Aliens Bändigung - Ken Bruen - E-Book

Aliens Bändigung E-Book

Ken Bruen

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  • Herausgeber: Polar Verlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

"Aliens Bändigung" ist das zweite Buch der The White Trilogie, das ebenso von einer niederträchtigen Bande von Lowlifes und Wideboys aus dem Südosten Londons handelt, wie wir sie schon bei "Saubermann" angetroffen haben. Detective Sergeant Brant und sein Boss, Inspector Roberts, sind als "R&B" der Metropolitan Police bekannt – und sie sind so schäbig und skrupellos wie die Schurken, die sie einsperren wollen. Den Schläger, hinter dem sie her sind, nennen sie den Alien. Als kleiner Gauner mit der Angewohnheit, seine Feinde mit einem Baseballschläger zu verprügeln, verdiente er sich seinen Namen, weil er einen Mann erledigte, während dieser Ridley Scotts Science - Fiction - Klassiker sah. Das neue Ziel des Aliens ist Detective Sergeant Brant, dessen Brutalität ihn auf der Südseite Londons nicht beliebt gemacht hat. Der Alien bricht in Brants Wohnung ein, schlägt mit seinem Louisville-Schläger auf ihn ein und foltert ihn, bis er ohnmächtig wird. Als Brant aufwacht, ist der Alien verschwunden und Brant hat Blutdurst. M

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DARK PLACES

Ken Bruen

Aliens Bändigung

Aus dem Englischen von Karen WitthuhnHerausgegeben von Jürgen Ruckh

Dieses Buch wurde veröffentlicht mit der Unterstützung von Literature Ireland.

Originaltitel: Taming the Alien

Copyright: © 1999 by Ken Bruen

Deutsche Erstausgabe, 1. Auflage 2022

Aus dem Englischen von Karen Witthuhn

Mit einem Nachwort von Günther Grosser

© 2022 Polar Verlag e. K., Stuttgart

www.polar-verlag.de

Redaktion: Tobias Schumacher-Hernández

Korrektorat: Andreas März

Umschlaggestaltung: Britta Kuhlmann

Coverfoto: © EVGENIY/Adobe Stock

Autorenfoto: © Ryan Holt

Satz/Layout: Martina Stolzmann

Gesetzt aus Adobe Garamond PostScript, InDesign

Druck und Bindung: Nørhaven, Agerlandsvej 3, 8800 Viborg, DK

Printed in Denmark 2022

ISBN: 978-3-948392-54-3

eISBN: 978-3-948392-55-0

Für Izzy Bain und Noel Bruen

Inhalt

Fall: Fallen: Reingefallen

Schwarz wie im Buche

Aliens exportieren

Ticket to ride

Barney ist ein Dinosaurier aus unserer Phantasie

Lügen sind das Schmiermittel der sozialen Maschinerie

Am Ende müssen sie dich kriegen. Sonst nähme die Sinnlosigkeit kein Ende

In meiner letzten Dunkelheit existiert vielleicht nicht mehr das große Bedürfnis, etwas so weit Entferntes wie die Welt noch zu verstehen.

Castro

Americana

London

Nest

Which bridge to cross and which bridge to burn.

Glückwünscherereien

Auf Raubzug

Eingriff

Die Vergangenheit aufleben lassen.

Kasten

Der American Way

»Wir waren irgendwo in der Gegend von Barstow, am Rande der Wüste, als die Drogen zu wirken begannen.«

Das war knapp

Blablabla oder so

Ein jeder Engel ist schrecklich

Braun ist das neue Schwarz

Kinderprogramm

»Zu den verstörendsten Fakten im Eichmann-Prozess gehörte, dass ein Psychiater ihn untersuchte und für völlig zurechnungsfähig erklärte. Wir setzen Zurechnungsfähigkeit mit einem Sinn für Gerechtigkeit, mit Menschlichkeit gleich, mit der Fähigkeit, Menschen zu lieben und zu verstehen. Wir verlassen uns auf die zurechnungsfähigen Menschen auf der Welt. Und jetzt dämmert uns, dass genau die Zurechnungsfähigen die Gefährlichsten sind.«

