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Die zauberhafteste romantische Weihnachtskomödie aller Zeiten!
Holly lebt in einem kleinen Dorf in England und LIEBT Weihnachten. Und dieses Weihnachten wird definitiv das ultimativ beste aller Zeiten werden! Doch als ihre Mum sich entschließt, ihr Haus zu verkaufen und ihr Freund unterm Mistelzweig eine andere küsst, zerbröseln Hollys Pläne wie verbrannte Weihnachtsplätzchen.
Elle lebt in den USA und ihre Eltern betreiben einen Weihnachtsdekorationsservice. Davon lässt Elle sich inspirieren, als sie sich auf eine Blog-Challenge einlässt. Denn was würde ihr wohl mehr neue Follower verschaffen, als die Aussicht, sie beim Familientausch mit einem Mädchen aus einem idyllisch verschneiten britischen Dörfchen zu begleiten? Also tauschen die beiden Mädchen kurzerhand die Leben und suchen in der Ferne das, was ganz oben auf ihrer Wunschliste steht: die Liebe!
Eine turbulente und herzerwärmende Weihnachtsromanze für alle Fans von »To All The Boys I’ve Loved Before« und »The Kissing Booth«.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 409
Veröffentlichungsjahr: 2022
Beth Garrod hat in London, New York und Toronto gearbeitet und dort von Mental-Health-Kampagnen über Fernsehmusiksendungen bis hin zu den Radio 1 Teen Awards an diversen Projekten mitgearbeitet. Sie konzentriert sich bei dieser Arbeit auf Charity-Organisationen oder Medienunternehmen, deren Kampagnen der Unterstützung junger Menschen dienen. Momentan lebt sie im Osten von London, wo sie sich dem Schreiben ihrer Jugendbücher widmet.
Von Beth Garrod ist bei cbj erschienen:
Mega Awkward – Voll peinlich, aber gut drauf (21777)
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BETH GARROD
Aus dem Englischen von Ivana Marinović
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Erstmals als cbt Taschenbuch Oktober 2022
© 2020 Beth Garrod
Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel »All I Want for Christmas«
bei Scholastic Children’s Books, London
© 2022 für die deutschsprachige Ausgabe
cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Übersetzung: Ivana Marinović
Covergestaltung: Kathrin Schüler, Berlin
unter Verwendung eines Fotos von © Adobe Stock and Getty Images
MP · Herstellung: UK
Satz & E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN978-3-641-29446-5V001
www.cbj-verlag.de
Für Moomin, die dafür sorgte,
dass Weihnachten für uns magisch war –
und es immer sein wird.
Was soll denn bitte schön verkehrt daran sein, einem verschrumpelten Kürbis eine Nikolausmütze aufzusetzen?
Ich jedenfalls tat es und schlüpfte dazu in meinen Weihnachtswichtel-Onesie. Er musste einem Waschmaschinenunfall zum Opfer gefallen sein, denn er reichte mir nur noch bis zu den Waden, und das H vornedrauf war nur noch ein Π. Aber wen kümmerte es schon? Miiich nicht. Es war der 14. November, meine Weihnachts-Playlist dudelte, und alles lief nach Plan. Fröstelige Knöchel würden der Tradition keinen Abbruch tun (außer die Tradition sollte Wollsocken beinhalten).
Ich setzte mich auf die Bettkante und griff darunter. Bingo. Ich zog die abgewetzte Schuhschachtel hervor, pustete den Staub vom Deckel und zog das Klebeband ab. Ich liebte diesen Augenblick. Alle. Jahre. Wieder.
Da war sie und wartete auf mich. Eine Weihnachtskarte mit einem zusammengefalteten Blatt Papier darin. Ich schnipste ein Stück Orangen-Schoki weg (eigentlich zwei, aber sie schienen so glücklich zusammen – warum sie also trennen?) und öffnete den Umschlag.
Frohe Weihnachten Holly!
Wenn du das hier liest, kann es nur eins bedeuten: Es ist Weeeeeeeihnachten. Na ja, zumindest der Beginn davon. Hast dich echt gut durch die anderen, weniger sinnvollen zehn Monate geschlagen. Schneit es schon? Ich hoffe, um der zimtduftenden, festlichen Zeit willen, dass es das tut.
OBWOHL.HALT! Schlürfst du gerade schon ein lecker Heißgetränk mit Lebkuchengewürz? Wenn nicht, kümmere dichSOFORTdarum, bevor du auch nur ein weiteres Wort liest – denn das hier wird eeeecht der Knaller.
Was du gerade in der Hand hältst, ist nicht nur ein Weihnachtsgruß. O nein. Es ist ein Zeitreisegeschenk vom »Besten Weihnachten über-haupt«. Ganz ehrlich, dieses Jahr war es!
Und daher darf keine Einzelheit davon je in Vergessenheit geraten. (Für den Fall, dass du den Hinweis nicht schnallst: Das ist dein Stichwort, mit dem Notizenmachen zu beginnen, und zwar … jetzt.) Behandle diesen Brief wie ein kostbares Relikt. So wie die … äh … Mona Lisa. Nur besser.
Aber gut, lass mich mit dem Rückblick beginnen …
Das diesjährige dörfliche Weihnachtsliedersingen am Heiligabend um den Tannenbaum warNATÜRLICHherrlich. Einfach, weil aufNATURTALENTCarol, Mums Freundin, immer Verlass ist. Ohne Scheiß: Kann es sein, dass sie noch nie eins von den Liedern gehört hat,OBWOHLESJEDESJAHRDIEGLEICHENSIND–UNDÜBERHAUPTDIEGLEICHEN,SEITWEIHNACHTENERFUNDENWURDE??Wie üblich sang sie den Text falsch. Und die Melodie auch. Sagenhaft!
Danach begaben wir uns für die legendäre Heiligabendfeier zu uns nach Hause. Nachdem wir eine Weile herumgestanden und so getan hatten, als ob Weihnachtsstollen lecker wäre (und ich allen erzählt hatte, dass die Dinger so geformt sind, weil sie an das gewickelte Christkind in der Krippe erinnern sollen), verputzten Nay und ich in Blitzgeschwindigkeit ein paar von den rosa Quality-Street-Toffees, ohne erwischt zu werden. (Mum glaubt inzwischen ernsthaft, dass sie einfach nicht mehr so viele von den rosafarbenen in die Dose tun! Pffaahahaha.) Danach scheuchte ich alle raus in den Garten: Mum, ihren neuen Macker, seine Mini-Zwillinge, Carol, meine Schwester Nay und meine Freunde Ruby und Fred … alle eben.
Und,HALLO? Die beste Überraschung aller Zeiten! Ich hatte mich nämlich zuvor rausgeschlichen und Onesies im Gruppenlook für alle an die Wäscheleine geklammert – für jeden einen, mit jeweils dem Anfangsbuchstaben vornedrauf. Das hatte mich Wochen gekostet! Klar, ich gebe Fred vollkommen recht, dass, bei genauerem Nachdenken, zehn hin und her schwingende leblose Körper im dunklen Garten vielleicht etwas gruselig sind.ABER, nachdem ich die Zwillinge überredet hatte, mit dem Kreischen aufzuhören und wieder rauszukommen, waren alle hin und weg und schlüpften hinein. Nicht, dass ich mich hier selbst beweihräuchern will, aber wir sahen einfach ha-mmer-mäßig aus. Meine alljährliche Weihnachtswunderüberraschung ging durch die Decke wie ein Knallbonbon. Das Gruppenfoto war geradezu perfekt (Mum hat es schon an den Kühlschrank gehängt – direkt über das, wo Nay ihren Führerschein besteht. Hahaha). Der Einzige, der nicht drauf ist, ist Colin. Seinen Onesie hatte ich aus einem alten Pulli genäht, dabei aber irgendwie vergessen, dass Hunde vier Beine haben … plus einen Kopf. Im Grunde hatte ich ihm eine sehr kunstvolle Riesensocke gebastelt.
