Saubermann - Ken Bruen - E-Book

Saubermann E-Book

Ken Bruen

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  • Herausgeber: Polar Verlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

In Ken Bruens beinharter Reihe um den Inspector Brant treten zwei zähe, alternde Polizisten gegen Londons Schläger, Mörder und Gangster an. Mit zweiundsechzig Jahren ist Chief Inspector Roberts fast zu alt, um Polizist zu sein, aber er gleicht sein Alter mit einer Wildheit aus, mit der die jüngeren Detectives nicht mithalten können. Nach vier Jahrzehnten im Einsatz hat er eine Tochter, die ihn hasst, eine Frau, die ihn betrügt, und ein Bankkonto, das jedes Jahr leerer wird. Aber in Londons dunklen Straßen ist Roberts eine Kraft, mit der man rechnen muss. Mit seinem Partner, dem fröhlich brutalen Detective Sergeant Brant, sucht Roberts nach dem Traum eines jeden Polizisten: dem "White Arrest" – der sauberen Verhaftung – einem hochkarätigen Erfolg, der all ihre vergangenen Misserfolge wettmacht. In "A White Arrest" ist ihr Zielobjekt ein Schlagholz schwingender Wahnsinniger, der Drogendealer umbringt. Und ein weiterer Mörder irrt durch London. Jemand hat es auf Englands Cricket-Team abgesehen. Ken Bruens Reihe um Brant, ist ein unvergessliches Noir-Porträt von Londons schäbiger Unterwelt.

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DARK PLACES

Ken Bruen

Saubermann

Aus dem Englischen von Karen Witthuhn Herausgegeben von Jürgen Ruckh

Originaltitel: A White Arrest

Copyright: A WHITE ARREST © 1998 by Ken Bruen

Deutsche Erstausgabe, 1. Auflage 2021

Aus dem Englischen von Karen Witthuhn

Mit einem Nachwort von Alf Mayer

© 2021 Polar Verlag e. K., Stuttgart

www.polar-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) oder unter Verwendung elektronischer Systeme ohne schriftliche Genehmigung des Verlags verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Tobias Schuhmacher-Hernández, Alexander März

Umschlaggestaltung: Britta Kuhlmann

Coverfoto: © alexkoral/Adobe Stock

Autorenfoto: © Ken Bruen

Satz/Layout: Martina Stolzmann

Gesetzt aus Adobe Garamond PostScript, InDesign

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck, Deutschland

ISBN: 978-3-948392-28-4

eISBN: 978-3-948392-29-1

Für Michael Burt

Eine Saubermann-Verhaftung: Der Karrierehöhepunkt eines jeden Polizisten.

Sir Robert Peel

Das große Ding, das den ganzen anderen Scheiß auswetzt.

Detective Sergeant Brant

Inhalt

Eine Arbeiterseele

»Wer zuerst zuschlägt, wird befördert.« (Detective Sergeant Brant)

»Mordermittlerarschlöcher«

Auf Linie bringen

Weights …

Verdammt!

Handjob

Irgendwie dran

»E« steht nicht für Ecstasy

Polizeiarbeit, wie Cricket, folgt harten und strengen Regeln. Hart spielen, schnell spielen.

Loyalität

Eier

Zum Sterben

Brenzlige Lage

Eher Wahnsinn

Schlampe?

Pflaster

Netter Typ

Mitbewohner? Ein Gehämmer, das die Toten weckt

Das Gesetz der Grube: Wenn man drinsitzt, nicht weiterschaufeln

Der Blues

Regel 42: Unfaires Spiel. Die Umpires entscheiden allein über faires und unfaires Spiel.