My kind of town

Bewerber

Something in the way she moves

Montezumas Rache

Ich habe ein Bedürfnis: Demian in »Der Exorzist III«

Faust

I had a dream

Des Aliens Zähmung

Run for home

Schüsse

Schlussakt – wenn auch ohne Schlusspunkt

Kurzer Prozess

V für Verurteilung

»Schmutzige Siege«: Ein Nachwort von Günther Grosser

FallFallenReingefallen

Falls war klar, dass der Typ sie anbaggern würde. Bei ihrem Minirock war das klar wie Kloßbrühe. Sie saß da, probierte ihren Drink, wartete. Jau … da kam er.

»Macht’s Ihnen was aus, wenn ich mich zu Ihnen setze?«

»Noch nicht.«

Er sah sie fragend an. »Es macht Ihnen noch nichts aus, oder ich soll mich noch nicht setzen?«

Falls zuckte die Achseln und bemühte sich, in der Bar heimisch zu wirken. Nicht leicht, wenn man

a) Engländerin

b) eine Frau

c) Schwarz

war.

Er setzte sich.

Sie fragte: »Schwimmen Sie?«

»Was?«

»Sie haben die Figur eines Schwimmers.«

»Ja? Tja, nee … nein, jedenfalls nicht mehr seit dem Weißen Hai.«

Sie gab ein Lachen von sich. »In England gibt es keine Haie.«

Er warf ihr ein nachsichtiges Lächeln zu. Schöne Zähne. Fragte: »Wann waren Sie zuletzt an der Walworth Road shoppen?«

Sie lachte wieder, dachte, herrje, wenn ich nicht aufpasse, hab ich noch Spaß.

Er kloppte weiter Sprüche, nichts Dolles oder Neues, aber auf den Punkt.

Sie hob den Finger, sagte: »Stopp.«

»Was?«

»Sie sind ein attraktiver Mann. Aber das wissen Sie ja. Wir würden daten, kribblig werden, wahrscheinlich heißen Sex haben.« Er nickte, wenn auch unsicher, sie fuhr fort. »Ich weiß, dass Sie Ihren Spaß haben würden – scheiße, Sie wären auf Wolke sieben – und ich käme wahrscheinlich auch auf meine Kosten. Aber danach, die Lügen, die Streitereien, die Bitterkeit … Wozu das alles?«

Er überlegte, sagte dann: »Der erste Teil gefiel mir ganz gut.«

»Außerdem sind Sie zu alt.« Das ließ ihn zu Staub zerfallen. Ein Schlag, und er rannte heulend nach Hause. Kein Stehvermögen, dabei hatten sie noch nicht mal angefangen. Fühlte sich nicht gut an.

Verdammt, dachte sie. Rache sollte doch süß sein.

Ihr Vater hatte in einem seltenen Moment der Nüchternheit mal gesagt: »Wenn du Rache willst, grab zwei Gräber.«

Er lag mausetot in einem, und sie sah das zweite vor sich. Alles, weil Eddie Dillon ihr Herz, ihr Vertrauen in Scherben gehauen hatte. Der verheiratete Scheißkerl.

Roy Fenton probierte den Tee, machte: »Iiih … ääh …«, und rief nach der Kellnerin.

»Yo, Sheila, wie kann man einen Teebeutel versauen?«

Sheila gab keine Antwort. Der Alien war in diesem Walworth-Road-Café und in Südost-London wohlbekannt. Vor allem war sein Ruf wohlbekannt, und der lautete, in seiner Nähe kamen Menschen zu Schaden.

Sein Cousin hatte zur »E-Gang« gehört. Eine Art Bürgerwehrtruppe, die in Brixton Drogendealer an Laternenpfählen aufgeknüpft hatte, bis sie in einer Crackhöhle an der Coldharbour Lane abgeschlachtet worden war. Nehmt das!

Niemand nannte Fenton Alien von Angesicht zu Angesicht. Zumindest kein zweites Mal. Er las das Gedicht, schlürfte den Tee:

OHNE TITEL

Er hatte seine Bücher,

gebraucht gekauft,

fast zwanzig, ordentlich gestapelt.

