Agricola und Germania - Tacitus - E-Book

Agricola und Germania E-Book

Tacitus

3,0

Beschreibung

Agricola und Germania, zwei kleine Werke zur Geschichte bzw. zur Ethnographie des römischen Schriftstellers P. Cornelius Tacitus (um 58 bis ca. 120 n. Chr.), sind in diesem Bändchen versammelt und ausführlich erläutert. Die Biographie seines Schwiegervaters Julius Agricola war für Tacitus die erste Schrift eines umfassenden Werkes über die (aus seiner Sicht) neuere und neueste Geschichte. Zu den nie an Aktualität verlierenden Themen des Werkes gehört die Auseinandersetzung mit dem (römischen) Imperialismus ebenso wie die mit den 15 Jahren der Gewaltherrschaft Kaiser Domitians, nach der die überlebenden Politiker und Schriftsteller Rechenschaft geben mussten über ihre Rolle während des Staatsterrors. Wie schwer dies war, fasst Tacitus so zusammen: Die Erinnerung daran hätten wir freilich mit der Stimme verloren, wenn es so in unserer Macht gestanden hätte, zu vergessen, wie zu schweigen. Die Schrift De origine et situ Germanorum ist die einzige aus der Antike erhaltene Monographie, die ein einzelnes Volk beschreibt. Die überaus positive Darstellung der Bewohner Germaniens hat manche Historiker im Zeitalter übersteigerten Nationalismus dazu verführt, die Germania vor allem als Bestätigung traditioneller deutscher Überlegenheit aufzufassen, doch gab es auch im 19. Jahrhundert schon viele Wissenschaftler, die in der hier aufschimmernden Kritik an der römischen Gesellschaft eine wichtige Absicht des Autors erkannten. Auch in diesem Fall aber bleibt das Buch eine wichtige historische Quelle, denn mit falschen Behauptungen oder durchschaubaren Übertreibungen hätte der Autor wohl kaum erwarten können, in der Öffentlichkeit ernst genommen zu werden.

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Die genauen Lebensumstände von PUBLIUS CORNELIUS TACITUS (um 58 n. Chr. – um 120 n. Chr.) lassen sich nur mithilfe verstreuter Selbst- und Fremdzeugnisse rekonstruieren. Als gesichert gilt, dass der Römer Karriere im Staatsdienst machte und der üblichen Laufbahn als Gerichtsredner folgend, bis in das Amt des römischen Senators aufstieg, das er unter Vespasian, Titus und schließlich Domitian ausübte. Überragende Bedeutung für die Nachwelt errang Tacitus als Geschichtsschreiber, dessen versierte Analysen unser modernes Bild vom römischen Reich im 1. Jahrhundert n. Chr. entscheidend mitgeprägt haben.

DR. LENELOTTE MÖLLERstudierte Geschichte, Latein und evangelische Theologie in Saarbrücken, Basel und Mainz; die Promotion in Geschichte folgte im Jahr 2000; sie ist Studiendirektorin am Gymnasium Schifferstadt im Rhein-Pfalz-Kreis. Im marixverlag sind von ihr zahlreiche Übersetzungen erschienen.

Zum Buch

Agricola und Germania, zwei kleine Werke zur Geschichte bzw. zur Ethnographie des römischen Schriftstellers P. Cornelius Tacitus sind in diesem Bändchen versammelt und ausführlich erläutert. Die Schrift De origine et situ Germanorum ist die einzige aus der Antike erhaltene Monographie, die ein einzelnes Volk beschreibt. Die überaus positive Darstellung der Bewohner Germaniens hat manche Historiker im Zeitalter übersteigerten Nationalismus dazu verführt, die Germania vor allem als Bestätigung traditioneller deutscher Überlegenheit aufzufassen, doch gab es auch im 19. Jahrhundert schon viele Wissenschaftler, die in der hier aufschimmernden Kritik an der römischen Gesellschaft eine wichtige Absicht des Autors erkannten. Auch in diesem Fall aber bleibt das Buch eine wichtige historische Quelle, denn mit falschen Behauptungen oder durchschaubaren Übertreibungen hätte der Autor wohl kaum erwarten können, in der Öffentlichkeit ernst genommen zu werden.