Die Augen eines Hundes

Ein Haus ist kein Heim

Wer zuletzt lacht, hat meistens den Witz nicht kapiert

Atonal

Apropos Kranz

Eine Woche später …

Wäre er eine Farbe, dann wäre das beige

Die Schönheit von Balham

»Love makes the world go round«

»Wenn dir dein toter Vater im Traum erscheint, bringt er schlechte Nachrichten. Wenn deine tote Mutter kommt, sind es gute.«

Aufrüsten

»Last Train to Clarkesville«

Zwei Wochen später

»Annäherungen an die Realitätstüchtigkeit der Kriminalliteratur« Zur Geschichte des Polizeiromans

R & B wurden sie genannt. Wenn Chief Inspector Roberts den Rhythmus gab, dann war Brant der dunkelste Blues.

Oder ignorant wie ein Schwein, wie es auch hieß.

Auf Roberts’ Schreibtisch standen ein Telefon, ein Familienfoto, eine bronzene Inschrift auf Holz mit dem Text:

Am Ostermontag 1901 ging der Missionar James Charmers auf der Goaribari-Insel vor der Südküste von Neuguinea von Bord, um die Bewohner zum Christentum zu bekehren. Die Goas liefen ihm entgegen, prügelten ihn bewusstlos, schnitten ihn in kleine Stücke, kochten und aßen ihn noch am selben Nachmittag.

Mehr braucht man für die Arbeit als Polizist nicht zu wissen, meinte er.

WPC Falls sann über den Doughnut nach, der wie ein fettgewordener Tadel neben ihrem Kaffee thronte. Eine Kollegin kam an und sagte: »Tja, das ist mal eine süße Versuchung.«

»Hi, Rosie.«

»Hi. Und, isst du ihn?«

Sie wusste es nicht, sagte: »Weiß nicht.«

Falls war der feuchte Traum des Reviers. Zumindest hoffte sie das. Knapp über eins siebzig groß und eher rund als plump, aber es stand ihr. Ihr Anblick rief die Adjektive des Entzückens auf: üppig, reif, drall, verfügbar. Das letzte in hoffnungsvollem Neon.

Sie lachte, lüstern und wissend.

Rosie sagte: »Was?«

»Kennst du Andrews?«

»Aus Brixton?«

»Ja, der. Ich hab ihm gestern Abend die alte Leier vorgespielt – du weißt ja, was Männer alles für einen Scheiß glauben.«

Rosie lachte, fragte:

»Etwa, ›für Frauen ist Sex was Spirituelles, ficken und Fliege machen geht nicht‹?«

Falls lachte laut, war gut drauf, die Geschichte im Selbstlauf.

»Ja, ich hab ihm erklärt, dass wir emotional involviert sein müssen. Der Doofkopp hat’s geschluckt.«

Sie nahm ein weiteres Stück Doughnut, ihr Blick tanzte vor Zuckerglück, und schoss dann den Vogel ab:

»Schlimmer noch – er hat mir geglaubt, dass Größe nicht zählt.«

Rosie bemühte sich, nicht zu laut zu lachen. In einer Kantine voller Männer galt Frauengelächter als Bedrohung. Sie hielt Daumen und Zeigefinger hoch, maß einen halben Zentimeter ab, fragte: »Schon mal gesehen?«

Falls kreischte.

»Du hast ihn auch gehabt, du schamlose Kuh.«

»Na, er war schnell, das muss man ihm lassen.«

Falls schob ihr den Rest Doughnut zu, sagte: »Da wir uns schon kleinere Dinge geteilt haben …«

WPC Falls’ Locken waren fast dykeartig kurz geschnitten. Das betonte die dunklen Augen. Die Stupsnase ließ sie eifrig wirken, und der schmale Mund bewahrte sie vor wahrer Schönheit. Ihr größter Makel und ewiger Fluch waren ihre Beine. Plötzlich ernst sagte sie:

»Ich musste zweiunddreißig werden, um zu kapieren, dass, wenn mein Dad sagte: ›Ich bring mich um und die Kleine gleich mit‹ – das war keine Liebe, sondern Suffgerede.«

»Lebt er noch, dein Dad?«

»Manchmal, aber nie am Wochenende.«

»Klingt wie mein Jack. Seit er entlassen wurde, kann er nicht mehr gerade stehen.«

»Das stärkere Geschlecht, hm?«

»Glauben sie.«

Rosie konnte für ihr Aussehen dankbar sein. Sie sah dankbar aus, wenn jemand sie ansah. Was nicht viele taten, nicht mal Jack.