Ein Kassettenrekorder, Made in Germany,

Knastposter, alte Schlipse und Seilschaften,

Fotos, noch obendrauf

Und die Kamera, Lügen wie drüben.

Zum Bechern

ein Snoopy-Becher,

zwei Schuhe, zu eng,

und ne englische Jeans

Ein albernes Grinsen, starr und still,

die billigste Jacke

von der Ausverkaufsstange.

Ein Gürtel

die Schnalle aus Blech … und sauber

mit Schlüppern, unvergleichlichen Songs

und nem Kater

Gott sei mir gnädig

die übliche Londoner Kluft.

Ne Uhr

Timex, mit Plastikband.

Er hielt inne. Erinnerte sich … wie Stell ihn in Pentonville besucht hatte, er hatte gerade sechs von sechsunddreißig Monaten abgesessen, und sagte: »Ron, ich bin schwanger geworden.«

Und er hatte nicht gewusst, was er sagen sollte. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Sie hatte angefangen zu weinen, er hatte gefragt: »Was … was ist denn, Süße?«

Sie hatte den Kopf gehoben, die Augen tränennass.

»Ron … ich hab abgetrieben.«

Da war er auf den Beinen gewesen. Erinnerte sich noch genau. Kopfnuss für den ersten Schließer, den zweiten mühelos umgenietet, und dann: die Knüppel, die Stöcke. Prasselten auf ihn ein wie der reinste Galway-Regen. Hart und gnadenlos.

Danach drei Monate in Iso, Straferlass futsch und ein Extrajahr obendrauf. Keine harte Zeit, Hasszeit. Angefeuert und getrieben von einem Zorn, der nie abklang. Der Chefschließer, ein Typ namens Potter. Kein Arschloch, in mancher Hinsicht ganz anständig. Ein bisschen Menschlichkeit verblieben. Er hatte zögernd gelächelt, ihm fast die Hand hingestreckt. Keine Chance.

Hatte es trotzdem versucht.

»Lass es, Ron, sie ist es nicht wert.«

Fenton rotzte ihm auf die Uniform.

Die anderen Schließer waren auf ihn zugeschossen, aber Potter rief sie zurück, sagte: »Der geht auf mich, Ron.«

Er hatte jeden Pub in Nord-London abgesucht. Hätte wissen sollen, dass er den Arsch nicht aus dem Südosten hätte rausbewegen müssen. Bah … der Norden! Highbury und Hochnasen.

Wie es hieß, war sie in San Francisco. Das kriegte er hin … aber er brauchte einen Hebel, einen Fuß in der Tür. Daran arbeitete er.

Hinter Gittern hatte er begonnen, ein Gedicht zu schreiben. Eine Rolle Klopapier, einen winzigen Wil-liam-Hill-Kuli. Reingebohrt.

Einer der Knasthellseher sagte: »Ich kann deine Zukunft sehen, Ron.«

»Ach ja? Steht da in Kürze ein doppelter Scotch an?«

Die Knastmuschi, die ihm einen geblasen hatte, las danach das Gedicht, sagte: »Das solltest du an eine Zeitschrift schicken.«

Gab ihr eins um die Ohren, sagte: »Rühr mein Zeug nicht an.«

Aber er kam ins Grübeln …

Eines trägen Samstags, Millwall lag null zu zwei zurück, blätterte er müßig eine Zeitschrift durch, als ihn diese Worte trafen wie ein Billardqueue:

GEDICHTE

KOSTENLOSE BEGUTACHTUNG

PREISGELD IN BAR

VERÖFFENTLICHUNG

Also schickte er es hin.

»Scheiß auf die, wenn sie keinen Spaß verstehen.« Das sagte Dex, der Psycho, ständig. Dex, den hatte man in einem Sack auf einer Müllkippe in Walworth gefunden. Eine alte Ausgabe der Big Issue im Schlüpper. Hatte gern gelesen, der alte Dex. Und geredet. Aber zu viel. Eine schwarze Tusse hatte ihm von Ohr zu Ohr die Kehle aufgeschlitzt.

Sie war mausetot.

Derek Raymond war gestorben, und mit ihm alle Figuren.

Er reichte das Gedicht ein.

