben Geschwistern gespielt, und später auch im Schatten der Bäume mit jungen Männern geturtelt. Dabei war sie John Evelyn aufgefallen, der sich seither um das junge Mädchen mit der Grandezza des erfahrenen Lebemannes bemüht hatte. Als er sie einmal allein in seinem Herrenhaus Sayes Court antraf, wo sie nach ihrer Freundin Mary Ausschau hielt, die allerdings mit den Geschwistern und der Mutter nach London gefahren war, gelang es ihm, die erwachende Schönheit zu verführen. Er tat dies keineswegs mit Gewalt oder gar auf die Schnelle, sondern ließ sich viel Zeit, um die Gunst der von ihm begehrten Jungfrau zu gewinnen.

Irgendwann konnte Marie-Claire dem charmanten Werben nicht mehr widerstehen. Als ihr Körper von den zärtlichen Berührungen, gehauchten Küssen und schmeichelnden Worten in Flammen stand, gab sie sich John Evelyn, der älter als ihr eigener Vater war, hin.

 

Und es blieb nicht bei diesem einen Mal. Der Vater ihrer Freundin gab sich alle Mühe, der nun jungen Frau alles beizubringen, was er selbst auf seinen Reisen durch Italien und Frankreich über die Liebe erfahren und gelernt hatte. Es war ihm, als könne er dadurch seine eigene Jugend zurückholen, und in ihm erwachte wieder der galante Liebhaber, der einst selbst oft genug von frivolen Damen verführt worden war.

Marie-Claire war eine interessierte und vor allem begabte Schülerin, die sich mit Vergnügen Lust bereiten ließ, aber sie auch genauso gern schenkte. Und so probierte sie das eine oder andere, was ihr Lehrmeister ihr beigebracht hatte, auch bei anderen jungen, ausgewählten Männern aus besseren Kreisen aus, auf deren Diskretion sie sich verlassen konnte. Dass sie dafür von diesen, ohne es explizit zu fordern, reich beschenkt wurde, betrachtete sie als Selbstverständlichkeit und als einen Tribut an ihre Schönheit.

John Evelyn war das durchaus nicht entgangen, und schon bald erkannte er, welch schwelendes Feuer er da entfacht hatte, fühlte sich aber auch für seine Eroberung verantwortlich. Deshalb brachte er Marie-Claire mit einer Kräuterfrau in Greenwich zusammen, die einen guten Ruf hatte und wusste, wie man eine unliebsame Schwangerschaft verhindern konnte. Nur die Jungfräulichkeit wiederherzustellen, vermochte selbst sie nicht. Doch sie wusste diesbezüglich zumindest Rat und hatte ihrer Kundin etwas mitgegeben, was diese sich vor dem Beischlaf mit ihrem Gemahl einführen sollte, der natürlich davon ausging, der Erste zu sein, dem sich seine Braut hingab.

Zwischen zwei dünnen Schichten getrockneter Blätter, die sich in der feuchten Wärme eines weiblichen Schoßes bald auflösen würden, befand sich getrocknetes Rinderblut in zwei verschiedenen Farbtönen. Mit männlichem Samen vermischt würde es nahezu seine ursprüngliche Konsistenz wiedererlangen, und kein Ehemann der Welt auf die Idee kommen, seine Gemahlin nicht entjungfert zu haben.

Marie-Claire fiel es nicht leicht, ihren Gatten derart zu hintergehen, denn sie liebte ihn aufrichtig. Doch was sollte sie tun? Ihm gestehen, dass er nicht der Erste war, dem sie ihre Gunst gewährte? Nun, am französischen Hof war das gang und gäbe, hatte ihr ihre Freundin Mary erklärt. Selbst Männer von hohem Adel fühlten sich geehrt, wenn sie eine Frau heiraten durften, der vielleicht sogar der König selbst zuvor die Unschuld genommen hatte. Aber Jack? Der würde eher jeden umbringen, der sie jemals berührt hatte, als sich an der geweckten Sinneslust seiner Gemahlin zu erfreuen. Darüber war sich die frischgebackene Ehefrau völlig im Klaren.

Deshalb blieb ihr gar nichts anderes übrig, als ihren Gatten bereits in der Hochzeitsnacht zu betrügen, und sie tat es äußerst geschickt. Marie-Claire wand sich aus Jacks Armen, kaum dass die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, küsste ihren Mann auf den Mund und flüsterte ihm »Ich muss mal« ins Ohr. Sie kannte das Haus natürlich und wusste, wo sich der Abort befand. Dort präparierte sie sich, wie es ihr die Kräuterfrau beschrieben hatte, ohne sich jedoch zu erleichtern.

 

Als sie wieder in den Gang zwischen den Zimmern hinaustrat, sah sie durch die offene Tür, dass ihr Gemahl in der Stube stand und Wein in zwei Pokale goss. Sie durfte sich jetzt allerdings nicht allzu lange mit Förmlichkeiten aufhalten, sonst würde sich das Blut noch vor dem Akt auflösen und zu zeitig zu sehen sein. Also packte sie Jack bei den Händen, zog ihn eng an sich heran und küsste ihn heiß und verlangend auf den Mund. Das brauchte sie nicht zu spielen, denn sie begehrte ihren Mann mit jeder Faser ihres Leibes und konnte es kaum erwarten, sich mit ihm zu vereinigen. Heute, das wusste sie, musste sie noch etwas die schüchterne Jungfrau geben, aber schon bald wollte sie ihm alle Wonnen des Paradieses schenken.

