All Our Hidden Gifts - Die Kraft der Talente (All Our Hidden Gifts 2) - Caroline O'Donoghue - E-Book

All Our Hidden Gifts - Die Kraft der Talente (All Our Hidden Gifts 2) E-Book

Caroline O'Donoghue

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Beschreibung

Vier Teens. Vier übersinnliche Gaben. Eine große Gefahr. Spannende Urban Fantasy voll düsterer Überraschungen. Seit Maeve, Roe und Fiona mithilfe der Tarotkarten die verschwundene Lily zurückgeholt haben, ist vieles anders. Nicht mehr nur Maeve verfügt über eine Gabe. Auch die anderen drei haben jetzt magische Fähigkeiten, die sie im Laufe des Sommers immer besser beherrschen. Und das ist auch nötig. Denn die Kinder Brigids, die christliche Organisation mit der übersinnlichen Agenda, gewinnen an Einfluss. Mit ihren reaktionären Ideen unterwandern sie Maeves Schule. Doch sie haben es vor allem auf die vier »Hexen« abgesehen. Denn Magie ist Macht – und wer sie besitzt, bestimmt vielleicht über die Welt. Cool, übersinnlich, engagiert – furiose Unterhaltung mit magischem Twist! Alle Bände der Serie »All Our Hidden Gifts«:  All Our Hidden Gifts 1 – Die Macht der Karten All Our Hidden Gifts 2 – Die Kraft der Talente All Our Hidden Gifts 3 – Das Haus der Magie

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Caroline O’Donoghue

All Our Hidden Gifts – Die Kraft der Talente

Aus dem Englischen von Christel Kröning

Vier Teens. Vier übersinnliche Gaben. Eine große Gefahr.

Spannende Urban Fantasy voll düsterer Überraschungen.

Seit Maeve, Roe und Fiona mithilfe der Tarotkarten die verschwundene Lily zurückgeholt haben, ist vieles anders. Nicht mehr nur Maeve verfügt über eine Gabe. Auch die anderen drei haben jetzt magische Fähigkeiten, die sie im Laufe des Sommers immer besser beherrschen. Und das ist auch nötig. Denn die Kinder Brigids, die christliche Organisation mit der übersinnlichen Agenda, gewinnen an Einfluss. Mit ihren reaktionären Ideen unterwandern sie Maeves Schule. Doch sie haben es vor allem auf die vier »Hexen« abgesehen. Denn Magie ist Macht – und wer sie besitzt, bestimmt vielleicht über die Welt.

Alle Bände der Serie »All Our Hidden Gifts«:

All Our Hidden Gifts 1 – Die Macht der Karten

All Our Hidden Gifts 2 – Die Kraft der Talente

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Viten

Für meine Schwester Jill,von der ich viel übers Bücherlesen, Fernsehen und Überleben gelernt habe.

binden

starkes Verb

1. etwas mit etwas so umgeben, dass es zusammenhält

2. fesseln

KAPITEL 1

Diesen Sommer werde ich wohl für immer als den Sommer in Erinnerung behalten, in dem Roe Autofahren und ich Gedankenlesen lernte.

Seit Roe im Juni seinen Führerschein in der Tasche und das Auto seiner Mum zur Verfügung hat, ist dieses Auto ein Teil von ihm. Ein Teil von uns. Was sagen Schauspieler so gern im Interview? »Ja, also, im Grunde war New York City unser fünfter Hauptdarsteller.« Eben diese Logik lässt sich auf Mrs O’Callaghans Nissan Micra anwenden. Roe nennt ihn Linda. Mum nennt ihn »die Rennmade«.

»Maeve«, ruft Mum die Treppe hoch. »Die Rennmade steht vor der Tür.«

Ich stapfe nach unten, und zwar reichlich unbeholfen, weil meine neuen Doc Martens noch nicht eingelaufen sind und mir die Haut aufscheuern. Mum will K2 gerade seine Augentropfen verabreichen und hat sich, so gut es geht, den Hundekopf unter den Arm geklemmt. Während sie K2 mit der einen Hand das Lid hochzieht und mit der anderen das Arzneifläschchen ergreift, pflücke ich meine Umhängetasche von der Garderobe.

»Nimm eine Jacke mit.«

»Warum denn?«, frage ich auf dem Weg zur Tür. »Ist doch voll schönes Wetter.«

»Hm?«

Erst da fällt mir auf, dass Mum den Satz gar nicht laut ausgesprochen hat. Ich hab auf etwas reagiert, das sie nur gedacht hat. Sie guckt mich komisch an.

Roe hatte das mit dem Autofahren in zwei Stunden oder so drauf, Gedankenlesen hingegen lernt sich nur auf langsame, seltsame Art und – idealerweise – mit Blickkontakt. Man sollte wirklich wissen, wann sich der Mund des Gegenübers bewegt und wann nicht.

»Ach, ich dachte bloß …«, sage ich und gehe zurück zu Mum. »Ich dachte, ich hätte dich sagen hören, dass …«

K2 windet sich aus Mums Griff und will davonspazieren. Sie schnappt ihn sich wieder. »Es wird bestimmt kühl später.«

»Wir haben August!«

»Wir sind in Irland!«

Ich zucke die Schultern und wende mich wieder zur Tür, da höre ich Mum noch einmal.

»Brauchst du … Geld?«

Ich antworte nicht sofort. »Nein, danke. Nuala hat mir gestern erst meinen Lohn ausgezahlt, alles gut.«

Im Orakel jobbe ich seit Ferienbeginn. Große Personalausgaben kann Nuala sich mit ihrem Esoterikladen nicht leisten, aber da ich offenbar außer Tarotkarten und McDonald’s-Essen eh nichts kaufe, reicht es.

»In meiner Handtasche«, sagt Mum nach einer Pause, »wär ein Zehner, falls du willst.«

»Ich brauche nichts, Mum.«

»Nimm das Geld … Ach, Mist.« Nachdem soundso viele Tropfen die Hundeaugen verfehlt haben, gibt Mum es auf und lässt K2 wieder frei. »Nimm es einfach. Nur für den Fall.«

Mum glaubt – wie alle außer Roe, Fiona, Lily, Nuala und mir – an die offizielle Version: also dass das Ritual ein Suizidversuch war.

Fiona hat mit ihrer ursprünglichen Tarngeschichte leider doch nicht so überzeugt, wie wir dachten. Dabei hat sie die Rolle der albernen Schauspielschülerin, die mit zwei Freunden eine Messerszene proben wollte, wirklich mit Bravour gespielt. Trotzdem haben alle nur abgewartet, dass wir uns beruhigen – damit sie dann herausfinden können, was tatsächlich passiert ist. Spätestens da haben sich meine telepathischen Fähigkeiten als sehr nützlich erwiesen.

Wenn ich mich konzentriere, kann ich die Lichter der Menschen sehen. Jetzt gerade erkenne ich das meiner Mutter – ein silbern schimmerndes Lila – und folge ihm schnurstracks bis in ihren Geist, bis ich genau weiß, was sie hören will. Ich weiß, wann ich sie beruhigen muss und wann ihr ausweichen, wann ich mitschwingen lasse, dass es mehr zu wissen gibt und dass ich es ihr eines Tages sagen werde, nur nicht heute.

Seit dem Ritual sind fünf Monate vergangen. Fünf Monate, seit Lily O’Callaghan einen Februar lang verschwunden war. Seit ein Zauber und ein Kampf um ein Messer Roe und mich fast umgebracht haben. Seit Lily aus dem Fluss gestiegen ist, tropfnass und stinkwütend. Im Gegensatz zu Fiona, Roe und mir sieht sie gar nicht ein, warum sie lügen sollte. Sie antwortet jedes Mal geradeheraus: »Ich war der Fluss.« Stets mit Trauer und Sehnsucht in der Stimme. »Und der Fluss war ich.«

Am häufigsten treffe ich im Geist meiner Mutter auf Sorgen – an sich vielleicht keine große Überraschung, doch die Form der Sorgen schon. Ständig denkt sie, dass ich ihr entglitten und an einem Ort gelandet bin, wo mir Gefahr droht. Sie wünscht sich so sehr, dass ich sie wieder brauche. Deswegen will sie mir Geld geben, und wenn ich es annehme, wird sie sich freuen.

»Okay«, sage ich und angele den Schein aus ihrer Handtasche. Dann gebe ich ihr ein Küsschen auf die Wange. »Danke.«

Und das Lila erglüht.

Als Fiona mich kommen sieht, öffnet sie die Beifahrertür und steigt aus, um sich neben Lily auf die Rückbank zu setzen. Diese kleine Autohierarchie gefällt mir immer wieder. Ich bin die feste Freundin, deswegen sitze ich vorn. Die liierten Mädchen an der Schule habe ich dafür schon immer bewundert: für diese Gestandene-Staatsfrau-Energie, für die Erhabenheit der First Lady. Nie hätte ich gedacht, mal eine von ihnen zu sein. Und jetzt, da ich genau das bin – ein Feste-Freundin-Mädchen –, fühle ich mich zwangsläufig älter. Berechtigter, irgendwie.

Wann immer es geht, verwendet Roe geschlechtsneutrale Formulierungen, aber wir haben immer noch keinen vernünftigen Ersatz gefunden für Freund und Freundin. Wir haben gegoogelt. Lover ist kitschig und technisch gesprochen nicht zutreffend. Partner ist zu öde, zu erwachsen. Danach kommt dann schon Schatz, Liebling et cetera, und bei der Vorstellung, so was in der Öffentlichkeit zu sagen, kommt sowohl Roe als auch mir das Frühstück hoch. Manchmal nenne ich ihn »mein Festie«, so aus Jux, aber allermeistens einfach »Roe«.

