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Die R&B der Londoner Metropolitan Police sind zurück: Chief Inspector Roberts und Detective Sergeant Brant. Wie üblich geht in ihrem Revier im Südosten Londons eine Menge Scheiße vor sich. Ein Mann wurde, zu Tode geschlagen, in einem heruntergekommenen Zimmer in Stockwell aufgefunden. Daran ist nichts Ungewöhnliches, außer dass das Opfer Tony, der Bruder von Chief Inspector Roberts, ist. Sie haben seit einem Jahrzehnt nicht mehr miteinander gesprochen, aber er ist immer noch Familie. Familie und Rache sind etwas, mit dem sich Roberts identifizieren kann. Und der Bruder des Opfers ist einer der gemeinsten Polizisten in London. Chief Inspector Roberts ist der letzte Mann, der Tony lebend gesehen hat und er verspricht, seinen Bruder zu rächen. Auf der anderen Seite des Reviers ist Detective Sergeant Brant dem gnadenlosen irischen Gangster Tommy Logan auf der Spur, einem rücksichtslosen Abschaum ohne Res- pekt vor der Polizei oder irgendjemandem. Als Tommy aus dem Gefängnis entlassen wurde, beschloss er, Ire zu werden. Er änderte seinen Nachnamen in Logan, zog in den Südosten Londons und fing an, einen Hurley mit sich herumzuschleppen. Logan zeichnete sich schnell als einer der klügsten der South Side aus: ein Meister der Geldwäsche, der Tarnfirmen und des Ausweichens vor der Polizei. Seine einzige Schwäche ist sein Temperament – und das wird sein Imperium zum Einsturz bringen. Logan wird bald herausfinden, dass kein Hurley hart genug ist, um das Wort eines entschlossenen Polizisten zu brechen. Und nicht zu vergessen: WPC Falls – "schwarz und hübsch" – wird als Lockvogel für den "Clapham Rapist" eingesetzt, ein Serientäter mit einer Vorliebe für afrokaribische Frauen.
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Seitenzahl: 130
DARK PLACES
Ken Bruen
Aus dem Englischen von Karen WitthuhnHerausgegeben von Jürgen Ruckh
Originaltitel: The McDead
Copyright: © Ken Bruen 2000
Deutsche Erstausgabe, 1. Auflage 2023
Aus dem Englischen von Karen Witthuhn
Mit einem Nachwort von Peter Henning
© 2023 Polar Verlag e. K., Stuttgart
www.polar-verlag.de
Redaktion: Tobias Schumacher-Hernández
Korrektorat: Nadine Helms
Umschlaggestaltung: Britta Kuhlmann
Coverfoto: © stokkete /Adobe Stock
Autorenfoto: © Ken Bruen
Satz/Layout: Martina Stolzmann
Gesetzt aus Adobe Garamond PostScript, InDesign
Druck und Bindung: Nørhaven, Agerlandsvej 3, 8800 Viborg, DK
Printed in Denmark 2023
ISBN: 978-3-948392-75-8
eISBN: 978-3-948392-76-5
Für Jess
Anstoß
Living next door to Alice (Smokie)
Die Griechen haben ein Wort dafür
Song for Guy
Dicker Fisch
Leichenbraus
Private Ermittlung
Loge
Nachsorgen
Steckbrief
Vor Angst
Abendlied
Fallout
Stärke
Es geht weiter
Coup
Die Vergangenheit
Gekebabt
Shopping
In der modernen Welt
Lehrstunde
Die Dinge sind ganz und gar das, was sie scheinen, und hinter ihnen ist nichts. (Sartre)
Lichter aus
Band
Zeit der Tränen
Auf einen Dämpfer
Englisches Graffiti
Wiedergutmachung
Eiscreme
Angst und bange
Sag Cheese
Benediction Moon
Party
Wer hat TL erschossen?
Rauchen
»Das ungesagte vergrößern«
»Sterbe ich?«
Was macht man da? Lügen, dass sich die Balken biegen, und filmreif sagen: »Nee, is bloß ’n Kratzer«? Oder die Hand umklammern und sagen: »Ich lass dich nicht gehen, Bro«?
Chief Inspector Roberts war Profi, unter anderem auch Profi-Lügner. Das lernte man nicht auf der Polizeischule. Nein, das brachten Beförderungen mit sich. Er spielte im Kopf die möglichen Antworten durch. Und sagte: »Du stirbst.«
Um drei Uhr morgens hatte er einen Anruf bekommen. Die Stunde des Todes. Er war widerwillig aufgewacht und hatte gebrummt: »Wehe, wenn das jetzt nichts Ernstes ist.« Hörte: »James!«
Niemand sprach ihn beim Vornamen an, nicht mal seine Frau. Er sagte: »Tony … gute Güte … wo bist du? Weißt du, wie spät es ist?« Vernahm ein trauriges Lachen.
