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König Zadar ist besiegt und Burg Maidun eingenommen – doch schon müssen sich Dug und seine Freunde neuen Herausforderungen stellen. Vor allem Lowa schlägt sich mit allerlei Problemen herum – Feinde von außen, Rivalen von innen und unfähige Spione machen der Kriegerin ihren Karrierestart als neue Königin von Maidun nicht gerade leicht. Und während Dug versucht sich auf einer kleinen Farm doch endlich mal von den Strapazen seines Söldnerlebens zu erholen, hat Spring alle Hände voll damit zu tun, mit ihren magischen Fähigkeiten zurechtkommen. Dem verrücktesten Kämpfertrio der Eisenzeit wird es auch in diesem Band sicher nicht langweilig...
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Für Tim
Übersetzung aus dem Englischen von Marcel Aubron-Bülles
ISBN 978-3-492-97391-5
Juni 2016
© Angus Watson 2015
Titel der englischen Originalausgabe: »Clash of Iron«, Orbit, Little Brown Group, London 2015
Deutschsprachige Ausgabe:
© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016
Covergestaltung und -abbildung: www.buerosued.de
Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell
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Königin Lowa Flynn von Maidun wusste in dem Augenblick, dass ihr eine Schlacht bevorstand, als sie König Samalur den Harten von Dumnonia das erste Mal sah. Sie war sich ziemlich sicher, dass es zu Kampfhandlungen kommen würde, als sie hörte, dass er sich als der »Harte« bezeichnete. Wenn man mal von Aussehen und Namen absah, war die Tatsache, dass er eine Armee auf ihr Territorium führte, die fünfmal so groß war wie ihre eigene, wohl kaum ein Hinweis auf ein Treffen unter Freunden.
Der Kindkönig blickte von der niedrigen Festungsmauer der verlassenen Wallburg auf sie herab, die er zum vorübergehenden Hauptquartier der Armee Dumnonias gemacht hatte. Er saß auf dem vorderen Rand eines aufwendig gestalteten Holzthrons und wirkte weder hart noch wie ein König. Vielmehr erweckte er den Eindruck eines verwöhnten Kindes, auf das eine Menge andere Leute Zeit und Mühe verwendet hatten, um es majestätisch aussehen zu lassen. Hinter und über seinem Thron fächerte sich eine geradezu lächerliche, muschelförmige Holzverzierung auf, in die auf doppelter Mannshöhe Jagdszenen geätzt und aufgemalt worden waren.
Lowa dachte sich nur, wie viele unglückselige Bauern es gebraucht hatte, dieses riesige, sinnlose Ding den ganzen Weg von Dumnonia hierher zu transportieren.
Die dünnen Beine des Königs, die in einer teuren, schottengemusterten Hose steckten, baumelten vom riesigen Thron herab. Die Stiefel, die sich einen guten Fuß über der Plattform befanden, waren mit polierten Ochsenhörnern bestückt.
Seine knochigen, nur aus Ellbogen bestehenden Arme stachen aus einer schimmernden braunen Otterfellweste hervor. Er war vermutlich nicht viel älter als Spring, besaß eine knollenförmige Nase und tief liegende Augen und ein unerschütterliches, selbstgefälliges Lächeln, das Männer normalerweise erst in wesentlich höherem Alter zustande brachten. (Und Frauen fast nie; Lowa kannte einige Frauen, die das versuchten, aber es wirkte nur selten überzeugend.)
Um seinen Thron standen Wachen, die nicht nur die Eberketten ihres Kriegerstands trugen, sondern auch den knallharten Gesichtsausdruck, den ihr Beruf zwingend vorschrieb. Zwischen ihnen tummelten sich junge und hübsche Diener beiderlei Geschlechts. Die Krieger betrachteten Lowa mit geringem Interesse, die Diener bedachten ihren Herrscher mit unterwürfigem Lächeln, Lowa hingegen mit verächtlichen, zornigen Blicken, mit denen sie sonst einen Exhibitionisten anblickten, der für sein Hobby ein wenig zu alt war.
Lowa seufzte. Sie war erst seit drei Tagen Königin und hasste es schon.
Zu ihrem Treffen mit Samalur hatte sie nur Carden Nancarrow und Atlas Agrippa mitgenommen, um ihm zu zeigen, wie wenig Beachtung sie dieser riesigen Armee auf ihrem Territorium schenkte. Doch jetzt, wo sie Samalur und seine Truppe erblickte, wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. In ihren überheblichen Augen wirkte sie zweifellos schäbig, was ihre Verhandlungsposition schwächte. Von ihrem Pferd aus musste sie zu dem Kindkönig auf seiner Festungsmauer hinaufblicken, was andeutete, dass sie ihm auch körperlich unterlegen war, und das machte es nicht besser. Hätte sie vielleicht eine Art Plattform mitbringen sollen? Ein größeres Pferd nehmen? Sie war sich ziemlich sicher gewesen, dass Diplomatie nicht zu ihren Talenten gehörte, und damit hatte sie recht behalten. Das hier lief gar nicht gut.
»Ich liege nicht im Streit mit dir, Samalur«, versuchte sie es trotzdem. »Ganz im Gegenteil. Es wäre gut für unsere beiden Stämme, wenn wir uns gegen die Römer zusammenschließen.«
»Die Römer?« Seine hohe Stimme troff vor Überheblichkeit. »Weißt du, wo der nächste Römer steckt? In Iberien. Sollen wir uns etwa gegen die Fische im Meer zusammenschließen, bloß weil sie uns viel näher sind?« Samalur kicherte wie ein Teenager (der er nun mal war) und sah sich zu beiden Seiten zu seinem Hofstaat um, der seine Worte mit kriecherischem Lachen quittierte. Seine aus Kriegern bestehende Leibwache lächelte, wie nur Männer und Frauen lächelten, die den Befehl dazu erhalten hatten, sich aber nicht sonderlich begeistern konnten.
Einer aber lachte oder lächelte nicht. Samalurs persönlicher Berater Bruxon, der als Einziger im gesamten Gefolge namentlich vorgestellt worden war, sah mit finsterem Blick auf die Graslandschaft zu seinen Füßen. Er war im selben Alter wie Dug und trug Wollkleidung mit schwarzen Flecken. Sein schwarz gefärbtes Haar hatte er zu einem kurzen Pferdeschwanz nach hinten gebunden, und er war frisch rasiert. Sein ernstes Wesen wirkte im Vergleich zu seiner Umgebung fast schon lächerlich. Vielleicht, weil er seinen eingebildeten Herrscher nicht leiden konnte? Möglicherweise wäre er ja von Nutzen, um den jungen König umzustimmen oder ihn sogar zu entmachten.
»Glaub bloß nicht, Bruxon würde dir helfen, nur weil er ein Gesicht zieht, als ob ihn jemand mit einem Trick dazu gebracht hätte, Pisse zu trinken!« Samalur kicherte. Er hatte ihren Blick bemerkt und ihre Gedanken gelesen. Lowa war beeindruckt, wenn auch widerwillig. »Der sieht immer so aus, aber er ist mir treu ergeben. Es war Bruxons Plan, dass ich meinen Vater töte und an seiner Stelle König werde! Er hat versucht, mich glauben zu lassen, es wäre meine Idee gewesen, aber ich bin zu schlau dafür, nicht, Bruxon?« Der Berater nickte schicksalsergeben. »Daher bin ich auch zu schlau, um diesen Mist zu glauben, den die Druiden über die römische Invasion erzählen. Das tun sie nur, um sich wichtig zu machen. Und deswegen gibt es in meiner Nähe auch keine Druiden. Weißt du, was wirklich witzig ist? Sie schwafeln die ganze Zeit, dass sie die Zukunft voraussehen können, aber keiner von ihnen hat mich kommen sehen.«
Samalurs Truppe brach in schallendes Gelächter aus.
»Man braucht keine Druiden«, fuhr der Junge fort, »man kann selbst mit den Göttern reden. Ich tue es. Aber ich bin ja auch ein Halbgott, das macht es bestimmt leichter … Ich würde dir ja empfehlen, all deine Druiden zu töten, aber du wirst nicht die Zeit dazu haben, weil ich dich töten und mir dein Territorium einverleiben werde. Aber weißt du was? Wenn ich dich und deine Armee vom Schlachtfeld gefegt habe, werde ich dir den Gefallen tun und alle deine Druiden töten.«
Lowa ballte ihre Hände zu Fäusten. »Samalur, vor nicht allzu langer Zeit hätte ich deine Ansichten zu Druiden geteilt, aber ich habe meine Meinung geändert. Ich kenne mindestens eine Druidin, die mit derselben Gewissheit die unbesiegbaren Streitkräfte der Römer unser Land erobern sieht, wie wir einen Regenschauer über einen See auf uns zukommen sehen, in dem Wissen, dass wir gleich nass werden. Ich habe sie Dinge tun sehen, die mich von ihren Kräften überzeugt haben.«
»Nein, tut mir leid, funktioniert nicht. Ich glaube weder dir noch ihr.«
»Samalur, wenn unsere Armeen aufeinandertreffen, dann werden Tausende sterben. Wer immer auch gewinnt, wird erheblich geschwächt, und wir werden einer Invasion leichter zum Opfer fallen. Und damit meine ich nicht nur die Römer, sondern auch die Murkaner und wer immer Lust hat, uns anzugreifen.«
»Dann ergib dich doch einfach. Meine Bedingungen habe ich dir genannt.« Samalur grinste.
Selbst wenn diese Bedingungen vernünftig gewesen wären, hätte Lowa sich niemals diesem kleinen, eingebildeten Scheißer ergeben.