»Also, Chambers«, sagt Fiona, während sie den Beifahrersitz umklappt und auf die Rückbank klettert. »Deine Docs machen immer noch Ärger?«

Ich verziehe das Gesicht und gucke auf meine Füße. Obwohl ich zwei Paar Socken angezogen habe, bluten mir die Hacken. »Woher weißt du das?«

»Weil du watschelst wie eine Ente, die man mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gefüttert hat.«

»Kriegst du mich wieder hin?«

»Kostet dich einen Milchshake.«

»Deal.«

»Dann steig ein und zieh die Schuhe aus.«

Als Fiona und ich sitzen, küsse ich Roe auf die Wange, wobei mich seine langen Ohrringe an der Nase kitzeln. Ich habe sie ihm zu seinem Geburtstag im Juni geschenkt. Goldgefasste Perlenhängerchen. In diese Machart hat er sich verguckt, als wir uns zusammen Shakespeare in Love angesehen haben. Der elisabethanische Look hat es ihm angetan. Bei seinem nächsten Bandauftritt will er unbedingt eine Halskrause tragen, die es aber noch zu finden gilt.

»Na, du?«, sagt er und legt den Arm um mich. »Wie läufts mit den Schuhen?«

»Du hast es auch gemerkt?«

»Du kamst aus dem Haus gestakst, als würdest du zum ersten Mal Boden unter den Füßen spüren.«

Lily, schräg hinter mir, schweigt. Sie hat keinen Vergleich parat, wie ich beim Laufen aussehe, und das nicht aus Rücksicht auf meine Gefühle. Als wir Kinder waren und Lily noch kein so gutes Hörgerät wie jetzt hatte, fand sie es schwierig, sich in einer Gruppe zu unterhalten. Sie verlor den Faden, passte irgendwann nicht mehr auf, und die anderen dachten dann, sie wäre mit Absicht unhöflich. Aber auch das ist hier nicht der Fall.

Wer einen Blick auf uns vier wirft, denkt vielleicht, dass wir beste Freunde sind und dass dieses Beste-Freunde-Sein ausgeglichen verteilt ist. Genaueres Hinsehen verrät jedoch, dass Lily fast nie direkt mit mir redet und oft einfach zum Beispiel aus dem Autofenster guckt, wenn ich etwas sage. Beim Anblick ihrer ausdruckslosen Miene im Rückspiegel bekomme ich einen Kloß im Hals. Bitte, denke ich. Bitte mach dich über mich lustig.

»Fiona«, sagt sie stattdessen, »kannst du mir morgen bei Mathe helfen?«

»Mathe?«, frage ich. »In den Ferien?«

Schweigen. Dann Fiona. »Lily bereitet sich auf die Abschlussprüfungen vor, stimmts, Lil?«

»Ja«, antwortet Lily knapp.

Schon bei der reinen Erwähnung der Abschlussprüfungen wird mir ganz flau im Magen. In der zweiten Hälfte des letzten Schuljahrs hat niemand viel von mir erwartet. Alle hielten mir zugute, dass ich durch Lilys jähes Verschwinden und meine merkwürdige Rolle in alldem bestimmt traumatisiert war. Eine Tarotsession, eine gruselige Karte, ein Streit vor der versammelten Schulklasse und dann – puff – Mädchen verschwunden. Und eben jenes Mädchen taucht genau an dem Tag wieder auf, an dem ich mit aufgeschnittenem Handgelenk im Krankenhaus lande. Alles viel zu sonderbar, als dass es für irgendjemanden Sinn ergeben hätte. Erst wurde ich ständig betüddelt, was ich gehasst habe, dann wurde ich geflissentlich ignoriert, was ich echt super fand. Nichts nervt mich mehr als der »Geht es ihr gut?«-Blick, dicht gefolgt von der »Du bist so tapfer«-Kopfschräglage.

Nach den Ferien wird ein anderer Wind wehen. Die Lehrerinnen werden mich nicht länger in Ruhe lassen. Nicht im Abschlussjahr.

»Ich bin komplett aufgeschmissen«, verkünde ich düster.

»Das wird schon«, sagt Roe. »Die Prüfungen sind gar nicht so schwer, wie alle behaupten. Sie machen nur gern ein Riesendrama daraus.«

»Gar nicht so schwer für dich, meinst du. Du bist ja auch quasi ein Genie.«

Er klappt die Sonnenblende runter und zieht im Spiegel großzügig sein tiefschwarzes Kajal nach. Sofort schlägt mein Herz etwas schneller. Auch wenn es bloß an dem Eyeliner von Rimmel liegt: Glühen Roes Augen erst wie zwei Kohlestücke, werde ich unweigerlich schwach. Während Roe sich in Seelenruhe schminkt, dreht sich das Lenkrad, ohne dass er es berührt, und der Schaltknüppel schaltet. Kein Wunder, dass unserem Autoflüsterer der Führerschein nur so zugeflogen ist.

»Ich bin kein Genie. Ich bin kann bloß gut Tests schreiben«, widerspricht er mir. Das sagt er immer, wenn ich von seinen im Vergleich zu meinen himmelhoch besseren Schulnoten spreche. »Und wie genau ich abgeschnitten habe, wissen wir eh erst in ein paar Wochen.«

Er hat leicht reden. Sein Problem hat weniger mit seinen Supernoten als damit zu tun, dass er sie mehr oder weniger wegwerfen will. Alle rechnen damit, dass er mindestens 550 Punkte abräumt, was ihn in einige der besten Unis – nicht nur Irlands, sondern der ganzen britischen Insel – befördern könnte. Allerdings hat er sich schon für die Kilbeg University entschieden, die nichts, aber auch gar nichts mit einer Top-Uni zu tun hat. Seine Band, Feier Im Kleinen Kreis, hat mittlerweile einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt, deswegen findet er es dämlich, gerade jetzt in eine andere Stadt umzuziehen und somit die Auflösung der Band in Kauf zu nehmen. Roes Eltern vertreten, wenig überraschend, die gegenteilige Meinung.

»Ziehst du diese Folterwerkzeuge jetzt mal aus, Maeve?«

»Ja, na gut.«

Ich ziehe Stiefel und Socken aus, stehe dann jedoch vor der Frage, wie ich meine Füße zu Fiona kriegen soll. Schließlich rolle ich mich mit dem Rücken zur Windschutzscheibe auf dem Sitz zusammen und stecke meine Beine durch die Lücke zwischen Fahrer- und Beifahrersitz.

»Was soll das werden?«, empört sich Roe, als mein Fuß ihn fast ins Gesicht trifft.

»Meine Fersen tun höllisch weh«, erkläre ich lachend. »Fiona wird sie heilen.«

»Kannst du nicht warten, bis …?«

Fiona ergreift meine Füße.

»Himmel, Maeve, du weißt aber schon, dass es so etwas wie Nagellackentferner gibt, ja? Du musst nicht warten, bis dir die Farbe durch Erosion abgeht.«

»Ich habe einen Job, Fi. Ich bin eine Karrierefrau.«

»Schon klar«, sagt sie, und während ich mehr oder weniger kopfüber im Beifahrersitz hänge, spüre ich, wie sie ihre kleinen warmen Hände um meine Hacken legt.

Die Wärme wird stärker und dort, wo sich die neue Haut bildet und zusammenfügt, beginnt es wundersam zu kribbeln. Obwohl Fiona bei mir schon Wundnähte, Menstruationsbeschwerden und quasi alles dazwischen behandelt hat, finde ich es immer wieder unglaublich, wozu sie in der Lage ist.

»Du bist unglaublich«, sage ich. »Vielen Dank, Babe.«

Als ich meine Füße zurückschwinge und diesmal Roe tatsächlich am Kopf treffe, gerät das Auto ins Schlingern und Roe, Fiona, Lily und ich schreien auf. Keine Sekunde später hat Roe die Kontrolle zurückerlangt und alles ist gut, doch er ärgert sich trotzdem.

»Maeve«, schimpft er, »hättest du nicht warten können?«

»Worauf genau?«, frage ich zurück. »Wo denn sonst, wenn nicht hier?«

Genau darin liegt unser Problem. Unsere Talente haben sich von kleinen Kätzchen im Karton zu voll ausgewachsenen Katern entwickelt. Wir dürfen nicht riskieren, dass die Leute uns sehen. Die halten uns eh schon für seltsam genug. Wir bräuchten Platz für uns. Aber leichter gesagt als getan. Fionas Haus geht nicht, weil da tagsüber ihr Cousin Jos rumspringt. Die O’Callaghans sind zu schreckhaft, außerdem arbeitet Mr O’Callaghan von zu Hause aus. Bei mir ist Mum da, weil Semesterferien sind. Bleibt uns also nur noch das Auto. Linda.

Lily räuspert sich. »Ich habe trainiert«, sagt sie.

Fiona und ich schauen sie an. Roe sieht in den Rückspiegel und mustert seine Schwester ebenfalls.

»Wo?«, fragen wir dreistimmig.