Dann: »Ich hab nicht angerufen, um nach der Zeit zu fragen. Ich bin verletzt … ziemlich schlimm verletzt.«
Er klang verletzt, lallte angestrengt. Roberts schrieb sich schließlich eine Adresse auf, sagte: »Rühr dich nicht vom Fleck, ich bin auf dem Weg.«
Wieder das traurige Lachen. »Keine Sorge, ich bleib hier.« Roberts zog sich in Windeseile an. Seine Frau schlief im Zimmer nebenan. Tja.
»Verdammte Scheiße«, sagte Roberts laut. »Gott, ich habe mich lange nicht gemeldet … das weiß ich … aber vielleicht wäre jetzt eine gute Gelegenheit.«
Sein Sergeant, ein zweifelhaftes Katholikenexemplar, hatte ihm beigebracht, dass Religion ein Tauschhandel war: Du tust was für Gott, er tut was für dich. Wie bei den Freimaurern.
Er überlegte, was er anzubieten hatte, und sagte: »Ich werde … ähm … gute Taten tun.« Hatte keinen Schimmer, was das heißen sollte. Vielleicht öfter mal The Big Issue kaufen und aufs Wechselgeld verzichten.
Ja, das war ein Anfang. Er wartete, drehte wieder den Zündschlüssel um.
Nüscht
Nada
Nix
Er schaute kurz nach oben, sagte:
»So in etwa hab ich mir das vorgestellt.«
Eine Taxifahrt später kam er in Stockwell an, wo die Pitbulls im Doppelpack rumlaufen. Ludlow Road liegt nur einen Knüppelwurf entfernt von der U-Bahn. Um diese Nachtzeit waren die Straßen übersät mit
den Untoten,
den Verlorenen und
den Erfrorenen.
Das Haus war ein Kaninchenbau aus möblierten Zimmern. Kein Schloss an der Haustür. Im Flur lag ein Säufer, hob den Kopf, schnaufte: »Ist heute Dienstag?«
»Nein.«
»Sind Se sicher?«
Roberts bezweifelte, dass der Kerl überhaupt wusste, welches Jahr war, aber hey … warum diskutieren? Er sagte: »Heute ist Donnerstag … okay?«
»Ah, gut. Dienstags spiele ich Golf.«
Na klar.
Die Tür von Wohnung sechs war sauberer als die meisten und stand einen Spaltbreit offen. Roberts trat langsam ein. Ein Ort der Verwüstung. Alles war kaputt, die Kissen aufgeschlitzt, der Fernseher demoliert, Stühle und Geschirr zertrümmert, und sein verprügelter Bruder lag im Bad. Ein Brei aus Blut und Schrammen. Roberts sah den Beinen an, dass sie geknickt waren. Tony öffnete die Augen, na ja, öffnete eins halb. Das andere war zermatscht worden. Anscheinend mit einem Hammer.
Er sagte: »James, kann ich dir was anbieten?«
Und Roberts versuchte, nicht zu lächeln, bückte sich, sagte:
»Ich hab den Krankenwagen gerufen.«
Sein Bruder schien kurz das Bewusstsein zu verlieren, sagte dann: »Oh, gut, kommt er am Wochenende?«
Eine Südostlondoner Wahrheit. Wer an einem Wochentag den Notarzt rief, rechnete nicht vor Samstag mit ihm. Roberts wusste nicht, was er tun sollte, sagte: »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Dann fragte Tony, ob er sterben würde. Roberts versuchte, den Kopf seines Bruders zu halten, überall war Blut, fragte: »Wer hat das getan, Tone?«
»Tommy Logan.«
Bevor er nachhaken konnte, krampfte sein Bruder, ließ den Kopf fallen und starb. Als die Sanitäter und die Tatortjungs eintrafen, führten sie Roberts in das verwüstete Wohnzimmer. Der leitende Officer sagte: »Tut mir leid, Guv, aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen, Sie verstehen schon.«
»Ja.«
»Hat er irgendwas gesagt?«
»Nein.«
Der Officer versuchte es mit Samthandschuhen, fragte: »Er hat Sie angerufen?«
»Ja.«
»Aber hat keinen Hinweis darauf gegeben, was sich hier zugetragen hat?«
»Er sagte, er ist verletzt, und ob ich kommen könnte.«
»Und?«
»Ich bin gekommen.«
»Okay … war er … äh … bei Bewusstsein … als Sie ankamen?«
»Nein.«
Der Officer sah sich um, sagte: »Verstehe.« Was nicht stimmte. Er wechselte die Taktik, fragte: »Standen Sie sich nah, Guv?«
»Nah?«
»Hatten Sie regelmäßigen Kontakt?«
Roberts konzentrierte sich, sagte dann: »Ich hab zuletzt vor zehn Jahren mit ihm gesprochen … vielleicht elf.«
»Ah, dann also nicht?«
Roberts sah den Officer direkt an, sagte: »Kein Wunder, dass Sie Detective sind.«
WPC Falls stand vor dem Superintendent. Er trank Tee, und das geräuschvoll. Tee lässt sich nur schwer kauen, aber er schien dieses Talent zu besitzen.