WIEAUCHIMMER.
Nachdem sie die Zwillinge aufs Sofa gepackt hatten, tranken Carol, Mum und Neuer Macker Glühwein und unterhielten sich lautstark darüber, dass der Alkohol beim Kochen verdampft (eine offensichtliche Lüge, angesichts der Lautstärke, in der sie das Thema diskutierten), während Ruby, Fred und ich uns hoch auf mein Zimmer verkrümelten zur heiligsten aller Festtagstraditionen: Buddy – Der Weihnachtseeeeelf schauen!!! Wir kennen jedes Wort auswendig. Dieses Jahr übertrafen Ruby und Fred sich beim Nachstellen der Rolltreppen-Szene selbst. Rubes war, selbstverständlich, hinreißend, und Fred war … na ja, Fred. Ich glaube nicht, dass er sich noch mal an dem Spagat versuchen wird – vielleicht nicht mal mehr in den Genuss kommen, je wieder normal zu gehen, so breitbeinig, wie er rausgehumpelt ist. Danach tauschten wir unsere Geschenke. Das von Fred an mich sah verdächtig nach zwei Riesenstangen Toblerone an einem Stück aus. (Spoiler-Warnung: Du kannst dir vorstellen, wie entzückt ich war, als … zwei Riesenstangen Toblerone am Stück herauskamen, mit Sekundenkleber aneinandergeklebt. Meine Freunde sind ebenDIEBESTEN!) Danach brachen alle auf und es blieben nur noch Mum, ich und meine Schwester Nay im Wohnzimmer zurück. Also hängten wir brav unsere Strümpfe ans Treppengeländer und gingen ins Bett.
Und,ACHDUHEILIGESSCHLITTENGLÖCKCHEN!
Der erste Weihnachtstag versprach nur noch besser zu werden und wurde es auch!
Ich stand früh auf (der Energieschub einer Vor-8-Uhr-morgens-Toblerone ist nicht zu unterschätzen), um Mum zu überraschen, indem ich das Weihnachtsfrühstück vorbereitete, aber sie war schon auf. Von Kopf bis Fuß im Weihnachtsfrau-Kostüm!! Ich eröffnete die diesjährige Weihnachts-Playlist, und wir tanzten durch die Küche, während wir darauf warteten, dass Nay aufstand (was ewig brauchte, obwohl ich viermal richtig laut an ihrer Zimmertür vorbeistapfte). Dann hieß es, die Strümpfe mit den Geschenken und die Schokowundertüten plündern. Mum tut immer noch ganz überrascht, wenn sie ihre große Sportsocke mit netten Kleinigkeiten vollgestopft vorfindet, als hätten wir das nicht seit Jahren getan, aber ich schätze, das ist nun auch Teil der Tradition!
Wie es der Brauch will, schmierte ich mir jedes Stück Schminke, das ich in meinem Strumpf fand, ins Gesicht, daher sah ich für zehn Uhr vormittags ziemlich extraordinär (anderes Wort für »gruselig«) aus und zog alle meine neuen Klamotten an, auch wenn sie null zusammenpassten. Die richtige Bescherung unter dem Tannenbaum verzögerte sich etwas, da ich einen kleinen Zwischenfall mit meiner Schokowundertüte hatte (will heißen, ich hatte alles verputzt bis auf die Mandelsplitter), und bei dem Versuch, mich vorzubeugen, um die Geschenke aufzuheben und sie zu verteilen, wurde mir etwas … blümerant. Aber dann öffnete die geniale Nay unsere jährliche Schachtel Luxuspralinen von Dad, und komischerweise stellte sich heraus, dass Weiternaschen die Lösung für mein Problem war. Wer hätte das gedacht?!
Mum und Nay gefielen meine Geschenke total – Gutscheine für einen Backkurs mit einem der TV-Gewinner von Das große Backen (puuuhhh – hatte mich alle meine Ersparnisse gekostet). Aber meine Schwester wurde plötzlich ganz komisch, und ich hatte keine Ahnung, warum, bis ich mein Geschenk öffnete – ein Gutschein für denselben Kurs! Absoluter Volltreffer!!! Sie meinte, das wäre ihre Große-Schwester-Intuition gewesen. (Fred verriet später versehentlich, dass er ihr den Tipp gegeben hatte, weil ich gar nicht mehr aufhörte, davon zu reden.)
Ruby liebte, was ich mir für sie überlegt hatte – ein personalisierter Handspiegel, auf den ich am Rand hatte eingravieren lassen: »Und der Preis für die beste Hauptdarstellerin geht an …« Den sollte sie vor ihren Theater-Vorsprechen benutzen, denn, wenn ich schon nicht dabei sein konnte, um meine Freundin daran zu erinnern, wie toll sie war, dann vielleicht wenigstens der Spiegel. Ehrlich, als Ruby, das Mädchen, das ich in fast sechzehn Jahren keine Emotion habe zeigen sehen, auf meinem Handy anrief, sah sie fast schon … den Tränen nahe aus. Auf die gute Art. Vielleicht heulte ich deswegen auch los, als ich ihr Geschenk an mich öffnete – eine New-York-Schneekugel mit der Central-Park-Eisbahn darin, die sie ebenfalls hatte personalisieren lassen! Ehrlich, es hätte nicht perfekter sein können. Der Spruch auf der Schneekugel lautete … eine Sekunde, lass mich sie holen …
»Schüttle meine Flocken, lege deine Träume dar,
spreche deinen Wunsch, und siehe, er wird wahr.«
**Anmerkung: Das habe ich nun schon 1000-mal getan, aber mein Wunsch, nach New York teleportiert zu werden, ist immer noch unerfüllt.
**Weitere Anmerkung: Ich habe sie sogar während der kompletten Übertragung des Snow-Ball-Konzerts im Madison Square Garden, die ich mir mit Nay anschaute, geschüttelt, aberIMMERNOCHNICHTS.**
Argh! Habe ich schon die Zwillinge erwähnt? Wie könnte ich nicht?! O ja … weil sie nämlich den lieben langen Tag damit verbrachten, mit einem Pappkarton über ihren Köpfen herumzurennen. Ein Karton, vier Beine. Tja, fünf Jahre alt zu sein, muss schon einen Heidenspaß machen. Selbst Colin hat sie angeguckt, als wären sie komplett übergeschnappt, dabei besteht Colins Lieblingshobby darin, den Backofen mit seiner Hundezunge abzuschlecken.
Da fällt mir doch ein … Riesendrama:COLINGINGVERLOREN.
Gegen vierzehn Uhr. Wir riefen alle Leute an, um zu fragen, ob sie ihn gesehen hätten – selbst Carol, die zum Suchen mit einer Taschenlampe auftauchte, obwohl noch helllichter Tag war.
Und jetzt rate mal, wer ihn gefunden hat?ICH. Er lag völlig geplättet im Wandschrank unter der Treppe auf einem Jackenhaufen und sah aus wie ein Luftballon mit vier abstehenden Stöpseln dran. Er blinzelte nicht mal. Natürlich verfielen wir alle in Panik. Carol rief den Notarzt (der anmerkte, dass er nicht für Hunde zuständig sei). Aber … dann entdeckte Mum eine Servierplatte unter dem Küchentisch. Ja, genau, unser kleiner alter Chewbacca-ähnlicher Jack-Russel-Zwergpudel-Mischling hatte es irgendwie geschafft, den Truthahnbraten vom Tisch zu schleifen. Und ihn zu verputzen. Den kompletten Weihnachtstruthahn. Bis auf den letzten Happen! Kein Wunder, dass er den Boden nicht mehr mit allen vier Pfoten gleichzeitig berühren konnte – er hatte sich quasi mit seinem eigenen Bauch vorm weiteren Überfressen gerettet. Und das respektiere ich. Ich meine, das muss ich. Er hat schließlich mitbekommen, was heute früh (und all die Jahre zuvor – und wahrscheinlich auch nächstes Jahr) mit mir und der Schokowundertüte passiert ist.