»In der Schule.«

KAPITEL 2

Die St. Bernadette’s ist eine Schule, die nie als solche gedacht war. Entsprechend fehlt es der viktorianischen Villa auf ihrer Anhöhe im Stadtkern an fast allem. Kein Sportplatz, keine Turnhalle, also auch kein Sportunterricht. Im Musikraum steht nichts als ein verstimmtes Klavier, also muss Lily für ihre Cellostunden einmal über den Fluss und dann in die Musikschule am Stadtrand fahren. Eine Pendelei, die Mädchen von anderen Schulen allerdings gerne auf sich nähmen, denn immer mal wieder kriegen wir zu hören, wie gut wir es hätten, mitten im Zentrum zur Schule zu gehen statt in einem seelenlosen Bau irgendwo außerhalb.

Früher konnte die St. Bernadette’s mal einen strahlenden Ruf als Studentinnenschmiede vorweisen. Also, früher halt, als eine Tochter auf der Uni noch so selten war wie ein Rennpferd im Stall. Heute, da alle Töchter Rennpferde sind und alle Schulen darum wetteifern, der beste Stall zu sein, hat die Bernie’s ihren Glanz verloren. Heute beherbergt das baufällige Gemäuer eine veraltete Einrichtung, die unerklärlicherweise immer noch mehrere Tausend pro Jahr an Schulgeld verlangen kann, obwohl die meisten öffentlichen, also kostenlosen Schulen wahrscheinlich genauso gut sind.

Während Roe uns hinfährt, dämmert es allmählich und der Himmel färbt sich dunkelblau.

»Wenn du sagst, dass du in der Schule trainiert hast«, sagt Fiona zu Lily, »was –?«

»Hinter der Schule, um genau zu sein«, antwortet Lil.

»Da ist doch alles zugemüllt«, sage ich, denn ich kenne die verkümmerten Rasenreste im ehemaligen Garten, wo die Abfallcontainer, jede Menge Schrott und seit Ewigkeiten nicht abgeholter Sperrmüll rumstehen.

»Haben sie größtenteils weggeräumt«, erklärt Lily und sieht dabei Roe an, als hätte er sie angesprochen.

»Sie?«

»Ich war ja jetzt schon öfter beim Prüfungsvorbereitungskurs, und überall wuseln Bauarbeiter herum. Sie renovieren, sagt Miss Harris.«

»Also übst du nach deinem Kurs in der Schule Magie?« Roe zieht eine Augenbraue hoch.

Lily zuckt die Schultern. »Merkt ja keiner. Ich warte immer, bis alle weg sind.«

Als wir vor der St. Bernadette’s ankommen, fällt uns als Erstes ein großer Container auf dem Parkplatz ins Auge, der gefüllt ist mit Altholz, Schrott, zerschlissenen Vorhängen und schimmeliger Tapete. Für den Fall, dass sie Kameras aufgestellt haben, parkt Roe außerhalb des Grundstücks. Das Gebäude wirkt im Näherkommen wie eine vor ihrem großen Auftritt erst halb fertig angezogene Tänzerin. Die Fenster im ersten Stock wurden komplett ausgetauscht. Anstelle der zweigeteilten viktorianischen Ungetüme, die man nur mit mehreren Leuten aufbekam, schimmern uns jetzt ganze Glasfronten entgegen. Die mächtige alte Eingangstür wurde bis aufs nackte Holz abgeschliffen und scheint regelrecht zu zittern vor Sehnsucht nach einem neuen Anstrich.

»Vielleicht sollten wir besser …«, setzt Fiona an, doch Roe geht bereits die Eingangsstufen hoch. Spätestens seit Sommeranfang juckt es ihm beim Gedanken an abgeschlossene Türen ständig in den Fingern. Aber für ein bisschen Spaß als Einbrecher im Gefängnis landen? Muss echt nicht sein.

»Warte«, sagt Lily. Sie schlängelt sich an Roe vorbei, erklettert das eiserne Treppengeländer und balanciert darauf wie auf einem Schwebebalken. Ich erkenne, worauf sie es abgesehen hat: die Überwachungskamera überm Eingang. Sie stützt sich mit der einen Hand an der Wand ab und erreicht dank ihren ein Meter achtzig mit der anderen das Kamerakabel. Sie hält es fest und konzentriert sich.

Die Luft beginnt zu summen und zu knistern. Während ich Lily zusehe, treffen sich unsere Blicke und ich könnte schwören, hinter ihren Pupillen etwas aufblitzen zu sehen. Ein fiebriges Gelb, das aus dem Blaugrün ihrer Iris hervorspringt wie ein Feuer aus der Tiefe eines Waldes.

»Habs«, sagt sie schlicht. »Roe?«

Roe stellt sich vor die Tür und ich mich neben ihn, um besser sehen zu können. Es ist immer wieder aufs Neue faszinierend, wie sein Talent sich offenbart. Er legt die rechte Hand an die Klinke, den linken Daumen ans Schlüsselloch, beugt sich hinunter und legt das Ohr ans Metall. Er horcht. Horcht auf die vier Stifte im Schloss, ihre sanfte Bewegung im Gehäuse, das beherzte Nicken einer Feder. Ich stoppe die Zeit. Dreißig Sekunden. Eine Minute. Eine Minute dreißig. Fiona, Lily und ich schweigen gespannt.

Kurz vor Ablauf der zweiten Minute drückt Roe die Klinke runter und die Tür schwingt auf.

Es fühlt sich komisch an, in den Ferien durch die Schule zu gehen. Alles, was sie sonst so vertraut macht, hängt mit den Menschen zusammen, nicht mit dem Ort an sich. Keine Spur mehr vom üblichen Geruchsmix aus Parfüm, Deo, alten Sandwiches, Büchern, Kloputzmittel und vollen Abfalleimern. Tatsächlich riecht es nach gar nichts außer dezent nach feuchter Farbe. Und zu hören ist nichts als das leise Quietschen meiner Stiefelsohlen auf dem frisch verlegten Parkett.

»Das sieht ja richtig gut aus«, staunt Fiona. »Wo in aller Welt kriegen sie das Geld dafür her?«

»Wieso? Die Bernie’s ist stinkreich, oder nicht? Wir drücken schließlich jede Menge Schulgeld ab.«

»Ist trotzdem nicht genug, um das hier zu bezahlen«, meint Fiona kopfschüttelnd. »Erst recht nicht, wo gerade die Hälfte von unserm Jahrgang an andere Schulen wechselt. Letztens habe ich Michelle Breen getroffen. Die macht ihren Abschluss jetzt auch woanders. Die Leute merken langsam, dass die Bernie’s ihr Geld nicht wert ist.«

»Außerdem«, ruft Lily, die gerade den Inhalt eines herumstehenden Kübels inspiziert, »will niemand seine Tochter an die Schule mit der Irren schicken.«

Nicht ganz falsch. Nachdem Lily wiederaufgetaucht war, kam die Gerüchteküche eigentlich erst so richtig in Gang. Geschichten über Glühbirnen, die neben ihr explodiert sind, über einen Elektrobrand im Waschraum. Lilys Talent ist wilder als das von Roe, Fiona oder mir. Gefährlicher. Zwar weiß Nuala als einzige Erwachsene Bescheid, aber ihre Altersgenossen ahnen, dass irgendetwas mit Lily O’Callaghan nicht stimmt.

Von der sechseckigen Eingangshalle geht zur Linken Miss Harris’ Büro ab und zur Rechten Schwester Assumptas. Roe will sich schon am Schloss von Schwester Assumptas Bürotür versuchen, doch ich nehme seine Hand weg.

»Nicht«, sage ich. »Das würde sie nicht mögen.«

Die leicht senile Ex-Nonne, der die Schule gehört, weckt irgendwie meinen Beschützerinstinkt. Sie ist immer so eigen mit ihrem Büro. Roe nickt und schlendert in einen der Klassenräume.

»Also, seit wann schwimmt diese Schule in Geld?«, fragt Fiona und quietscht mit ihren Turnschuhen extra laut über das glänzende neue Holz.

»Heilige Scheiße«, ruft Roe aus dem Klassenzimmer. »Die Frage lautet: Seit wann ersäuft sie darin?«

Wir folgen seiner Stimme. Ungläubig starrt er durchs Fenster nach draußen. Wir stellen uns neben ihn und Fiona pfeift durch die Zähne.

»Wow«, haucht sie dann. »Wo ist die Müllhalde hin?«

»Sie müssen das komplette angrenzende Grundstück gekauft haben«, füge ich verdattert hinzu. »Großer Gott, das ist ja riesig!«

Ich versuche mich zu erinnern, was da vorher war. Ein alter Zeitungskiosk und ein hässlicher Mietbunker, so ungefähr? Beides müssen sie planiert haben, denn auf einmal erstreckt sich hier ein nigelnagelneuer Tennisplatz, dem nur noch das Netz fehlt. Weiter hinten entsteht offenbar eine Umkleide. Die schimmernde Stahlblechstruktur lässt mich schaudern. Sie werden uns Zwölftklässlerinnen doch nicht auf den letzten Metern noch zum Sport zwingen? Oder?

Vor den hohen, grobmaschigen Drahtzaun, der den Platz einschließt, haben sie eine Sichtschutzhecke gepflanzt. Sie ist noch nicht angewachsen und wirkt kahlköpfig und fremdartig. Überhaupt sieht alles so seltsam aus, als hätte man die Schule hochgehoben und auf einem anderen Planeten wieder abgesetzt.

»Dann gucken wir doch mal«, sagt Roe.