»Du bist uns vielleicht zahlenmäßig überlegen, Samalur, aber wir sind kampferfahrener und besser. Wir werden deiner Armee die Eingeweide herausreißen, wie Wölfe sich an einem frisch erlegten Auerochsen laben.«
»Nimm dir ruhig die Eingeweide. Bleibt ja immer noch eine Menge übrig. Gewinnen werden wir auf jeden Fall.«
»Selbst wenn, so werden doch unsere Leute in Scharen sterben. Dein Volk wird auf mehrere Generationen geschwächt sein.«
»Wofür hat man Armeen, wenn man sie nicht benutzt? Ich habe eine riesige Armee, ich werde sie einsetzen, und niemand kann mich daran hindern. Du schon gar nicht. Du bist ja nicht meine Mutter. Kannst du auch gar nicht sein, ich habe sie nämlich umgebracht.«
Lowa legte eine Hand an ihren Bogen.
»Lowa«, sagte Atlas leise neben ihr, »wir können nicht …«
Sie gebot ihm mit erhobener Hand zu schweigen. »Na gut, Samalur. Ich werde gegen deine Armee antreten, und ich werde dich höchstpersönlich töten. Warte hier, wir werden nach Anbruch der Dämmerung da sein.«
Das Gelächter der Elite Dumnonias ließ Lowa innerlich kochen, als sie ihr Pferd wendete, ihm die eisernen Absätze in die Flanken trieb und davongaloppierte.
»Lowa«, brüllte Atlas, um das Pferdegetrappel zu übertönen. »Wir müssen zurück. Das sind einfach zu viele. Wir müssen uns mit ihnen arrangieren. Es ist noch nicht zu spät …«
»Es ist zu spät. Wenn wir zurück sind, berufst du sofort den Rat ein. Wir müssen eine Schlacht planen.«
»Ich kann nicht«, sagte sie, schüttelte den Kopf und sah dann auf. Lowa wirkte wirklich wütend. Spring konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals jemand so wütend angesehen hatte, abgesehen vielleicht von ihrem Vater, König Zadar. So war Lowa doch normalerweise gar nicht. Menschen schienen sich zu verändern, wenn sie Macht besaßen, und es machte sie nicht zu besseren Menschen.
»Spring, was immer du auch mit Dug und mir in der Arena angestellt hast, du wirst dasselbe mit uns beiden noch mal tun und bei so vielen anderen Kriegern Maiduns, wie du nur kannst. Dann werden wir die Armee der Dumnonier in Stücke reißen.«
»Lowa, nein. Ich kann das nicht.« Spring sah auf die Schleuder in ihren Händen herab. Sie war in den Wald gegangen, um Wild zu jagen, zumindest hatte sie das gesagt. Aber eigentlich wollte sie nur allein sein. Die Erkenntnis, dass sie Magie verwenden konnte, hatte sie fasziniert, verwirrt und bestürzt. Dass sie diese Magie nach dem Tod ihres Vaters verloren zu haben schien, hatte sie auch nicht aufmuntern können. Sie hatte gehofft, dass durch den Wald zu spazieren und den Lärm Maiduns hinter sich zu lassen, ihr dabei helfen würde, die Dinge klarer zu sehen. Aber das war bis jetzt nicht eingetroffen. Sie hatte außerdem gehofft, dass sie keine Spur hinterlassen hatte, aber Lowa hatte sie trotzdem gefunden.
»Du wirst es versuchen«, sagte Maiduns neue Königin. »Das ist kein Spiel. Die Dumnonier sind uns zahlenmäßig weit überlegen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie uns alle töten werden, einschließlich Dug. Willst du, dass das passiert? Ich weiß nicht, was für Kräfte du besitzt oder woher sie stammen, aber ich weiß, was du mit ihnen machen kannst. Du musst sie einsetzen, um uns zu helfen.«
Spring wollte sich tief in der Erde vergraben, um dieser Situation zu entkommen. Wenn sie noch ihre Magie besessen hätte, dann hätte sie viele Meilen entfernt auf der anderen Seite des Meers eine Insel entstehen lassen, auf der sie und Dug auf ewig leben konnten und vielleicht noch ein paar andere nette Leute, aber ganz bestimmt niemand, der sich in Schlachten stürzen wollte.
»Kann Drustan nicht helfen?«, fragte sie.
»Er wird tun, was er kann, aber er sagt, dass er im Vergleich zu dir gar nichts kann.«
»Ich will ja helfen, aber ich kann nicht. Ich weiß nicht, was ich gemacht habe, damit du und Dug stark werden konntet, ich habe es einfach getan. Dasselbe ist auch in der Nacht passiert, als ich Chamancas Kleidung genommen habe. Ich wusste, dass ich sie ihr wegnehmen sollte und dass ich das Leder durch meine Berührung stärker machen konnte, damit es dich beschützte, und ich wusste auch, dass ich es in deine Zelle legen sollte. Aber ich weiß nicht, warum ich das wusste. Und ich bin mir sicher, dass ich meine Magie nicht gegen die Dumnonier einsetzen kann, ganz sicher – so sicher ich mir bin, dass ich nicht alles Wasser im Meer trinken kann. Es hat keinen Sinn, es zu versuchen, ich kann es einfach nicht.« Tränen ließen Lowa vor ihren Augen verschwimmen.
»Aber in der Arena …«
»Ich weiß! Es tut mir leid!«
Lowas Mund wurde zu einem dünnen weißen Strich. Einen Augenblick lang hatte Spring Angst, sie würde sie schlagen.
»Also, als du damals deine Magie auf Chamancas Kleidung gewirkt hast – ich nenne das jetzt so in Ermangelung eines besseren Wortes – und damit verhindert hast, dass mich die Klingen des Streitwagens in kleine Stücke schneiden, das war das erste Mal, dass du Magie eingesetzt hast?«
»Ich weiß nicht, ob das Magie war oder was genau das war.«
»War es das erste Mal?«
»O nein. Das ist mir schon häufig passiert. Als ich Dug das erste Mal gesehen habe, da wollte er mich töten, also musste ich dafür sorgen, dass er seine Meinung ändert. Aber davor wollte Ulpius mich umbringen, also musste ich Dug aufwecken, indem ich in seinen Traum gegangen bin und ihn geholt habe. Manchmal weiß ich Dinge einfach. Ich weiß zum Beispiel, dass die Römer kommen, und kurz bevor ich dich getroffen habe, wusste ich, dass Weylin einen Karren brauchte und ich dich und Dug retten könnte, wenn ich einen besorge. Manchmal kann ich Dinge tun, wie damals, als Juniper, die Hündin, mich angriff, da habe ich ihr Herz angehalten, und manchmal kann ich Leute dazu bringen, dass sie Dinge wissen, wie zum Beispiel, als ich den Mädchen beigebracht habe, wie man mit Schleudern umgeht, und dann, wie auf Mearhold, da kann ich Leute dazu bringen, dass sie …«, Spring lief hochrot an, als ihr einfiel, dass Lowa das nicht wissen durfte, »… aus Booten kippen, wie ich das mal bei einem der Jungs gemacht habe …«
»Moment mal.« Lowa nahm Springs Kinn sanft in ihre Hand und sah ihr tief in die Augen. »Du wolltest etwas anderes sagen.« Spring versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Lowa packte fester zu.
Sie beugte sich vor und durchbohrte Spring mit ihrem Blick, als ob sie in ihre Seele zu sehen trachtete. »Du hast etwas weggelassen, nicht wahr?«, sagte sie sanft.
»Nein.«
»Nein?«
»Nein.«
»Auf Mearhold. Du hast deine Magie zu etwas benutzt, das du mir nicht erzählst.«
Spring versuchte sich zu befreien, doch Lowas Griff war eisern.
»Nein, habe ich nicht!«, wiederholte sie. Da Lowas starke Finger ihre Lippen zusammendrückten, klang sie wie jemand, dem man für seine Lügen die Zunge gespalten hatte. »Wofür hätte ich sie denn benutzen sollen?«
Sie hatte ihre Magie auf Mearhold genutzt, damit Lowa sich von Dug entliebte. Damals hatte das durchaus einen Sinn ergeben. Sie und Dug waren glücklich gewesen, bevor Lowa aufgetaucht war. Ihre Anwesenheit hatte dazu geführt, dass Dug von einem schrecklichen Tier beinahe zu Tode gebissen worden wäre, mal ganz abgesehen davon, dass Spring selbst vom furchtbaren Oger mit einem Messer angegriffen und von ihm entführt worden war, und wer hatte damals schon gewusst, wie viel Ärger ihnen die blonde Bogenschützin noch eingebracht hätte? Also hatte Spring sich eingemischt, um Dug zu retten, und wenn sie ganz ehrlich mit sich selbst war, auch weil sie Dug für sich allein haben wollte. Doch als sie erkannt hatte, wie sehr ihre Einmischung Dug verunsichert hatte und Lowa auch, da war ihr klar geworden, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hatte versucht, ihren Zauber, oder was immer das auch sein mochte, wieder aufzuheben, wusste aber nicht, ob sie damit erfolgreich gewesen war. Außerdem konnte sie jetzt ohnehin nichts mehr tun, da sie ihre Magie verloren hatte. Selbst wenn sie sie zurückbekam, so hatte sie doch ihre Lektion gelernt und verstanden, dass es falsch war, mit den Gefühlen anderer Menschen zu spielen, und sie würde das nie wieder tun. Sie hätte Lowa also erzählen können, was sie getan hatte, aber dadurch würde sie auch nichts gewinnen, konnte aber verdammt viel verlieren.