Knurps
Knurps
Knurps
Wie ein magersüchtiges Frettchen. Er bekam ihn runter, aber das hieß nicht, dass er ihm schmeckte. Schlimmer noch. Ein Keks, ein Club Milk. Er riss die Verpackung auf, pellte sorgfältig das Stanniolpapier ab, sagte: »Die sind gut geschützt.«
Meinte er die Öffentlichkeit, Kriminelle, Steuerhinterzieher? Also sagte sie nur: »Ja, Sir.« Was so ziemlich die harmloseste Antwort überhaupt war.
WPC Falls war schwarz und schön, oder wie es in der Kantine hieß: »Sie ist schön schwarz.« Spar dir die Widerworte. Vor Kurzem hatte sie sowohl privat wie auch beruflich eine spektakuläre Bauchlandung hingelegt. Sie war schwanger gewesen und hatte sich im Alleingang einen Brandstifter greifen wollen. War fast getötet worden, hatte das Baby und beinah den Job verloren.
DS Brant hatte sie gezwungen, mit ihm zusammen einen Auftragsmörder zu verhaften. Das hatte ihr den Job gerettet und ihr Selbstbewusstsein einigermaßen wiederhergestellt. Nicht vollständig, aber die Richtung stimmte. Danach hatte er gesagt: »Weißte was, Falls, du siehst langsam fies aus.«
»Was?«
»Ja, du hast so ’ne Bosheit im Blick.«
Sie konnte nicht widerstehen, sagte: »Wie Sie, Sergeant?«
Er lachte, erwiderte: »Siehst du, was ich meine? Ja … wie ich, und wenn du clever bist, feilst du dran.«
Überrascht fragte sie: »Geht das wieder weg?«
»Scheiße, nein, du wirst immer fieser.«
Der Super legte den Keks beiseite, sagte: »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.«
Ein Gedankenwirbel in Falls’ Kopf – Gott sei Dank frisst er den Keks nicht. Aufgeblasener Wichtigtuer –, alles dicht am Ungehorsam. Sie rief sich zur Ordnung. Chill mal. Inzwischen blätterte der Riesenarsch durch ihre Akte und gab alle paar Seiten Seufzer, Schnalzer, Schnaufer von sich. Schließlich lehnte er sich zurück, sagte: »Ziemlich durchwachsene Karriere bisher.«
»Ja, Sir.«
Er klopfte mit einem Stift gegen seine Vorderzähne, rief aus: »Und so verheißungsvoll, Sie haben Potenzial. Oh ja.«
Falls dachte: Ja, ich bin schwarz und eine Frau.
Er klappte die Akte zu, als wäre ihm gerade eine Idee in den Kopf gekraucht, sagte: »Ich möchte Ihnen eine Chance geben, Falls.«
»Ja, Sir.«
»Bestimmt haben Sie vom Clapham-Vergewaltiger gehört?«
Wie auch nicht? Ein Serientäter, hatte sechs Frauen überfallen, sechs schwarze Frauen. Die Sozis schlugen Krach. Warfen mit »polizeilicher Schlamperei« und Ähnlichem um sich.
Er fuhr fort: »Sie werden in einem möblierten Zimmer in Clapham wohnen und die Pubs, Clubs, all die Orte besuchen, an denen der Typ auf Jagd geht.«
Sie versuchte, sich zu beherrschen, ging nicht, sie sagte: »Als Köder?«
Er lächelte nachsichtig, sagte: »So würden wir das nicht nennen, Mädel, das klingt nach Falle. Wir werden Sie rund um die Uhr bewachen.« Klar. »Also, schaffen Sie das? Ich habe Sie eigenhändig ausgesucht.«
»Ja, Sir.«
Danke, Sir. Ich werde Sie nicht enttäuschen, Sir.