Durch den rückwärtigen Ausgang treten wir in den warmen Sommerabend, gehen an einem übrig gebliebenen Haufen Sperrmüll vorbei und durch das metallene Zauntor auf den Platz.

»Hier hast du trainiert?«, frage ich Lily, die sich wie üblich nicht die Umstände macht, mir direkt zu antworten. Stattdessen nimmt sie ihren Rucksack ab und holt eine Flasche Wasser heraus.

Mittlerweile ist es fast zehn Uhr und schon richtig dunkel geworden. Mit jedem Tag geht die Sonne zwei Minuten früher unter. Der Sommer verrinnt, ohne uns um Erlaubnis zu fragen. Ich bekomme einen Kloß im Hals. Ich bin nicht bereit dafür, dass der Sommer endet. Nicht bereit dafür, dass Roe an die Uni geht, dass mein Abschlussjahr und mit ihm wieder der erdrückende Schulalltag beginnt. Ich mag mein Leben so, wie es jetzt ist. Mein Job, meine Leute, mein Tagesablauf.

Lily schraubt den Flaschendeckel ab und geht langsam zum anderen Ende des Tennisplatzes. Das Flutlicht ist noch nicht angeschlossen, wir können sie kaum sehen. Nur ihre blonden Haare, an denen sich das Mondlicht bricht.

»Seid ihr bereit, Leute?«, ruft sie.

»Ja!«, rufen Fiona und Roe zurück, während ich leise »Nein« murmle.

Wir hören, wie sie die Flasche schüttelt und das Wasser in die Luft spritzen lässt. Und bevor noch jemand von uns fragen kann »War das alles?«, ertönt ein Knistern und für einen Sekundenbruchteil ist der ganze Platz in blendend weißes Licht getaucht. Im Zentrum: Lilys zum fliegenden Wasser hin ausgestreckte Hände. Der feine Nebel, ein guter Leiter, flackert auf wie ein Stroboskoplicht.

Im nächsten Augenblick stehen wir wieder im Dunkeln. Dann wieder das Zischen von Wasser und ein weiteres Knistern. Weißes Licht, Lily im Zentrum. Sie macht es noch mal, dann noch mal und immer so weiter, während Roe, Fiona und ich sprachlos zusehen.

Dunkelheit. Wasser. Knistern. Licht. Lily.

Dunkelheit. Wasser. Knistern. Licht. Lily.

Und wir, die wir belämmert in der Gegend herumstehen, ganz geblendet von dieser Lightshow, von diesem Feuerwerk, das nur für uns abbrennt.

Weder Fiona noch Roe oder ich wollen uns von Lily überbieten lassen. Deswegen stehen wir alle fortan jeden Abend, nachdem die Bauarbeiter gegangen sind, auf dem Tennisplatz bereit und stürzen uns ins Training. Falls überhaupt irgendjemandem aufgefallen ist, dass die Überwachungskameras nicht mehr funktionieren, wurde nichts dagegen unternommen.

Dies ist jetzt unser Platz. Solange noch Sommer übrig ist, haben wir einen Ort, an dem wir wir selbst sein können.

»Wer will einen Zaubertrick sehen?«, fragt Fiona an einem dieser Abende mit einem diebischen Grinsen.

»Zeig her«, rufe ich von da, wo ich mich auf dem noch sonnenwarmen Platz hingelümmelt habe. Mein Kopf liegt auf Roes Bauch. Ich habe Roes Duft in der Nase, diese besondere Mischung aus Jasmin, Rose, Kohle und Salz. Sure for Men und Chanel No. 5.

Fiona steht auf und holt einen Apfel aus ihrer Tasche. »Siehe: der Apfel.«

»Alles klar, Steve Jobs.«

Sie streckt mir die Zunge raus und zückt ein scharfes Küchenmesser.

»Alles klar … Jack the Ripper?«

Sie fängt an, die Apfelschale in einem langen, sich kringelnden Streifen von der Frucht zu schälen. Im noch hellen Abendlicht kann ich sehen, wie Fi sich auf die Lippe beißt. Sie ist hoch konzentriert bei der Sache. Und dann erkenne ich, dass die Schale im gleichen Tempo nachwächst, wie Fiona sie abschält. Als der lange Kringel schließlich zu Boden fällt, ist der Apfel nahezu wieder perfekt. Wie unberührt.

»Scheiße, verdammt!«, jubele ich und springe auf. »Fi, das ist der Hammer!«

Sie verbeugt sich tief und setzt sich wieder.

»Dann kannst du also nicht nur Menschenhaut heilen? Sondern andere Haut auch?«

»Ja! Alles Mögliche, denke ich. Letztens hatte ich ein Loch in meiner Strumpfhose, da habe ich den Stoff zusammengekniffen und mir vorgestellt, es wäre Haut. Davon wurde sie wieder heil.«

»Das ist fantastisch«, sagt Lily. »Du bist so gut in Magie, Fiona.« Sie sagt es mit derart unverhohlener Bewunderung, dass mich die Eifersucht sticht. Sie hat Fiona echt gern. Die beiden haben eine Art separate, von Roe und mir unabhängige Freundschaft entwickelt. Ist bestimmt nur naheliegend für zwei Menschen, die ständig mit einem Paar abhängen, trotzdem fühle ich mich dadurch irgendwie außen vor.

Nachdem Lily aus dem Fluss zurückgekehrt war, fiel es ihr zunächst schwer, sich wieder an das herkömmliche Leben zu gewöhnen. An Kleidung, zum Beispiel. Noch Wochen nach dem Ritual hatte sie Schwierigkeiten mit Knöpfen, Reißverschlüssen und Schnürsenkeln. Es schien, als hätte sie vergessen, wie sie funktionieren. Einmal als wir sie zu Hause abholten, war sie im Arbeitshemd ihres Vaters heruntergekommen, das sie sich falsch herum angezogen hatte – und nur die Hälfte der Knöpfe auf dem Rücken waren zu. BH? Fehlanzeige. »Fiona«, hatte sie kläglich gesagt. »Das stimmt so nicht, oder?«

»Nein, Babe«, hatte ihr Fi geantwortet. »Das stimmt so nicht.«

Die beiden waren in Lilys Zimmer verschwunden, während Roe und ich uns unten fragten, ob Lily für eine zu lange Zeit der Fluss gewesen war. Ihre Magie ist seltsam stark. Roe, Fiona und mir wurde unsere jeweilige Kraft ja schon durch eine reine Stippvisite in der Welt der Mamsell verliehen. Was ist dann erst mit Lily passiert, die ganze Wochen dort verbracht hat?

Fiona hat Lily geholfen, eine Kleidungsstrategie zu entwickeln. Wenn schon mal alles die gleiche Farbe hat, kommt man nicht so schnell durcheinander. Also suchte Lily sich eine aus und jetzt ist alles blau. Wenn alles blau ist, dann kann sich nichts beißen oder seltsam aussehen. Wenn alles blau ist, ist alles gut.

Ich wünschte nur, ich wäre diejenige gewesen, die sich das mit ihr ausdenkt.

»Maeve, jetzt du«, sagt Roe. »Du bist dran.«

Ich setze mich wieder und seufze. »Och, meins ist so uncool.«

»Alter, du kannst Gedanken lesen«, stellt Fiona trocken fest.

»Ich weiß, aber das passiert alles so … im Innern, wisst ihr? Es hat nichts Spektakuläres. Elektrizität, Technik, Heilkunst – das ist spektakulär! Bei mir gibts nichts zu sehen. Die ganze Show fehlt.«

»Ich denke an eine Zahl«, sagt Fiona. »Fang an.«

»Das ist echt anstrengend«, beschwere ich mich.

»Ein ungenutzter Muskel wächst nicht«, gibt sie zurück, als wäre sie mein Personal Trainer.

»Na komm, Maeve«, ermuntert mich Roe. »Starte die Prozedur.«

Manchmal, wenn ich mit Leuten zusammen bin, die ich gut kenne, schlüpft der ein oder andere ihrer Gedanken ganz von selbst in mein Ohr wie ein zugeflüstertes Geheimnis. Meist erfordert Gedankenlesen aber, wie gesagt, große Anstrengung. Und diverse mentale Aufwärmübungen. Roe hat diese Vorbereitung aus Spaß mal »die Prozedur« genannt. Ein weiterer Ausdruck, den wir erst nur ironisch benutzt haben, um ihn dann in unseren normalen Sprachgebrauch zu übernehmen. Die Prozedur beginnt damit, dass ich die Augen schließe und meinen Geist frei mache.

»Seinen Geist frei machen« ist eine dieser dummen Phrasen, die man YouTuber sagen hört, wenn sie von jetzt auf gleich zu meditieren anfangen oder so. Aber anders kann ich es nicht erklären. Ich stelle mir meinen Geist als die Desktop-Ansicht von meinem Laptop vor, und dann verschiebe ich alles – meine Freunde, meine Familie, Irland, die Erde – in den Papierkorb rechts unten in der Ecke. Wenn der Bildschirm dann endlich leer ist, ist mein Geist pechschwarz. Und dann kommen die Lichter.

Die Lichter sind schwerer zu erklären. Lange wusste ich überhaupt nicht, wie ich sie Fiona und Roe beschreiben soll. Bis mir dieses Foto von den Polarlichtern unterkam. Endlose Lichtstreifen und -wirbel, eine ganze Farbexplosion, die bis ins Kleinste durchkomponiert zu sein scheint, obwohl sie völlig planlos abläuft.

Einatmen. Ausatmen.