Leroy Baker war ein Weichei. Nach der fünften Line Koks brüllte er: »Ar … ch … rr. Fuck!«

Dann stampfte er in dem LA-Sneaker mit dem schlackernden Schnürsenkel auf dem Boden auf und fügte hinzu: »Der Scheiß ist gut.«

Er sah sich um. Seine Wohnung war voll von teurem Krempel. Leroy hatte bergeweise Kohle. Das Drogenbusiness blühte, und er fand, es schadete nicht, das Produkt zu testen, das war gut fürs Geschäft. Dass er inzwischen hoffnungslos süchtig war, entging ihm.

Er sagte immer: »Gut fürs Hirn – in diesem Geschäft muss man klar im Kopf bleiben.«

Das Hämmern an der Tür drang zunächst nicht durch. Das Koksgehämmer seines Herzens machte ihn taub. Als die Angeln nachgaben und die Tür bebte, stutzte er. Dann flog die Tür auf, und vier Männer stürzten herein. Er bekam die Overalls und Sturmhauben halb mit, konzentrierte sich aber auf die Schläger – Baseballschläger.

Sie waren das Letzte, das er scharf sah.

Zwanzig Minuten später baumelte er mit gebrochenem Genick an einer Laterne. Um seinen Hals hing ein weißes Plakat mit den Worten:

E – ENDE.

Leroy war der Erste.

Ein Stück die Straße runter verriet ein einsamer LA-Sneaker, aus welcher Richtung man ihn hierher geschleift hatte. Als die »E«-Story durchbrach, kam das Gerücht auf, einer aus der Mördergang hätte bei der Arbeit gepfiffen. Und zwar angeblich »Leaning on a Lamppost at the Corner of the Street«.

Wie bei so vielem anderen, was danach kam, steckten Wunschdenken und Abscheu mit drin – die beiden Grundvoraussetzungen für maximale Publicity.

Eine Arbeiterseele

Roberts nahm den Hörer ab:

»Chief Inspector.«

Er bekam nie genug von dem Titel.

»John? John, bist du das?«

»Ja, Liebes.«

»Du klingst aber furchtbar förmlich, ganz der Wichtigtuer.«

Er versuchte, die Ruhe zu bewahren, stierte den Hörer an, atmete tief durch und fragte: »Ist irgendwas?«

»Kannst du die Sachen von der Reinigung abholen?«

»Hol sie selber ab!«

Er legte auf, hob wieder ab und drückte eine Zahl.

»Ja, Sir?«

»Ich bekam gerade einen Anruf von meiner Frau.«

»Oh, tut mir leid, Sir, sie meinte, es wäre dringend.«

»Stellen Sie sie niemals durch. Habe ich mich neulich unklar ausgedrückt?«

»Unklar, Sir?«

»Hat es mir an Bestimmtheit gemangelt? Habe ich vielleicht dem Zweifel irgendeinen Spielraum gelassen, der zu dem Schluss verleiten könnte: ›Manchmal ist es in Ordnung, das Miststück durchzustellen‹?«

»Nein, Sir – tut mir leid, Sir. Kommt nicht wieder vor.«

»Machen wir kein großes Ding draus. Sollte es wieder vorkommen, haben Sie die nächsten Jahre mit den Pennern an der Railton Road zu tun. Und jetzt verpissen Sie sich.«

Er trat hinter dem Schreibtisch hervor und betrachtete sich in einem halbhohen Spiegel. In einer Ecke hing ein Foto des ehemaligen englischen Cricketcaptains Mike Atherton. Darunter stand:

IT’S NOT CRICKET.

Doppelsinnig, soll heißen: Das Leben ist nicht fair.