Mum war etwas verstimmt wegen des Truthahns, aber wir versicherten ihr, dass die Snacks sowieso das Beste am Weihnachtsessen seien, und schoben ein paar Tiefkühl-Hamburger in den Ofen. Wenn Colin sich die Würstchen im Schlafrock vorgeknöpft hätte, wäre das natürlich was anderes gewesen.
Aber dann.DANN. Passierte es.
******TRINKPAUSE.TIEFDURCHATMEN. Mach dich auf was gefasst.******
Ein unerwartetes Klingeln an der Tür.
Erster Gedanke: Carol kommt, um uns mitzuteilen, dass sie doch einen Notarzt für Colin aufgetrieben hat.
Zweiter Gedanke: Fred kommt zu früh, weil er die Uhrzeit (oder das Datum) falsch verstanden hat.
Aber nein. So was von daneben.ESWARWOODY.
Und damit meine ich Die-Liebe-meines-Lebens-Woody.
Und damit meine ich den Woody, der zutiefst unanständige Gedanken in mir weckt, wenn ich nur seinen Namen schreibe.
Und damit …
***
***
(Sorry, nein, hab nur einen Moment gebraucht, um zutiefst unanständige Gedanken zu denken.)
Als ich die Tür öffnete, sagte er: »Ich glaube, meine Freundin hat eine Weihnachtsüberraschung verdient.« Wie in so einem Film!! Und dann hielt er mir diesen großen rot blühenden Weihnachtsstern hin. (Habe seitdem herausgefunden, dass die Pflanze auch »Christstern« oder »Poinsettie« heißt.BILDUNG!)
Und dann, wie aufs Stichwort … fing es an zu schneien.
Der. Perfekteste. Romantischste. Weihnachtsmoment. Überhaupt.
Er schlug vor, dass wir mit Colin eine kleine Runde Gassi gehen (vielmehr Gassi tragen – aufgrund seines Bauchumfangs), und wir spazierten zu dem Park am Gemeindesaal, wo wir uns das erste Mal geküsst hatten (17. November, 20:23 Uhr). Aber dieses Mal hing dort ein Mistelzweig. Und ich will ja nicht allzu sehr ins Detail gehen, aber wir blieben darunter stehen und … na ja …MANKANNES NICHTANDERSSAGEN:WIRHATTENDENBESTENKUSSEVER!UNDDAMITMEINEICHEVER-ÜBERHAUPT.
***PUH,MUSSTEKURZERNSTHAFTPAUSEMACHEN,UMMIRLUFTZUZUFÄCHELN.***
Im Ernst, der beste Kuss meines Lebens (nicht, dass es viel gäbe, womit ich ihn vergleichen könnte, haha). Woody bedachte mich davor und danach mit diesem Blick, der einfach nur mmmhhhhwwhhhwhhhw war (so klinge ich, wenn ich dahinschmelze), und sagte mir, wie sehr er mich mag.
Heiß. Romantisch. Weihnachtlich. Und das im Schnee! Mit einem Weihnachtsstern! (Keine Ahnung, warum ich den Blumentopf mitgenommen hatte.) Aber wen kümmert’s! (Na ja, Carol vielleicht, als sie um die Ecke bog und direkt in uns reinlief und total verlegen war und fünfmal »Beachtet mich einfach nicht« sagte – woraufhin ich sie erst recht beachtete – und als Nächstes über die Pflanze stolperte und dann über den armen Colin.)
Zu Hause musste ich mich setzen, um das Ganze zu verarbeiten. Nay fragte die ganze Zeit, warum ich grinste, als würde ich ein neues Harry-Styles-Video anschauen.
Dann kam Fred vorbei, und ich stellte ihm meine neue Pflanze vor (er taufte sie Chris McStern). Er trug immer noch seinen Onesie vom Vorabend (Fred, nicht Chris). Ich erkundigte mich, ob er ihn zwischendrin überhaupt ausgezogen hatte, und … na ja, sagen wir mal, er blieb vage. Er war begeistert von seinem Geschenk (zehn Packungen Jaffa Cakes, clever in X-Form für X-Mass angeordnet). Dann folgte das Übliche: Sofakissen auf den Boden werfen und uns dort gemeinsam unter meine Bettdecke kuscheln, Mum und Nay unter eine andere. Wir schauten Weihnachtsfilme, spielten Gesellschaftsspiele und verputzten sämtliche essbaren Geschenke, obwohl wir schon total vollgestopft waren, und na ja … besser konnte es nicht werden. (Auch wenn unser Hauptspiel des Tages darin bestand, möglichst die Geräusche zu ignorieren, die Colin von sich gab, während er Luft abließ.)
Ich muss immer noch grinsen … zehn Tage später.
Ich habe noch nie auf irgendein Lebewesen so aufgepasst wie auf Chris McStern. Er ist praktisch so was wie unser erstes Kind – also das von mir und Woody.
Was mich zu den …FRAGENan mein zukünftiges Ich bringt:
Ist Chris noch am Leben? Blüht und gedeiht er?
Hat Woody dir erlaubt, seinen Kapuzenpulli zu behalten? Riecht er noch nach ihm (will sagen: nach Himmel)?
Und Ruby – bitte sag mir, dass sie es in die diesjährige Weihnachtsaufführung geschafft hat?
Und … schließlich …
Ich weiß, jedes Jahr sagst du, dass du Weihnachten noch besser machen wirst als das Jahr davor, aber mal im Ernst:WIESOLLDASMÖGLICHSEIN? Ich kann nur hoffen, du hast schon mit der Planung angefangen!
Das … war’s also.DASENDEDESDIESJÄHRIGENWEIHNACHTSBRIEFS.
Frohe Weihnachten! Drück Mum ganz fest von mir und sag ihr, dass du sie liebst, und dann weißt du ja, was zu tun ist …
STELLDENGRUSSSOFORTAUFUNDLEGOFFIZIELLMITWEIHNACHTENLOS.FROHESFEEEHEEEEEEST!!!
Holly (vom letzten Jahr – will sagen: der vergangenen Weihnacht)
PS: Mum hat erwähnt, dass sie schon immer einen Kalender mit Fotos von der Familie wollte – Geschenkidee?
PPS: Besorg mehr Twiglets zum Knabbern. Oder deponier sicherheitshalber irgendwo eine Schachtel. Wie es aussieht, verputzt Fred sie vor lauter Stress, wenn er beim »Wer bin ich?«-Spiel nicht herausfinden kann, wer er ist.
PPPS: Obwohl Colin vorgibt faul zu sein, ist er überraschend gut im Erklimmen von Tischen.ESSBARESACHENUNBEDINGTHÖHERLAGERN.
PPPPS: Oh, und Neuer Macker scheint den Titel Neuer Macker nicht zu mögen. Er hat mehrmals angemerkt, dass er nun schon seit vier Jahren mit Mum zusammen ist. Vielleicht könnte dies das Jahr sein, in dem wir anfangen, ihn bei seinem eigentlichen Namen zu nennen: Colin? Und den Hund umbenennen in … Hundi-Colin?
Nah, ich kann dein Gesicht schon sehen und bin ganz bei dir.ZUFRÜH. Weitermachen wie gehabt.
PPPPPS: Als Letztes, ein Versprechen. Vergiss nicht, die goldenen Weihnachtsregeln nicht zu vergessen:
Sag niemals Nein zu einem neuen, hippen Weihnachtsheißgetränk.
Und …
Drück dich nie vor den hohen Tönen in »All I Want for Christmas Is You«. Mariah will es so (auch wenn Colin 1&2 es anders sehen).
Moment, wer hätte geahnt, dass wir hier einen Profi am Werk haben?@OneElleOfATime – wie viel verlangst du dafür, um mir meine auch so zu machen?!
Die Präsentation meiner Schneeflocken-Nägel war also gut gelaufen. Schon irre, was so ein bisschen gut platziertes Tipp-Ex bewirken kann. Ich werde Foto-Filtern und You-Tube-Tutorials stets dankbar sein.