Das ist der einfache Teil. Der hübsche Teil. Jetzt wirds ernst. Roe muss merken, wie ich die Schultern anspanne, weil er mit dem Daumen die weiche Haut hinter meinem Ohr zu streicheln beginnt. Ich genieße die Berührung, spüre, wie sie mir durchs Rückgrat fließt wie ein Elektronenstrom durch Kupferdraht.

Konzentrier dich, Maeve. Zurück zu den Lichtern.

Ich halte nach dem von Fiona Ausschau. Versuche, es auszumachen unter all den anderen: dem intensiv leuchtenden Blau von Lily, dem Kristallweiß von Roe. Und unter diesem braunen und grünen Blinken, das wohl dem Herzschlag all der kleinen Lebewesen im Verborgenen um uns her entstammen muss. Mücken, schlafende Vögel, Stadtfüchse im Gebüsch. Und hinter ihnen wieder größere Lichtstreifen und Farbtupfer. Zahllose Menschen in ihren Betten in den Häusern ringsum. Ich folge ihnen nicht. Die Gedanken von Fremden, von Tieren oder auch nur von jemandem, dem ich nicht direkt in die Augen sehe, kann ich nicht willentlich lesen. Was wie ein Talent mit grenzenlosem Potenzial wirkt, ist in Wahrheit außerordentlich eingeschränkt: Ich kann in den Geist von Menschen hineinsehen, die ich ohnehin schon sehr gut kenne. Fühlt sich irgendwie nach Zeitverschwendung an.

Da ist Fionas Licht. Ein schimmerndes Orange. Jetzt muss ich das eine Ende des leuchtenden Streifens finden, es ergreifen, mich am Licht entlanghangeln, schließlich darauf reiten wie ein Surfer auf der Welle und dann mitten hineinkrachen in die zerklüftete Gedankenküste meiner besten Freundin. So erkläre ich es mir zumindest selbst. Quasi als Leitfaden für angehende Telepathen. Ob so etwas Leser fände?

Endlich habe ich das orange Streifenende erwischt. Schnell folge ich ihm zu Fionas Geist, in dem ganz vorn zwei schwarze Ziffern sitzen.

»Fiona.«

»Maeve.«

»Siebenundfünfzig.«

Sie setzt sich auf, wie immer aufs Neue verblüfft.

»Habe ich dir schon mal gesagt, dass du ein Genie bist?«

»Bei Weitem nicht oft genug.«

»Woher weißt du das? Wie sieht es aus?«

»Das habe ich dir schon erklärt.«

»Die Polarlichter?«

»Richtig.«

»Wow.« Sie legt sich auf den Rücken und blickt angestrengt in die Sterne, hält nach Polarlichtern Ausschau, obwohl sie genau weiß, dass wir im falschen Land dafür sind. »Wie sieht meine Farbe heute aus?«

»Hmm, wo du es ansprichst: eine Nuance erdiger tatsächlich. Satter. Eher tönern als orange, wie ein Blumentopf.«

»Oh, das gefällt mir! Was, meinst du, bedeutet es?«

»Keine Ahnung«, antworte ich und beiße mir einen losen Hautstreifen neben dem Daumennagel ab. »Es kommt mir vor, als wären all unsere Farben etwas satter, wenn wir auf dem Tennisplatz sind. Intensiver oder so.«

Roe setzt sich ebenfalls auf und streckt sich. »Was ist mit mir, Mae? Woran denke ich?«

Jetzt, da mein Geist vorbereitet ist, kann ich mühelos in Roe hineinsehen. »An deinen Auftritt morgen Abend«, antworte ich.

»Na, das war einfach. Das hättest du auch raten können.«

Ich fische etwas tiefer. Dann ergreife ich etwas Konkreteres und halte es wie einen strampelnden Welpen zwischen meinen Händen.

Wenn die Kinder Brigids wiederauftauchen, denkt Roe, dann sind wir am Arsch.

Alarmiert richte ich mich auf. »Warum?«

»Warum was?«

»Warum machst du dir Sorgen wegen der Kinder Brigids?«

Nach Lilys Rückkehr waren sie eine Zeit lang beängstigend aktiv. Eine Antiabtreibungskundgebung in Dublin, eine Protestaktion vor einem Club in Sligo, der ein Safe Space für Homosexuelle ist. Doch ihr spezifisches Interesse an Kilbeg, worin auch immer das bestand, war offenbar abgeflaut. Ja, sie waren eine Plage. Aber das spielte sich alles so weit weg von uns ab, so weit über unserer Gehaltsklasse, und, ganz ehrlich, wir waren müde. Wir hatten uns um Lily zu kümmern. Eine fanatisch-religiöse Vereinigung am anderen Ende des Landes ist irgendwie weniger dringend als eine beste Freundin, die nicht mehr weiß, wie man Kleidung anzieht.

»Weil ich ihn letztens gesehen habe«, antwortet Roe auf meine Frage. »Aaron.«

Wir verfallen in Schweigen. Es scheint auf einmal kälter geworden zu sein.

»Wo?«, fragt Fiona schließlich.

»Er –« Roe unterbricht sich. »Ich habe ihn im Rathaus gesehen. Vielleicht eine Sekunde lang. Er war mit einer Gruppe unterwegs. Im Anzug. Vielleicht ein Geschäftstermin, aber … keine Ahnung. Ich hatte meinen Rock von ModCloth an und Aaron … Wie er mich ansah. Er wusste genau, wer ich bin.«

»Natürlich weiß er, wer du bist«, sage ich. »Er hat deinen Auftritt gecrasht. Du sein Kinder-Brigids-Treffen.«

»Ja, schon«, wendet Roe ein, spricht dann aber nicht weiter, als wüsste er selbst nicht, was er meint. »Ich meine … es war, als würde er in mich hineinsehen. Also wortwörtlich in mein Innerstes. Weißt du noch, wie er bei dem KB-Treffen alle dazu gebracht hat, ihm ihre schrägen Nicht-Sünden zu beichten? Ich habe mich gefühlt, wie sie sich gefühlt haben müssen. Entblößt oder so. Es war grässlich.«

Ich streichle ihm über die Schulter und lasse dann die Hand in seinem Nacken liegen. »Tut mir leid, Babe.«

Wären Fi und Lily nicht hier, würde ich beide Arme um ihn schlingen. Wären sie nicht hier, würde ich ihm sagen, dass es nichts, aber auch gar nichts Grässliches an ihm gibt. Dass er der besonnenste und freundlichste Mensch ist, den ich kenne. Dass sich in ihm das Beste von dem vermischt, was ich mit typisch männlich und typisch weiblich verbinde. Alles, was im tiefsten Kern der Ritterlichkeit liegt, im ältesten Ursprung der Schönheit.

Aber Lily und Fi sind nun einmal hier, deswegen frage ich ihn stattdessen: »Warum warst du denn überhaupt im Rathaus?«

Er wird rot.

»Ach«, sagt er. »Damit wollte ich eigentlich warten, bis …« Er zeigt vage in die Runde – bis wir allein sind, meint er. »Aber … also gut. Ich war im Rathaus, weil ich meinen Namen ändern will. Offiziell, meine ich.«

»Roe!«, rufen wir.

»Das ist ja fantastisch!«

»Das ist so erwachsen!«

»Weiß Mum davon?«

»Nein«, beantwortet Roe Lilys Frage zuerst. »Aber ich will das endlich machen. Beim Gedanken an die Uni, an den ganzen Papierkram, die Kursanmeldungen und so, na ja, wenn dann da überall Rory O’Callaghan stünde … Das würde sich irgendwie so … so ächz anfühlen. Versteht ihr?«

Im Februar, als Lily verschwand, war der Name Roe noch ein Geheimnis. Nur wenige Menschen auf der Welt kannten ihn. Ich, Miel und ein paar Leute, mit denen Roe über das Internet in Kontakt war. Mittlerweile kennt fast jeder Roe als Roe. Seine Begeisterung für ein Doppelleben hält sich sehr in Grenzen. Was offenbar etwas ist, das passiert, wenn man beinahe das eine Leben verliert, das man hat.

»Jedenfalls habe ich jetzt die nötigen Formulare im Rathaus abgeholt«, sagt er und sieht mich an. »Für die Namensänderung an sich muss ich aber nach Dublin fahren. Begleitest du mich?«

»Na klar!«, rufe ich und umarme ihn. »Roadtrip!«

»Das ist ein Grund zum Feiern«, verkündet Fi und springt auf.

»Eine Runde McFlurries auf mich«, sage ich und denke an Mums Zehner.

Also ab zum Auto. Weitere Glückwünsche für Roe. Zuversicht. Dankbarkeit. Dann aber verfallen wir auf der Fahrt erneut in Schweigen.

Ich muss keine telepathischen Fähigkeiten bemühen, um zu wissen, dass wir alle das Gleiche denken. Warum war Aaron im Rathaus? Warum ist er zurück?

»Letztens habe ich mir überlegt«, ergreift Fiona das Wort, »dass uns unsere Kräfte vielleicht aus einem bestimmten Grund verliehen wurden. Wisst ihr, was ich meine?«

»Ich hab die Mamsell überlebt«, trällert Roe, »und alles, was dabei rauskam, ist dieses olle T-Shirt.«

»Nein, ich meine …« Fi guckt nachdenklich aus dem Fenster. »Ich meine, die Kinder Brigids sind offensichtlich zurück, oder wie seht ihr das? Zurück in Kilbeg. Wir können sie nicht länger ignorieren.«

Wieder Schweigen. »Stimmt«, sagt Roe.