Spring richtete ihren Blick auf Lowa und sagte so ernst und entschlossen, wie man es mit zusammengequetschtem Mund konnte: »Ich habe meine Magie auf Mearhold nicht eingesetzt.«
Lowa ließ sie los, aber ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Spring wand sich innerlich und kämpfte gegen den Wunsch an, ihr alles zu erzählen, nur damit diese Augen nicht mehr in ihrem Kopf herumgeisterten.
»Es reicht«, sagte Lowa. »Ich muss eine Schlacht planen.«
»Ich komme zur Schlacht. Ich werde tun, was ich kann, um dir zu helfen. Ich kann gut mit meiner Schleuder umgehen! Aber ich werde meine Magie nicht einsetzen können. Ich werde es versuchen, wirklich, aber ich weiß, dass es nicht funktionieren wird.«
»Tu, was immer du willst.« Lowa ließ sie einfach stehen und ging.
Spring sah ihr hinterher. Sie war in den Wald gegangen, um sich endlich wieder besser zu fühlen, doch jetzt fühlte sie sich so schlecht wie nie zuvor.
Dug schnitt eine Grimasse im Angesicht der endlosen Schlachtreihen der dumnonischen Armee, die sich auf den sanften Wellen der Ebene Sarums in Richtung Süden und Westen irgendwann aus dem Blick verloren. Ihm gegenüber stampften einige Pferde unruhig auf, was die mit Klingen versehenen Streitwagen knarzen ließ. Einige ziemlich haarige Männer und Frauen Dumnonias brüllten Beleidigungen zu ihnen hinüber, doch der größte Teil wartete wie Dug schweigend. Es würde genügend Gelegenheiten geben, laut herumzubrüllen, wenn die Dumnonier erst mal angriffen. Vorausgesetzt, dass sie angriffen. Dug kannte den Schlachtplan nicht bis ins Detail, sondern wusste nur, dass er und die hundert Mann, die er befehligte, warten sollten, bis der Feind sie angriff. Er sah nach unten und bemerkte, dass seine Knöchel vor Anspannung weiß waren. Er lockerte den Griff um seinen Streithammer, atmete tief ein und lang und langsam wieder aus.
Es war ein kühler, trockener Spätsommertag, und über ihnen zogen einige weiße Wolken hinweg. Definitiv ein Vorteil. Es war einfach angenehmer zu kämpfen, wenn es nicht so heiß war. Aber warum kämpfte er überhaupt? Er hätte einfach weitergehen und Maidun hinter sich lassen können. Er wäre in irgendeiner Stadt wie etwa Bladonfort aufgewacht, vermutlich mit einem Kater, und er hätte direkt am nächsten gearbeitet. Stattdessen war er zurückgekehrt, war noch vor Sonnenaufgang aufgestanden wie Tausende andere nervöse Schweine und stellte sich schon wieder zur Schlacht auf. Dachsverschissen noch mal, warum? Weil er, und das musste er sich mit einem Kopfschütteln selbst eingestehen, ein Idiot war, der Lowa beeindrucken wollte, und das, obwohl sie noch nicht mal gewusst hatte, dass er gegangen, und erst recht nicht, dass er zurückgekehrt war, und außerdem hatte sie ohnehin viel zu viel als Königin zu tun.
Er hatte gehört, dass die Dumnonier mit hunderttausend Männern und Frauen in die Schlacht zogen. Dug war sich sicher, dass das nicht stimmte. Zumindest hatten sie diese Nachricht erhalten, und jeder hatte sie geglaubt. Die Leute übertrieben immer, wenn es um die Größe einer Armee ging, und in der Regel latschte ja niemand in das feindliche Lager, bat die Leute stillzustehen und zählte sie dann in aller Ruhe. Eins war aber sicher: Es gab scheißviel von diesen böse aussehenden Scheißern – viel mehr, als die Armee Maiduns ins Feld führen konnte.
Also schien die Herrschaft Königin Lowas eine kurze Angelegenheit zu sein. Was für eine merkwürdige Fügung des Schicksals, dachte Dug. Wenn Lowa weniger als einen Mond lang gewartet hätte, dann wäre Zadar immer noch König Maiduns gewesen, die Dumnonier hätten ihn vernichtet, und Lowas tote Schwester und ihre Freundinnen wären gerächt. Stattdessen führte Lowa nun eine Armee an, die früher ihr Feind gewesen war, der sie davor aber angehört hatte, und kämpfte nun gegen eine Armee, der sie sich sofort angeschlossen hätte, wenn sie nur gewusst hätte, dass sie gegen die Armee ziehen würde, die sie jetzt anführte. Das Leben, dachte Dug, war wirklich selten einfach.
Einfach aber war es, den Ausgang dieser Schlacht vorherzusagen, und man musste noch nicht mal die unterschiedlichen Armeegrößen in Betracht ziehen.
Bevor der erste Speer geworfen war, hatte Lowa einige katastrophale Fehler begangen, die Dug natürlich bemerkt hatte. Frisch gekrönte Könige und Königinnen hatten einen Hang zu solchen Fehlern.
Die Schlachtreihe der Dumnonier kam in Bewegung, und einige Streitwagen bewegten sich vorwärts. War das ihr Angriff? Dug und mit ihm die Armee Maiduns waren auf einen Schlag wachsam, doch die Streitwagen vollzogen nur eine Halbkreisbewegung, bei der eine Reihe nackter Ärsche zum Vorschein kam, und kehrten dann in die Schlachtreihe zurück.
Also, wo war ich stehen geblieben?, dachte Dug. O ja, er hatte darüber nachgedacht, zum Kriegsrat zu gehen und ihnen klarzumachen, wie miserabel der Plan war, anstatt sich davor zu drücken, weil er keine Lust hatte, Lowa und diesen betrügerischen Bastard Ragnall zusammen zu sehen. Welchen Rat Drustan, Carden, Atlas und die anderen ihr erteilt hatten, er musste entweder beschissen gewesen sein, oder sie hatte ihn einfach ignoriert. Er hatte auf jeden Fall drei eklatante Fehler erkannt.
Die erste Grundregel beim Kampf gegen eine zahlenmäßig überlegene Armee war die Suche nach einem Ort, der möglichst schmal war wie ein Tal oder, noch besser, eine klippengesäumte Schlucht, wo der Kampf immer nur einer gegen einen stattfinden konnte. Stattdessen hatte sich Lowa entschieden, Samalur auf einer offenen Ebene zu begegnen, wo er ihre zahlenmäßig unterlegenen Streitkräfte einkreisen und jeden ihrer Krieger mit zehn seiner eigenen bekämpfen konnte.
Die zweite Grundregel für eine kleinere Armee war das Überraschungsmoment. Den Feind angreifen, wenn er es am wenigsten erwartete und wo er es nicht erwartete. Stattdessen lagerten die Dumnonier seit drei Tagen gemütlich am selben Ort, und Lowa hatte ihnen mitgeteilt, dass sie sie sofort angreifen würde. Eine Überraschung war das wohl kaum.
Der dritte und größte ihrer Fehler war aber, Samalur überhaupt im Kampf zu begegnen. Eine Armee dieser Größe konnte sich auf feindlichem Gebiet nur wenige Tage über Wasser halten. Hätte Lowa sich mit ihren Leuten einfach im uneinnehmbaren Maidun verschanzt und die Tore verriegelt, dann wären die Dumnonier ziemlich schnell abgezogen.
Das einzig Gute, von dem er gehört hatte, war ihre Aussage gegenüber dem König der Dumnonier, dass sie ihn noch am vorherigen Abend hatte angreifen wollen. Mit ein wenig Glück hatte er seine Truppe in Kampfbereitschaft versetzt, während die Männer und Frauen Maiduns in aller Ruhe ausschlafen konnten. Außerdem, und das musste Dug sich eingestehen, wusste er bei Weitem nicht alles. Der Plan könnte noch weitere Details beinhalten, die sich nicht auf den ersten Blick erschlossen. Im Endeffekt war es ja auch egal. Er musste nur Befehle befolgen, Befehle erteilen und kämpfen.
Zu seinen Füßen lagen zwei lange Speere und ein großer, wuchtiger Schild. Die hatte man heimlich nach vorn gebracht, als sich die Schlachtreihe bereits formiert hatte, sodass die Dumnonier sie nicht bemerkten. Ganz schön hinterhältig. Damit sollten sie den Streitwagenangriff ordentlich durcheinanderbringen können, und wenn Lowa so etwas organisiert hatte, dann hatte sie vielleicht noch andere Asse im Ärmel.
Ein weiterer Vorteil war die frische Brise, die der Armee Maiduns aus dem Osten in den Rücken blies, anstatt des üblichen südwestlichen Winds. Ein Glücksfall für sie, denn ihre Wurfwaffen würden damit weiter fliegen als die des Feinds, aber einen richtigen Sturm hatten sie da nicht hinter sich. Außerdem konnte Lowa wohl kaum behaupten, sie wäre für die vorherrschende Windrichtung verantwortlich.
Dugs Gedankenspiele wurden durch lautes Geschmetter aus Bronzetrompeten unterbrochen, in deren Trichtern Holzzungen für zusätzlichen Lärm sorgten. Der Krach ertönte zuerst auf der Seite der dumnonischen Armee und wurde dann von Maidun beantwortet. Die vorderste Schlachtreihe Dumnonias erzitterte und marschierte dann vorwärts. Es geht los. Dug spürte, wie ihm flau im Magen wurde, und bat Macha, die Kriegsgöttin, dass er sich, wenn ihm schon sonst kein Glück beschieden war, nicht in seine Lederhose schiss. Wenn es ihn heute in die Unterwelt trieb, dann sollte sein Hintern schon sauber sein.