Die Biographie seines Schwiegervaters Julius Agricola war für TACITUS die erste Schrift eines umfassenden Werkes über die (aus seiner Sicht) neuere und neueste Geschichte. Zu den nie an Aktualität verlierenden Themen des Werkes gehört die Auseinandersetzung mit dem (römischen) Imperialismus ebenso wie die mit den 15 Jahren der Gewaltherrschaft Kaiser Domitians, nach der die überlebenden Politiker und Schriftsteller Rechenschaft ablegen mussten über ihre Rolle während des Staatsterrors. Wie schwer dies war, fasst Tacitus so zusammen: „Die Erinnerung daran hätten wir freilich mit der Stimme verloren, wenn es so in unserer Macht gestanden hätte, zu vergessen, wie zu schweigen.“

Tacitus

Agricola und Germania

Tacitus

Agricola und Germania

Übersetzt, eingeleitet und erläutertvon Lenelotte Möller

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttps://dnb.d-nb.de abrufbar.

Es ist nicht gestattet, Abbildungen und Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2012Lektorat: Dietmar Urmes, BottropCovergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbHBildnachweis: akg-images GmbH, BerlineBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0270-3

www.marixverlag.de

Inhalt

Einleitung

Rom im 1. Jahrhundert n. Chr

P. Cornelius Tacitus

Schriften und Überlieferung

Zu dieser Ausgabe

Agricola

Die Römer in Britannien

Iulius Agricola – Leben und Lebensbeschreibung

Übersetzung und Erläuterungen

Germania

Germanen und Römer

Tacitus’ Quellen

Die Germania

Absicht und Wirkung

Übersetzung und Erläuterungen

Zeittafel

Literaturverzeichnis

Einleitung

Rom im 1. Jahrhundert n. Chr.

Nach einem ganzen Jahrhundert, das vom Bürgerkrieg in seinen verschiedenen Phasen geprägt war, erholte sich Rom unter Octavian Augustus allmählich von den Erschütterungen jener Zeit, und während Augustus den Schein der Wiederherstellung der alten res publica aufrechterhielt, setzten sich er und seine Nachfolger in Wirklichkeit immer stärker gegen die Macht des Senates durch: außenpolitisch, indem die Leitung der äußeren Provinzen, in welchen die Legionen stationiert waren, vom Kaiser übernommen wurde. Die inneren Provinzen ohne Militär wurden vom Senat verwaltet. Innenpolitisch machte sich besonders die kaiserliche Einflussnahme bei den Magistratswahlen bemerkbar.

Auf Augustus folgten im Jahr 14 n. Chr. Tiberius, diesem im Jahr 37 Gaius, Sohn des Germanicus und Agrippinas, geb. 12 n. Chr. Aufgrund seiner Jugend, die er bei den Legionen verbracht hatte, wurde er nach dem Schuhwerk der Soldaten Caligula (Stiefelchen) genannt. In seiner Regierungszeit wurde der Schriftsteller Tacitus geboren. Caligula war unter Mitwirkung des Senates zur Kaiserwürde gelangt und regierte zunächst auch sehr besonnen, doch schlug sein Herrschaftsstil bald in Willkür und Verschwendungssucht um. Deswegen ließ er wohlhabende Römer vor Gericht stellen und unter fadenscheinigen Gründen verurteilen, um ihr Vermögen einzuziehen. Solchen Maßnahmen trat der Senat weder geschlossen noch entschlossen entgegen. Bereits Caligula hegte Pläne, Britannien zu erobern. Im Jahr 41 wurde er allerdings ermordet, bevor es zur Umsetzung kam, und ihm folgte sein Onkel, Kaiser Claudius.