»Komm, Liebster, lass uns zu Bett gehen«, hauchte Marie-Claire. »Dort kannst du mich nun endgültig zur Frau, zu deiner Frau, machen. Ich sehne mich so sehr danach.«

Jack, der es langsam hatte angehen lassen wollen, war zwar einerseits überrascht über die Eindeutigkeit der Worte seiner Gemahlin, andererseits aber auch hocherfreut über deren Sinnlichkeit. Seine Erfahrungen beschränkten sich allerdings auch nur auf ein sehr unbefriedigendes Zusammensein mit einer Hafenhure in Portsmouth, zu der ihn seine Schiffskameraden in betrunkenem Zustand geschleppt hatten. Noch Monate später hatte er sich davor gefürchtet, sich bei ihr womöglich eine der Krankheiten geholt zu haben, von denen an Bord nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde. Aber wenn gestandene Männer beim Pinkeln in der Back vor Schmerz schrien, wusste man, was die Stunde geschlagen und dass sie sich die sogenannte Franzosenkrankheit zugezogen hatten. Er war glücklicherweise um diese und andere Erfahrungen herumgekommen. Aber gerade, weil er über keine derartigen verfügte, hatte er Sorge, heute auch wirklich seinen Mann stehen und Marie-Claire so glücklich machen zu können, wie sie es verdiente.

Doch Jacks Bedenken waren völlig unbegründet. Seine Frau hatte schon auf dem Abort ihr Hochzeitskleid aufgeschnürt und ließ es sich jetzt vor dem Bett stehend lasziv von den Schultern gleiten. Auf der Stelle erwachte die Männlichkeit ihres Gatten zum Leben und richtete sich auf. Jack konnte gar nicht so schnell aus seinen Kleidern gelangen, wie seine Frau ihm das Hemd abstreifte und sich gleich darauf, so wie Gott sie geschaffen hatte, erwartungsvoll auf dem Bett räkelte. Das war von der Zugehfrau, die schon in den Diensten von Jacks Eltern gestanden hatte, mit Rosenblättern bestreut worden. Schließlich liebte sie den Buben abgöttisch und hoffte sehr, dass er mit der Frau, von der man das eine oder andere munkeln hörte, auch wirklich glücklich wurde.

Jack war von der Sinnesfreude seiner Gemahlin zwar überrascht, genoss sie aber in vollen Zügen. Die erste Vereinigung der beiden Liebenden war allerdings nur kurz und offensichtlich für Marie-Claire etwas schmerzhaft, denn sie verzog, als Jack in sie eindrang, das Gesicht und stieß einen kleinen, spitzen Schrei aus, der sich wiederholte, als er sich nach wenigen Stößen in ihr verströmte. Es kam zusammen mit seinem Samen auch etwas Blut aus ihrer Scheide, wie Jack im Licht der Kerzen sah. Er wusste zwar, dass das so sein musste, aber es zerriss ihm trotzdem fast das Herz, der Liebe seines Lebens offenbar wehgetan zu haben.

Doch Marie-Claire schien das alles nicht weiter zu stören. Sie stand auf, präsentierte sich ihrem Gemahl ungeniert in all ihrer nackten Schönheit, säuberte sich mit Wasser und einem feuchten Leinentuch an der Waschschüssel und anschließend sogar ihren Mann, dem das hochnotpeinlich war, richtete sich doch sein Glied in der Hand seiner Frau schnell wieder zu seiner vollen Größe auf.

Genau das war Marie-Claires Absicht gewesen, die noch lange nicht genug von ihrem Gemahl hatte. Gegen dessen männliche Statur waren all ihre bisherigen Liebhaber nur armselige Würstchen gewesen, John Evelyn eingeschlossen. Sie musste ihrem Mann allerdings noch beibringen, sie so zu lieben, wie Evelyn es ihr beigebracht hatte. Und wenn man nun schon dabei war, konnte der Unterricht ja gleich, wenn auch behutsam, beginnen.

Noch zweimal schenkte sie Jack, der sich im siebenten Himmel wähnte, in dieser Nacht grenzenlose Lust und empfing sie in seinen Armen selbst. Fest nahm sie sich vor, ihm niemals untreu zu werden, auch wenn er noch so lange und weit von ihr entfernt auf den Weltmeeren herumschipperte. Allerdings musste sich an diesem Haus hier dringend etwas ändern, noch besser wäre jedoch: man gäbe es gleich ganz auf. Es war das Pendant zu dem ihrer Eltern, welches ihr schon immer klein und ärmlich vorgekommen war. Gut, kein Vergleich zu den Katen des einfachen Schiffsvolkes oder der Werftarbeiter, aber auch keiner zu dem Herrenhaus von Sayes Court. Mindestens etwas Derartiges schwebte ihr als zukünftiges Heim vor, wo man auch einmal Gesellschaften und vielleicht sogar einen Ball geben konnte. Dafür müsste sie ihrem Mann allerdings etwas auf die Sprünge helfen und ihm den Weg weisen, das war Marie-Claire durchaus bewusst. Sie hatte auch schon einen Plan, wie sie dies zuwege bringen wollte. Und wenn sie dafür ihren, sich gerade erst gegebenen Schwur notgedrungen einmal vergessen müsste, dann sollte es eben so sein.