»Fertigmachen!«, brüllte er und sah sich links und rechts nach seinen Männern und Frauen um. Dann fügte er hinzu: »Eine Armlänge Abstand zum Nächsten einhalten!«, aber das machte er nur, um irgendetwas zu sagen – sie standen schon ziemlich gut. Sie sahen ihn an und nickten. Einige hatten vor Angst große Augen und offene Münder, einige wirkten ernst, andere wahnsinnig und mit Schaum vor dem Mund. Die meisten trugen Lederrüstungen wie er selbst, vereinzelt waren Eisenhelme zu sehen, so wie er auch einen trug. Die meisten waren mit wuchtigen Eisenschwertern oder robusten Speeren bewaffnet. Er war der Einzige mit einem Kriegshammer. Es sah so aus, und er dankte Teutates dafür, dass nur die wenigsten vor der Schlacht fliehen würden. Das war im Vergleich zu manchen Schlachten, an denen er teilgenommen hatte, eine beachtliche Verbesserung. Er sah wieder zum Feind hinüber und entdeckte vor sich eine große Libelle, die zwischen den Armeen hindurchflog, als ob es ein Tag wie jeder andere wäre.
Lowa verfolgte den Angriff der dumnonischen Streitwagen auf ihre rechte Flanke hoch zu Ross. Sie befand sich auf einem der vielen Grabhügel, die sich auf der Ebene Sarums erhoben und aussahen, als ob riesige Schnecken in regelmäßigen Abständen umhergezogen, gestorben und zu Stein geworden waren. Sie hatte Atlas mit der Infanterie nach rechts geschickt, damit Samalur seine schweren Streitwagen dort konzentrierte. Der junge dumnonische König tat ihr den Gefallen. Da er eine weit überlegene Armee zur Verfügung hatte, hatte er das einzig Vernünftige getan und ihre Schlachtreihen kopiert: schwere Streitwagen nach links, Infanterie nach rechts, leichte Streitwagen und die Kavallerie als Reserve und jederzeit einsatzbereit, um bei Bedarf zuschlagen zu können. Da die Dumnonier die Zahlen auf ihrer Seite hatten, gab es für sie keinen Grund, etwas Anspruchsvolleres als die klassische Strategie zu verfolgen: »Infanterie schlägt Streitwagen, Streitwagen schlägt Infanterie.«
Dug führte eine Abteilung auf der rechten Flanke. Sie dachte schon wieder daran, dass er gleich von Hunderten heranbrausender Streitwagen und ihren Besatzungen aus todbringenden, schwer bewaffneten Dumnoniern angegriffen werden würde. Atlas hatte ihr mitgeteilt, dass er nach Maidun zurückgekehrt war und seine Dienste angeboten hatte und dass man ihm eine Truppe anvertraut hatte. Dass er sie bei seiner Rückkehr nicht aufgesucht hatte, hatte geschmerzt, aber es war ja auch noch nicht so lange her, dass sie ihn aufgeweckt hatte, weil sie gerade mit Ragnall vögeln musste. Wie konnte sie ihm das erklären und sich dafür entschuldigen? Sie verbannte Dug aus ihren Gedanken. Dies war der falsche Zeitpunkt für kindischen Herzschmerz.
Und weil sie gerade an Kinder dachte … Es war sehr ärgerlich, dass Spring ihre Magie nicht einsetzen würde. Wenn das Mädchen wieder dafür gesorgt hätte, dass Lowa sich fühlte wie bei dem Kampf gegen Chamanca und den Streitwagen, dann hätte sie es allein mit der feindlichen Armee aufgenommen.
Aber Lowa glaubte, dass sie die Wahrheit gesagt hatte, als sie ihr mitteilte, dass sie keine Magie einsetzen konnte, denn das Mädchen war eine furchtbar schlechte Lügnerin. Lowa war sich sehr sicher, dass ihre Behauptung gelogen war, sie hätte auf Mearhold keine Magie eingesetzt. Sie war auch ziemlich sicher zu wissen, was die kleine, eifersüchtige Göre da angestellt hatte. Darum würde sie sich kümmern, wenn sie den Tag überlebte. Doch jetzt hatte sie für Spring eine andere Verwendung gefunden.
Drustan hatte ein wenig mit Magie geholfen. Er sagte, dass er mit dem Opfer eines Ochsen die Windrichtung geändert hatte und er ihnen nun aus dem Osten in den Rücken blies. Aber das war es auch schon. Er sagte, dass diejenigen, die die Macht der Götter einsetzten, immer ihre Grenzen hatten. Lowa hatte ihn gefragt, ob es außer ihm noch jemanden gab. Er hatte mit Nein geantwortet. Die Götter hatten ihn wissen lassen, dass er eine junge Person entdecken würde, die wie niemand zuvor oder danach die Magie beherrschte. Er hatte Ragnall für ebendiese Person gehalten und versucht, seine Kräfte herauszulocken, indem er ihn hatte glauben lassen, er könne mit reiner Geisteskraft Feuer entfachen. Jetzt aber wusste er, dass dieser junge Mann nicht den geringsten Kontakt zu den Göttern hatte. Das ihm vorhergesagte magisch begabte Kind war Spring.
Und Spring hatte ihre Magie anscheinend verloren. Lowa fragte sich, ob die Götter sie im Stich gelassen hatten, weil die Armee Maiduns mit Sicherheit von den Dumnoniern vernichtet werden würde und die Götter keine Lust hatten, Versagern zu helfen.
Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
Sie hob den Arm und ließ ihn wieder sinken. Die Trompeten Maiduns gaben einen ohrenbetäubenden Lärm von sich. Der linke Flügel ihrer Armee, der aus schweren Streitwagen bestand, erwachte ruckelnd zum Leben und raste dann, immer schneller werdend, auf die dumnonische Infanterie zu.
Zu ihrer Rechten setzten sich die Streitwagen der Dumnonier in Bewegung, um die Infanterie Maiduns anzugreifen. Speere wurden geworfen. Die plötzlich auftauchenden Schilde Maiduns wirkten wie eine schlagartig aufblühende Blütenpracht. Die Dumnonier brachten ihre Enttäuschung, dass ihre Wurfwaffen durch die unerwartete Schutzmaßnahme Maiduns abgewehrt wurden, mit lautem Heulen zum Ausdruck, rasten aber weiter, die Schwerter erhoben, die langen Klingen der Streitwagen im Sonnenlicht funkelnd.
Im allerletzten Moment kamen entlang Maiduns rechtem Flügel lange Speere zum Vorschein, als ob ein Igel sich aufgeplustert hätte. Die Streitwagenfront der Dumnonier geriet ins Wanken, als Hunderte Zügel panisch zurückgerissen wurden, aber es war zu spät. Die Pferde und ihre Streitwagen krachten nahezu ungehindert auf die Speere. Einen Herzschlag später hörte sie das Geräusch von tausend zerbrechenden Holzstangen, die unter dem Aufprall von Pferden und Streitwagen nachgaben, direkt gefolgt von Danu weiß wie vielen Schreien der dumnonischen Pferde und Männer, als sich Eisenspitzen in Arme und Beine, Unterleiber und Gesichter bohrten … Sie dachte an ihre eigenen Krieger, die sich schützend hinter ihre Schilde gekniet hatten, während tonnenweise Männer, Pferde, Eisen und Holz auf sie herabregneten, nicht immer in einem Stück.
Entlang der gesamten Verteidigungslinie Maiduns zertrümmerten in diesem Augenblick Pferdehufe die Schädel ihrer eigenen Leute, und die zersplitterten Deichseln bohrten sich in ihre Brustkörbe. Es war unvermeidlich gewesen. Sie betete nur, dass nicht zu viele getötet wurden und dass Dug nicht zu den Getöteten zählte.
Die Verteidigungslinie Maiduns gab nicht nach. Der dumnonische Angriff lief ins Leere, während Streitwagen nach Streitwagen in den wachsenden Berg aus toten Pferden und Männern hineinkrachte.
Auf der Linken hielten die Streitwagen Maiduns zu Lowas großer Zufriedenheit zwanzig Schritt vom Feind entfernt an, wie es auch die schweren Wagen Dumnonias hätten tun sollen. Die Speere Maiduns regneten auf den Feind herab. Die Salve krachte folgenlos in die tausendfach emporgestreckten dumnonischen Schilde. Die Dumnonier jubelten triumphierend, ließen die Schilde fallen und griffen an. Die Streitwagen Maiduns zögerten nur kurz und ließen dann eine zweite Speersalve folgen, die der Gegner nicht erwartet hatte. Diese fand ihr Ziel, ebenso wie die dritte, vierte und fünfte Salve. Hunderte Dumnonier starben. Ihre Angriffsreihe löste sich auf. Einige rannten zurück, um sich Schilde zu holen. Einige stürmten weiter auf die Streitwagen zu.
Die Hauptleute brüllten widersprüchliche Befehle.
Alle britannischen Stämme hatten seit Jahrhunderten dem ungeschriebenen Gesetz gehorcht, dass in jeden Streitwagen nur ein Speer gehörte. Den warf man direkt zu Beginn, und dann stiegen die mitgefahrenen Krieger ab, um sich ordentlich mit Schwertern, Äxten, Kriegshämmern und dergleichen zu beackern. Lowa hatte den Streitwagenfahrern lange ins Gewissen reden müssen, aber irgendwann hatte sie sie davon überzeugt, auf die Tradition zu pfeifen und fünf Speere mitzuführen. Wenn sie Glück hatten und diese Schlacht überstanden, dann würden einige der Neuerungen, die sie einführen wollte, vielleicht mit größerer Bereitwilligkeit ausprobiert.