Dieser war der Sohn des jüngeren Drusus und zwei Jahre vor seinem Neffen geboren. Claudius wurde von den Prätorianern zum Kaiser erhoben. Zu den bedeutenden Taten dieses Herrschers gehört die Verleihung des römischen Bürgerrechts an die Gallier, und in seine Regierungszeit fällt die Invasion der Römer in Britannien, die im Gegensatz zu C. Iulius Caesars erstem Aufenthalt zur weiteren Eroberung der Insel durch die Römer führte. Auf Claudius folgte mit Nero im Jahr 54 der letzte Herrscher der julisch-claudischen Dynastie. Nero war 37 geboren und der Sohn C. Domitius Ahenobarbus’ und der Iulia Agrippina, einer Enkelin des Augustus. Ihn hatte Claudius adoptiert, und die Prätorianer riefen ihn zum Kaiser aus. Erzogen worden war Nero von dem stoischen Philosophen Seneca, und solange er noch unter dessen Einfluss stand, setzte er vernünftige Reformen der römischen Politik durch und nahm Rücksicht auf den Senat. Nachdem aber Seneca die Kontrolle über seinen Zögling verloren hatte, entwickelte sich Nero zu einem grausamen Gewaltherrscher. Er ließ 55 seinen Halbbruder Britannicus ermorden und 59 seine Mutter Agrippina, er verstieß seine Frau Octavia, ordnete später ihre Ermordung an und vermählte sich neu mit Poppea Sabina; er trat öffentlich als Wagenlenker und Sänger auf. Seine außenpolitische Tätigkeit ist gekennzeichnet durch die Niederschlagung des Boudicca-Aufstands in Britannien und durch den Sieg über die Parther und Armenier. Eine im Jahr 64 in Rom ausgebrochene Feuersbrunst wurde ihm zur Last gelegt, was aber nicht bewiesen werden kann. Immerhin profitierte der Kaiser selbst am meisten davon, indem er wichtige Teile Roms nach eigenen Plänen neu aufbauen konnte, dabei wurde auch ein riesiger Kaiserpalast errichtet. Den Zorn der Bevölkerung lenkte er geschickt auf die in Rom gerade sich entwickelnde Gemeinde der Christen, die hier erstmals in großer Zahl verfolgt wurden. Nach der Aufdeckung der Pisonischen Verschwörung gegen Nero wurde unter anderem der Philosoph Seneca zum Selbstmord gezwungen. Der Senat hatte Nero nichts entgegenzusetzen, doch im Jahr 68 riefen die römischen Legionen im diesseitigen Gallien im Juni den bereits 73-jährigen Sulpicius Galba zum neuen Kaiser aus, der ein erfolgreicher Statthalter in mehreren Provinzen gewesen war. Nero ließ sich auf der Flucht vor dessen Anhängern selbst ermorden. Als jedoch Galba die Soldaten nicht in der erhofften Weise entlohnte, sondern sich als geizig erwies, erhoben die Prätorianer im Januar 69 an seine Stelle M. Salvius Otho, einen ehemaligen Günstling Neros, der jedoch in A. Vitellius sogleich einen Konkurrenten hatte, der ihn in einer Schlacht bei Cremona im April 69 besiegte und so zum Selbstmord veranlasste.