Roberts war zweiundsechzig und sah zu voller Größe aufgerichtet beeindruckend aus. In letzter Zeit fiel ihm das immer schwerer. Die Schwerkraft tippte ihm auf die Schultern. Flüsterte ihm »alt« ins Ohr.

Sein Körper war muskulös, aber er musste etwas dafür tun. Mehr als er wollte. Der volle Haarschopf war stahlgrau, und die Tönung lockte – aber noch war es nicht so weit. Braune Augen, die niemals sanft blickten, und eine römische Nase. Er sagte täglich: »Ich hasse diese Scheißnase.« Die Kopfnuss eines Besoffenen hatte sie schief gelegt, was nach versauter OP aussah. Laut seiner Frau war sein Mund unauffällig, bis er ihn aufmachte, dann war er hässlich. Er fand perversen Gefallen daran.

Jetzt drückte er die Gegensprechanlage und bellte: »Holen Sie mir Falls.«

»Ähm …«

»Sind Sie taub?«

»Tut mir leid, Sir, ich weiß nicht, wo sie sich rumtummelt.«

»Wo sie sich rumtummelt? Was ist das hier? Eine Scheißkommune? Sie sind Polizist, gehen Sie los und finden Sie sie, und zwar sofort, und lassen Sie mich für alle Ewigkeiten in Ruhe mit Ihrem Hippiescheiß.«

»Ja, Sir.«

Fünf Minuten später klopfte es, und Falls trat ein, zog ihre Uniformjacke gerade, Krümel rieselten zu Boden. Beide schauten ihnen nach. Er sagte:

»Einem reichen Kerl vom Teller geklaut?«

Sie lächelte. »Wohl kaum, Sir.«

»Ich habe einen Job für Sie.«

»Ja, Sir?«

Er kramte in seinem Schreibtisch herum, brachte ein paar rosa Schnipsel zum Vorschein, warf sie ihr hin.

Sie sagte: »Reinigungszettel?«

»Sehr gut, holen Sie das in der Mittagspause ab, ja?«

Sie ließ sie liegen, sagte: »Eher nicht, Sir – ich meine, es gehört nicht zu meiner Stellenbeschreibung, mich als Kammerzofe zu betätigen.«

Er warf ihr einen empörten Blick zu.

»Herrgott, Sie können doch nicht ernsthaft wollen, dass ich das abhole? Wie würde das denn aussehen? Ein Mann meines Rangs dackelt in eine Reinigung?«

»Bei allem Respekt, Sir, ich –«

Er schnitt sie ab.

»Wenn ich Ihnen gewogen bleiben soll, Liebchen, gehen Sie mir nicht auf den Sack.«

Sie zog in Betracht, ihre Würde zu verteidigen, für den Feminismus einzustehen, ihm respektvoll zu sagen, er könne sie am Arsch lecken, und dachte dann: ja, klar.

Hob die Schnipsel auf, sagte: »Ich brauche Geld.«

»Brauchen wir das nicht alle, Liebchen – wo ist Brant?«

Später: Roberts hatte gerade sein Auto abgestellt und war ausgestiegen, als ein Mann aus dem Schatten trat. Ein großer Mann. Er platzte aus seinem Trainingsanzug und bestand aus nichts als Muskeln.

Er sagte: »Ich brauche mal dein Geld, Kumpel, und wahrscheinlich auch deine Uhr, wenn die kein Billigscheiß ist.«

Roberts war so müde und sagte: »Würde es einen Unterschied machen zu wissen, dass ich Polizist bin?«

»Keinen großen. Ich bitte die Leute schon den ganzen Tag um Geld, und zwar freundlich, und sie behandeln mich wie Dreck. Jetzt ist Schluss mit lustig. Her damit, Kumpel.«

»Okay, wie Sie sehen, bin ich kein Jungspund, und fit bin ich zu gar nichts mehr, aber ich habe eine echt fiese Ader. Sie werden mir zweifelsohne sehr wehtun, aber ich verspreche Ihnen, das kriegen Sie zurück.«

Der Mann überlegte, trat einen Schritt vor, spie dann: »Ach, scheiß drauf, vergiss es. Okay.«

»Vergessen. Nein. Wohl kaum. Verschwinde aus meinem Revier, Kumpel, du bist nicht zu übersehen.«

Nachdem Roberts gegangen war, dachte der Mann darüber nach, ihm einen Stein durch die Windschutzscheibe zu schmeißen oder die Reifen aufzuschlitzen oder irgendeinen anderen Mist. Aber der Scheißkerl würde ihn jagen. Oh ja, ein gnadenloses, eiskaltes Arschloch. Am besten in Ruhe lassen.