Die Antwort:

Lieber Ronald,

wenn wir uns die Freiheit erlauben dürfen, Sie so anzusprechen …

Fenton dachte: Oh, oh, pass auf dein Geld auf, las aber weiter:

Unsere handverlesene Jury hat Ihr Gedicht für das Große Finale ausgewählt. Der Sieger erhält eintausend Guineen.

Alle Einsendungen werden in einem aufwendigen Band veröffentlicht, den alle Buchläden werden vertreiben wollen. Wie Sie sicher verstehen, sind die Druckkosten für einen so hochwertigen Band außerordentlich hoch. Für eine Spende von fünfzig Pfund können wir Ihnen ein personalisiertes Exemplar reservieren. Bitte geben Sie uns schnell Bescheid, da das Angebot begrenzt sein wird.

Natürlich hat Ihre Spende keinerlei Auswirkungen auf den Ausgang des Großen Finales, bei dem das Preisgeld, wie angekündigt, EINTAUSEND GUINEEN beträgt!

Wir freuen uns auf Ihre baldige Antwort.

Gruß

P. Smith, Koordinator

The World of Poetry Inc.

Er schrieb zurück:

Lieber P. Smith,

nimm meine Spende aus dem Tausender.

Gruß

R. Fenton

Strafgefangener.

Wenn man von der Clapham Road rechts abbiegt, könnte man durch die Lorn rüber nach Brixton laufen.

Was wenige tun.

Hier wohnte Brant neuerdings. Die Ironie war ihm nicht entgangen.

Lorn … Verlorn.

Oh ja.

Seit er das Messer in den Rücken bekommen hatte, war er an den Schreibtisch verdammt, sagte: »Scheiß der Hund auf den Mist.«

An seinen freien Tagen ging er auf den Friedhof und legte Blumen auf das Grab von PC Tone. Jede Woche, ohne Ausnahme. Jedes Mal sagte er: »Tut mir leid, Junge. Ich hab nicht auf dich aufgepasst, und die Dreckskerle haben dich für eine Hose umgebracht.«

Was für ein Slogan – Eine Hose, zum Sterben schön.

Das Pflaster-Duo war untergetaucht oder hatte nach Irland rübergemacht. Kein Beweis, dass sie es gewesen waren. Nur ein Bauchgefühl. Eines Tages, ja … eines Tages würde er sie kriegen.

Nur Chief Inspector Roberts wusste von Brants Verstrickung in den Mord an dem Jungen. Er sagte nüscht. Brants eigene Fast-Ermordung hatte in Roberts’ Augen irgendwie für Ausgleich gesorgt.

Schräger Deal, aber hey, sie waren Bullen, keine Hirnchirurgen.

Chief Inspector Roberts alterte schlecht. Beim Rasieren blickte er in den Spiegel, murmelte: »Du alterst schlecht.«

Tiefe Falten durchzogen seine Stirn. Das einst beeindruckende, stahlgraue Haar war jetzt schneeweiß und zottelig. Clint-Eastwood-Kanten furchten seine Wangen. Sogar Clint versuchte, sie zu verstecken. Zusammengekniffene Augen … klar, wirkt cool … bis man die vierzig überschritten hat, danach sieht es nach Darmproblemen aus.

Roberts liebte die Sonne, ach was, betete sie an – und Cricket. Zu viele Sommer und lange Tage unter UV-Strahlung hatten verheerende Schäden hinterlassen. Schlimmer noch, auf seiner Brust und an seinen Beinen waren Melanome aufgetaucht. Als er sie bemerkte, japste er: »Was zum Teufel?«

Er wusste … oh, verdammt, nur zu gut … wenn die Scheißdinger schwarz wurden, war man am Arsch. Sie wurden schwarz.

Der Arzt sagte: »Ich will nicht um den heißen Brei herumreden.«

Roberts dachte: Doch, bitte … im Notfall tut’s auch eine Lüge – eine dicke, fette – reden Sie um allen heißen Brei herum.

»Sie haben Hautkrebs.«

»Fuck!«

Hinterher dachte er, ich hab’s gut aufgenommen.

Speiübel wurde ihm bei der Beschreibung der Behandlung.