 

Eine Woche später war es mit dem jungen Glück bereits vorbei. Jack Bannister musste sich an Bord der auslaufbereiten Golden Fleece begeben und sich, auch wenn es ihm noch so schwerfiel, aus den Armen seiner anbetungswürdigen Gemahlin losreißen, die ihm in den wenigen Tagen ihrer Flitterwochen das Paradies gezeigt hatte. Und Marie-Claire hoffte, dass, wenn ihr Gemahl hoffentlich wohlbehalten und unverletzt zu ihr zurückkehrte, sie ihm bereits die weiteren Schritte auf der Karriereleiter geebnet hätte.

2. Kapitel – Golden Fleece, 1681

Als Jack Bannister das Fallreep der Golden Fleece betrat, ließ der Bootsmann Seite pfeifen, um ihn willkommen zu heißen. Das war eher ungewöhnlich und für den Ersten Offizier ein Zeichen dafür, dass sich der Captain nicht an Bord befand und er Zeit hatte, die schmucke und nach den modernsten Erkenntnissen der Schiffsbaukunst entworfene Galeone zu besichtigen, um sich mit ihr vertraut zu machen. Schließlich würde sie nunmehr für lange Zeit seine Heimat sein. Je besser er sie kannte – und nicht nur ihre Vorzüge, sondern auch ihre Schwächen –, desto effektiver konnte er sie später führen, wenn sein Vorgesetzter, wie Jack hoffte, ihm freie Hand ließ. Schließlich war er als dessen Stellvertreter gleichzeitig der Navigator und bestimmte zusammen mit dem Steuermann den Kurs, den man segeln würde.

Die meisten Handelsschiffskapitäne hielten sich bezüglich der Schiffsführung zurück, bestimmten nur das absolut Notwendigste und verbrachten ansonsten die Zeit in ihrer meist luxuriös ausgestatteten Kabine oder auf dem Achterdeck. Sie traten nur in Erscheinung, wenn es unabdingbar war oder sich die Offiziere auf ihre Autorität berufen mussten. Ihre große Stunde kam erst, wenn es galt, die Handelsware – seien es Sklaven, Elfenbein, Zucker oder auch Rum – zu erwerben. Da ein Kapitän am Gewinn der Reise maßgeblich beteiligt war, übernahm er auch das Feilschen in den allermeisten Fällen höchstselbst, prüfte die Ware und suchte sie aus, denn bekanntermaßen lag der Gewinn im Einkauf, wie die cleveren Kaufleute der Hanse schon vor mehreren Hundert Jahren gewusst hatten.

An Bord salutierte Jack der Wache, als wäre er bei der Royal Navy, und begrüßte dann den Bootsmann freundlich mit einem kräftigen Händedruck, der von kleiner, aber stämmiger Statur war und das Bindeglied zwischen den Offizieren und der Mannschaft darstellte. Ihn sich gewogen zu machen, hatte oberste Priorität für jeden Ersten, denn vergrätzte man diese wichtige Person, wurde die Führung eines Schiffes zu einer sehr, sehr schwierigen Angelegenheit. Jack bat den Bootsmann, seine Seekiste an Bord zu holen und in sein Quartier schaffen zu lassen und ihm dann die Golden Fleece zu zeigen, doch der wiegelte mit dem Argument ab, so kurz vor dem Auslaufen zu viel Arbeit zu haben, und rief stattdessen einen jungen Midshipman herbei, wie man die Kadetten oder Fähnriche auf Handelsschiffen nannte. Sie standen in der Rangordnung zwischen den Unteroffizieren und den Offizieren, waren meist blutjung, weder Fisch noch Fleisch, und hatten oft einen schweren Stand an Bord, da sie um ihre Anerkennung kämpfen und sich beweisen mussten. Oft stammten sie aus begüterten Familien, die ihnen den Ausbildungsplatz erkauft hatten, nicht selten, um auf diese Weise unliebsame Angehörige loszuwerden und sich ihrer zu entledigen.

Jack konnte sich noch gut an seine Zeit als Fähnrich erinnern, die er allerdings auf einem Kriegsschiff verbracht hatte, wo es noch rauer zuging als bei der Handelsflotte. Viele seiner Kameraden hatten, nachdem sie in den Offiziersrang aufgerückt waren, nun ihrerseits ihr Mütchen an den ihnen unterstellten jungen Leuten gekühlt, doch ihm war ein solches Verhalten völlig fremd. Aufgrund seiner ungewöhnlichen Körpergröße und Stärke hatte man ihn weitestgehend in Ruhe gelassen, und er war sowohl von der Mannschaft als auch von seinen Vorgesetzten respektiert worden. Vor allem, weil er eine rasche Auffassungsgabe besaß, alles lernen wollte, was für das Seemannshandwerk wichtig und nötig war, nie seekrank wurde und immer zu den Ersten gehörte, die auch bei stürmischen Winden aufenterten, wenn es Segel zu setzen oder zu bergen galt. Jetzt war es seine Aufgabe, die Midshipmen in Nautik und Navigation zu unterrichten und sie auf die Lieutenantsprüfung vorzubereiten, die sie vor einem Gremium von Kapitänen abzulegen hatten, wenn ihr eigener sie als reif dafür erachtete. Manche schafften den Sprung zum Offizier nie oder erst nach vielen Jahren und mehreren Anläufen, andere dagegen, die protegiert oder einfach für die Seefahrt geboren waren wie Jack Bannister, oft schnell und auf direktem Wege.