Er sagte: »Glück gehabt, Kumpel.«

Wen er meinte, war unklar.

Zu Hause musste sich Roberts erst mal an die Tür lehnen. Seine Beine verwandelten sich in Pudding, er zitterte wie ein Aal. Eine Stimme fragte: »Du hast doch keinen Anfall, oder, Dad?«

Sarah, seine fünfzehnjährige Tochter, eigentlich im Internat, einem so teuren, dass einem das Herz blutete. Und zwar bis zum letzten Tropfen. Er rang um Fassung.

»Was machst du zu Hause, sind schon Ferien?«

»Nein, ich bin suspendiert worden.«

»Was? Weswegen, zum Teufel? Ich brauche einen Drink.«

Er schenkte sich ein anständiges Maß Glenlivet ein, noch ein Schwapper hinterher, trank einen großen Schluck und musterte seine Tochter. Sie stand an jener kostbaren, zeitlosen Schwelle zwischen Mädchen und Frau und liebte und verachtete ihren Vater zu gleichen Teilen. Er sah genauer hin, sagte:

»Gütiger Himmel, hast du da einen Haken in der Lippe?«

»Das ist in, Dad.«

»Verdammt schmerzhaft, würde ich vermuten. Bist du deswegen zu Hause?«

»Natürlich nicht. Mum sagt, ich soll dir nix sagen, ich hab nix gemacht.«

Roberts seufzte. Über ihm schwebte immerzu die dunkle Wolke des finanziellen Ruins, nur damit sie lernte, »nichts« zu sagen.

Er griff zum Telefon, Sarah machte ein Zeichen für »später« und ging nach oben.

»DI Roberts hier. Ja, ich bin zu Hause, und direkt vor meiner eigenen Haustür hat irgendein Typ versucht, mich auszurauben. Was? Wie meinen? Ob ich ihn verhaftet habe? Holen Sie DS Brant und schicken Sie einen Wagen her, die sollen sich den Typen holen. Ein weißer Riese in einem schmuddeligen grünen Trainingsanzug. Das soll Brant übernehmen. Meine Adresse? Ich hoffe sehr, Sie spaßen, Jungchen.« Und er knallte den Hörer auf.

Als oben ein musikalisches Erdbeben losbrach, murmelte er: »Gut.«

Er rannte die Treppe hoch, immer zwei Stufen auf einmal, wie ein Irrer. »Sarah! Sarah! Was ist das für ein grauenhafter Krach?«

»Das ist Encore Une Fois, Dad.«

»Was immer das ist, stell es leiser. Sofort!«

Sarah lag auf dem Bett. Überlegte, einen Joint zu riskieren. Lieber nicht, wenigstens bis Mum nach Hause kam.

»Wer zuerst zuschlägt, wird befördert.«(Detective Sergeant Brant)

Brant beugte sich über den Verdächtigen und fragte: »Hast du schon mal einen Puck im Hals gehabt?«

Der Verdächtige, ein junger Weißer, wusste die Antwort nicht, aber sehr wohl, dass schon die Frage nichts Gutes verhieß.

Brant legte die Hand an die Stirn, sagte: »Ach herrje, wie dumm von mir. Du weißt wahrscheinlich nicht, was das heißt. Da kommen wieder mal meine irischen Wurzeln durch. Lass mich erklären.«

Der Constable an der Tür des Vernehmungsraums wurde nervös. Brant kannte und ignorierte ihn, sagte: »Ein Puck ist –«, und schlug mit der Faust gegen den Adamsapfel des Mannes, der samt Stuhl nach hinten umkippte und seinen Hals umklammerte. Das einzige Geräusch kam vom Stuhl, der auf dem Boden aufschlug.