So: »Wir bestrahlen einmal die Woche.«

»Wir? Wir machen das zusammen?«

Der Arzt lächelte milde, zwischen Mitleid und Hohn, fuhr fort: »Schaun wir mal, wie Sie mit den Strahlen klarkommen, und wenn die nicht helfen, nehmen wir den Laser.«

Roberts wollte schreien: »Beam mich hoch, Scottie! Nächster Halt … die Twilight Zone.«

Er ließ den Arzt fertig reden. »Später schneiden wir dann ein paar der Stellen weg. Ein kleiner chirurgischer Eingriff.«

»Klein für Sie, mein Lieber.«

Der Arzt war jetzt fertig, wollte vor den Operationen wahrscheinlich noch neun Löcher schaffen, sagte: »Wir schreiben Sie für montags ein, und Sie sollten sich auf zwei Nebenwirkungen gefasst machen:

1. Sie werden extrem müde sein, also immer schön mit der Ruhe.

2. Sie werden austrocknen – Riesendurst ist normal.«

Roberts hatte jetzt schon Riesendurst.

Und ging auf direktem Weg in den Bricklayers. Der Barmann, ein kahl werdender Depp mit Pferdeschwanz und fleckiger Weste, zirpte: »Was soll’s denn sein, Guv?«

»N großer Dewar’s, bitte.«

»Eis … Wasser?«

»Hätte ich dann nicht was gesagt?«

»Empfindlich.«

Roberts antwortete nicht, fragte sich, wie der Depp auf die Strahlen reagieren würde. Als könnte die Abkürzung den Schrecken mindern. Ach, wäre es doch so. Träum weiter.

Roberts’ andere Leidenschaft galt dem Film Noir der Vierziger und Fünfziger. Heißer Scheiß. Während er sich an seinem Scotch festhielt, versuchte er, sich eine tröstende Szene aus einem der Filme ins Gedächtnis zu rufen. Was ihm einfiel, war Dick Powell in Murder, My Sweet:

Ich hab den Totschläger direkt hinters Ohr bekommen.

Vor meinen Füßen riss ein schwarzes Loch auf.

Ich bin reingetaucht. Es war bodenlos.

Yeah.

Er hatte dem Depp hinter der Bar einen Zehner gegeben und beäugte jetzt das Wechselgeld. »He, Kumpel, das isn bisschen wenig.«

»Was …? Oh … hab mir auch einen genehmigt. Man soll nicht alleine trinken.«

Roberts ließ es durchgehen. Londoner … man musste sie einfach lieben. Bisschen später lehnt sich der Depp an die Bar, fragt: »Mögen Sie Videos?«

»Wie bitte?«

»Filme, Kumpel. Der neuste Blockbuster – heute Abend auf dem eigenen Sofa. Wie das West End im Wohnzimmer.«

»Raubkopien, meinen Sie das?«

»Whoa, John, leise bleiben, ja?«

Roberts seufzte, legte seinen Dienstausweis auf die Theke.

»Ups …«

Roberts steckte den Ausweis ein, sagte: »Ich dachte, in Ihrem Business riecht man einen Bullen.«

»Normalerweise ja, aber zwei Dinge haben mich auf die falsche Spur gebracht.«

»Ach, welche denn?«

»Erstens: Sie haben Manieren.«

»Und …?«

»Sie haben tatsächlich bezahlt.«

Fenton hatte seinen Spitznamen folgendermaßen bekommen: Während der Film Alien lief, hatte er einen Typen umgebracht – in der Szene, wo die Kreatur aus John Hurts Rumpf bricht. Er hatte dazu einen Baseballschläger benutzt, fast immer seine Waffe der Wahl. Der Typ, Bob Harris, hatte seine Kumpane reingelegt. Sie saßen jetzt lebenslänger auf der nicht so sonnigen Isle of Wight ein. Die Fahrt auf der Fähre war traumhaft gewesen. Fenton sollte zweitausend dafür bekommen. Er tat es umsonst. Wofür hat man Kumpel?

Oh, Bob stand auf Horrorfilme und war besonders angetan von Ridley Scotts Alien-Verfilmung. Konnte stundenlang vom Metallschrottlook der Szenen schwärmen. Scheißgelaber.