Der junge Mann, den der Bootsmann herangewinkt hatte, machte einen sehr aufgeweckten Eindruck, stellte sich Jack als William Lewis aus Norwich vor und war sichtlich stolz, dem neuen Ersten Offizier und damit seinem zukünftigen Ausbilder die Golden Fleece zeigen zu dürfen.

Das Schiff war eine Vierhundert-Tonnen-Galeone neuster Bauart, die sich kaum von einem Kriegsschiff unterschied. Sie hatte ein durchgehendes Batteriedeck und führte dreißig Geschütze, wenn auch eher kleinere Kaliber. Das ging natürlich zulasten des Frachtraums und erforderte eine größere Besatzung als sonst auf Kauffahrern üblich, was wiederum die Kosten für Heuer und Proviant in die Höhe trieb, andererseits aber auch mehr Sicherheit gegen die Wegnahme des Schiffes durch Piraten oder feindliche Mächte bot.

 

An Fock- und Großmast führte die Golden Fleece jeweils drei Segel. Dazu kamen noch die Blinde am Bugspriet, zwei Klüver und am Besanmast zusätzlich zum Lateiner ein großes Kreuzmarssegel. So getakelt, konnte das Schiff nahezu jedem Gegner davonlaufen oder, je nachdem, ihn mit den Geschützen niederkämpfen. Allerdings immer vorausgesetzt, es wurde gut geführt.

Viele Handelsherren gingen allerdings einen anderen Weg und legten mehr Wert auf Ladekapazität als auf schwere Kanonen und auf eine Takelage, die von nur wenigen Männern bedient werden konnte. Diese Schiffe waren allerdings langsam und gegen Angriffe nur unzureichend geschützt. Sie schlossen sich deshalb zu Konvois von oft mehr als fünfzig Schiffen zusammen, die von angemieteten Kriegsgaleonen oder Fregatten begleitet und eskortiert wurden. Der Nachteil war, dass sich die Geschwindigkeit der Reise immer nach dem langsamsten Kauffahrer richten musste und die Begleitschiffe auch nicht überall sein konnten, zog sich der Konvoi weit auseinander. Deshalb kam es vor, dass Piraten Nachzügler enterten oder sich besonders verlockende Beute manchmal des Nachts mitten aus dem Geleitzug herauspickten. In jedem Hafen musste außerdem gewartet werden, bis auch der letzte Kauffahrer seine Ware gelöscht und neue Fracht übernommen hatte. Mehr als eine Reise pro Jahr in die Levante oder nach Westafrika konnten solche Handelsschiffe kaum unternehmen, und segelten sie nach Westindien oder gar Südamerika, um von dort begehrte Handelsgüter nach Europa zu holen, waren sie meist zwei Jahre oder noch länger unterwegs.

Die Royal African Company verfolgte deshalb eine andere Strategie. Ihre schnellen, gut ausgerüsteten und bewaffneten Schiffe segelten allein und nicht im Konvoi und waren deshalb in der Lage, die berühmte Dreiecksroute in einem Jahr zurückzulegen. Diese führte von England zur Sklavenküste in Westafrika, wo das in Westindien begehrte schwarze Elfenbein – meist junge, kräftige Männer, aber auch Frauen und Kinder – an Bord genommen wurde. Waren die Laderäume voll mit der lebenden Ware, ging es von dort nach Westindien, wo die Sklaven, überlebten sie die Überfahrt, bis zu ihrem Tod Zwangsarbeit auf den Zuckerrohrplantagen der europäischen Pflanzer leisten mussten. Andere wiederum erwartete erbarmungslose Schufterei in den Steinbrüchen oder ein erbärmliches Dasein in den Gold- und Silberminen der Spanier in Süd- und Mittelamerika. Gehandelt wurden die geraubten und aus ihrem gewohnten Leben gewaltsam herausgerissenen Menschen auf den großen Sklavenmärkten von Havanna, Santo Domingo oder neuerdings auch Port Royal, nachdem die Engländer Jamaica vor fünfundzwanzig Jahren den Spaniern entrissen hatten.

Kaum waren die Sklaven von Bord, wurden die Schiffe gründlich gereinigt und die Laderäume mit Zucker, Rum, Gewürzen und wertvollen Hölzern gefüllt, alles Waren, auf die man in der Alten Welt sehnlichst wartete. Die Schiffe der Company schafften die Route in einer wesentlich kürzeren Zeit als die Konkurrenz, was den Gewinn ihrer Eigner nahezu verdoppelte, da für die im Konvoi langsam dahinsegelnden Handelsschiffe schließlich auch zusätzliche Kosten für den Begleitschutz anfielen und für ihre Mannschaften länger Heuer gezahlt werden musste.

John Crispe, Nicholas Crispes Vater, hatte das Verfahren entwickelt und war als Erster vom Geleitwesen, das ihm wenig effektiv erschien, abgerückt. Sein Sohn hatte die neue Strategie dann perfektioniert und Schiffe bauen lassen, die in der Lage waren, schnell und sicher zu segeln und den Profit der Company zu mehren, was ganz im Sinne des stets klammen Schirmherrn der Gesellschaft, des Herzogs von York, war.