Nach diesen Wirren wurde T. Flavius Vespasianus von mehreren Legionen zum Imperator ausgerufen, der gerade in Palästina Krieg gegen die Provinz Judäa führte. Bei seinem Einmarsch in Rom zu Beginn des Jahres 70 hatte Vitellius bereits den Tod gefunden. Vespasian gelang es, mit seiner aus Reate stammenden Familie eine neue Dynastie, wenigstens über zwei Generationen, zu installieren. Vespasian war 9 n. Chr. geboren, hatte als Militärtribun in Thrakien und Quästor in Kreta und Kyrene gedient, 38 war er Ädil, 39 Prätor, dann Legat in Germanien und Britannien und noch vor 62 Prokonsul in Afrika, 66 schließlich in Judäa. In der Innenpolitik führte er eine Beruhigung herbei; außenpolitisch ist seine Regierungszeit gekennzeichnet von der Niederschlagung des Bataveraufstands unter Iulius Civilis 71 und der Einnahme Jerusalems durch seinen Sohn Titus im Jahr 70. Auf Vespasian folgte 79 für eine nur zweijährige Regierungszeit sein Sohn Titus, dessen Regierung von den Geschichtsschreibern im Nachhinein durchaus positiv beurteilt wird. 79 n. Chr. wurde Italien durch den Ausbruch des Vesuvs erschüttert, bei dem die Städte Pompeji und Herculaneum am Golf von Neapel vollständig unter Asche begraben wurden.

Auf Titus folgte sein jüngerer Bruder Domitian (geb. 51, Kaiser 81 bis 96), der Tacitus, Plinius d. Jüngeren und andere Schriftsteller jener Zeit am nachhaltigsten beschäftigte. Nach einem von den Zeitgenossen positiv bewerteten Start in seine Regierung entwickelte er sich bald zu einem despotischen Herrscher, der den Senat missachtete, die Denunziation in jeder Weise förderte, Intellektuelle ausweisen oder umbringen ließ und, um an das Vermögen reicher Bürger zu kommen, diese wegen Majestätsbeleidigung anklagen und hinrichten ließ. Seine außenpolitische Bilanz ist gemischt: In Britannien erfolgreich mit dem Statthalter Agricola, unternahm er 83 einen Feldzug gegen die Chatten und unterlag 90 den Dakern. 96 wurde Domitian bei einer Palastrevolution ermordet. Viele Politiker und Schriftsteller befassten sich in den folgenden Jahren mit ihrer Rolle in Domitians Unrechtsstaat.

M. Cocceius Nerva aus Narnia in Umbrien, der 71 und 90 Konsul gewesen war, wurde vom Senat auf den Thron gehoben, beruhigte zunächst die innenpolitische Lage, stärkte den Senat und sanierte die Staatsfinanzen. Er wird als bescheiden und freundlich geschildert. Die Macht des Amtes habe er nie angestrebt. Nach nur zwei Amtsjahren folgte ihm M. Ulpius Traianus, ein 53 in Hispanien geborener Senatorensohn, den Nerva adoptiert hatte, als Traian noch als Statthalter in Germanien kämpfte. In seinem Todesjahr 117 erreichte das Imperium Romanum seine größte räumliche Ausdehnung. Den Regierungsstil seines Vorgängers setzte er im Wesentlichen fort. Außenpolitisch führte er erfolgreich Krieg gegen die Daker und die Parther.

Tacitus dürfte auch noch die ersten Regierungsjahre Hadrians erlebt haben, der von 117 bis 138 über Rom herrschte. Auch unter Hadrian bestand Frieden zwischen Kaiser und Senat.

In der Herrschaftszeit der beschriebenen Kaiser veränderten sich Gesellschaft und Herrschaft im Imperium Romanum deutlich. Immer klarer wurde nach dem Tod des Augustus, dass die alte res publica endgültig untergegangen war. Ritter und Freigelassene im Umfeld der Kaiser übernahmen stärker deren Beratung anstelle des Senats und ebenso wichtige Verwaltungsaufgaben. Denunziation wurde von den meisten Kaisern gefördert. Das Volk erhielt statt des alten Mitspracherechts nun Unterhaltung und kostenlose Nahrungsmittelzuweisungen. Gleichzeitig verlor Italien seine zentrale Stellung für das Imperium Romanum. Seine wirtschaftliche Bedeutung nahm ab. Herrscher kamen, ebenso wie z.B. bedeutende Schriftsteller, immer häufiger aus anderen Provinzen des Reiches. Die Auswahl der Kaiser wurde zunehmend von den Legionen bestimmt. Noch war das Reich im Wachstum begriffen, aber nicht mehr so schnell wie in den früheren Jahrhunderten. Die Grenzsicherungen gewannen an Bedeutung.