Fenton hatte bei ihm vorbeigeschaut, mit einem Sechserpack Special und ein paar Spliffs. Sie hatten was durchgezogen, einen Fressflash bekommen und das Bier gekippt. Fenton fragte: »Yo, Kumpel, du hast doch Alien da, oder?«

»Oh ja, geil. Willste jetzt gucken?«

»Wozu warten?«

In der Tat.

Als der Film anfing, sagte Fenton, er würde ein paar Biere aus dem Kühlschrank holen. Bob hockte auf dem Sofa, in den Fernseher versunken, keuchte auf bei der »Vision« von Allen Dean Foster. Fenton öffnete die Adidas-Sporttasche und holte den Louisville-Schläger raus. Der Griff war fest mit schwarzem Klebeband umwickelt, brutal. Er schwang den Schläger probeweise und hörte das vertraute Wuusch.

Die Crew der Nostradome setzte sich gerade zum Essen, und John Hurt bekam tödliche Verdauungsstörungen.

Bob rief: »Yo … Fen! Das willst du nicht verpassen!«

Fen kam rein, verlagerte das Gewicht auf den rechten Fußballen, drehte sich und schwang mit aller Kraft den Schläger, sagte: »Werd ich nicht, Buddy.«

Und rumms – weit ins Aus.

Die Crew im Fernseher stieß Panik- und Ekelschreie ob des Blutbads aus. Fenton ließ den Film weiterlaufen, er hasste alles Unvollendete.

Fenton hatte im Greyhound am Oval eine Verabredung mit Bill. Der Laden ist immer brechend voll, trotzdem bekommt Bill immer seinen Stammplatz, ganz hinten. Die Nebenplätze bleiben unbesetzt. Nicht frei, sondern verödet. Vor einiger Zeit hatte sich mal ein besoffener Paddy neben Bill gesetzt, gesagt: »Wiegehts.«

Bill sah ihn nicht an, sagte: »Da willst du nicht sitzen, mein Freund.«

»Mein Freund? Ich kenn dich doch garnich. Aber gib uns maln Doppelten aus.«

Ein Muskelmann aus der Menge gab dem Paddy in Stereo eins um die Ohren. Zog ihn hoch und schleifte ihn raus in die nächste Gasse. Da wurde ihm ein Arm gebrochen und die Nase nach rechts verbogen. Er saß an die Wand gelehnt da, fragte: »Was … was hab ich gesagt?«

Bill und Fenton kannten sich ewig. Durch viele partnerschaftliche Schurkereien. Meister ihres jeweiligen Handwerks. Bill fragte: »Drink?«

»Rum Cola.«

»Bacardi oder …?«

Fen lächelte. »Prostata.«

Ein alter Witz. Nur kein sehr guter. Bill trank Mineralwasser – Ballygowan Sparkling.

Die Getränke kamen, und Fen sagte: »Ich weiß nicht, Bill, vielleicht werde ich alt, aber ich hab noch nie verstanden, warum man für Wasser zahlen soll.«

Bill trank einen Schluck und verzog das Gesicht. »Wieso glaubst du, dass ich zahle?«

»Gut so.«

Sie saßen eine Weile schweigend da. Man hörte die Bläschen zischen, wie schöne Zeiten, wie Feenmärchen.

Dann: »Wir haben sie gefunden.«

»Super.«

»Wird dir nicht gefallen.«

»Was ne Überraschung.«

»Sie ist in Amerika, wie du dir gedacht hast – San Francisco – lebt mit einem Lehrer zusammen, Davis heißt der Knabe.«

»Ein Lehrer … wow.«

Bill sagte: »Lass es gut sein, Fen«, und bekam den Blick ab, Grenzen waren überschritten. Er seufzte. »Sorry … du wirst Kohle brauchen.«

»Ne Menge.«

Bill grub in seiner Jacke herum, holte einen dicken Briefumschlag hervor, sagte: »Es gibt da einen Bullen namens Brant, der braucht eine Abreibung.«

»Wann?«

»Schnellstens.«

»Wie doll?«

»Nicht tödlich, aber lehrreich.«

»Wird gemacht.«

Fen erhob sich, und Bill sagte: »He, du hast den Rum nicht angerührt.«

»Ich hasse das Zeug.«

Und weg war er.