Zu ihrer Rechten ließ die Infanterie die Piken fallen und stürzte sich auf die restlichen Streitwagenfahrer. Die Dumnonier erkannten, dass sich ihre vordersten Reihen praktisch aufgelöst hatten, rissen sich zusammen und griffen wieder an. Doch die Krieger Maiduns wichen einfach geordnet zurück, nahmen ihre intakten Ersatzpiken zur Hand und gaben weiter nach, weg von Lowa, weg vom Zentrum. Die schweren Streitwagen Dumnonias folgten ihnen, aber nachdem sie gesehen hatten, was mit ihrer ersten Angriffsreihe geschehen war, entschieden sie sich gegen einen Frontalangriff auf den Pikenwald.
Ein weiterer, ohrenbetäubender Trompetenstoß ertönte aus dem dumnonischen Zentrum, und ihre leichten Streitwagen setzten zum Galopp an, um Maiduns rechte Flanke zu umgehen und die Infanterie aufzureiben. Lowa biss missmutig die Zähne zusammen. Genau das hatte sie von Samalur erwartet, nur nicht so schnell. Wenn die Streitwagen der Dumnonier ihre rechte Flanke umgingen, dann war ihr Plan Geschichte und sie alle tot. Das würde eine knappe Angelegenheit werden.
Zur Linken hatten die Streitwagenkämpfer ihre Speere aufgebraucht. Sie hatten Hunderte Dumnonier getötet oder verwundet, aber das war nur ein verschwindend geringer Teil ihrer Armee, und die Schlacht war noch lange nicht vorbei. Zeitgleich mit dem Trompetenstoß, der die leichten Streitwagen Dumnonias zur Linken geschickt hatte, hatten sich auch Tausende Fußsoldaten auf der Rechten in Bewegung gesetzt, mit Schilden und schweren Eisenschwertern bewaffnet.
Die Streitwagen Maiduns brachten sich im leichten Galopp in Sicherheit. Genau wie die Fußsoldaten Maiduns zogen sie sich nicht nur einfach zurück, sondern auch weg vom Zentrum, was ihre Front in die Breite zog.
Einer der Streitwagen Maiduns blieb stehen und befand sich bald ganz allein zwischen den beiden Armeen. Ein kleiner Krieger sprang vom Wagen, ein Schwert in einer, einen Kriegsflegel in der anderen Hand. Selbst aus mehreren Hundert Schritt Entfernung erkannte Lowa Chamanca, die Ibererin, die Zadar als Leibwache gedient hatte. Lowa war ihr in Mearhold unterlegen gewesen und hätte auch in der Arena Maiduns keine Chance gegen sie gehabt, hätte nicht Spring ihr mit Magie geholfen. Die schnellsten dumnonischen Fußsoldaten erreichten die einsame Gestalt. Nach kurzen, verschwommen wirkenden Bewegungen gingen die Dumnonier zu Boden. Die Ibererin war unverletzt. Aber es kamen immer mehr von ihnen.
Chamanca sprang auf ihren Streitwagen, aber es war zu spät. Die Hauptmacht der dumnonischen Armee umspülte den Streitwagen, das Pferd, die Fahrerin und Chamanca. Lowa verzog das Gesicht, musste aber lächeln, als Chamancas Streitwagen aus den dumnonischen Reihen hervorbrach. Die Ibererin hatte sich umgedreht und drohte ihren Verfolgern mit erhobener Faust.
Königin Lowa sah zu Spring, die zu Pferd hinter ihr saß, und nickte. Das Mädchen schrie: »Feeeeuuuu-eeeerrrrr!!!«, und das lauter als jede Trompete oder Pfeife. Entlang der gesamten hinteren Schlachtreihe setzten Männer und Frauen die eng gewickelten Heuballen in Flammen, die sich in den Wurfarmschalen zahlreicher Katapulte befanden.
Dug sah sich verzweifelt um und schüttelte den Kopf. Jemand hatte seinen dachsverfickten Speer geklaut. »Erinnert euch immer daran, wo ihr euren Ersatzspeer hinlegt, und sorgt dafür, dass ihr genau den hochhebt. Nicht den von jemand anderem.« Das hatte er ihnen gesagt.
Doch irgendein Wichser hatte ihm seinen geklaut. Das war unverzeihlich.
Er entdeckte einen Ersatzspeer und bückte sich.
»He! Das ist meiner! Finger weg!«, brüllte eine junge Frau mit kantigem Kinn. »Das hier ist dein Plan, Dug! Was sollen denn die Leute denken, wenn du dich nicht mal selbst dran hältst? Führungsqualitäten, Dug! Führungsqualitäten!« Es handelte sich um Nita, Mals Frau. Mal, der direkt neben ihr stand, hob eine »Jetzt verstehst du endlich, was ich mir alles anhören muss«-Augenbraue.
Dug nickte. Er wollte den Speer eigentlich gar nicht, denn er war mit seinem Kriegshammer viel glücklicher. Und Nita hatte natürlich recht. Er war ein Anführer, und er wollte allen zeigen, was sie mit ihren Speeren tun sollten.
Doch als er sich umsah, schienen die meisten Leute es schon verstanden zu haben.
Sie marschierten in ordentlicher Formation langsam nach hinten, die langen Speere erhoben. Dug schüttelte überrascht, aber zufrieden den Kopf. Er hatte noch nie Männer und Frauen befehligt, die das taten, was er sagte – zumindest nicht die meiste Zeit. Man konnte ja über Zadar sagen, was man wollte, aber seine Krieger beachteten Befehle.
»Alles in Ordnung bei dir, Mal?« Dug hatte sich gefreut, das vertraute Gesicht seines alten Kumpels Mal Fletcher zu erblicken, als dieser ihn vor ein paar Tagen aufgesucht hatte.
Mal zwinkerte ihm zu. »Wir hätten im Lager bleiben und die Kneipe bewachen sollen, wie du es vorgeschlagen hast. Ich dachte ja, ich wäre schon seit langer Zeit im Ruhestand«, sagte er und deutete mit einem kurzen Nicken in Richtung seiner Frau, »aber sie meinte, Lowa würde unsere Hilfe brauchen.«
Dug brachte sich mit einigen schnellen Schritten hinter Mal. Ohne einen Speer wäre er in der vordersten Schlachtreihe einfach nur nutzlos. »Diese Lowa bringt uns eine Menge Ärger ein. Die bringt uns eines Tages noch alle um.« Das war nur dummes Gequatsche, und Dug wusste das auch. Aber in Augenblicken wie diesem ließ man sich gern mal ablenken.
»Eines Tages? Hast du dir das mal angeschaut?« Hinter den schweren Streitwagen sahen sie, wie die leichten dumnonischen Streitwagen Richtung Norden über die Ebene preschten, senkrecht zur vordersten Schlachtreihe. Die ersten Streitwagen waren bereits nach Osten auf sie zugeschwenkt. Ihr Ziel war die völlig entblößte rechte Flanke Maiduns. Ein kurzes Aufblitzen zur Linken erregte seine Aufmerksamkeit.
»O nein«, sagte Dug. »Schau dir das an. Sie hat die dämlichen Katapulte zu spät abgeschossen. Wenn sie damit die leichten Streitwagen aufhalten wollte, und dessen bin ich mir sicher, dann haben wir Schwierigkeiten.«
»Sie ist völlig durchgeknallt!«, sagte Mal. »Sie ist völlig durchgeknallt, und wir werden alle sterben.«
Nita klatschte ihm ihre Schwertklinge mit der flachen Seite auf den Arm. »Lowa weiß genau, was sie tut.«
»Warum hat sie dann«, sagte Mal, »die einzige ungewöhnliche Waffe, die wir haben, um den Feind tatsächlich zu überraschen, dazu benutzt, die Lücke anzugreifen, die die Dumnonier hinterlassen haben, die uns gerade angreifen? Was hat sie denn getroffen?« Mal stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die anderen Krieger hinwegzuschauen. »Jepp, dachte ich mir. Das Stück Grün, wo sich eben noch der Feind befunden hat. Tut mir leid, Nita, aber sie hat echt keine Ahnung, was sie mit diesen Katapulten anstellt.«
Darauf hatte Nita keine Antwort.
Dug sah sich nach Atlas um, um herauszufinden, ob er auch schon bemerkt hatte, was passiert war. Hatte er. In zweihundert Schritten Entfernung war der große Afrikaner auf die Schultern eines anderen Kriegers gestiegen; vermutlich Carden Nancarrows, denn zum einen waren die beiden immer zusammen, und zum anderen war Carden vermutlich der einzige Mann in der gesamten Armee, der Atlas’ Gewicht einschließlich Rüstung tragen konnte. Der Kuschite blies zweimal laut auf einer Eisenpfeife.
Die vorderste Schlachtreihe Maiduns wich nun doppelt so schnell zurück und lief schräg nach hinten, weg von den heranrasenden Dumnoniern und dem Zentrum der Schlacht. Sie hielten während dieser Bewegung immer die Speere erhoben, um sich gegen die schweren Streitwagen zu schützen. Ihr Ziel war ein Waldabschnitt mit vielen Brombeersträuchern, die ihre Flanke vor den leichten Streitwagen und ihren Schleudersteinen schützen würden. Aber wenn man die Geschwindigkeit, mit der diese Streitwagen auf sie zurasten, einrechnete, hatten sie nicht die geringste Chance.