Ich fläzte mich gegen den lebensgroßen Nikolaus, den ich als Rückenlehne verwendete, und antwortete.
Für dich?! Umsonst. Nächstes Mal, wenn du in New Jersey bist, schnei in meinenDMs vorbei.
Das war ernst gemeint. Ich liebte @Beckywiththemediocrehair, obwohl wir uns nie getroffen hatten. Und nie treffen hatte durchaus seine Vorteile – hätte sie meine Nägel gesehen, hätte sie auch kapiert, wie verkorkst sie in echt sind. Ein bisschen so wie ich.
Es konnte nämlich gar nicht normal sein, das Wochenende auf der Ladefläche des elterlichen Kleintransporters zu verbringen, der im besten Viertel der Stadt parkt, mit seit zwei Tagen nicht gewaschenem Haar, und buchstäblich über den Mathehausaufgaben ins Schwitzen zu geraten.
Darüber hinaus hatten wir in dieser irren Luxusvillen-Straße unseren Auftrag – den ersten der Saison. Was nur logisch war. Es sind immer die mit den größten Häusern, die ihre Weihnachtsdeko und – beleuchtung als Erste hängen haben wollen. Mom meinte, dass diese Familien über die Feiertage meist nicht mal zu Hause wären – sie wollten nur sichergehen, dass niemand sonst in der Nachbarschaft die beste Deko abbekam. Ha! Das nennt sich wohl der wahre Geist von Weihnachten.
Die Villa, die meine Familie gerade förmlich mit Weihnachtsdekoration überflutete, war eine Kreuzung zwischen dem Weißen Haus und … einer noch größeren Ausgabe vom Weißen Haus.
Trotzdem war ich nicht hier, um zu schmücken. Ich war hier, um diesen Mathekram zu lösen.
Ob man es mir wohl als Fehler anrechnen würde, wenn ich einfach »Frag Google« hinschreibe?
Ich wandte mich wieder meinen Benachrichtigungen zu.
Meeeeega. Hab noch einen halben Kürbis und einen abblätternden Totenkopf auf meinen Nägeln kleben. Willst du tauschen?
Ich antwortete.
Halb runtergekaut ist auch ein Look!
Die Wahrheit war, dass ich meine Nägel erst gestern Nacht fertig lackiert hatte, und halb runtergekaut war heute schon mein neuer Look. Aber um Wahrheit geht es im Internet ja nicht unbedingt. Trotzdem hatte der Post seinen Zweck erfüllt: 23 132 Follower. Genial. Endlich bekam ich meine Zahlen wieder auf das Level meines alten Accounts.
Und, was noch viel genialer war, ich hatte gerade erst ein Like und ein Folgen von @realdeallogan bekommen. Er hatte 125k Follower und war das, was in dieser Stadt einem Promi am nächsten kam. Obwohl ich zur Abwechslung gerne mal gesehen hätte, wie er mit T-Shirt aussieht. Den Kommentar behielt ich aber für mich und folgte ihm auch. Ich fragte mich, woher er überhaupt von meiner Existenz wusste? Ich selbst kannte ihn, weil er mit meinem Bruder im örtlichen Alpine-Peaks-Basketballteam war. Oh, und ein Mädchen aus meiner Klasse hatte in ihrem Schließfach ein Poster von ihm hängen, zu dem ich gleich einen ganzenHaufen Fragen hatte. Vor allem anderen: Hat er die Dinger etwa selbst drucken lassen?
Nick streckte den Kopf durch die Tür des Vans. »Willst du auch helfen … oder hockst du nur da rum?«
Freut mich auch, dich zu sehen, Bro. »Ich bleib hocken. Nun ja …« Ich kramte nach einem Buch und hielt es hoch. »Das nennt sich Hausaufgaben.«
»Oh, ach so …« Er legte sich einen Finger auf die Lippen. »Ich könnte schwören, ich hätte dich gerade was unter #Festtagsmaniküre posten sehen?«
Dabei folgte er mir nicht mal, er schaute nur gelegentlich rein, damit er mich damit aufziehen konnte.
Ich schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. »Gern geschehen.« Falls er glaubte, sich wie ein zusätzliches Elternteil aufzuführen, würde mich davon abhalten, hatte er sich geschnitten. »Vergiss nicht, es zu liken, okay?«
Er verdrehte die Augen, schwang sich ein riesiges Styropor-Rentier über die Schulter und spazierte von dannen. Normalerweise hätte ich ja gelacht beim Anblick eines Ein-Meter-achtzig-Typen, der versucht, beleidigt davonzustapfen, während die Hufe eines grinsenden Rentiers gegen seine Rippen schlagen, aber irgendwie lief es mit meinem Bruder in letzter Zeit etwas schräg. Schräger noch, als selbst inmitten einer künstlichen Rentierherde zu hocken, wie ich es grade tat. Richtig krass schräg.
Irgendwas war bei ihm im Busch. Das wusste ich einfach. Eigentlich ging das schon los, kurz bevor wir Nashton verließen. Wir waren mal richtig eng miteinander, aber irgendwann fing er an, ständig zu verschwinden. Und immer wenn ich ihn fragte, was los war oder wohin er ging, ließ er mich auflaufen. Was auch der Grund war, warum ich ihm nicht erzählt hatte, was wirklich mit meinem alten Account und mit Clara passiert war … nicht, dass ich es überhaupt irgendwem erzählt hätte. Wen hatte ich denn überhaupt noch, um was zu erzählen? Den Plastik-Nikolaus?
Für Nick war das Leben so einfach – abgesehen von den geprellten Rippen vielleicht. Als wir herzogen, war er direkt wieder in seine Rolle als Perfect Nick verfallen: Er fand Freunde, schrieb sich bei diversen Sportteams ein, gründete sogar eine neue Band. Während ich … nichts hatte. Nur Mum und Dad, die ständig besorgt waren, weil ich die ganze Zeit in meinem Zimmer herumhockte, und sich Vorwürfe machten, weil es vielleicht eine schlechte Entscheidung gewesen war herzuziehen. Was wiederum das hohe Risiko barg, dass sie beschlossen, wieder umzuziehen. Nick wich ihren permanenten Fragen aus, indem er immer schnell zum Basketballtraining oder einer dringenden Bandprobe im »Playground« verschwand, dem schäbigen Musikstudio von Blake. Er war eben ein Genie. Womit nur ich übrig blieb als Ziel elterlicher Fürsorgebestrebungen. Und das war der Punkt gewesen, an dem ich den Entschluss fasste: Obwohl mein letzter Account @NoWayNoelle in einem Desaster endete, würde ich dieses Mal dafür sorgen, dass mein neuer funktionierte. Um allen zu zeigen, dass ich klarkam.
Also war ich mit @OneElleOfATime an den Start gegangen, und die Bemühungen der letzten Monate zahlten sich bereits aus. Ich hatte allen meinen alten Followern, die zurückgekehrt waren, mitgeteilt, dass ich eine »kreative Pause« eingelegt hatte. Was um einiges besser klang als: »Oh, wisst ihr, mein Leben war nur noch eine einzige Vollkatastrophe, und zu allem Überfluss sind wir in das ödeste Kaff der USA gezogen.«
Aber ich musste meinen treuen Fans irgendwie versichern, dass dieser Kanal dauerhaft bleiben würde – also hatte ich vor einiger Zeit einen Post abgesetzt, um zu verkünden, dass ich bis Ende des Jahres die 30k-Follower-Marke knacken würde. Selbst Mom und Dad schienen beeindruckt und hatten endlich aufgehört, mich zu löchern, ob mit mir alles okay sei.