 

»Worauf warten Sie, Mr Lewis?«, rief Jack Bannister dem jungen Midshipman zu. »Haben Sie nicht gehört, was der Bootsmann gesagt hat? Auf geht’s! Zeigen Sie mir das Schiff. Ich denke, Sie sollten es kennen.«

»Aye, aye, Sir«, salutierte der Angesprochene, der bisher an der gegenüberliegenden Reling gelehnt hatte und nun angelaufen kam. »Was wollen Sie denn zuerst sehen?«

»Die Bilge natürlich, damit ich weiß, wie viel Wasser der Kahn bei ruhiger See aufnimmt«, gab Jack Bescheid. »Bei Rauwasser wird es dann noch einmal ganz anders aussehen, das ist klar. Wie viele Lenzpumpen gibt es denn an Bord?«

Der neue Erste Offizier konnte es sich nicht verkneifen, den Kadetten gleich einmal zu prüfen, aber der war auf Draht.

»Insgesamt sechs, Sir«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen. »Zwei in der Back, zwei auf der Kuhl und zwei im Heck. Damit haben wir zwei mehr als die meisten anderen Schiffe und sollten überkommenden Wassers schnell Herr werden.«

»Das werden wir sehen, wenn wir sie überprüfen, junger Mann«, meinte Jack leutselig. »Ihre Anzahl ist längst nicht so entscheidend wie gutes Funktionieren. Und ganz wichtig sind vor allem die Männer, die die Pumpen bedienen. Sie müssen so gut geschult sein wie eine Rudermannschaft, im gleichen Takt arbeiten und den Rhythmus halten. Aber das werden wir alles üben, sobald wir auf See sind. Wie viele Midshipmen gibt es denn außer Ihnen an Bord, und wie alt sind diese?«

»Da wären außer mir noch Thomas Corker und John Cornelius«, bekam er zur Antwort. »Der Erstgenannte ist vierzehn Jahre alt und stammt aus Southwark. Seine Eltern sind unlängst gestorben, und ich denke, seine Verwandtschaft wollte ihn einfach loswerden. Und John ist schon fünfzehn und damit ein Jahr älter als ich. Er will so schnell wie möglich Offizier werden und hadert mit jedem Tag seines Daseins als Midshipman.«

»Und was ist mit dir, William?«, wollte Jack Bannister wissen und ging hier unter vier Augen zu einer vertraulichen Anrede über, denn der Junge war ihm sofort sympathisch gewesen. »Willst du das nicht auch?«

»Doch, Sir, natürlich!« William Lewis nahm sich gegenüber seinem Vorgesetzten keine Freiheiten heraus. »Aber meine Eltern sind nicht sehr wohlhabend und können mir kein Offizierspatent kaufen. Deshalb muss ich warten, bis man mich zur Lieutenantsprüfung zulässt, und bei unserem Captain kann das dauern.«

Jack hob fragend eine Augenbraue in die Höhe, aber der junge Mann zog es vor, keine weiteren Bemerkungen bezüglich des Herrn über Leben und Tod an Bord von sich zu geben, was eindeutig für ihn und seinen Verstand sprach. Der Erste Offizier würde also allein herausfinden müssen, ob womöglich etwas bei der Schiffsführung im Argen lag. Im Moment war es aber vorrangig für ihn, das Schiff genau zu untersuchen, um dem Captain gegenüber bereits eine erste Einschätzung abgeben zu können, wenn dieser an Bord erschien.

Nach der Bilge waren die Laderäume an der Reihe. Jack schüttelte es jedes Mal, wenn er sie inspizieren musste, denn schließlich waren sie dafür vorgesehen, lebende Fracht über einen großen Ozean zu transportieren. Überall hingen Ketten, mit denen die Sklaven gefesselt werden würden, und in das Holz waren eiserne Ösen eingelassen, durch die man sie zog, um jede Bewegung zu verhindern. Die ebenholzfarbene menschliche Ladung würde während der gesamten Reise dicht an dicht in vier, an der breitesten Stelle des Schiffes sogar in fünf Reihen auf den bloßen Planken liegen müssen. Es gab keinen Platz zum Stehen, kaum zum Sitzen, und nur wenn das Wetter gut und der Captain bester Laune war, durften sie täglich für eine Stunde auf die Kuhl, um sich dort zu ergehen. Dann waren von der Back und dem Achterdeck Geschütze und Drehbassen, geladen mit gehacktem Blei, auf sie gerichtet, und die Mannschaft stand mit geladenen Musketen und blanken Entermessern bereit, um notfalls jeden Widerstand auf der Stelle zu brechen. Die Golden Fleece konnte bis zu zweihundertfünfzig der bemitleidenswerten Menschen an Bord nehmen, von denen aber meist nur zwei Drittel die Überfahrt überlebten. Doch das war von Anfang an einkalkuliert und ein von der Company vorgesehener Geschäftsverlust.