Arschkriechen bis zum Anschlag.
»Gut, der Diensthabende hat die Einzelheiten. PC McDonald wird Sie unterstützen … Das ist alles.«
Sie schloss gerade die Tür, als er sich auf den Keks stürzte. Hörte ihn schlingen, nahm die Beine in die Hand, murmelte: »Hoffentlich erstickt er dran.«
Wie Brant gesagt hatte: »Du wirst immer fieser.«
Eine schmale Straße verbindet die Walworth Road mit dem Osteingang des Einkaufszentrums am Elephant and Castle. Dort befinden sich Gebrauchtmöbelläden, ein Buchmacher, ein zugenagelter Spirituosenladen und eine Taverne. Die Taverne heißt The Spirit of Athens. Eine Spelunke. Aber das Geschäft läuft nicht schlecht, und die Baconsandwiches haben einen guten Ruf. Ein Hauch Kebab dazu, den Stammkunden schmeckt’s. Hat was Exotisches und überdeckt den Bacon.
Wirklich ein kulinarischer Hochgenuss.
Der Wirt hieß Spiro Zacharopoulos. Er war Spitzel, genauer gesagt Brants Spitzel. Brant sah aus wie ein Gangster und war stolz darauf. Die Metropolitan Police glaubte, dass er ein Gangster war, und schämte sich zutiefst für ihn. Er hatte in seiner Karriere ein paarmal fette Scheiße gebaut, was dafür sorgte, dass er nie über den Rang eines Sergeant hinauskommen würde. Aber er hatte auch ein paar aufsehenerregende Fälle in letzter Minute noch geknackt und sie, die Karriere, damit gerettet. So lief es immer, dünnes Eis zum gelobten Land.
Eine Mischung aus Rücksichtslosigkeit und irischer Chuzpe hielt ihn über Wasser. Spitzel waren die Lebensadern jeglicher Polizeiarbeit. Brant wusste das besser als die meisten. Jetzt saß er am Tisch, sagte zu Spiro: »Herrje, was spricht dagegen, hier mal zu putzen?«
»Ah, Miister Brant, Putzhilfen sind so … wie sagt man … diskolo … schwer zu finden.«
»Anscheinend gar nicht. Kannst du dir keinen Besen besorgen?«
Spiro sprach perfektes Englisch, spielte das aber gern runter. War besser für ihn. Er sagte: »Ah, Miister Brant, Sie machen Witz.«
Brant steckte die Hand in die Jackentasche, holte eine Packung Weights und ein zerbeultes Zippo hervor, steckte sich eine an, blies den Rauch aus, sagte: »Wenn ich einen Witz mache, Jungchen, dann merkst du das.«
Spiro spielte den Beflissenen, ging einen Aschenbecher holen. Auf der Seite stand Ouzo 12. Brant aschte auf den Boden, sagte: »Das macht echt einen Unterschied, wie? Wofür steht die Zwölf?«
Jetzt konnte Spiro den echten Griechen geben, gastfreundlich, schlau, sagte: »Ouziko Dodika.«
»Und was soll mir das sagen? Sagt mir gar nix, Kumpel.«
»Moment … einen Moment.« Spiro stand auf, ging zur Bar und machte sich zu schaffen. Kam fünf Minuten später mit Gläsern, einer Flasche, Tellern mit Snacks und einer Kanne Wasser wieder, sagte: »Ich mache vor.« Schenkte den Ouzo ein, gab Wasser dazu und das Gesöff sah aus wie Fensterputzmittel, zeigte auf die Snacks, erklärte: »Das sind Meze, wir essen, wir trinken wie in Griechenland.«
Die »Snacks« bestanden aus
zwei Ritz-Kräckern,
zweimal »Gummi«,
zwei Käsewürfeln.