P. Cornelius Tacitus

Tacitus wurde um 55 n. Chr., wohl in der Provinz Gallia Cisalpina oder in der Gallia Narbonensis, geboren. Die Familie gehörte dem Ritterstand an, und bisher war noch kein Familienmitglied Senator gewesen. Tacitus’ Mutter hieß wahrscheinlich Caecina; von seinem Vater, einem Prokurator in der Gallia Belgica, ist das Fragment einer Grabinschrift erhalten (CIL VI,41106): [Tac]ito Ca[... X]viro stlitib[us iudicandis ... quaesto]ri Aug(usti) tribun[o plebis – Dem Tacitus Ca[...], Decemvir stlitibus iudicandis, Quästor des Kaisers, Volkstribun.

Tacitus selbst erhielt die Ausbildung für die politische Laufbahn. Seine Lehrer waren Marcus Aper und Iulius Secundus. Der junge Tacitus war erfolgreich als Gerichtsredner und Anwalt und verlobte sich 76 oder 77 mit der Tochter des Feldherrn Cn. Iulius Agricola, was einen enormen gesellschaftlichen Aufstieg bedeutete, da Iulia aus der Nobilität stammte. Wahrscheinlich hatte er seinen Militärdienst zu dieser Zeit bereits abgeleistet. Welche Ämter Tacitus in welchen Jahren bekleidete, ist nicht genau bekannt, doch wurde er unter Kaiser Vespasian Senator, quaestor Augusti war er im Jahr 81 unter Titus, Volkstribun unter Domitian. 88 wurde er, noch ziemlich jung, Prätor und Quindecimvir sacris faciundis. In dieser Funktion half er bei der Organisation der Säkularfeier. Sicher ist auch, dass er sich 93, im Todesjahr seines Schwiegervaters, nicht in Rom aufhielt, sondern wohl ein Promagistrat ausübte. 97 wurde er unter Kaiser Nerva Suffektkonsul. In dieser Funktion hielt Tacitus eine Leichenrede auf seinen Vorgänger L. Verginius Rufus.

Im Jahr nach dem Konsulat nahm Tacitus seine schriftstellerische Tätigkeit auf, und zuerst erschienen von ihm zwei kleinere Werke: Agricola und Germania, einige Jahre später der Dialogus.

Im Jahr 100 war er zusammen mit seinem Freund, dem jüngeren Plinius, der ihn sehr verehrte, Ankläger des früheren Prokonsuls der Provinz Africa Marius Priscus, der sich in seiner Provinz schamlos bereichert hatte. Priscus wurde mit Verbannung bestraft. 104/05 war Tacitus wiederum von Rom abwesend, vermutlich verwaltete er in dieser Zeit eine konsularische Provinz. 112/13 belegt ihn eine Inschrift aus Mylasa (OGIS II,487) als Prokonsul der Provinz Asia – die Krönung seiner Karriere. Unbekannt ist, wann Tacitus seine beiden großen, leider nur in Teilen erhaltenen Werke, die Historien und die Annalen verfasste. Er starb wohl um das Jahr 120.

Schriften und Überlieferung

Von P. Cornelius Tacitus sind drei kleinere und – in Teilen – zwei große Werke überliefert. Ab dem Jahr 97 arbeitete er an seinem Geschichtswerk.