Brant sagte: »Das. Einmal zeigen ist mehr wert als hundert Worte, hat meine alte Mutter immer gesagt – Gott hab sie selig.«

Der Mann wand sich auf dem Boden und rang nach Luft. Der Constable trat vor, sagte: »Wirklich, Sir, ich –«

»Halt die Fresse.« Brant stellte den Stuhl auf. »Nimm dir Zeit, Junge, keine Eile, überhaupt keine Eile. Ein paar mehr Pucks und du vergisst völlig die Zeit. Aber jetzt mal eine Auszeit, gönnen wir uns eine schöne Tasse Tee, hm? Wie wär’s mit gutem alten Chinagebräu?« Brant setzte sich auf den Stuhl, brachte eine zerknitterte Kippe zum Vorschein, zündete sie an und sagte mit erstickter Stimme: »Herrje, diese Dinger hauen wirklich in die Kehle rein – kennst du das?« Er nahm einen weiteren tödlichen Zug und fragte dann: »Willst du mir vor dem Tee sagen, warum du das Mädchen vergewaltigt hast, oder erst hinterher?«

»Davor«, krächzte der Mann.

Brant war wie ein Pitbull. Man sah ihn und dachte sofort »Kampfhund«. Es passte. Sein Haar war im raschen Rückzug, der Rest kahlrasiert. Dunkle Augen über einer Nase, die mindestens zweimal gebrochen worden war. Ein breiter, sinnlicher Mund, der Vornehmheit andeutete oder sogar Sanftmut. Weder das eine noch das andere traf zu. Er war eins zweiundsiebzig und kräftig gebaut. Was nichts mit Muckibude zu tun hatte, sondern mit schwelender Wut. Nach einem Drink sagte er gern: »Ich bin wütend auf die Welt gekommen, dann ist es schlimmer geworden.«

Zum Detective Sergeant hatte er es durch reine Blutrünstigkeit gebracht. Damit war unwahrscheinlich, dass er in der Metropolitan Police noch weiter aufsteigen würde. Die wollte ihr Schläger-Image ablegen.

Die Anti-Terror-Einheit hatte ihn umworben, aber der hatte er in einem denkwürdigen Memo mitgeteilt, sie solle sich selbst ficken. Danach liebten ihn die Anti-Terroristen noch mehr. Das war genau ihr Stil.

Vor dem Vernehmungsraum bat der Constable: »Kann ich Sie kurz sprechen, Sir?«

»Mach’s kurz, Kleiner.«

»Ich habe das Gefühl, Widerspruch einlegen zu müssen.«

Brant packte den Mann an den Eiern und knurrte: »Fühl das mal! Leg dir ein paar Stahldinger zu, Kleiner, sonst schiebst du Streife in Peckham.«

Falls kam hinzu, sagte: »Ah, alles im Griff.«

»Was willste, Falls?«

»Mr. Roberts sucht Sie.«

Er ließ den Constable los, sagte: »Stör nie wieder meine Vernehmungen. Kapiert, Bürschchen?«

Der CA-Club hatte nichts mit Klamotten zu tun und machte keinerlei Werbung. CA stand für »certain age«, gewisses Alter, gemeint waren Frauen in solchem, nämlich dem, in dem sie wussten, was sie wollten. Und zwar Sex.

Ohne Schnickschnack.

Ohne Ärger.

Ohne Komplikationen.

Roberts’ Frau war sechsundvierzig. Laut den einschlägigen Hollywood-Schnulzen hatte eine sechsundvierzigjährige Frau höhere Chancen, von einem Psychopathen gekillt zu werden, als einen neuen Partner zu finden.