Brant starrte, dann: »Herrje, so viel, du wirst noch pleitegehen … was sind das für Gummidinger?«
»Oktopu.«
»Ich hoffe, du scherzt. Weißte was, ich gönn mir den Rest, die Kondome kannst du haben.«
Er griff zum Glas, und bevor er trank, sagte Spiro: »Aspro pato.«
»Von mir aus.« Kippte den Ouzo weg, keuchte und sagte: »Verdammter Scheibenkleister …«
»Schmeckt?«
Brant wischte sich den Mund ab, biss in einen labbrigen Kräcker, sagte: »Sparen wir uns den Mist, Jungchen, und lass den Griechischunterricht … okay? Du bist zu mir gekommen und hast deine Hilfe angeboten, wenn ich ein paar von deinen Problemen löse. Das hab ich getan, dein Laden wurde nicht dichtgemacht, also lass hören. Du bist Spitzel, also spitzel.«
Spiro war gekränkt, jammerte: »Miister Brant, ah … ich dachte, wir sind Freunde. Freunde tun einander einen kleiinen Gefallen.«
Er war jetzt warm und hätte die große Oper gegeben, aber Brant beugte sich vor, gab ihm eine gewaltige Schelle, sagte:
»Du passt nicht auf, Costos.«
»Ich heiße Spiro.«
»Siehst du, jetzt hörst du zu. Wer ist im Augenblick der dickste Fisch?«
Lange war das Bill Preston gewesen. Der war jetzt im Urlaub, und verschiedene Verbrecher brachten sich in Position. Spiro sah sich im leeren Restaurant um, sagte dann: »Tommy Logan. Ire, wie Sie, glaube ich, denkt aber wie ein Kolumbianer.«
»Was heißt das?«
»Kennt keine Gnade, keine … wie sagt man? Grenzen … Er steht oben, weil er vor nichts zurückschreckt.«
»Tja, dann möchte ich den kühnen Logan kennenlernen.«
»Mister Brant, seien Sie vorsichtig, der Mann ist irre. Er kennt keinen Respekt, weder vor der Polizei noch sonst wem.«
Brant schenkte sich Ouzo ein, sagte: »Trinken wir noch einen Terpentin, auf Tommy Logan.«
»Ah, Sie mögen den Ouzo.«
Brant beugte sich vor, Spiro duckte sich, aber der Sergeant legte bloß den Arm um die Schultern des Griechen, sagte: »Ich mag dich, Costis, dich und deinen Saftladen.«
Eine Handvoll Trauergäste auf der Beerdigung von Tony Roberts. Der Chief Inspector, Brant, Falls, McDonald und ein Säufer, der Roberts irgendwie bekannt vorkam, aber ihm fiel nicht ein, woher.
Der Vikar las:, »Der Mensch ist voller Unruhe und lebt kurze Zeit …«
Brant stieß ihn an, unsanft, sagte: »Herrje, Pater, nicht ganz so depressiv.«
Der Vikar sagte: »Also wirklich, überlassen Sie das den Profis. Es gibt Regeln und vorgeschriebene Worte.«
Brant warf ihm den Blick zu, fragte: »Wollen Sie als Erster in die Grube?«
Der Pater sah sich Hilfe suchend um, fand keine und las eine flockige Passage über Licht und Erlösung. Das gefiel Brant.
Es nieselte unablässig, man wurde nicht begossen, aber eingeweicht. Als würden die Eier fehlen, einfach richtig zu schütten. Als der Sarg ins Grab gelassen worden war, stellte sich Brant neben Roberts, fragte: »Alles okay, Guv?«
»Was … oh, ja … danke … Hören Sie, ich, ähm … Gibt es danach nicht immer Sandwiches für alle …?«
Brant lächelte sanft, ein Moment mit Seltenstheitswert, sagte: »Ich hab im Roebuck ein bisschen Bares an der Bar hinterlegt, die machen ein tolles Büfett.«
»Oh, wirklich?«
»Na ja, der Wirt ist Ire, der kennt sich aus mit Leichenschmaus. Er stellt uns was hin. Ich lass Sie kurz allein, Guv.«
Roberts wandte sich um, fragte: »Was soll ich sagen? Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Verabschieden Sie sich von ihm, Guv … oh … und dass Sie das Arschloch kriegen, das ihn umgebracht hat … okay?«
Nur Roberts und der Säufer blieben zurück. Dann fiel es ihm ein – der Säufer vor Tonys Tür. Der Mann sagte: »Tut mir leid für Sie, er war ein feiner Kerl. Hat mir hin und wieder Kohle gegeben.«
Roberts griff nach seiner Geldbörse, und der Mann war entsetzt. »Ich bin nich zum Betteln hergekommen.«
»Ich weiß, ich weiß es zu schätzen, aber um Tonys willen … tun Sie mir den Gefallen?«
Der Säufer war entrüstet, aber nicht dumm, nahm die Kohle, sagte: »Solange Sie wissen, dass ich nich deswegen hergekommen bin.«
Roberts nickte, stand einen Moment lang allein da, flüsterte dann: »Tschüs, Tony, ich krieg das Arschloch, das dich umgebracht hat … okay, mein Junge?«
Es gibt einen neuen Stiefel auf dem Markt. Schwer, dicke Sohle, bedrohlich und abdrucksvoll. Er heißt Wehrmacht. Ja, mit aller Konnotation. Gut, er heißt nicht gleich Drittes Reich