Nach seinen beiden Erstlingen Agricola und Germania erschien zwischen 102 und 107 der Dialogus de oratoribus, eine im Stil Ciceros abgefasste Abhandlung über den Niedergang der Beredsamkeit in Rom. Die einzelnen Teilnehmer (Marcus Aper, Iulius Secundus, Vipstanus Messalla und der Gastgeber Curiatius Maternus) entwickeln die Themen wie in einem realen Gespräch auch mit Brüchen und Wiederaufnahmen: die Vorzüge des Berufs des Redners und die Vorzüge eines zurückgezogenen Lebens – Niedergang oder Blütezeit der Redekunst – Erziehung zum Redner und Qualität der Redelehrer [danach folgt eine Lücke in der Überlieferung] – Verlust der Funktion der politischen Rede in der Kaiserzeit, bis Tacitus zu dem Schluss kommt, dass die Redekunst in unruhige Zeiten mit Aufruhr und Streit gehört, während ihr Platz in einem wohlgeordneten Staat nicht ist.

Die Historien entstanden bis etwa zum Jahr 108/09. Sie behandeln die römische Geschichte von 69 bis 96, beginnen also mit dem Vierkaiserjahr und stellen die Geschichte der flavischen Dynastie dar. Erhalten sind von den ursprünglich wohl zwölf Büchern nur die ersten vier und der Anfang des fünften. Nach dem Rückblick auf die Rhetorik im Dialogus beginnt Tacitus hier mit einem Rückblick auf seine Vorgänger als Geschichtsschreiber, stellt Überlegungen zum Vierkaiserjahr an und lässt dann die Ereignisse beginnen. Die Kaiser bewertet er vor allem aufgrund ihrer außenpolitischen Leistung. Der erhaltene Teil des fünften Buches endet mit dem Krieg in Judäa im Jahre 70.

Die Annalen (Ab excessu divi Augusti) entstanden wohl in zwei Teilen und enthalten die römische Geschichte von 14 n. Chr. bis 68, also die julisch-claudische Dynastie nach Augustus. Das Werk war auf 16 bis 18 Bücher angelegt, von denen ein Teil des fünften, der Abschnitt vom siebten bis zum zehnten Buch sowie das Ende ab der zweiten Hälfte des 16. Buches nicht überliefert sind. Nach einem kurzen Proömium bietet Tacitus einen knappen Abriss der römischen Geschichte bis zur Zeit des Augustus, den er sehr kritisch beurteilt.

Je sechs Bücher sind Tiberius und Claudius gewidmet, der Rest Nero.

Tacitus Quellen waren außer Senatsakten, zu denen er als Senator und ehemaliger Konsul Zugang hatte, private Archive, Augenzeugenberichte und eigene Anschauung, ferner die Geschichtsschreiber des 1. Jahrhunderts, insbesondere der ältere Plinius mit seinen Büchern über die Germanenkriege und seinen Historien, Cluvius Rufus (Konsul und Begleiter Neros bei dessen Griechenlandreise), Fabius Rusticus sowie vielleicht Servilius Nonianus und der ältere Seneca, deren infrage kommenden Werke ausnahmslos verloren sind. Zu seinen Vorbildern im Stil gehört Sallust. Wichtig war ihm die historische Analyse, nicht die Neutralität. Was er berichtet, ist in der Regel wahr, doch Auswahl und Anordnung werden der Autorintention untergeordnet.

Zu dieser Ausgabe

Wie antike Geschichtsschreiber in der Einleitung ihr Werk begründen und als notwendig erweisen, ist es auch bei Tacitus’Agricola und Germania angebracht zu erklären, warum den vielen existierenden gedruckten Übersetzungen hiermit noch eine weitere hinzugefügt wird. Hauptmerkmal der vorliegenden Ausgabe sind die ausführlichen Erläuterungen, die nicht am Ende des Buches – womöglich noch kapitelweise – gesucht werden müssen, sondern unter der Textstelle, auf die sie sich beziehen, schnell gefunden werden können und drei Schwerpunkte haben:

1. Sie enthalten Sachinformationen zu Orten, Personen und Sachverhalten, die der Orientierung und dem Verständnis des keineswegs aus dem reinen Text alleine heraus begreifbaren Werkes dienen. Insbesondere erfahren die Leser, wieweit andere schriftliche Überlieferungen oder archäologische Erkenntnisse Tacitus’ Ausführungen als zutreffend, unwahrscheinlich oder falsch erweisen.