Weiter ging es zum darüberliegenden Batteriedeck mit den Kanonen, wo sich auch die Mannschaftsunterkünfte befanden. Die Seeleute spannten ihre Hängematten zwischen den Spanten und Stützbalken und ließen sich zum Essen und in der Freiwache auf ihren Seekisten nieder. Waren bei schlechtem Wetter die Geschützpforten geschlossen, herrschte schnell stickige Luft in ihrem Quartier. Aber das war noch gar nichts gegen das, was die lebende Handelsware in den Decks darunter zu ertragen hatte, wo während der gesamten Seereise kaum ein Luftzug hingelangte, der die stinkenden Gerüche von menschlichen Ausscheidungen, Schweiß und Krankheiten vertrieb.

Jack Bannister fiel auf, dass die Matrosen, denen er auf seiner Inspektion begegnete, wenn überhaupt nur mürrisch grüßten und einen eher gelangweilten und uninteressierten Eindruck machten. Er, der an die Disziplin auf Kriegsschiffen gewöhnt war, wo das Nichtsalutieren vor einem Offizier eine sofortige Prügelstrafe nach sich zog, nahm diese lasche Dienstauffassung missbilligend zur Kenntnis. Hier würden wohl, war man erst einmal auf See, viel Segeldrill und Geschützexerzieren nötig sein, um aus dem verlotterten Haufen eine Mannschaft zu formen, auf die man sich bei Wind und Wetter und, wenn nötig, auch im Gefecht verlassen konnte.

Jetzt, noch am Kai vertäut, hielt er sich aber mit Kritik zurück, denn schnell konnte es geschehen, dass ein gescholtener Seemann noch im letzten Moment desertierte. Der Dienst auf einem Handelsschiff war zwar abwechslungsreicher als der bei der Kriegsmarine, es wurde eine bessere Heuer gezahlt und die Disziplin nicht ganz so erbarmungslos durchgesetzt wie auf einem königlichen Linienschiff oder einer Fregatte, nichtsdestotrotz aber hart und entbehrungsreich. Deshalb kam es darauf an, die Seeleute zumindest im Hafen bei Laune zu halten, was diesen durchaus bewusst war, konnten sie sich hier doch Freiheiten erlauben, die sie sich auf hoher See niemals herausnehmen würden, wollten sie nicht mit der neunschwänzigen Katze oder gar einem Tau um den Hals Bekanntschaft machen.

Vom Geschützdeck ging es zur Back, wo die meisten Vorräte und die Küche untergebracht waren, und durch das Bugschott weiter zum Bugspriet. Jack warf hier ebenso einen Blick auf das Rigg wie auf die Galionsfigur, die einen Widder mit goldenem Fell in Anlehnung an die griechische Mythologie und die Sage von den Argonauten darstellte und der die Galeone ihren Namen verdankte. Genauso wie die Letztgenannten mit ihrem Schiff Argo ausgezogen waren, um reiche Beute – das goldene Fell des göttlichen Widders Chrysomallos – in ihre Heimat zu bringen, sollte auch die Golden Fleece den Reichtum der Company und ihrer Gesellschafter mehren.

Jack enterte am Fockmast bis zum Topp auf, immer dicht gefolgt von William Lewis, der sich keine Blöße geben wollte, und ließ von hier oben seinen Blick über das ganze Schiff schweifen. Es war ein prachtvoller Anblick, der sich ihm bot, und er hoffte aus ganzem Herzen, diese Galeone einmal als Captain befehligen zu dürfen. Dann, das schwor er sich, würde er das Schiff allerdings selbst führen und diese ehrenvolle Aufgabe keinem anderen überlassen. Zur Not wollte er einen Zahlmeister an Bord nehmen, der sich um den Ein- und Verkauf der Handelswaren kümmern konnte. Denn seine Aufgabe, so sah es Jack Bannister zumindest, sollte hauptsächlich darin bestehen, die besten Segelrouten zu finden und dem Wind die größtmögliche Geschwindigkeit abzutrotzen. Das war sein Leben, das war seine Welt, wenn er schon keine Fregatte befehligen und ins Gefecht führen durfte. Und nicht der Sklavenhandel, den er verabscheute und liebend gern anderen überlassen wollte. Oder auch das Feilschen um günstige Preise für Rum und Zucker, die Hauptausfuhrwaren von Jamaica, wohin die Reise von Westafrika aus gehen sollte, bevor man in die Heimat zurückkehrte.

»Nun, was sagt Ihr, junger Mann?«, wollte Jack von seinem Begleiter wissen, der noch in den Wanten unter ihm hing. Denn hier ganz oben, auf dem höchsten Eselshaupt des Fockmastes, war nur für eine Person Platz. »Schlägt nicht auch Euer Herz höher, wenn Ihr über dieses schöne Schiff schauen dürft? Ich bin sicher, es wird auch auf hoher See seinen Mann stehen und uns nie im Stich lassen, wenn wir pfleglich mit ihm umgehen und darauf hören, was es uns zu sagen hat. Oder wisst Ihr vielleicht gar nicht, dass solche Segler wie dieser hier sprechen können? Gerade in dunkler Nacht, bei hohen Wellen und stürmischen Winden haben sie uns viel zu erzählen. Man muss nur versuchen, ihre Sprache zu verstehen, und ihnen lauschen, dann werden sie einem zum guten Freund, auf den man sich jederzeit verlassen kann.«