Während wir weiterfahren, spüre ich etwas Dunkles im Bauch und Druck hinter den Augen. Als würde, wenn ich weiter aus dem Fenster sähe, gleich die Mamsell dort auf der Überführung stehen. Oder Aaron mitten auf der Straße.

Ich lehne meinen Kopf an Roes Schulter und schließe die Augen. So. Jetzt kann ich weder die Mamsell noch Aaron oder sonst irgendwas sehen.

KAPITEL 3

Am nächsten Tag habe ich Frühschicht im Orakel, kann also danach noch nach Hause gehen und mich für den Auftritt von Feier Im Kleinen Kreis aufhübschen. Als ich mich gerade für die Arbeit anziehe, klingelt mein Handy und ein panischer Roe ist dran.

»Maeve«, japst er. »Wann fängst du heute an?«

»Um halb zehn«, antworte ich mit einem Blick auf die Uhr, die kurz nach acht anzeigt. »Warum?«

»Hör zu, gestern auf dem Tennisplatz ist mir, glaube ich, einer meiner Ohrringe rausgefallen. Linda habe ich schon durchsucht und da ist er nicht. Kannst du mir einen Riesengefallen tun und ihn für mich holen? Auf dem Hinweg zum Orakel zum Beispiel?«

»Ach, Himmel, Roe«, mache ich genervt.

»Ich weiß, ich weiß«, seufzt er entschuldigend. »Ich bin ein anstrengendes Dummchen.«

»Das bist du.«

»Ich würde ja selbst gehen, aber ich muss gleich Liams Schlagzeug am Ende der Welt abholen, und ich fände es wirklich schlimm, wenn der Ohrring verloren wäre. Bitte, biiitte? Du musst doch eh in die Stadt.«

»Also schön«, willige ich gähnend ein. »Aber sieh du dafür zu, dass ich heute Abend auf der Gästeliste stehe, denn wenn nicht, will der Türsteher womöglich meinen Ausweis sehen. Denk also dran.« Einmal hat Roe es vergessen und das war ein Albtraum. Fiona und ich mussten bis zum Konzertende in der nächsten Fish-und-Chips-Bude ausharren.

»Du bist die Beste«, sagt Roe. »Vielen, vielen Dank.«

»Mh-hmm. Liebe dich, bis später.«

»Liebe dich auch. Ach, und …«

Er lässt den Satz in der Luft hängen.

»Was?«

»Nein, ich habe dich für heute schon genug eingespannt.«

Ich seufze. »Raus damit.«

»Würdest du, na ja, später im Laden vielleicht ein bisschen die Werbetrommel rühren?«

»Rooooe!«, klage ich. »Ich kann doch nicht einfach Nualas Kunden belästigen.«

»Weiß ich ja«, sagt er. »Tut mir leid, vergiss es. Es ist nur … Unser Hauptact kommt halt extra für uns nach Kilbeg. Sie ist nicht etwa auf Tournee oder so. Miel versucht schon seit Jahren, sie mal herzukriegen.«

Ich seufze erneut und mir wird klar, dass ich Roe wahrscheinlich auch diesen Gefallen werde tun müssen. Er und Miel sind schon seit Monaten ganz aufgeregt wegen Sue Verrain. Und ich verstehe das. Sie ist aufregend. Bis vor ein paar Jahren kannte man sie noch unter dem Namen Jason als Leadsänger der Band Jason & The Aeronauts. Die Band war berühmt, zumindest irisch berühmt: Nachmittagshauptbühne bei Festivals; bei jedem neuen Album ein Fernsehauftritt; der ein oder andere Werbesong. Dann verkündeten sie auf einmal eine Namensänderung. Fortan würden sie nur noch The Aeronauts heißen. Niemand dachte sich zunächst viel dabei. Dann hatte Sue ihr Coming-out und Irland bekam seinen ersten trans Rockstar.

»Schön, ich werde mein Bestes tun.«

»Ich liiiiiiebe dich …«

»Ja, ja. Du nutzt meine Zuneigung schamlos aus.«

»Ich weiß«, freut er sich. »Ist das nicht super?«

Ich binde mir die Haare, die vom Bürsten statisch aufgeladen sind, zu einem Pferdeschwanz zusammen und ziehe mich schnell fertig an. Fünf Minuten später bin ich aus der Tür und laufe zum Bus, etwas sauer, weil ich mir heute Morgen nicht Zeit lassen kann wie sonst. Aber, Himmel, was für ein Morgen! Roe und Fiona schwärmen dauernd von Dublin und London, aber warum sehen sie denn nicht, wie schön Kilbeg ist? Die Heckenkirsche steht in voller Blüte, alles ist sommerlich grün, voller Sonnensprenkel und die Wärme des Tages kündigt sich an. Eine Familie Wasserhühner – die weißen Streifen wie mit Tipp-Ex ins Gesicht gemalt – gleitet über den Fluss.

Vierzig Minuten später komme ich vor der Bernie’s an. Wie Roe, Fi, Lily und ich herausgefunden haben erreicht man den Tennisplatz auch direkt durch ein Gässchen. Man muss also gar nicht erst ins Gebäude.

Als ich auf den Platz trete, steht die Sonne schon so hoch, dass mir Roes Ohrring aus bestimmt zwanzig Metern Entfernung entgegenblinkt. Die Perlen glänzen mit dem Gold um die Wette. Ich jogge hin, gehe in die Hocke und pflücke das Schmuckstück behutsam mit Daumen und Zeigefinger vom Boden.

Und plötzlich, während ich dort hocke, höre ich ein Pfeifen.

Eine Melodie, die ich kenne.

Eine Melodie, die ich mein Lebtag nicht vergesse, selbst wenn ich so alt werde wie Schwester Assumpta.

Ich erstarre. Ich drehe mich nicht um. Ich kneife die Augen zu, doch das Pfeifen hört nicht auf.

Eine Blues-Melodie. Etwas, das man auf einer Veranda in New Orleans zu hören erwartet, nicht auf einem Tennisplatz in Südirland. Ist schon erstaunlich, wie gut man ein Lied kennen kann, ohne es je von vorne bis hinten gehört zu haben.

»Hör auf!«, sage ich.

Die prompte Reaktion klingt amüsiert. Und amerikanisch.

»Ich dachte, du magst das Lied.«

Jetzt drehe ich mich doch um. Da steht Aaron, mit den Händen in der Hoodie-Tasche und schuhschachtelneuen Sneakers an den Füßen. Seit März stand er nicht mehr leibhaftig vor mir, doch er sieht genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung habe. Genauso lässig, genauso blond, genauso sehr die Art Mensch, für die das Konzept Tennisplatz erfunden wurde.

»Ich kann das Lied nicht leiden«, sage ich und stehe auf.

»Ladys, darf ich vorstellen«, singt Aaron. »Dies ist die Mamsell. Sei sie euer Untergang oder neuen Lebens Quell.«

Dann legt er den Kopf schief und sieht mich an. »Was darfs sein, Maeve? Untergang oder neues Leben?«

»Was willst du hier?«

Ich versuche, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. Versuche, nicht daran zu denken, dass ich Aaron zuletzt im Traum gesehen habe. In einem Traum, in dem er die Haare der Mamsell streichelte und über Leben und Tod sprach.

Er ignoriert die Frage und geht stattdessen ein paar Schritte, nimmt den Platz in Augenschein. »Guck dir das an«, sagt er und zeigt auf etwas. Erst fällt mir nichts auf, dann aber entdecke ich einen schmalen grünen Halm mit einer hauchzarten gelben Blüte, der aus einem Riss im orangefarbenen Kunstbelag hervorsprießt.

Aaron geht so tief in die Hocke, dass seine Knie froschartig nach außen zeigen. Ganz zärtlich pflückt er das Blümchen. »Hmm«, raunt er, holt dann seine Geldbörse heraus und schiebt es in eins der ledernen Fächer.

»Woher wusstest du, dass ich hier bin?«

Er richtet sich wieder auf. »Wir haben beide das Zweite Gesicht, Maeve«, sagt er schlicht. »Wenn du irgendwo Magie einsetzt, merke ich das.«

Sein Tonfall ist so gleichmütig, als verstünde es sich von selbst. Als wäre es eine Aussage wie: Paris ist die Hauptstadt von Frankreich.

»Das ist nicht wahr«, wehre ich ab. Es kann nicht wahr sein. Oder? »Wenn das wahr wäre, könnte ich …« Was? Es merken, wenn er Magie einsetzt? Seine Bewegungen nachverfolgen?

»Das kannst du.« Er nickt. »Wenn du wüsstest, wonach du suchen musst, könntest du mich finden.«

Jetzt reicht es mir langsam. »Ach, zur Hölle noch mal, Aaron«, versetze ich gereizt. »Seit wann sprichst du in Rätseln?«

Er grinst, freut sich, eine Reaktion provoziert zu haben. »Ich spreche nicht in Rätseln, ich lege Fakten dar. Warum bist du so feindselig? Du hattest doch einen schönen Sommer, oder nicht?«

Er sagt es, als hätte er selbst das gnädigerweise so eingerichtet.