Brant hatte Falls mitgenommen, um einen mutmaßlichen Brandstifter zu vernehmen. Beweise hatten sie keine, aber die Cops in Croydon schworen, dass er ihr Mann war. Er war unlängst nach Kennington gezogen, und hey, Zufall, an der Walworth Road brannte ein Lagerhaus nieder. Der Typ war Anfang dreißig und hatte Augen wie eine kleine Schlange. Er öffnete die Tür in Jeanshemd, kurzer Hose, barfuß.

Brant sagte: »Wir sind von der Trachtengruppe.«

Der Typ lächelte, fragte: »Ham Sie n Beschluss?«

»Warum? Ham Sie was angestellt?«

Lächeln reihum. Der Typ genoss es, sagte: »Was soll’s, komm Se rein.«

Die Wohnung war ein Saustall. Der Typ sagte: »Isn Saustall, ich weiß, aber ich bin gerade erst hergezogen und …«

Brant sagte: »Aus Croydon.«

»Ja!«

»Ham wir gehört.«

Der Typ fläzte sich lang aufs Sofa, winkte. »Pflanzt euch irgendwohin.«

Brant pflanzte sich immer noch lächelnd direkt neben den Kopf des Typen. Der Typ setzte sich auf, entschied sich für die »Männer unter sich«-Taktik und nickte in Richtung Falls. »Die Fotze hätten Se nich mitbringen müssen.«

Bekam einen allmächtigen Schlag gegen den Kopf.

Brant sagte: »Ich sag dir, wie’s läuft, Freundchen – du beleidigst sie, ich haue dich … klar?«

Zu benommen für eine Antwort, schaute der Typ Falls an und verpasste so den zweiten Hammerschlag auf den Hinterkopf. Er knallte flach auf die Fresse und wimmerte: »Ich hab doch gar nix gesagt.«

Brant beugte sich über ihn, sagte: »Ich war noch nicht fertig. Wenn es auch nur aussieht, als würdest du sie beleidigen, hau ich dich um. Jetzt kapiert?«

Der Typ nickte.

Brants Methoden überraschten Falls schon lange nicht mehr. Sie schuldete ihm dreitausend für die Beerdigung ihres Vaters und musste still leiden.

Als sie gingen, sagte Brant zu dem Typen: »Man hält dich für einen Brandstifter. Ich? … Keine Ahnung, aber sollte es demnächst irgendwo brennen, brate ich dich.«

Draußen sagte Falls erbittert: »Ich brauche Urlaub.«

»Ja? Wohin soll’s denn gehen?«

»Weit weg, vielleicht Amerika.«

»Und du brauchst Geld, meinst du das? Wie viel?«

Sie war zu wütend, um zu antworten.

Während Brant aufschloss, summte er einen Mavericks-Song vor sich hin. Er war fertig und freute sich auf ein kaltes Bier – ganz viele kalte Biere – und vielleicht mal wieder einen Blick in Beavis und Butthead machen’s in Amerika.

Als er die Wohnung betrat, schrillte seine innere Alarmglocke.

Zu spät.

Der Baseballschläger traf ihn sauber an der Schädelbasis, zwei Gedanken brannten ihm unter den Nägeln, als er auf den Teppich zurauschte.

a) nicht schon wieder diese Scheiße

b) der Teppich ist echt runter

Als er zu sich kam, lagen die Schmerzquellen im Wettstreit – sein Kopf … das Seil um seinen Hals … der Schmerz im Kreuz …

Der Alien sagte: »Beweg dich lieber nicht. Ich hab dir nämlich ein Seil um den Hals geknotet, das andere Ende um die Füße. Wenn du eins von beiden bewegst, erwürgst du dich. Keine Sorge – das lernst du schnell.«

Brant versuchte, sich zu bewegen, die Schlinge zog sich zu. Er machte: »Örch … öh …«

Und Fenton sagte: »Genau! Ich glaub, du hast’s begriffen.«