Dug war froh, jetzt nicht auf der äußeren rechten Flanke zu sein. Sie würden schon sehr bald mit tödlichen Schleudersteinen überschüttet werden. Tatsächlich war es aber unwichtig, ob er nun dort war oder nicht. Wenn ihre rechte Flanke unter dem Angriff zusammenbrach, dann waren sie alle am Arsch.
Dutzende brennende Heuballen flogen knisternd über Lowas Kopf hinweg.
Sie warf einen Blick auf Samalurs Position. Jetzt, da sich beide Armeen in der Mitte aufgeteilt hatten und ihre das Zentrum freigab, während sie vom Feind verfolgt wurde, entstand eine Lücke vor seinem Gefechtsstand. Auch er hatte sich einen Platz auf einem Grabhügel gesucht, umgeben von einigen Leibwächtern und vermutlich denselben Mitläufern, die sie gestern kennengelernt hatte. Einen Augenblick lang war sie überzeugt, dass er sie direkt ansah, aber dann stieg Rauch von den brennenden Heuballen zwischen ihnen auf.
Atlas’ Pfeife ertönte erneut, dreimal, was seinen Mitstreitern bedeutete, noch schneller zu laufen. Bei einer solchen Geschwindigkeit die Reihen zusammenzuhalten, würde ziemlich schwierig werden. Also lief gerade etwas richtig schief.
O verdammt, dachte Dug, als er auf der Rechten die ersten leichten Streitwagen erblickte, die die Flüchtenden mit ihren Schleudern aufs Korn nehmen konnten. In den vordersten Reihen trugen die Krieger Piken – um die schweren Streitwagen mit ihren rotierenden Klingen abzuwehren. Das hieß, sie hatten keine Schilde. Viele von ihnen gingen zu Boden. Sofort griffen die schweren Streitwagen an.
»Jetzt?«, fragte Spring.
»Jetzt«, bestätigte Lowa und hielt ihre Hand über das Ohr, das dem Mädchen am nächsten war.
»Pfeeeeeer-deeeeeeee!!!«, brüllte Spring. Sie mochte vielleicht ihre Magie nicht einsetzen können, aber dass sie lauter als alle Trompeten zusammen war, erwies sich als nützlich.
Ragnall und zweihundert weitere Reiter mit Schwertern und Bögen, die sich hinter einer kleinen Anhöhe verborgen gehalten hatten, hörten Springs Schrei und sprangen auf. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sich der junge Mann mutig, er hatte ein Ziel und war voller Selbstbewusstsein. Ein lauter Schlachtruf entrang sich seiner Kehle. Was bei den vielen älteren und vernünftigen Kerlen in seiner Nähe zu missbilligenden Blicken führte, aber das störte ihn überhaupt nicht.
Er stürmte los. Er war an der Spitze des Trupps.
Lowa sah sie heranpreschen und spornte ihr Pferd an, gefolgt von Spring. Nun war Lowa in Führung, und Spring direkt an ihrer Seite. Wie ärgerlich, dachte Ragnall. Es war aber auch irgendwie eine Erleichterung. Die ersten feindlichen Steine und Pfeile galten in der Regel nicht dem dritten Reiter.
Vor ihnen brannten die katapultierten Heuballen munter vor sich hin, verbreiteten reichlich Rauch und verbargen die dumnonische Armee. Lowa und ihr Pferd erreichten als Erste den Nebel, direkt gefolgt von Spring auf ihrem Reittier. Ragnall zwang sein Pferd weiterzureiten. Das Tier gehorchte seinem Befehl. Ragnall atmete tief ein. Er steuerte das Pferd nun mit den Schenkeln, hielt sein Schwert in der Hand und folgte der neuen Königin in die Rauchwand.
Sie erreichten die ersten Bäume und beendeten ihren Rückzug. Das bedeutete aber nicht, dass die rechte Flanke der Armee Maiduns alle Probleme hinter sich gelassen hätte. Tatsächlich bedeutete das nur, stellte Dug verärgert schnaubend fest, dass seine eigenen Probleme gerade erst begannen.
Die äußerste Rechte war nun wie geplant durch die brombeerumwucherten Bäume vor den Schleudersteinen Dumnonias geschützt, aber die Schleuderer sprangen einfach von den Streitwagen hinunter, um sich den Kriegern aus den schweren Streitwagen anzuschließen. Gemeinsam bewegten sich Fußsoldaten und Schleuderer auf die jetzt stillstehende Schlachtreihe Maiduns zu. Dug schluckte schwer. Das waren verdammt viele, und sie schienen sich alle auf ihn zuzubewegen.
Ein Hagelschauer aus Schleudersteinen erreichte sie. Schilde wurden hochgerissen. Bald brauchten sie diese Schilde, um sich vor den Schwertern zu schützen. Es sah verdammt mies aus. Jetzt abzuhauen, hörte sich verdammt gut an, aber wenn sie zur Flucht ansetzten, dann würden die Dumnonier Platz machen für die schweren Streitwagen, die ihnen hinterherfahren und sie niedermähen würden.
Dug wurde klar, dass sie nur eins tun konnten. Entsetzen und Enttäuschung rangen in ihm um die Oberhand.
Atlas kam im selben Augenblick zum selben Schluss und blies fünfmal laut auf seiner Pfeife. Das Zeichen zum Angriff. Dug schüttelte den Kopf. Also hieß es jetzt angreifen. Sie hatten keine Wahl. Er erschauerte. In dem Augenblick, als er fürchtete, dass seine Angst ihn überwältigen würde, verwandelte sie sich in rasenden Zorn. Es fühlte sich an, als ob ein Ungeheuer in ihm erwachte, das sich aus seinem Magen heraus ausdehnte, seine Schultern breiter werden und Flammen in seinem Kopf auflodern ließ wie in einem knochengespeisten Schmelzofen. Sein Schamgefühl kämpfte mit seiner Begeisterung, denn er wusste, dass die Kampfeslust in ihm erwacht und es jetzt an der Zeit war, jeden vernünftigen Gedanken fahren zu lassen, zumindest für kurze Zeit.
Dug nahm in einer Hand den Schild hoch, den Kriegshammer in der anderen, und rannte auf die weitgefächerten feindlichen Reihen zu. Er schien über den Boden zu fliegen, als er schneller wurde. Er rannte so schnell wie möglich, ohne sich nur einen Moment zurückzuhalten. Das war auch nicht nötig. Er hatte mehr Energie, als er sich je wünschen konnte. Schleudersteine pfiffen an ihm vorbei. Die vorderste Reihe der Dumnonier näherte sich schnell, ein Haufen bärtiger Kerle, zotteliger Frauen, scharf geschliffener Klingen und umhersurrender Steine.
Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, und er schrie vor Freude. Er schlug Speere mit Schild und Hammer aus dem Weg. Dann ließ er den Kriegshammer kreisen, was drei Gegner von den Beinen holte. Jemand schlug mit einem Schwert nach ihm. Er schlug die Klinge mit dem Schild zur Seite und rammte den Dorn des Kriegshammers von unten ins Kinn des Schwertkämpfers.
Mal schüttelte den Kopf, als er auf die Dug-förmige Lücke in den feindlichen Reihen zurannte. Der Anblick war ihm nicht neu, aber er war immer wieder verblüfft, wenn sich Dug, den er vermutlich als den arbeitsscheusten Kerl aller Zeiten bezeichnet hätte, auf einem Schlachtfeld in ein Wesen aus flammendem Zorn verwandelte.
»Bleib hinter mir!«, rief er Nita zu, als er den ersten Speer zur Seite schlug und sein Schwert in einem dumnonischen Kopf versenkte.
»Hättest du wohl gern!«, brüllte Nita, die an ihm vorbeirannte. Die Klinge des leichten Schwerts in ihrer linken Hand blitzte auf, als sie mit dem eisernen Messrad in der Rechten einen Gegner niederschlug.
»Nicht zu nah ran an Dug!«, brüllte Mal ihr hinterher. Seine Worte schienen sie wenig zu interessieren.
Chamanca leckte das Blut von den Lippen. Obwohl sie nur kurz in die dumnonischen Reihen eingedrungen waren, war sie von Kopf bis Fuß blutverschmiert. Das reichte ihr aber bei Weitem nicht.
»Nicht so schnell!«, schrie sie die Wagenfahrerin an und verpasste ihr eine Ohrfeige. Die Fußsoldaten Dumnonias liefen langsamer auf den Gegner zu. Die Streitwagen Maiduns hingegen drohten aus ihren eigenen Reihen auszureißen. Chamanca wollte für alle übereifrigen Dumnonier bereit sein, die sich zu weit vorauswagten. Sie hatte etwa ein Dutzend getötet, aber das hatte ihr nur Appetit gemacht. Es verlangte sie danach, ihre Zähne in irgendeinen Hals zu schlagen. Es schien ihr schon Ewigkeiten her zu sein, dass sie Weylins Lebenssaft getrunken hatte, und unter Königin Lowas Herrschaft würde sie nicht mehr so oft die Gelegenheit dazu bekommen wie noch bei König Zadar. Eigentlich mochte sie Lowa ja. Wer würde eine mutige, heißblütige, königsmordende Schönheit wie sie nicht mögen, deren Blut so köstlich geschmeckt und deren Haut sich so sanft angefühlt hatte, als sie in der Arena Maiduns und auf Mearhold gegeneinander gekämpft hatten? Doch Lowa hatte das Angebot der Ibererin abgelehnt, ihr ihre Loyalität zu beweisen, indem sie all ihren Gegenspielern die Kehle herausriss. Nicht nur das – sie hatte auch deutlich gemacht, dass sie sie niemals darum bitten würde, das Blut eines Gegners zu trinken. Also musste Chamanca jede Gelegenheit nutzen, ihre persönlichen Vorlieben auszuleben, wenn sie ihr nicht zusah. Was ihre Flucht vor Zehntausenden Dumnoniern, denen das Blut in den Adern kochte, zu einem kleinen Ärgernis machte.