Mir entfährt ein Lachen. Ein schrilles, hohles, hartes Geräusch. »Warum ich so feindselig bin? Bei unserer letzten Begegnung hast du gedroht, mich umzubringen.«

»Das stimmt überhaupt nicht. Wieso lügst du?« Er klingt tatsächlich beleidigt. »Ich sagte, es könnte spannend werden, falls du am Leben bleibst.«

»Warum spannend?«

»Weil wir uns gleichen.«

»Wir gleichen uns kein Stück«, widerspreche ich heftig, schließe die Hand um Roes Ohrring und will vom Platz stampfen. Ich sollte es eigentlich dabei belassen, komme aber nicht gegen mich selbst an. »Du bist ein Scheusal, so viel sei hier mal klargestellt. Du hast das Leben von Menschen gefährdet, die ich liebe. Du hast Roe angegriffen, hast meiner Schwester deine Schläger auf den Hals gehetzt. Und von den Menschen, die ich nicht kenne, habe ich noch gar nicht angefangen. Die armen queeren Kids beim Kabarettabend, denen ihr die Köpfe in Wassereimer gesteckt habt.«

Die Erinnerungen kommen wie eine Lebensmittelvergiftung, mit einem Knoten im Bauch, einem sauren Gurgeln. Ein paar der Kids waren bestimmt nicht älter als dreizehn und hatten es sicher ohnehin schon nicht leicht. Wie weit muss dieser Angriff sie zurückgeworfen haben?

Aaron betrachtet mich mit nachdenklicher Miene, als wäre ich ein Kreuzworträtsel. Knifflig, aber nur ein Zeitvertreib, also was solls?

»Du und ich sind uns ähnlicher«, sagt er mit sanfter Stimme, »als du und deine Freunde euch seid.«

Ich will ihm ins Gesicht schlagen. Kurz wünsche ich mir, ein Junge zu sein, und riesig. Ich wünsche mir, Angelegenheiten wie diese mit den Fäusten lösen zu können. Und dann fällt mir wieder ein, warum so wenig Männer Magie betreiben. Wieso magische Kräfte bemühen, wo man doch genug körperliche hat?

»Du weißt nicht das Geringste über mich. Oder über meine Freunde.«

»Ich weiß, dass du und ich mit unserer Kraft geboren wurden«, wendet Aaron ein. »Und dass deine Freunde ihre auf andere Art bekommen haben. Durch in einem Ritual vergossenes Blut.«

»Na und?«

»Deswegen zählt ihre Kraft weniger. Ohne dich wären sie gar nichts.«

Jetzt frage ich mich, ob Aaron je in seinem Leben Freunde hatte. Ich bin doch diejenige, die profitiert. Ich wäre gar nichts ohne meine Freunde.

»Deine Magie wird sich immer von ihrer abheben«, fährt Aaron fort. »Ihre ist im Vergleich ein Partytrick. Hast du auch nur eine Ahnung, wie besonders unser Zweites Gesicht ist, Maeve? Diese Kraft stammt aus alter Zeit, sie geht tiefer als jede andere und wird nur den Wenigsten zuteil.«

Jetzt redet er wie ein Zauberer im Zeichentrickfilm, und das hasse ich. Ich will, dass er sich so dumm fühlt, wie er sich anhört. Also ziehe ich bloß eine Augenbraue hoch und wende ihm dann den Rücken zu. »Ganz schön viel Blödsinn für neun Uhr morgens.«

»Du kannst es lernen, weißt du? Du kannst lernen, dein Zweites Gesicht zu beherrschen.«

Ich gehe und beachte ihn nicht mehr.

»Sie können dir helfen«, ruft er. »Die Kinder Brigids können dir helfen.«

Ich fange an zu rennen.

An dem Sperrmüllhaufen vorbei und durch das Gässchen hinaus auf die Straße. Dort hallt mir noch einmal seine Stimme nach. Zwar nur schwach, aber als mehrfaches Echo von den Wänden zurückgeworfen.

»Das war das erste Mal! Bleiben noch zwei!«

»Das erste Mal was?«, frage ich Nuala. »Das erste Mal wovon?«

Es ist eine Stunde später und ich sitze mit meinem dampfenden Kaffee to go auf dem Fußboden im Orakel. Ich klebe Preisnachlässe auf Bücher über Numerologie und frage mich, welcher Rabatt sie besser verkäuflich macht. »Hier drin steht, dass die Sechs und die Acht Reichtum symbolisieren. Soll ich dann mal alle auf sechs achtzig runtersetzen?«

»Klingt gut«, sagt Nuala, die sich ihre Brille aufgesetzt hat, um einen Ausdruck der Verkaufszahlen vom letzten Monat durchzulesen. Das Betreiben eines Esoterikladens ist nicht übermäßig profitabel. »Und jetzt erzähl mal genau, was er gesagt hat, und wie er es gesagt hat.«

»Er hat sich darüber verbreitet, dass meine Magie anders wäre als die von Lily, Fiona und Roe. Und er wollte, dass ich den Kindern Brigids beitrete.«

»Und dann?«

»Und dann bin ich weggegangen. Gerannt, um genau zu sein.«

»Und er sagte dann ›Das war das erste Mal‹, ja?«

»Genau. Und dass noch zwei bleiben. Ist das irgend so eine Magiesache?«

»Hmmm. Jedenfalls keine Wicca-Sache«, überlegt Nuala. »In manchen Ländern ist es höflich, etwas zunächst dreimal abzulehnen. Eine Einladung zum Abendessen und dergleichen.« Sie guckt einen Moment lang gedankenverloren vor sich hin. »Oh, Jesus!« Ihr ist wohl etwas klar geworden.

»Was? Was ist los?«

»Nein, ich meine: Jesus. Jesus Christus. Ihn hat der Apostel Petrus dreimal verleugnet.«

Ich verziehe das Gesicht. »Dann sieht Aaron sich bei dieser Analogie in der Rolle des Jesus?«

»Ich nehme es an.«

»Himmel. Was für ein Ego!«

»Er gibt dir drei Chancen, zur guten Seite zu wechseln. Zur seiner Meinung nach guten Seite.«

»Und danach? Ewige Verdammnis?«

Nuala runzelt die Stirn. Sie sieht besorgt aus. »Womöglich eher etwas Handfesteres.«

Nuala ist die einzige Erwachsene in meinem Leben, mit der ich über Magie reden kann. Schon komisch, wie sich unsere Beziehung nach dem Ritual von jetzt auf gleich verändert hat. Auf einmal war sie keine ominöse Fremde mehr, sondern eine Mentorin, fast eine Freundin. Sie hat mir überhaupt erst erklärt, was es bedeutet, das Zweite Gesicht zu haben. Mittlerweile lehrt sie mich, so gut es geht, die Grundlagen der Esoterikladenmagie. Wicca-Bedarf, Kräuter, Kristalle und all das. Sie sagt, es ist nicht damit getan, dass ich übernatürliche Kräfte habe. Ich muss mir auch die zugehörigen Kenntnisse aneignen.

Ich stehe auf und strecke mich. »Was haben die Kinder Brigids überhaupt vor? Wieso sind sie wieder in Kilbeg? Und warum soll ich ihnen beitreten?«

Nualas Blick wird für eine Weile ganz leer, was – wie ich inzwischen weiß – Zeichen dafür ist, dass sie über etwas nachdenkt, worüber sie nicht reden will. Kurz frage ich mich, ob ich versuchen sollte, ihre Gedanken zu lesen, doch dann erinnere ich mich an den Pakt, den Roe, Fi, Lily und ich geschlossen haben: Nur auf dem Tennisplatz. Nur wenn wir unter uns sind. Nur zum Training.

»Hast du je darüber nachgedacht«, setzt Nuala schließlich an, »welche Rolle du in alldem spielst?«

Nuala ist manchmal so seltsam drauf, dass ich keine Ahnung habe, ob sie mit »alldem« die Magie meint oder vielleicht den Laden hier und Kapitalismus im Allgemeinen.

»Ähm …«

»Im Hinblick auf dein Zweites Gesicht, meine ich.«

Ich zucke die Schultern. Nuala hat mir mein Zweites Gesicht auf ihre typisch nebulöse Art und Weise erklärt. Demnach habe ich dank ihm eine besondere Verbindung zu Magie und zur Erde. »Du sagtest, nicht jeder, der es hat, ist eine Hexe, aber jede große Hexe hat es.«

»Schon, aber …« Sie zögert, dann lässt sie die Kasse einen Streifen Quittungspapier ausspucken und nimmt sich einen Stift.

»Soll ich das sein?«, frage ich und versuche, mich nicht zu sehr über sie lustig zu machen. »Ich in meinem dreieckigen Kleid, das ich immer anhabe?«

»Psst, ciúnas«, versetzt sie gereizt und malt weiter.

»Gut«, sagt sie schließlich. »Sagen wir, in Kilbeg ist eine bestimmte Menge Magie verfügbar. Wie ein fossiler Rohstoff. Sie liegt unter der Erde und wird von uns allen Tag und Nacht verwendet.«

»Alle verwenden Tag und Nacht Magie?«

»Wenn wir Magie auch als, du weißt schon, freien Willen verstehen. Glaube ist Magie, Entscheidungen sind Magie, der Impuls, ein hübsches Bild zu malen, ist Magie. All das, verstehst du?«

»Wow, okay«, sage ich mit Unbehagen, weil ich es leider eben nicht ganz verstehe. Und dann tue ich das, was ich meistens tue, wenn es Neues zu verarbeiten gilt. Ich ziehe es ins Lächerliche. »Wenn ich also entscheide, dass ich mir zum x-ten Mal die Wiederholungen von Friends ansehen will statt eine Serie, die ich ausnahmsweise noch nicht kenne, dann ist das ein zutiefst magischer Akt?«

»Vor allem ist das ein Akt intellektueller Faulheit«, schnaubt Nuala, »aber ja, er entspringt derselben Quelle. Es geht um deinen Willen. Darum, dass du selbst über dich bestimmst.«

Langsam kommt sie offenbar ins Schwimmen, denn sie greift jetzt wieder auf das Bild zurück.