»Elly?«
Oh, Mist – ich warf mein Handy beiseite und versuchte auszusehen, als würde ich über kniffligen mathematischen Problemen grübeln. Mom warf ein paar leere Kartons über meinen Kopf. »Nick meinte, du seist fertig mit den Hausaufgaben. Willst du uns zur Hand gehen?«
Tja, das war jetzt auch knifflig. Wenn ich sagte, dass ich immer noch null vorangekommen war, würde Mom wegen der Hausaufgabe stressen – wenn sie also Hilfe benötigte, sollte ich vielleicht so tun, als wäre ich damit fertig, und sie heute Abend heimlich im Bett erledigen.
»Beinhaltet das auch, überdimensionierte Säugetiere durch die Gegend zu tragen?« Ich grinste und klappte mein Buch zu. »Ich habe mir nämlich einen schlimmen Hexenschuss zugezogen und ausdrücklich gesagt bekommen, ich soll nichts mit Hufen tragen.«
Mom schmunzelte und hob eine riesige Kiste hoch, als würde sie nicht eine Tonne wiegen und als würde sie nicht 7-cm-Absätze tragen sowie eine Jeans, die nicht zum Bücken gemacht worden war.
Kein Wunder, dass die Leute manchmal fragten, ob wir Schwestern seien; es war, als hätte der Alterungsprozess bei ihr einfach mit fünfundzwanzig aufgehört. Dad hat echt Riesenschwein gehabt – auch wenn Mom immer sagt, dass sie einem Kerl sowieso nicht widerstehen könnte, der so leckere Waffeln backt wie er.
»Du hast Glück, es geht nämlich nur darum, ein paar Zuckerstangen ans Treppengeländer zu binden. Meinst du, das kriegst du hin?«
Moms Definition von »ein paar« konnte sich in die Hunderte belaufen, aber das hieß wohl, dass sie wirklich meine Hilfe brauchten. Ich quetschte mich an einem Schneemann vorbei, der größer war als Nick, und schlängelte mich aus dem Transporter.
»Euch ist aber schon klar, dass ihr keinen normalen Job habt, oder?«
Mom reichte mir eine Schachtel mit Zuckerstangen. Hunderte von Zuckerstangen. Ich kannte meine Mutter eben zu gut. »Und wann bitte ist diese Familie je normal gewesen?«
Da hatte sie nicht unrecht. Wir waren schon immer etwas anders als die anderen. Als ich vier war, wanderten wir von England nach Amerika aus, und seitdem sind wir schon fünfmal umgezogen, in vier verschiedenen Bundesstaaten. Vor drei Jahren, in Philadelphia, hatten meine Eltern dann Wünsche werden Lamett-Ah! gegründet, ihren Weihnachtsbaumverleih plus Deko-Service. In Nashton war das Konzept supererfolgreich gelaufen, also zogen sie vor knapp über einem Jahr hierher, nach Alpine Peaks in New Jersey, um »Ableger zu gründen und zu expandieren« oder, mit anderen Worten, um sieben Tage die Woche rund um die Uhr zu schuften. Nick und ich waren zunächst bei Grams, der Mutter unseres Vaters, geblieben, um das Schuljahr zu beenden, und zogen Anfang des Sommers nach.
Ich hatte aufgehört zu zählen, wie oft meine Eltern beteuert hatten, dass dieser Umzug »endgültig« sei. Ich brachte es nicht übers Herz, sie daran zu erinnern, dass sie das auch schon bei den anderen vier behauptet hatten.
Ich hüpfte aus dem Van. »Melde mich gehorsamst zum Dienst, Mum.«
»Schatz …«, meinte sie kopfschüttelnd, während sie mich musterte. »… ich schätze zwar jede Hilfe, die ich kriegen kann, aber denkst du nächstes Mal dran, dass wir uns bei der Garderobe auf präsentabel geeinigt hatten, und nicht auf Gammel-daheim-mit-Grippe-Schick?«
Ich wäre ja beleidigt gewesen … wenn sie nicht voll und ganz recht gehabt hätte. Aber ich war eben nicht davon ausgegangen, dass ich heute noch das Haus verlassen würde. Und so sah ich aus wie eine wandelnde Katastrophe. Eine Die-Haare-fliehen-aus-dem-Dutt-die-halbe-Mascara-von-gestern-klebt-unter-den-Augen-sie-trägt-Hose-mit-Gummizug-und-keinen-BH-aber-dafür-Mutters-altes-Blur-T-Shirt-Katastrophe.
»Wie bitte?« Ich vollführte eine langsame Drehung, wobei mein Dutt mir schlapp übers linke Ohr rutschte. Sehr adrett. »Du findest nicht, dass ich das gut tragen kann?«
Mom musste ebenfalls lachen. »Willst du, dass ich ein Foto mache, damit du es posten kannst, hm?«
Ich rollte mit den Augen. »Ich will ja nicht das Internet sprengen, also heb ich mir das lieber für später auf …«
Sie hielt mir die Schachtel hin. »Und du visierst immer noch die 30.000 Follower bis Weihnachten an?«
»Ja-haa.« Keine Schwäche zeigen, so lief es in meiner Familie – immerhin nahmen sie meinen Kanal ernst. Wir spazierten den Gartenpfad entlang, der Kies knirschte unter meinen Sneakers. »Kein Problem.«
Ich meine, es war sogar ein Riesenproblem, aber wie heißt es so schön: Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.
Mom und Dad freuten sich nämlich, weil sie dachten, dass mein Leben endlich Fahrt aufnahm – vor allem, seit ich letzten Monat das Sponsorenangebot von SnapGoGo bekommen hatte. Ein Reiseunternehmen, dem aufgefallen war, dass ich immer wieder was über meine Traumreisen postete. Ha! Das war noch so ein Grund, meine Followerzahlen hochzutreiben. Damit das Unternehmen nicht draufkam, dass ich nie einen der Trips verwirklichte.
Warum sah das bei Dove nur so einfach aus? Sie war in meiner Jahrgangsstufe, und ich kannte sie nicht wirklich-wirklich, aber ich musste sie nicht kennen, um zu wissen, dass sie eine Legende war. Dove Moore hatte alles: Freunde, Follower, eine Familie, die nicht alle zwei Monate umzog … Ja, klar, ich hatte noch nie jemanden was Nettes über sie sagen hören, aber eine wie sie scheint es ohnehin nicht zu kümmern, was andere denken.
Seit ich im September an die neue Schule gewechselt hatte, hatten wir – lasst mich mal nachzählen –, ja, genau, exakt null Mal miteinander gesprochen. Nicht dass ich das erwartet hätte. Nur weil ich ihr seit Jahren folgte, hieß das nicht, dass sie einen Schimmer haben musste, wer eine gewöhnliche Sterbliche wie ich war. Es ging das Gerücht, dass sie so viel durch ihre Sponsorenverträge verdient hatte, dass sie Shawn Mendes für ein Akustik-Konzert an ihrem nächsten Geburtstag gebucht hatte. Ha – an meinem ging ich mit Mom, Dad, Nick und Grams bowlen. Soooo nah dran.
Aber Shawn Mendes war nicht das Gesprächsthema Nummer eins. Nah, für Dove war so was keine große Sache. Die eigentlich große Neuigkeit war, dass sie einen Side-Account mit ihrer besten Freundin Morgan gestartet hatte: @ThingsThePeakGirlsDo. Sie eröffnete ständig irgendwelche neuen Konten und brachte sie groß raus. Die Idee für den neuesten bestand darin, sich gegenseitig herauszufordern, witzige Dinge zu tun, und obwohl er nur ein paar Monate länger lief als meiner, hatte er bereits 50k Follower. Nicht dass ich nachgeschaut hätte. Nur so jede Stunde einmal. Außerdem hatten die beiden gerade erst angekündigt, dass sie einen Wettbewerb planten und schon vier potenzielle Beitrittskandidaten aufgetan hatten.
Es war eine RIESEN-Überraschung gewesen, als ich vor wenigen Wochen Doves Follower-Benachrichtigung auf @OneElleOfATime sah, und eine noch größere war, dass sie gerade meinen Post gelikt hatte.