Welch schöne, poetischen Worte, dachte der junge Midshipman. Nun, vielleicht versteht Ihr tatsächlich, was die Golden Fleece zu Euch sagt. Ich will es zumindest hoffen. Denn der Captain tut es ganz sicher nicht. Vom Segelhandwerk hat der so viel Ahnung wie ein Bäckermeister. Warum die Company ausgerechnet ihm dieses Schiff anvertraut hat, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Aber alles muss ich ja auch nicht verstehen. Ich hoffe von Herzen, dass Johnson Euch, wie auf der Reise zuvor, als dem Ersten Offizier die Schiffsführung überlässt. Dann werden wir vielleicht alle glücklich die Heimat wiedersehen. Ansonsten …

William Lewis wollte den Gedanken gar nicht zu Ende spinnen und noch weniger seine Meinung über den Captain gegenüber dem Neuen zum Ausdruck bringen. Was es mit dem Suffkopp Johnson auf sich hatte, würde der Erste sicher schon selber schnell genug herausfinden. Aber er hatte recht, die Golden Fleece war ein traumhaft schönes Schiff, und unter der richtigen Führung würde es sicher ein Vergnügen sein, auf ihr zu fernen Ufern zu segeln. Doch das durfte er natürlich nicht laut sagen, und so übte er sich in Diplomatie.

»Selbstverständlich, Sir«, lautete deshalb auch seine Antwort. »Ich bin sehr glücklich, auf der Golden Fleece und unter Euch dienen zu dürfen. Zum Wohle der Company, wie uns immer wieder gesagt wird. Weil sie uns Lohn und Brot gibt und eine Karriere auf See ermöglicht, wenn wir ihr nur immer treu dienen. Ist es nicht so, Sir?«

»Habt Ihr es nicht eine Spur kleiner, Mr Lewis?«, knurrte Jack, dem solch auswendig gelernten Antworten gar nicht behagten. »Ihr bringt gerade meine bisher gute Meinung von Euch ins Wanken. Wo sind eigentlich Eure Kameraden und die beiden anderen Offiziere? Bisher habe ich keinen von ihnen entdecken können.«

»Nun, Sir, wenn der Captain das Schiff verlässt, dann folgen sie ihm gern nach«, antwortete Lewis vorsichtig. »Ich denke, Corker und Cornelius werden von ihren Familien Abschied nehmen und sich dann zu den Lieutenants gesellen. Sie haben ja das Glück, hier in der Nähe beheimatet zu sein. Und Mr Mission, der Zweite, und Mr Hornigold, der Dritte Offizier, haben sich in die Taverne da drüben begeben, um den letzten Abend an Land zu verbringen. Captain Johnson hingegen wird wohl bald an Bord zu erwarten sein, da er die Nacht vor dem Auslaufen immer an Bord verbringt, um – so sagt man jedenfalls – dem Gezeter seiner Frau zu entgehen.«

Jack Bannister lachte leise vor sich hin.

»Seht Ihr, es geht doch, junger Mann«, meinte er dann schmunzelnd. »Ein paar Informationen dürft Ihr bei aller Loyalität Eurem Ersten schon geben. Ich tratsche sie auch nicht weiter, versprochen. Und nun lasst uns abentern. Ich will mir noch das Ober- und Achterdeck ansehen und dann mein Quartier in Augenschein nehmen. Wisst Ihr, ob meine Kajüte vorbereitet ist?«

»Ich fürchte, Sir, Ihr werdet Euch Eure Unterkunft mit den beiden anderen Offizieren teilen müssen«, antwortete Lewis verlegen. »Der Captain beansprucht die ganze, große Heckkabine für sich allein. Er meint, das stände ihm nach all den Jahren im Dienst der Company zu. Deshalb, das glaube ich zumindest, hat auch Euer Vorgänger das Schiff verlassen. Manchmal, nun ja, wie soll ich sagen, ist unser Captain schon etwas eigen.«

Jack Bannister hätte als Erstem Offizier ebenso wie dem Captain eine Kajüte im Heck mit Fenstern im Spiegel zugestanden, wenn auch eine kleinere. Das war ein ungeschriebenes Gesetz auf Handelsschiffen und Brauch bei der Kriegsflotte, denn wie sollte der Stellvertreter des Kommandanten sonst seinen zahlreichen Verpflichtungen nachkommen, Kartenstudium betreiben und Besprechungen, die oft unter vier Augen geführt werden mussten, abhalten?

Nun, ob das mit dem Quartier auf Dauer so bliebe, würde sich zeigen, doch zumindest vorerst konnte Jack daran nichts ändern und auch nicht gleich zu Beginn der Reise Streit mit seinem Vorgesetzten provozieren. Aber das ging ja schon einmal gut los! Er wollte sich aber zumindest gegenüber einem Midshipman, der erfahrungsgemäß wesentlich schlechter untergebracht war als die Offiziere, seinen Ärger nicht anmerken lassen und machte sich deshalb ohne Kommentar auf, über die Wanten wieder das Deck zu erreichen, während William Lewis an einem Tau gewandt nach unten glitt und damit die Planken deutlich eher unter seinen Füßen spürte.

Früher, gestand sich Jack ein, und ein leises Lächeln spielte dabei um seine Lippen, hätte er das auch getan, aber jetzt als Offizier musste er seine Würde wahren und durfte nicht in der Takelage herumturnen wie die Affen, die manchmal vor der Küste Afrikas an Bord kamen.