Ihre Freundin Penelope hatte ihr diese Weisheit gerade überbracht und sagte jetzt: »Fiona, willst du nicht mal einfach so von einem heißen Kerl flachgelegt werden, ohne Konsequenzen?«

Fiona schenkte Kaffee ein, lachte nervös. Ermutigt drängte Penny: »Willst du nicht wissen, ob schwarze Typen größer sind?«

»Gute Güte, Penny!«

»Natürlich willst du, vor allem, wenn der einzige Schwanz in deinem Leben ein Schlappschwanz ist.«

»So schlimm ist er nicht.«

»Er ist ein aufgeblasenes Arschloch. Komm schon, du hast Geburtstag, ich lade dich in den CA-Club ein. Du hast den Sex deines Lebens, und es kostet dich nichts. Geht auf mich.«

Fiona hatte sich bereits entschieden, wollte aber überredet werden, verführt gar, und fragte: »Ist man da sicher?«

»Sicher? Wenn du sicher willst, kauf dir einen Vibrator. Komm schon, tob dich mal aus, Mädel – die Männer tun’s ständig, wir holen nur nach.«

Fiona zögerte, fragte: »Und sind die Männer jung?«

»Alle unter zwanzig und mit himmlischen Sixpacks.«

»Also gut – muss ich was mitnehmen?«

»Deine Phantasie. Lass uns feiern!«

Brant klopfte nicht, rauschte direkt in Roberts’ Büro hinein.

»Klopfen Sie nicht?«

»Herrje, Guv, ich war so scharf darauf, Ihrem Ruf zu folgen, dass ich das glatt vergessen hab.«

»Scharf!«

»Ja, wie Senf, Guv.«

»Nennen Sie mich nicht Guv, wir sind hier nicht bei The Sweeney.«

»Und Sie sind auch kein Regan, wie? Hier, ich habe einen neuen McBain für Sie.«

Er warf ein eselsohriges Buch auf den Tisch. Es sah aus wie gekaut, gewaschen und geschlagen. Roberts fasste es nicht an, sagte: »Haben Sie das auf dem Klo gefunden?«

»Das ist sein bisher bestes. Keiner kriegt Polizeikrimis so hin wie Ed.«

Roberts beugte sich vor und beäugte den Titel. Er war von einem Fettfleck ausgelöscht. Zumindest hoffte er, dass es sich um Fett handelte. Er sagte: »Sie sollten lieber wen Einheimisches unterstützen, lesen Sie Bill James, den humorvollen Blick auf Polizeiarbeit.«

»Für den Humor, Sir, hab ich Sie – mein Humortrog ist bis zum Anschlag gefüllt.«

Die Beziehung zwischen R und B schien immer einen Schlag entfernt von schlagfertig zu sein. Man hatte das Gefühl, am liebsten würden sie zupacken und sich gegenseitig totprügeln. Was schon passiert war. Die Spannung zwischen den beiden war die Chemie, die sie verband. Man konnte es auch Ko-Abhängigkeit nennen.

Das Telefon klingelte und verschob weitere Triezereien.

Roberts schnappte es sich, und Brant hörte: »Was, eine Laterne? Wo? Wann? Herrgott! Rühren Sie ihn nicht an. Nein! Schneiden Sie ihn nicht runter. Halten Sie die Presse weg. Ach, Scheiße. Wir sind auf dem Weg.« Und er legte auf.

Brant lächelte. »Ärger, Guv?«

»Ein Lynchmord. In Brixton.«

»Nicht Ihr Ernst!«

»Sehe ich aus, als würde ich Witze machen? Und es wurde eine Botschaft hinterlassen.«

»Was? ›Um zwei wieder da‹, so was?«

»Woher zum Geier soll ich das wissen? Gehen wir.«

»Okay, Guv.«

»Was hab ich gesagt, Brant? Hab ich nicht gesagt, Sie sollen das lassen?«

Brant erwiderte: »Vergessen Sie McBain nicht, wir können jede Hilfe brauchen.«

Roberts nahm das Buch, warf es mit einem feinen Überkopfwurf in den Papierkorb und sagte: »Bingo.«