»Hier entlang.« Mom bog auf einen anderen Gartenweg und brachte mich zurück in die Realität. »Oh, und hat Nick dir erzählt, dass seine Band gerade für ein paar weitere Gigs gebucht wurde? Dachte, wir könnten sie uns vielleicht anschauen. Kleiner Familienausflug?«
Ich gab mir Mühe, nicht zu lachen. Wie begeistert mein Bruder wohl auf einer Skala von 1 bis 10 wäre, wenn wir zusammen dort auftauchten? Wir alle hatten meinen Dad schon tanzen sehen, und das war ein Anblick, von dem nicht mal Nicks Sozialleben sich je wieder würde erholen können.
»Klingt gut …« Ich blieb vage. So sauer ich auch auf Nick war, weil er sich bei mir rarmachte, so wusste ich doch, dass sein Anfang hier genauso wenig glatt gelaufen war. Unmittelbar nach unserer Ankunft in Alpine Peaks wurde Grams krank, und anstatt bei uns zu wohnen, so wie wir es geplant hatten, musste sie in ein Seniorenheim ziehen. Nick hatte ihr immer am nächsten gestanden, und er war es auch gewesen, der sie nach ihrem Sturz fand. Die Dinge zwischen mir und meinem Bruder liefen gerade schräg, aber ich würde ihm trotzdem nie in den Rücken fallen.
Als wir um die Ecke bogen, sah ich, woran meine Eltern den ganzen Tag gearbeitet hatten, und konnte mir ein Pfeifen nicht verkneifen.
»Gute Arbeit!« Der Garten quoll über vor Deko und einer der Nachbarn stand am Zaun und machte Fotos. Ich duckte mich, um sicherzugehen, dass mein Gesicht komplett hinter Zuckerstangen verborgen war.
»Ihre Zufriedenheit ist unser Ziel«, witzelte Mom und wirkte ziemlich stolz.
»War es so, als du klein warst?« Ich liebte es, sie über ihre Kindheit in England auszufragen.
Sie neigte den Kopf zur Seite. »Inwiefern, Spätzchen? Wir hatten dort auch den Weihnachtsmann, falls du das meinst.« Sie lachte ihr sanftes Lachen, während wir über eine Lichterkette stiegen.
»Na ja, schon klar. Aber hattet ihr auch solchen Kram?« Ich nickte zu der beleuchteten Krippe, die Dad auf dem Garagendach errichtete. Das Jesuskind war so groß wie ein Kalb. Ein echt großes Kalb.
Mom schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall.« Sie warf Dad einen schrägen Blick zu, der, wie es aussah, gerade ein Jesusohr an die Wand nagelte. Sie senkte die Stimme. »Was wahrscheinlich nur gut war … Nicht, dass ich das unseren Kunden je verraten würde!« Sie lachte, aber dann sah sie mich plötzlich ernst an. »Aber es war mindestens genauso magisch. Versprochen.«
»Jetzt lass mich nicht so zappeln! Erzähl schon.« Auch wenn wir als Familie nicht mehr viel gemeinsam unternahmen, war ich besessen davon, mir Geschichten über Weihnachten in England anzuhören. Es klang immer so unfassbar bezaubernd. »Wie war das mit der Christmette?« Wir waren zwar nicht religiös, aber in den Filmen sah es immer total nett aus. »Mit all den kleinen Kerzen und Pelzmützen und zugeknöpften Mäntelchen?«
Mum kicherte. »Du weißt schon, dass ich in den Achtzigern geboren wurde, nicht im 19. Jahrhundert?«
»Ist für mich alles das Gleiche.« Ich versuchte, keine Miene zu verziehen, aber Mom kitzelte mich, und ich konnte mich nicht mal wehren. »Was ist mit dem anderen Zeug? Habt ihr Strümpfe am Kamin aufgehängt und Filme geguckt?« Ich ging im Kopf schnell all die Bräuche durch, die Mum und Dad hochgehalten hatten, bis ihr Geschäft unser Familienweihnachten auf einen unbestimmten Termin im Januar verschob. »Habt ihr Eierpunsch-Latte aus weihnachtsroten Tassen getrunken?«
»Ha.« Mom lehnte sich gegen die Eingangstür, um sie aufzuschieben, doch sie musste zugefallen sein. »Ich glaube nicht, dass ich bis Anfang zwanzig überhaupt wusste, was ein Latte ist.« Sie stellte die Kiste ab und holte ihr Handy hervor, um etwas zu suchen. »Das da« – sie hielt mir ein Foto hin, das aussah wie eine Filmkulisse – »das war Weihnachten daheim.«
Wow. Es war das Bild eines idyllischen Dörfchens mit kleinen, süßen windschiefen Häusern und einem schlicht beleuchteten Weihnachtsbaum inmitten einer unberührten Schneelandschaft. Ich zoomte es heran, während Mom den Haustürschlüssel aus ihrer Tasche angelte.
»Und du bist sicher, dass du gerade nicht bloß süßestes Weihnachtsdorf überhaupt gegoogelt hast?«
»Würde ich so was je tun?«
»Kannst du es mir schicken?«
»Klar. Das war übrigens das Jahr, als wir komplett eingeschneit waren. Wir kamen sogar in den landesweiten Nachrichten.« Sie lachte in sich hinein. »Die arme Reporterin, die vorbeikam, um darüber zu berichten, blieb mit ihrem Wagen stecken und musste bei meiner besten Freundin übernachten. Ich glaube nicht, dass sie London je zuvor verlassen hatte!« Sie gluckste. »Eigentlich nicht zum Lachen …« Aber sie tat es trotzdem. Genau wie ich.
»Ich würde eines Tages gerne mal da hin«, sagte ich leise. Mom redete immer wieder davon hinzufliegen, aber wir wussten alle, dass wir weder die Zeit noch das Geld hatten, um uns einen solchen Familienurlaub leisten zu können, vor allem nicht, wenn Grams hier unsere Hilfe brauchte.
»Eines Tages.« Sie nickte. »Aber was ist denn eigentlich mit Weihnachten hier? Ist doch immer eine aufregende Zeit.« Ich erwiderte nichts darauf, da mir klar war, dass sie nur eine nette Überleitung zu ihrem eigentlichen Anliegen suchte. »Ich kann mir vorstellen, dass Alpine Peaks, was Partys angeht, genauso nett ist wie Nashton.«
Was sie meinte, war: Hast du irgendwelche Einladungen bekommen? Irgendwelche Pläne gemacht?
Ich setzte mein fröhliches Gesicht auf – neuerdings kam es sogar natürlich rüber. »Wir werden sehen. Ich bin sicher, dass sich was ergeben wird.« War ich nicht – außer Nick nahm mich auf eine Party mit, was ungefähr genauso wahrscheinlich war, wie den Weihnachtsmann dabei zu erwischen, wie er seinen Schlitten gegen ein Uber tauschte.
Mom lächelte, aber ich sah ihr an, dass ich ihre Sorgen nicht ausgeräumt hatte.
KRACH.
»ARGHHHHH!«
Wir sahen einander an, dann sagten wir gleichzeitig genau ein Wort: »Dad.«
Und ließen unsere Kisten fallen, um rüberzurennen.
Aber als wir an der Vorderseite des Hauses ankamen, war die einzige Spur von ihm eine krasse Fluchtirade, die hinter Maria und Josef hervordrang, während mein Bruder sich vor Lachen krümmte und die neugierigen Nachbarn noch weniger begeistert dreinschauten als zuvor.
Ich überließ es Mom, ihn zu verarzten, und ging ins Haus, um am unteren Ende der riesigen geschwungenen Treppe loszulegen.
Nur meine Wenigkeit und eine Million Zuckerstangen.
Neunzig Minuten später rochen meine Hände so krass nach Pfefferminz, dass ich mir wahrscheinlich ein ordentliches Einkommen als erster menschlicher Lufterfrischer hätte dazuverdienen können. Aber, großes Lob an mich selbst: Ich hatte meinen Job richtig super gemacht. Kein Zentimeter, der nicht Rot und Weiß gewesen wäre. Hübsch – wenn man denn auf so Kram stand.