Über die Kuhl ging es zum Ober- und dann weiter zum Achterdeck, wo sich die Quartiere der Offiziere, aber auch des Schiffszimmermanns, des Steuermanns, des Takelmeisters und des Bootsmannes befanden. Durch die Messe, die der hier untergebrachten Schiffsführung vorbehalten war, ging es zu der achteraus liegenden Kapitänskajüte, die sich über die ganze Breite des Schiffes erstreckte, wo sich auch eine Kammer für Jack hätte befinden sollen. Doch das sah der Captain, der offensichtlich viel Raum für sich beanspruchte und sehr um sein persönliches Wohlergehen besorgt war, anscheinend anders.

Vom Achterdeck führte eine kurze, steile Treppe hoch zur Poop, die Jack sich ganz besonders intensiv ansah, würde sich hier doch sein vorrangiger Arbeitsbereich befinden. Von diesem höchsten Deck aus war das ganze Schiff bis vor zur Back gut zu überblicken, und die Mannschaft konnte bei allen Verrichtungen kontrolliert und angeleitet werden. Zwei Vierpfünder auf jeder Seite standen an der Reling, die bei Bedarf auch schnell nach vorn ausgerichtet werden konnten, und der Besanmast mit seiner Rute und dem Kreuzmarssegel überragte alles. Bei Bedarf konnte Jack schnell bis zu dessen Mastkorb aufentern, um einen noch besseren Überblick zu bekommen, falls sich das einmal als nötig erweisen sollte.

 

Gerade wog Jack die Stärken und Schwächen der Golden Fleece, die er bei seiner kurzen Inspektion festgestellt hatte, gegeneinander ab – wobei die Ersteren eindeutig überwogen –, als er den Bootsmann erneut Seite pfeifen hörte. Der Captain kam an Bord, und Jack eilte die Treppe von der Poop zum Achterdeck hinunter, um seinen neuen Vorgesetzten zu begrüßen und sich ihm vorzustellen. Er nahm vor dem Zugang zu der Kapitänskajüte Aufstellung und war gespannt, mit wem er gleich Bekanntschaft machen würde. Jack musste nicht lange warten, denn das Klopfen eines Gehstocks auf den Schiffsplanken kam immer näher, und dann tauchte auch Charles Johnson, gefolgt von seinem Diener, höchstselbst auf.

Der Captain hatte die fünfzig wohl schon seit einigen Jahren überschritten, und der Stock aus Ebenholz mit dem silbernen Knauf war offenbar nicht nur zur Zierde da, denn er stützte sich schwer darauf. Der Kommandant der Golden Fleece trug einen reich mit Gold- und Silberfäden bestickten blauen Gehrock, unter dem die Spitzenmanschetten eines weißen Seidenhemdes hervorschauten. Aus dem gleichen Material bestanden die Halsbinde und auch die Strümpfe, die an die gelbe Kniehose anschlossen. Die Schuhe aus feinstem schwarzem Leder waren mit großen silbernen Schnallen versehen, und hohe Absätze sollten wohl den kleinen Wuchs des Kommandanten kaschieren, waren aber nicht besonders gut geeignet für einen festen Stand auf Schiffsplanken. Den Kopf zierte ein mächtiger, gleich dem Gehrock überreich bestickter Dreispitz, dessen Ränder noch dazu mit Straußenfedern geschmückt waren. Aber das Gewaltigste an dem eher kleinen Captain war seine riesige Allongeperücke. Braune, schwere Locken, offenbar aus echtem Menschenhaar gefertigt, fielen ihm vorn weit über die Brust und hinten fast bis an den breiten Gürtel hinab.

Ob er die wohl auch unter afrikanischer Sonne und in der Hitze der Karibik trägt?, fragte sich Jack sofort, dem die Kopfhaut schon heiß wurde, wenn er nur daran dachte. Er salutierte vor dem Captain, besann sich dann aber darauf, dass er hier ja nicht an Bord eines Kriegsschiffes war, und verbeugte sich noch zusätzlich, um jeder Form Genüge zu tun.

»Jack Bannister meldet sich an Bord, Sir«, stellte er sich vor, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. »Jederzeit zu Euren Diensten!«

»Soso«, murmelte der Herr der Golden Fleece kaum verständlich. Dann, etwas verständlicher: »Das wollen wir in Eurem eigenen Interesse auch sehr hoffen, Mr Bannister. Ich muss mich jetzt etwas ausruhen, erwarte Euch aber in genau einer Stunde in meiner Kajüte. Wenn Ihr so gütig sein wollt, mich jetzt zu entschuldigen, ich bin wirklich sehr erschöpft.«

Wovon?, fragte sich Jack überrascht. Der Captain war mit der Kutsche vorgefahren, und sein Haus befand sich bekanntermaßen kaum zwei Meilen von den Kais der Company entfernt am Rande des Parks von Sayes Court. Es konnte Johnson nicht viel Anstrengung gekostet haben, hierherzugelangen. Aber wenn ihm das schon zu viel war, ließ das auf keine gute Konstitution des Befehlshabers schließen, und Jack richtete sich schon einmal darauf ein, den Großteil der anfallenden Arbeiten verrichten zu müssen, auch wenn er dafür wohl kaum Dank ernten würde. Denn das, was er bisher gesehen und gehört hatte, ließ darauf schließen, dass der Captain nur an seinem persönlichen Wohlergehen interessiert war.