»Mordermittlerarschlöcher«

Als Brant und Roberts in Brixton ankamen, hatte sich schon eine Menschenmenge versammelt. Die gelben Polizeiabsperrungen wurden ignoriert. Roberts rief einen uniformierten Sergeant zu sich, sagte: »Sorgen Sie dafür, dass die Leute wieder hinter die Absperrung kommen.«

»Sie weigern sich, Sir.«

»Mann, sind Sie taub? Bringen Sie sie dazu.«

Der Rechtsmediziner war eingetroffen und betrachtete die baumelnde Leiche mit einem beinahe bewundernden Blick.

Roberts fragte: »Was meinen Sie, Doc?«

»Ertrunken, würde ich sagen.«

Brant lachte laut los und bekam einen Rippenstoß von Roberts.

Der Arzt sagte: »Falls Sie keine Leiter zur Hand haben, würde ich vorschlagen, Sie holen ihn runter.«

Roberts lächelte grimmig, wandte sich an Brant und sagte: »Ihr Job, finde ich.«

Brant grunzte und holte zwei Constables. Mit maximaler Umständlichkeit und viel Lärm hoben sie ihn auf Höhe der Leiche. Ein lautes »Buh« kam aus der Menge, es wurde gerufen:

»Pass auf dein Geld auf, Kumpel.«

»Küsst euch doch.«

»Worauf stehst du denn?«

Als Brant die Schlaufe endlich gelöst hatte, sackte die Leiche ab und landete mit ihm auf den Constables. Weiteres Johlen aus der Menge und ein Haufen Obszönitäten von Brant.

Roberts sagte: »Ich glaub, ihr habt ihn, Männer.«

Während Brant sich bemühte, wieder auf die Beine zu kommen, fragte Roberts: »Irgendwelche Kommentare?«

»Ja, der Scheißer hat sich nicht die Zähne geputzt und garantiert keine Zahnseide benutzt.«

Der Cricketcaptain war gerade in seinem Garten beschäftigt, als Minna vorbeikam, ein bunter Hund in der Gegend und so genannt, weil er ständig von der Polizei rumkutschiert wurde. Er brüllte immer: »Ah, die Polizei, nehmt mich in der grünen Minna mit.« Und so geschah es.

Der Alkohol hatte sein Hirn eher langsam ausgehöhlt als in Brei verwandelt. Norman hatte ihm immer mal was geschenkt, Kohle, Klamotten, Geduld.

Als Minna seinen Saufkumpanen erzählte, er würde den berühmten Captain kennen, hatten sie ihm eins auf die Nase gegeben. Jahrelanger Konsum von Jack, Meth, Franzbranntwein hatte sein Gesicht zu einer Ruine aufgebläht, die Richard Harris einen Schrecken eingejagt hätte.

Er sagte: »Morgen, Cap!«

»Morgen, Minna. Brauchst du irgendwas?«

»Tausche Plausch gegen Rausch, ein paar Kröten für Schnaps, wenn möglich?« Norman hatte einmal miterlebt, wie Minna einer weinenden Frau ein überraschend weißes Taschentuch gegeben hatte. Die an Schüchternheit grenzende Sanftheit, mit der er es ihr hingehalten hatte. Norman steckte ihm das Geld zu, und Minna, dessen Blick ihm vor die Füße fiel, sagte:

»Ich war nicht immer so, Cap.«

»Das weiß ich doch.«

»War schon mal bei den Anonymen Alkis, nette Leute, aber der Jack hat mich im Griff, sie meinten, ich muss mir einen Sponsor besorgen.«

»Einen was?«

»Sponsor, so was wie ein Freund, na ja, der nach einem schaut.«

»Und hast du dir einen besorgt?«

Minna fing laut an zu lachen, sagte mit gestelzter Stimme:

»Was glaum Sie denn, dreimal dürfense raten.«

Norman, aus Angst vor weiteren Enthüllungen, sagte: »Ich mache mal weiter.«

»Cap?«

»Ja?«