2. Die Erläuterungen bieten Hinweise auf das Vorwissen und die Assoziationen der römischen Leser, sodass Rückschlüsse auf die Intention des Verfassers möglich sind, aber auch die Wirkung der Schriften beim zeitgenössischen Publikum nachvollziehbar wird.

3. Sie teilen zu vielen Stellen die Wirkungsgeschichte mit, darunter auch wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich direkt aus den Texten oder im Zusammenhang mit ihnen ergeben haben und für diejenigen Personen, die sich heute entschließen, Tacitus zu lesen, gewiss von Interesse sind.

Die vorliegende Ausgabe soll daher Tacitus’ erste beiden Schriften, von denen mindestens die Germania dem Namen nach eine breitere Bekanntheit besitzt, Lesern erschließen, die den reinen Übersetzungstext, obwohl sie das Thema interessiert, nach einigen Seiten wohl weglegen würden oder nur einen geringen Teil des – hier zum Teil vergrabenen – Wissensschatzes mitnehmen würden.

Agricola

Die Römer in Britannien

Seit etwa 10 000 Jahren ist Britannien eine Insel, reich an metallischen Rohstoffen, wenn auch nicht an Edelmetallen. Diese war bereits in der Steinzeit von Menschen bevölkert, von denen noch einige Spuren fassbar sind. Um Christi Geburt war Britannien von keltischen Stämmen bewohnt, die in zwei großen Etappen um 1000 und um 500 v. Chr. eingewandert und mit den Kelten des Festlandes verwandt waren.

Während des Gallischen Krieges (58–51) unterstützten die Inselkelten ihre Festlandverwandten. Aus diesem Grund landeten in den Jahren 55 und 54 v. Chr. unter der Führung C. Iulius Caesars erstmals römische Schiffe im Süden der Insel (vgl. 4,20ff. und 5,1ff.). Nach einer problemlosen Überfahrt 55 gelang die eigentliche Landung erst im zweiten Anlauf, da zunächst britannische Truppen die Küsten unter Beschuss nahmen. Auch beim zweiten Landungsversuch wurden Schiffe und Besatzung noch von den Inselbewohnern angegriffen, konnten die Einheimischen jedoch mit Brandpfeilen zurückschlagen. Caesar ließ die Soldaten ein Lager bauen. Nach der erfolgreichen Abwehr mehrerer weiterer Angriffe der Britannier segelten die Römer ergebnislos nach Gallien zurück, um im folgenden Jahr mit einer zahlreicheren Flotte erneut in Britannien zu landen. Vom Süden der Insel aus drangen die Römer – nun mit einer größeren Armee – bis über die Themse nach Norden vor. Caesar erkannte zwar die Verwandtschaft zwischen Britanniern und Galliern, irrte sich aber in der Frage, von wo nach wo eine Wanderungsbewegung stattgefunden hatte. Einige Stämme, auf die er traf und die er mit römischer Kriegskunst beeindruckte, unterwarfen sich ihm zwar, doch fand eine langfristige Besetzung der Insel noch nicht statt, da Caesar keinen Vorposten zurückließ. Der Feldzug war ohnehin eher als Strafexpedition gedacht und hatte nicht die Eroberung der Insel zum Ziel gehabt. Immerhin wurden Handelsbeziehungen aufgenommen, die in der Folgezeit ausgebaut wurden und zur Anlage von Häfen führten. Der Bürgerkrieg in Rom ließ Britannien militärisch für die nächsten Jahre aus dem Blickfeld geraten.

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