Außerdem näherte sich der Feind in ärgerlich ordentlichen Reihen, sodass ihr Streitwagen sich weiter holpernd entfernen musste. Das ständige Geschüttel und Gerüttel trug wenig dazu bei, ihre Laune zu bessern. Hätte Chamanca den Befehl über diesen Abschnitt ihrer Armee geführt, dann hätte sie den sofortigen Angriff befohlen, trotz Lowas Anweisung, sich zurückzuziehen, und trotz der Tatsache, dass ein Angriff auf den zahlenmäßig weit überlegenen Gegner Irrsinn gewesen wäre. Doch dummerweise hatte Lowa das Kommando nicht nur jemand anderem verliehen, sondern den anderen Streitwagenfahrern befohlen, nicht auf Chamanca zu hören.
Die einzige Person, die sie herumkommandieren konnte, war ihre junge Streitwagenfahrerin. Sie schlug ihr erneut ins Gesicht, schob dann ihre blonden Haare zur Seite und fuhr mit ihren Fingern den schlanken Hals hinab. Das Mädchen hütete sich davor, sich zu beschweren oder gar umzudrehen. Chamanca fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
Dugs Schild war praktisch nur noch eine eiserne Nabe, deren Rand mit Holzsplittern gespickt war. Er ließ sich aber immer noch in dumnonische Gesichter rammen. Sein Kriegshammer pfiff durch die Luft und zerschmetterte Knochen. Ein Schwert schlug klirrend auf seinen Helm. Er schwang den Hammer erneut, und ein weiterer Dumnonier starb. Ein Gesicht tauchte schreiend vor ihm auf. Ein Schlag mit der Rückhand brachte es zum Schweigen.
Tief in ihm meldete sich eine leise Stimme, die ihm schüchtern zuflüsterte, dass er langsam müde wurde und dass er nicht einfach so weitermachen konnte. Er würde schon bald einen Fehler machen oder auf jemanden treffen, der stärker oder besser war als er – oder einfach mehr Glück hatte. Für den Augenblick hatte er doch mehr als genug getan, und er sollte sich erst mal eine Pause gönnen.
Dug gab der leisen Stimme zu verstehen, dass sie sich gefälligst verpissen sollte. Er hatte zu tun. Er tauchte unter einem Schwert hindurch, rammte jemandem den Griff seines Kriegshammers in die Eier und den Schlagdorn vermutlich in das Gesicht derselben Person. Mit jedem Schritt stapfte er tiefer hinein in die dumnonischen Reihen. Der Hammer zog seine Kreise, der Schildbuckel zerschmetterte Gesichter.
Ragnall ritt aus dem Rauch. Es lagen bereits mit Pfeilen gespickte Leichen auf dem Grabhügel, und die reiterlosen Pferde stürmten panisch davon. Der Rest von Samalurs Leibwache sammelte sich mit erhobenen Schwertern um ihren König. Lowa ritt vorneweg, spannte ihren Bogen und erschoss einen weiteren Wächter. Dann griff sie sich einen neuen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn ein, spannte den Bogen und schoss, wieder und wieder. Ihre Bewegungen erinnerten Ragnall an ein Mühlrad an einem reißenden Bach.
Spring folgte der Königin in entspannt wirkendem Trab, schleuderte ihre Steine fast so schnell, wie Lowa ihre Pfeile abschoss, und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Ragnall nahm ein Geräusch wahr, das überhaupt nicht zu dieser Situation passte. Sang Spring etwa? Ja, sie sang tatsächlich.
Der letzte Schleuderer zielte auf Lowa, aber einer von Springs Steinen ließ ihn mit einem überraschten Krächzen hinterrücks vom Pferd fallen. Ragnall fragte sich, warum Samalurs Leibwache nicht mehr Schleuderer und Bogenschützen enthielt. Er gab sich sofort selbst die Antwort – wahrscheinlich hatten Lowa und Spring genau die sofort aufs Korn genommen.
Lowa zügelte ihr Pferd nur zehn Schritte vor dem mannshohen Grabhügel. Ragnall schloss zu ihr auf. Die zweihundert weiteren Reiter Maiduns folgten nur wenige Augenblicke später. Es waren vielleicht noch zehn dumnonische Wachen übrig, die den jungen König irgendwo zwischen sich verbargen.
Die etwa hunderttausend anderen Krieger der Armee waren nirgendwo zu sehen. Sie waren nämlich gerade dabei, die zwei weit auseinanderragenden Flanken der Armee Maiduns zu verfolgen. Ihr Plan war ziemlich einfach gewesen, und er war auch bei Weitem nicht neu. Abgesehen von kleinen Details wie den brennenden Heuballen handelte es sich um einen ähnlichen Schlachtverlauf wie bei Alexander dem Großen, der die wesentlich größere persische Armee bei Gaugamela unter der Führung von Dareios hatte besiegen können. Ragnall hatte auf der Insel der Engel davon gehört. Beim Kriegsrat war er überrascht gewesen, dass außer seinem alten Lehrer Drustan niemand von der Schlacht gehört hatte. Als Lowa sich entschloss, seinen Plan umzusetzen, wäre er beinahe vor Stolz geplatzt. Was ihn vielleicht noch mehr gefreut hatte, war, dass Lowa ihm den Befehl über diejenigen übertragen hatte, die Alexanders Begleiter entsprachen – die Kavallerie, die durch die Lücke zu Samalur geritten war. Ein wohliges Gefühl hatte sich in seinem Bauch breitgemacht, denn er erinnerte sich daran, dass Alexander einen seiner Begleiter zum Geliebten erwählt hatte.
Lowa wandte sich an Ragnall und die anderen Reiter. Rauchfäden umspielten sie. »Umringt den Grabhügel«, sagte sie und rief dann: »Bruxon! Gib uns Samalur sofort heraus, oder ihr werdet alle sterben.«
»Du hast keine Chance, Lowa! Meine Armee … Argh!« Samalurs Stimme verstummte, die Reiter machten Platz, und ein ernst wirkender, in Schwarz gekleideter Mann, von dem Ragnall annahm, dass es sich um Bruxon handelte, kam den Grabhügel herab und zerrte den König an seinem Halsband hinter sich her.
Lowa stieg ab und ging auf sie zu, in einer Hand den Bogen, in der anderen ein Schwert.
Bruxon stieß Samalur in ihre Richtung.
Der König Dumnonias stolperte und fiel vor Maiduns Königin auf die Knie. »Lowa …«, stammelte er mit ausgebreiteten Armen, die Handinnenflächen nach oben gereckt. »Wir müssen Verbündete sein. Wie du es schon gesagt hast. Gemeinsam können wir –« Lowa hob ihren Schwertarm, Samalur hob einen Arm, um sich zu schützen, und schrie: »Nein! Tu es nicht!«
Lowa drehte sich blitzschnell, die Bewegung schemenhaft. Samalurs Hand und sein Kopf flogen in die Luft. Sein Körper fiel nach hinten, und aus seinem Hals und am Handgelenk sprudelte Blut hervor. Seiner Leibwache verschlug es den Atem, und die Kavallerie Maiduns jubelte begeistert.
Lowa schnappte sich den Kopf des Jungen, sprang auf ihr Pferd und rief: »Folgt mir!« Dann sprengte sie davon.
Ragnall sah sich um. Wenn seine Begleiter genauso überrascht waren wie er, dann verbargen sie das ziemlich gut. Sie rammten ihren Pferden die Fersen in die Flanken und rasten hinter der Königin her.
»Stopp!«, brüllte jemand Dug an.
Die Feiglinge hauten ab!
»Stopp!« Sie liefen ihm weg. Er holte mit seinem Kriegshammer aus und schlug daneben.
»Dug, du Arsch! Stopp!« Jemand packte ihn am Arm. Jemand, der sehr stark war. Dug riss in einer fließenden Bewegung den blutverschmierten, eingedellten Schildbuckel herum, um sich des Gegners zu entledigen. Er brauchte den Arm. Doch irgendetwas packte ihn nun auch am linken Arm.
»Stopp!«, ertönte schon wieder dieser nervige Ruf. Er versuchte seine Gegner abzuschütteln, doch die leise Stimme in seinem Kopf, die sich schon seit einiger Zeit Gehör zu verschaffen versuchte, erreichte ihn endlich und überzeugte ihn davon, sich zumindest ganz kurz umzuschauen und herauszufinden, was eigentlich los war.
Dug schüttelte den Kopf. Es knackte in seinen Ohren. Es fühlte sich an, als ob ihm jemand einen Verband von den Augen riss, als ihn die Realität mit atemberaubender Geschwindigkeit einholte.
Mal hielt einen seiner Arme fest, Atlas den anderen. »Öh?«, sagte er.
»Sobek sei gedankt«, sagte Atlas. »Es ist vorbei, du Riesendepp. Da, schau.«
Dug sah sich um. Die Kampfhandlungen waren beendet. Einige der Dumnonier gingen zu ihren Streitwagen zurück. Viele Krieger beider Seiten saßen auf dem blutigen Gras und versorgten ihre Verletzungen. Andere, die weniger Glück gehabt hatten, schrien vor Schmerzen und versuchten ihre Eingeweide wieder in den Körper zu stopfen oder starrten ausdruckslos auf ihre abgetrennten Arme oder Beine. Andere taten ihren letzten gluckernden Atemzug. Verdammt viele waren tot. Dug blickte auf seinen blutverschmierten Schlagdorn herab.