Ich lehnte mich gegen die Wand auf dem oberen Treppenabsatz und warf einen heimlichen Blick auf meinen letzten Post. 562 Likes. Keine neuen Follower.
Ein Geräusch von unten ließ mich erstarren.
Ein Schlüssel, der sich drehte … die Haustür, die aufging.
O nein! Die Familie war viel früher zurück als gedacht.
Und dabei sah ich so furchtbar aus! Mom und Dad würden ausflippen.
Ob ich es noch ungesehen rausschaffen könnte?
Tief durchatmen. Jesus, Herz, beruhige dich. Ich brauchte einen Plan. Und zwar schnell!
Aber als ich die Stimme der Person hörte, die hereinspaziert kam, wurde mein Hirn zu Matsch.
Hier stand ich und schmückte den wahr gewordenen Weihnachtstraum und war doch nur Sekunden von meinem eigenen Weihnachtsalbtraum entfernt.
Ich stellte den Weihnachtsgruß – von mir an mich – auf meinem Schreibtisch auf und richtete ihn so aus, dass ich nicht sehen konnte, was ich geschrieben hatte. Wie war es nur möglich, dass ich eine Schoko-Orange naschte UND meinen persönlichen Weihnachtsdeko-Plan abhakte, aber meine Stimmung immer noch nur so na ja war? So sollte Weihnachtsvorfreude sich nicht anfühlen! Obwohl mir klar war, dass es gar nicht an der Stimmung lag, sondern an einem gewissen Jemand.
NEIN, HIRN! TU’S NICHT. NICHT DORTHIN ABSCHWEIFEN.
Ich stopfte mir noch mehr Schoki in den Mund, drehte Santa Tell Me voll auf und drapierte die wuscheligste Lamettagirlande, die ich finden konnte, um meine Foto-Collage von Ruby und Fred.
Jawohl! Sofort war alles ein bisschen besser. Wie kann überhaupt jemand sich mies fühlen, wenn Lametta im Spiel ist?
Ich sollte so eine Crowdfunding-Aktion starten: Ganzjährig Lametta für richtig miese Tage.
Sicherheitshalber klemmte ich mir noch ein goldenes Stückchen davon in meinen Haargummi. Beäugte Colin mich da gerade neidisch oder besorgt? Ich beschloss, neidisch, und fädelte gleich noch ein bisschen um sein Halsband. Echt verwegen. (Das Lametta, nicht Colin. Der hat sogar Angst vor Regen.)
Ich holte die anderen sechs Weihnachtsgrüße hervor, die ich mir über die Jahre geschickt hatte, und versuchte, mich auf all die glücklichen Erinnerungen zu konzentrieren, die sie enthielten, statt auf das ganze Na ja-Gefühl, das ich momentan verspürte.
Ich liebte Weihnachten. Ich durfte nicht zulassen, dass egal wer es mir kaputtmachte.
Nicht mal er.
Ich meine, klar: Brich mir das Herz und lass mich in mein Popcorn heulen, ABER: HÄNDE WEG VON MEINEM WEIHNACHTEN!
Das war nicht Teil des Plans!
Ich ließ mich auf mein Bett zurückfallen. Anscheinend hatte mein Hirn doch beschlossen, genau dorthin abzuschweifen.
Es geschah vor sechs Wochen, im Kino, direkt bevor der Film losging. Bevor! Ich dachte, Woody und ich würden einen weiteren tollen Tag verbringen, als er plötzlich die Popcorntüte zwischen unsere Armlehnen klemmte, sich rüberbeugte, als gerade der Bitte, schalten Sie Ihre Handys aus-Spot begann, und sagte: »Langsam fühlt es sich schon sehr gewohnt an, oder?« Ich dachte, er meint die VIP-Sitze, auf die wir uns wieder mal heimlich gesetzt hatten, daher nickte ich bloß stumm wie so eine Idiotin, die cool rüberkommen will. Aber dann schob er hinterher: »Eine kleine Auszeit würde vielleicht wieder etwas Spannung reinbringen, meinst du nicht auch?« Mir war nicht klar, ob er es mir nur mitteilte oder mir eine Frage stellte. Auf jeden Fall drückte er meine Hand, ließ sie los und hat sie seitdem nicht mehr gehalten.
Waaaaarum bitte hatte er mich davor eine romantische Komödie aussuchen lassen? Es erschien mir wie ein persönlicher Affront.
Anscheinend fand er, die Sache zwischen uns sei zu sehr zur »Routine« geworden. Routine? Was bitte sollte daran denn verkehrt sein? Spaß war doch um Längen besser, wenn man ihn planen konnte!
Fred meinte später nur, Woody sei offenbar schwerstens gestört und ich verdiente etwas Besseres. Und dass er es wenigstens beim Anstehen vor der Snackbar hätte tun können. Dann hätte ich wenigstens nicht den ganzen Film lang dagesessen und mich gefragt, ob ich unsere Beziehung aufregender und spontaner gestalten könnte, indem ich die Gänge auf und ab lief, »Neeeeeeeein!« brüllte und mit M&Ms um mich warf. Ruby sagte einfach nur: »Ich werde ihn umbringen«, und das mit einer solchen Inbrunst, dass ich sicherheitshalber hinterherschob, Woody sei für mindestens eine Woche in den Urlaub gefahren. Obwohl, vielleicht hätte ich es darauf ankommen lassen sollen.
Als wir das Kino verlassen hatten und Woody mich fragte, wie es mir gehe, antwortete ich nur: »Gut. Total gut!«, statt ihm zu sagen: »Oh, ach, weißt du, so als wäre mir das Herz rausgerissen und im NutriBullet-Mixer meiner Schwester püriert worden.«
Und so hatte ich die letzten sechs Wochen damit zugebracht, mir zu überlegen, ob diese Auszeit eine Pause war … oder eine Trennung.
Es war einfach nur scheiße. Woody fand mich langweilig, vorhersehbar. Ich hingegen fand ihn so perfekt, dass ich mal ausgerechnet hatte, wie viele Haarfollikel er auf seinem Kopf hatte: 101 105.
HOLLY, HÖR GEFÄLLIGST AUF, ÜBER WOODYS VÖLLIG BELANGLOSE (WENN AUCH OBJEKTIV UMWERFENDE) HAARPRACHT ZU SINNIEREN, UND KONZENTRIERE DICH AUF DIE 39 PUNKTE DEINER WEIHNACHTSDEKO-LISTE.
Ich hatte nämlich ein System, und jedes Jahr kam mehr dazu. Ich schnappte mir den Mini-Plüscheisbären mit der süßen Strickjacke und setzte ihn auf meinen Nachttisch, sodass er jeden Morgen das Erste sein würde, was ich sah. Die New-York-Schneekugel, die Ruby mir geschenkt hatte, verdiente einen Ehrenplatz direkt daneben. Ich sagte den Zauberspruch auf und schüttelte sie kräftig. Komm schon, Schneekugel, funktionier gefälligst.
Nach dem Jahr, das hinter mir lag, musste dieses Weihnachten perfekt werden – doch wenn das geschehen sollte, benötigte ich ernsthafte Weihnachtsmagie. Und weihnachtlicher und magischer als New York ging nun mal nicht.
Aber da Teleportation leider, leider noch keine Option war, machte ich so lange mit der Deko weiter. Die »Ich schicke meinem zukünftigen Ich einen Gruß«-Tradition war eine, die ich von meiner Mum übernommen hatte, die sie wiederum von ihrer Mutter hatte. Jedes Jahr, wenn sie den Schmuck am zwölften Tag nach Weihnachten wieder abnahmen, schrieben sie einen und packten ihn weg, um ihn im folgenden Advent wieder zu öffnen.