»All diese kleinen Punkte hier sind Menschen, die unablässig Magie einsetzen, ohne es zu merken. Jedes Mal, wenn jemand beschließt, Rot zu tragen, weil er oder sie sich dadurch mächtig fühlt, ist das ein bisschen magisches Wirken. Aber du, Maeve«, sie tippt mit dem Stift auf das Dreieckmädchen, »du hast mit deinem Zweiten Gesicht einen exklusiveren Zugang zur Magie. Sie hat dich als ihre Vertreterin auserkoren.«

»Cool.«

»Die Magie strömt also hinaus aus der Erde, dann hinein in dich und, in geringerem Maße, auch hinein in alle anderen. Und dann kehrt sie in die Erde zurück. Du wirkst einen Zauber und die Magie verteilt sich in der Luft, von wo sie in die Bäume gelangt, in den Boden und zurück in die Erde.« Nuala tippt jetzt sehr bestimmt auf den Nach-unten-Pfeil.

»Okay, meinetwegen.«

Sie malt drei weitere Gestalten in Dreieckkleidern. »Und dann sind da noch Lily, Roe und Fiona. Aus irgendeinem Grund wurden sie, als sie das mit der Mamsell durchgemacht haben, in die Magielieferkette hineingezogen. So zumindest meine Theorie.«

Ich gebe mir Mühe, das Ganze ernst zu nehmen, und betrachte eingehend Nualas unbeholfenes Schaubild. »Deine Theorie ergibt Sinn, schätze ich. Nur was hat sie mit den Kindern Brigids zu tun?«

»Weiß ich nicht genau«, gibt Nuala zu. »Aber gleich zwei Träger des Zweiten Gesichts hier in Kilbeg? Das kann einfach kein Zufall sein. Sie haben offenbar irgendetwas mit euch vor.«

»Und … was?«

»Tja … Ich weiß es nicht genau. Aber ich weiß, wer es wissen kann.«

»Wer?«

Sie tippt sich mit dem Stift an die Nase, ihr Zeichen für: Ende der Diskussion.

Den Rest des Vormittags ist Nuala seltsam still. Gegen eins verschwindet sie für eine Weile in dem Zimmer hinten im Laden, und als sie wieder herauskommt, klebt sie einen Briefumschlag zu. »Ich geh schnell zur Post«, sagt sie. »Kommst du eine halbe Stunde allein zurecht?«

»Klar«, sage ich und versuche zu erspähen, an wen der Brief gerichtet ist, denn zweifellos hat er etwas mit der Magielieferkette und jener ominösen Person zu tun, die sich genau damit auskennt. Doch Nualas Daumen verdeckt den Empfängernamen. Ich kann nur die Adresse sehen: 454Rue Alexandre Parodi, Paris.

»Frankreich?«

»Du bist ja gar nicht neugierig, hm?«, gibt Nuala verärgert zurück.

»Tut mir leid«, antworte ich verlegen. »Ich wünschte, jemand würde mir mal wieder einen Brief schreiben. Ich habe seit Jahren nichts Interessantes mit der Post bekommen.«

»Nun«, sagt Nuala. »Einen Brief schreibt man, wenn man nicht sicher ist, ob jemand abnimmt, wenn man anruft.«

Sie macht sich auf den Weg und nachdem ich eine Weile mit anderem beschäftigt war, fahre ich jetzt mit dem Rabattieren der Numerologiebücher fort. Schon komisch, unheimlich viele Leute stehen auf Astrologie und Tarot, aber keiner scheint sich so richtig für Numerologie zu interessieren. Vielleicht erinnert sie die ganze Herumrechnerei zu sehr an die Schule.

»Entschuldigen Sie«, ertönt eine sanfte Stimme hinter mir. »Arbeiten Sie hier?«

»Tut mir leid!«, rufe ich und springe auf. »Ja, ich arbeite hier. Kann ich Ihnen helfen?«

Kundengespräche sind nicht gerade meine Stärke. Immer, wenn ich mich endlich fast wie eine richtige Hexe fühle, kommt irgendwer rein und will was über Vorleben und Reiki wissen, und schon komme ich mir wieder vor wie eine blutige Anfängerin.

»Ich suche nach Räucherstäbchen«, sagt die Kundin. »Nach einer Sorte, die die Mücken fernhält.«

Das ist zum Glück einfach. »Dann nehmen Sie Citronella«, sage ich und gehe ihr voraus zu dem Regal mit den länglichen Pappboxen. Sie sehen aus, als wären sie für Zauberstäbe gemacht. Als ich ihr die Citronella-Stäbchen reiche, streifen ihre Finger, die seltsam warm sind, meine Knöchel. Diese Wärme überrascht mich so sehr, dass ich mir die Frau jetzt genauer angucke.

Sie ist ein bisschen älter als Jo. Sechsundzwanzig vielleicht. Ihr Kleidungsstil ist der, von dem ich denke, dass er auch meiner wäre, wenn ich Geld hätte und wüsste, wie man Kleidungsstücke kombiniert. Sie trägt Kampfstiefel, einen langen, schimmernden, indisch gemusterten Wickelrock und schwere Silberringe an den Fingern. Ihre Haare sind lockig, irgendwie dunkelgolden und lose mit einem Tuch zusammengebunden.

»Ich nehme gleich zwei Schachteln«, sagt sie und geht weiter zu den Tarotkarten. Sie nimmt sich eines der Ansichtsexemplare, die wir für die Kunden zum Durchblättern ausgepackt haben. »Wow, die sind ja wunderschön!«

»Unser Sortiment kann sich sehen lassen«, bestätige ich stolz. »Ich habe es selbst mit ausgesucht.«

»Kannst du sie legen?«

»Jepp«, antworte ich, wiederum stolz, etwas zu stolz vielleicht.

»Ist das sehr schwierig?« Sie betrachtet das Ass der Stäbe.

»Eigentlich nicht. Es gibt ja ein Schema. Die großen Arkana sind leicht zu lernen, ziemlich selbsterklärend, und die kleinen Arkana folgen einer Art Zahlenlogik.«

»Du kennst dich echt gut aus«, staunt sie. »Gehört der Laden deiner Mutter?«

»Meiner …? Nein, nein.« Ich muss lachen, als ich versuche, mir Nuala mit Kindern vorzustellen. »Ich arbeite nur hier.«

Ich bringe die Citronella-Stäbchen zur Kasse und bonge sie ein.

»Gut zu wissen, dass es diesen Ort hier gibt«, sagt die Kundin und schaut sich mit beruhigtem Kopfnicken um, als würde der Laden ihr Sicherheit vermitteln. »Ist alles noch neu für mich. Ich bin erst vor einer Woche hergezogen und habe bisher kaum was von Kilbeg gesehen. Im Grunde ist mir ganz Irland irgendwie fremd geworden. So ergeht es einem wohl, wenn man eine Ewigkeit im Ausland verbringt.«

Da fällt mir etwas ein. Etwas, das meine Stellung als Freundin des Monats in Stein meißeln könnte.

»Hey, ähm … Wenn Sie Kilbeg besser kennenlernen wollen …«, stammele ich verlegen. Sie schaut mich mit ihren hellen Augen erwartungsvoll an. »Im Alten Kohlenmarkt findet heute Abend ein Konzert statt.«

Sie legt den Kopf schief.

»Das ist ein Veranstaltungszentrum«, erkläre ich, »kein echter Kohlenmarkt. Zumindest heute nicht mehr.«

»Wer spielt denn?«

»Zuerst eine Band aus Kilbeg, Feier Im Kleinen Kreis«, antworte ich und klinge schon wieder stolz wie Oskar. »Und der Hauptact, Sue Verrain, ist eine richtig große Nummer. Letzten Monat war sie auf dem Cover der Hot Press.«

»Das klingt super! Wann gehts los?«

»Einlass ist um acht.«

Die Kundin sagt, dass sie da sein wird, und sofort fühle ich mich seltsam dabei, eine völlig Fremde eingeladen zu haben. Die holt bereits ihr Handy raus und schlägt die Location nach. »So«, macht sie und drückt entschieden auf den Touchscreen. »Die Eintrittskarte ist gekauft.«

»Roe wird begeistert sein«, sage ich, denn das stimmt.

»Seid ihr ein Paar?«

Ich nicke. »Er ist der Sänger von Feier Im Kleinen Kreis.«

»Cool«, sagt sie bewundernd. »Tagsüber jobben, abends ins Konzert – so ein Leben hätte ich in deinem Alter auch gern gehabt.«

Ich lächle und fühle mich geschmeichelt. Sie hat recht. Ich habe ein cooles Leben. Und coole Freunde. Wie ich es immer wollte. Besser als ich es immer wollte. Manchmal, wenn Roe, Fi, Lily und ich alle zusammen auf einem Konzert sind, überkommt mich ein regelrechter Glückstaumel. Ich weiß noch genau, wie sich Einsamkeit anfühlt, deswegen spüre ich ihre Abwesenheit umso deutlicher.