»Was ist passiert?«, brachte er mühsam hervor.
»Lowa«, sagte Mal. Atlas war schon wieder weg und brüllte den besiegten Dumnoniern hinterher, nicht zu weit wegzugehen.
»Lowa?«
»Lowa.« Mal schüttelte völlig verwirrt und erschöpft den Kopf.
»Wie wäre es mit ein wenig mehr Details?«, fragte Dug.
»,tschuldigung, aber mich hat die Schlacht ziemlich mitgenommen. Wir sind ja nicht alle von Macha getriebene Wahnsinnige wie du, Dug. Wir haben hier gekämpft, und dann ertönte dieser gottlose Schrei, und dann sahen wir Silver – ich meine Spring – auf einem Pferd neben Lowa.« Jetzt, wo Mal ihn erwähnte, fiel auch dem Nordmann wieder ein, dass inmitten des lodernden Zorns ein seltsamer Schrei zu hören gewesen war. »Und dann hielt Lowa den Kopf des dumnonischen Königs hoch«, fuhr Mal fort, »und brüllte, dass die Schlacht vorüber sei. Die meisten Dumnonier meinten dann, wo sie recht hat, hat sie recht, und haben ihre Waffen niedergelegt. Und das war es dann auch schon, mehr oder weniger. Ein paar Idioten wie du haben noch eine Zeit lang gekämpft, aber die meisten haben einfach aufgegeben wie Leute, die ohnehin nie wirklich hatten kämpfen wollen. Lowa ist dann in Richtung Süden geritten, wahrscheinlich, um auch dort den Kampf zu beenden.«
»Sie ist weg?«
»Sie ist eine von denen da.« Mal deutete auf die andere Seite des Schlachtfelds, wo eine kleine Reitertruppe quer über die Ebene flog.
»Dachsschwanz, verdammter«, sagte Dug.
Ragnall hatte schon einmal zu viel Alkohol getrunken. Er hatte sich wie ein Trottel verhalten, hatte ordentlich was aufs Maul bekommen und war am nächsten Morgen mit einem Gefühl aufgewacht, als wäre er vergiftet worden. Außerdem war ihm alles, was er jemals getan oder sich zum Ziel gesetzt hatte, als völlig wertlos erschienen. Damals hatte er die vernünftige Entscheidung getroffen, sich nie wieder richtig zu betrinken, ähnlich wie ein Hund nur einmal seine neugierige Nase in ein Wespennest steckte.
Also verstand er am Abend nach der Schlacht nicht – als alle Leute um ihn herum betrunken waren, einschließlich Drustan, und so viel Bier und Cider in sich hineingekippt hatten –, dass sie sich immer wieder dieselben Geschichten erzählten und mit bedeutungsschwangeren Fingern aufeinander zeigten. So, als ob sie das Geheimnis des Lebens entdeckt hätten, wieso auch nur einer von ihnen glauben konnte, dass sich ihre Beobachtungen für einen wahren Philosophen nicht anhören mussten wie ein herzhafter Furz für einen ausgebildeten Sänger. Ragnall kam zu dem Schluss, dass er sich lieber hinlegen und allein den Himmel betrachten wollte, als sich noch eine halb vergessene Geschichte oder einen Viertellöffel voll Weisheit anhören zu müssen. Er stand auf und machte sich auf den Weg.
Er hatte schon fast die groben Tische und Bänke der improvisierten Kneipe hinter sich gelassen, als ein harter, aber ziemlich betrunken und fröhlich wirkender Kerl ihn am Arm packte.
»Trink einen mit mir!«
»Danke, aber ich habe da drüben schon zwei runtergekippt«, log er.
»Na denn! Weißt du, seit wann ich weiß, dass Lowa Königin werden würde?«
»Das weiß ich nicht.« Ragnall versuchte sich zu befreien, aber der Mann hielt ihn fest. Es schien, dass er eine Geschichte zu erzählen hatte und sich nicht davon abhalten lassen würde. Ragnall entschied, dass es einfacher und schneller war, ihm zuzuhören, als sich mit vernünftigen Argumenten aus dieser Notlage zu befreien.
»Weißt du, seit wann ich weiß, dass Lowa Königin werden würde?«, wiederholte der Kerl.
»Okay, seit wann weißt du, dass Lowa Königin sein würde?«, fragte Ragnall.
»Boddingham«, sagte der Mann.
»Was?«, fragte Ragnall.
»Boddingham«, wiederholte der Mann und nickte wild. »Als wir es geplündert haben. Seitdem wusste ich genau, dass Lowa eines Tages Königin sein würde.«
Die friedliche Sommernacht und das laute Gelächter der Feiernden verstummte in Ragnalls Ohren, als er sich an den Ritt nach Boddingham erinnerte. Seine toten Freunde. Die zertrümmerte Palisade. Seine abgeschlachteten Brüder. Durchbohrt von Pfeilen …
Er schüttelte den Kopf. »Aber Lowa war in Boddingham nicht dabei. Sie hat mir gesagt, sie wäre an dem Tag auf Erkundung gewesen.«
»Sie? Nicht in Boddingham? Lowa? Erkundung? Lowa? Nee, nee, nee. Das hast du falsch verstanden, Kumpel. Sie ist als Erste über die Palisade, wer denn sonst? Sie hat sich bewegt, als ob sie mit ihrem Pferd verschmolzen wäre und hat ihre Pfeile in Männer, Frauen und Tiere gejagt. In dem Augenblick habe ich zu mir gesagt: Die da, die wird eines Tages Königin. Sie war göttergleich. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele sie an diesem Tag getötet hat. In dem Augenblick habe ich gesagt, die wird eines Tages Königin. Hat sich bewegt, als ob sie mit ihrem Pferd verschmolzen wäre. Als Erste über die Palisade.« Der Mann nickte begeistert.
»Wie viele?«, brachte Ragnall mühsam hervor.
»Was meinst du?«
»Wie viele Leute hat sie getötet?«
»In Boddingham?«
»Ja!«
»Weiß ich nicht. Vielleicht fünfzig? Vielleicht zehn. Wahrscheinlich mehr als zehn, aber weniger als fünfzig. ,ne Menge. Vielleicht fünfzig.«
»Ich verstehe. Ich muss los.«
»Trink einen mit! Ich hol dir einen. Siehst aus, als ob du was zu trinken bräuchtest.«
Ragnall blieb stehen. »Na gut. Ich glaube, ich trinke noch einen mit.« Er entdeckte auf einer Bank einen leeren Platz und setzte sich hin.
Der Mann torkelte von dannen.
Nach einiger Zeit wurde Ragnall klar, dass er nicht zurückkehren würde, und er stand auf, um sich selbst was zu trinken zu besorgen.
Fernab des Lärms der Siegesfeier sprach Lowa mit Bruxon, dem Dumnonier, und das sehr lange. Lowa stellte die meisten Fragen, und Bruxon beantwortete sie alle ausführlich. Sie fand heraus, dass Samalurs Vater Vidin ein Tyrann gewesen war, der sie stark an Zadar erinnerte. Vielleicht war er sogar noch schlimmer gewesen, denn er war plündernd durch Dumnonia gezogen, um den gesamten Reichtum in wenige Hände zu legen und die Gunst der Römer zu gewinnen.
Bruxon hatte mit einigen Verschwörern gegen Vidin rebelliert und ihn getötet. Sie hatten ihn durch seinen Sohn Samalur ersetzt, der bis zu diesem Zeitpunkt seine Nase hauptsächlich in Bücher gesteckt hatte. Einen größeren Fehler hätten sie nicht machen können. Samalur war um einiges intelligenter als sein Vater, denn in dem Augenblick, als sie ihn auf den Thron setzten, widmete er sich mit seinem schlauen Köpfchen nur einer Aufgabe – gnadenloser Verfolgung. Er hatte nicht nur alle Druiden töten lassen, sondern auch jeden, den er nur ansatzweise als Rivalen empfunden hatte, einschließlich dreier Brüder, zweier Schwestern, seiner Mutter und einer ganzen Reihe an Onkeln, Tanten und Cousins. Jeden, den er nicht als Bedrohung verstand, der aber über Einfluss verfügte, hatte er mit Gold, Ländereien und Sklaven gekauft. Bruxon und die Überlebenden der damaligen Verschwörung hatten verzweifelt nach einer Lösung gesucht, wie sie den jungen Unterdrücker loswerden konnten, als Lowa ihnen diese Aufgabe freundlicherweise abgenommen hatte. Er entschuldigte sich wiederholt für die Schlacht, bot ihr Nahrungsmittel, Waffen und Gold als Entschädigung und schwor hoch und heilig, dass Dumnonia ab sofort ihr Verbündeter sei und im Kampf gegen die Römer ihren Befehlen Folge leisten würde, obwohl sie eine zahlenmäßig größere Armee besaßen. Größer als sonst jemand auf der Insel.
Er hatte Lowa auch um die Erlaubnis gebeten, König von Dumnonia zu werden. Es war immer üblich gewesen, den nächsten Verwandten zum König zu machen, doch Samalur hatte so viele Familienmitglieder umgebracht, dass selbst Bruxon, der nur ein entfernter Verwandter der königlichen Linie war, einen Anspruch erheben konnte. Sein Vorteil war, dass er die Unterstützung der vernünftigen und aufrechten Überlebenden von Samalurs Herrschaft hatte. Er schwor ihr, sein Volk gut zu behandeln und seine Armee auf die römische Invasion vorzubereiten.