Ich war froh über diese Tradition. Mein Gedächtnis war kein Sieb – sondern mehr ein ausgewachsener Donut. Ein großes Loch, durch das alle nützlichen Dinge direkt durchflutschten. Alle Jahre wieder die Briefe zu öffnen, war also nicht nur eine tolle Methode, um sicherzustellen, dass ich jedes Weihnachten noch toller gestaltete als das davor, es war auch die schönste Art, mir all die Erinnerungen ins Gedächtnis zu rufen, die ich mit dem Schmuck weggepackt hatte.
Nur dieses Jahr nicht. Denn mir war klar gewesen, dass die Erinnerungen an letztes Weihnachten zu lesen nur zwei Effekte haben könnte. Entweder: Ich begriff, dass ich über Woody hinweg war – und das würde mich so weit wieder in die Spur bringen, dass ich doch noch ein perfektes Weihnachten hinbekam.
Oder: Es würde mich in der Idee, die in mir arbeitete, noch bestärken – nämlich, dass, wenn ich Woody zeigte, wie spontan und witzig wir zusammen sein können, vielleicht alles wieder zur Normalität zurückkehren würde … gerade rechtzeitig zu Weihnachten.
Ich ließ den Kopf zurück auf mein Kissen fallen und stellte mich den Fakten: Ich trug gerade Woodys Kapuzenpulli. Allein in meinem Zimmer. Schon wieder.
Und ja. Sein Geruch gab mir immer noch das Gefühl, eine emotionale Packung saurer Haribo-Cola-Fläschchen zu essen. Es tat echt weh, und ich hasste es, aber ich liebte es auch und konnte nicht aufhören und wusste, dass ich es wieder tun würde.
Ich schaute zum Eisbären. Selbst er wusste es.
Kurz: Es war völlig illusorisch, dass ich über Woody hinweg war.
Wenn ich also wollte, dass Weihnachten perfekt wurde, brauchte ich einen vernünftigen Plan, um ihn zurückzuerobern. Auch wenn ich Ruby und Fred nicht einweihen konnte, die sich so dem Team #kommüberihnhinweg verschrieben hatten, dass es sich wie Verrat anfühlte, auch nur im Stillen daran zu denken.
Ich schob mich ein Stück hoch und schaute aus dem Fenster. Aaaah, der perfekte Ausblick auf Woodys Haus.
Es war echt schwierig, nicht loszubrüllen: »WOODY, ICH WERDE HIER WARTEN, BIS DU KAPIERST, DASS DU EINEN NOCH GRÖSSEREN FEHLER GEMACHT HAST ALS DAMALS, ALS DU DIESE GLOW-IN-THE-DARK-TURNSCHUHE GEKAUFT HAST!« Aber Colin-der-Mensch (das war der Namenskompromiss für Mums »Neuen Macker«) saß gerade unten, und es war klar, dass keiner von uns beiden Lust hatte, ein Gespräch über Emotionen zu führen. Vor allem, da ich ihm überhaupt erst erklären müsste, was das ist.
Stattdessen ließ ich meinen Frust raus, indem ich nach meiner Schwester brüllte: »Nayiiii!«
Sie war es nämlich, die mir sonst immer dabei half, meine Lichterketten aufzuhängen – hauptsächlich, weil es ihr die Gelegenheit gab, anzumerken, dass ich der Zwergmutant in der Familie war, gute zehn Zentimeter kleiner als sie oder Mum.
Aber wenn ich auf Nay warten wollte, würde das eine Weile dauern, da sie geschätzt … Ich rollte mich rüber, schnappte mir mein Handy und checkte ihren letzten Aufenthaltsort. Yep. 6.068 Meilen weit weg. Warum schaute ich überhaupt nach? Seit zwei Monate war ihr Feed eine einzige Qual. Was ist denn das, Nay? Ach ja, noch ein Foto von weißen Sandstränden und türkisblauem Wasser.
Wie war es möglich, dass überhaupt noch Strände in Thailand übrig waren, von denen aus sie posten konnte? Wie war es möglich, dass es überhaupt so viel Sand auf der Welt gab?
Ich öffnete unseren Chat.
HOLLY: Das ist kein Probealarm!! Das Weihnachtsschmücken hat begonnen!
Ich schickte ihr ein Foto von Colin-dem-Hund mit seinem Lametta-Halsband. Bei ihr war es schon fast dreiundzwanzig Uhr, aber sie antwortete umgehend.
NAY: Sexy. Hast du Mum schon nach der Leiter gefragt, damit du die Karten auf deinen Schreibtisch kriegst?
HOLLY: Tatsächlich bin ich mittlerweile richtig groß.
War das schräg, dass ich es auch noch um die halbe Weltkugel herum genoss, mit ihr zu zanken? Es war ein wirklich erfüllendes Hobby. In Wahrheit konnte ich nämlich ihre Rückkehr am 23. Dezember kaum erwarten. Ich war jetzt schon hibbelig vor Aufregung. Mum hatte einen Countdown-Kalender an die Kühlschranktür gehängt, und die unausgesprochene Übereinkunft lautete, dass Nays Rückkehr unser inoffizieller verfrühter Weihnachtsstartschuss wäre. Unsere alljährliche Heiligabendfeier würde dieses Mal extragroß ausfallen – und ich war bereit dafür! Solange ich davor die Sache mit Woody aus der Welt räumte.
HOLLY: Falls du in deinem hektischen Terminplan eine Sekunde Luft hast – also, irgendwo zwischen Am-Strand-Liegen oder, weiß auch nicht, Dich-mit-einem-Delfin-Anfreunden? –, dann gib mir Bescheid, ob ich was für dich besorgen soll. Nächsten Samstag mache ich die Weihnachtseinkäufe.
Sie antwortete mit einem Foto, auf dem sie mit einer Baby-Schildkröte knuddelte. Natürlich, was auch sonst.
NAY: Holly, bitte, du musst die kommerziellen Zwänge des Kapitalismus von dir abschütteln.
Wow. Womöglich hatte meine Schwester sich echt geändert.
NAY: Obwohl … kannst du Mum stecken, dass ich meine Kopfhörer geschrottet habe und gerne neue hätte. Geräuschreduzierend bitte!
Oder auch nicht.
Ich fügte die Idee zur Geschenkliste auf meinem Handy, die ich das ganze Jahr über pflegte, und wandte mich wieder der Planung zu. Manche Leute glauben, Mitte November sei zu früh für Weihnachtsschmuck. Manche Leute irren sich. Und nachdem ich jede einzelne Kugel aufgehängt, jedes Fitzelchen Lametta drapiert und jedes Deko-Objekt im Raum verteilt hatte, war es Zeit für das große Finale.
Ich schaltete die Lichter aus und knipste Penny an. Sie sah fantastisch aus. Auf ihre lebensgroße, einäugige, einflügelige, leuchtende Pinguin-Art.
Normalerweise wäre das der Punkt, an dem wir mit Mum und Nay den Rest des Hauses schmücken würden, aber dieses Jahr hatten wir noch keinen Baum gekauft. Dass meine Schwester nicht da war, warf Mum offenbar ziemlich aus der Bahn, was echt doof war.
Ich musterte Penny.
Aber meine Augen kannten die Wahrheit: Ich betrog meine Pinguin-Dame – und spähte eigentlich zu Woodys Zimmerfenster. SCHON WIEDER.
Ich musste es mindestens zweieinhalb Stunden am Tag anstarren.
Es war unser kleines Geheimnis, aber Woody und ich winkten einander immer noch zu, wenn wir uns beim Zuziehen der Vorhänge sahen. Oder beim Aufziehen. (Ich musste nur darauf hoffen, dass er nie dahinterkam, dass ich sie jeden Tag mehrmals auf- und zuzog, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen.)
Dass wir gute Vorhang-Freunde waren, hieß doch bestimmt, dass noch Hoffnung bestand, oder?
Aber heute brannte kein Licht bei ihm, kein Lebenszeichen von Woody. Er musste wohl einkaufen sein. Was bedeutete, dass er bald heimkommen würde. Was bedeutete, es bestand die Chance, ihm zufällig über den Weg zu laufen.