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Die Profilerin Charlie Flint bekommt unerwartet Post, ein Päckchen mit Zeitungsausschnitten über einen brutalen Mord an ihrem alten College in Oxford. Dort ist auf einer Hochzeitsfeier der Bräutigam erschlagen worden. Während die Gäste sich den Champagner schmecken ließen, hat man seine blutüberströmte Leiche in den nahen Fluss geworfen. Charlie weiß nicht, wer der Absender ist, doch das Verbrechen will ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen. Weil sie gerade vom Dienst suspendiert worden ist, hat sie genug Zeit für Nachforschungen in Oxford. Je mehr sie in die geschlossene Welt der Universität eindringt, desto unbegreiflicher wird die Tat. Und jeder ihrer Schritte könnte einer zu viel sein …
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Seitenzahl: 761
Val McDermid
Alle Rache will Ewigkeit
Kriminalroman
Aus dem Englischen von Doris Styron
Knaur e-books
Dieses Buch ist dem Andenken anMary Bennett (1913–2005) undKathy Vaughan Wilkes (1946–2003) gewidmet,denen ich in Freundschaft verbunden warund die mich lehrten und unterstützten.Noch heute folge ich den Wegen,die sie mir eröffneten.
I had been told about her.
How she would always, always.
How she would never, never.
I’d watched and listened
But I still fell for her,
How she always, always.
How she never, never.
Man hatte mir von ihr erzählt.
Dass sie immer, immer.
Dass sie niemals, niemals.
Ich hatte gesehen und gehört
Aber trotzdem verliebte ich mich in sie.
Sie, die immer, immer.
Sie, die niemals, niemals.
»Her« von Jackie Kay
Was ist Ihre früheste Erinnerung? Ich meine keine Begebenheit, die einem so oft erzählt wurde, bis sie einem wie eine eigene Erinnerung vorkommt. Ich spreche von dem ersten Ereignis, das man als Kind mit eigenen Augen wahrgenommen hat. Etwas, das man aus der Zwergenperspektive gesehen hat, ohne die begleitenden Worte zu begreifen, ein echtes Erlebnis, das einen heute noch umhauen kann. Ich spreche von einem Schlüsselmoment, der prägend war für alles, was im späteren Leben folgen sollte.
In meinem Schlüsselmoment gibt es dünne, senkrechte Holzgitter. Ein Kinderbett oder ein Laufstall, vermute ich. Ich weiß nicht, worauf ich stehe, aber ich sehe meine Hände; die kleinen, mit Babyspeck gepolsterten Finger klammern sich an die Gitterstäbe. Meine Fingernägel sind schmutzverkrustet, und ein merkwürdiger Geruch umgibt mich. Im Lauf der Jahre fand ich heraus, dass es eine Mischung aus Urin, Marihuana, Alkohol und dem Mief ungewaschener Körper war. Der für die meisten Leute abstoßende Geruch der Obdachlosen, der Bewohner der weniger schönen Ecken großer Weltstädte, hat für mich bis heute etwas Tröstliches. Obdachlose riechen für mich nach Heimat.
Und schon schweife ich ab. Merken Sie das? Weil diese dunkle Erinnerung mich immer noch zutiefst erzittern lässt.
Vor mir läuft eine Filmszene ab, die von den Gitterstäben unterteilt wird. Meine Mutter trägt eine leuchtend orangefarbene Bluse, die der Mann mit seiner Faust gepackt hält. Er schüttelt meine Mutter, wie es ein Hund mit einer Ratte oder einem Kaninchen machen würde. Und er schreit sie an. Ich verstehe die Worte nicht, es ist nur eine Reihe scharfer, brutaler Laute. Meine Mutter schluchzt. Jedes Mal, wenn sie etwas sagen will, schlägt er ihr grob ins Gesicht. Ihr Kopf kippt zur Seite, als säße er auf einer Sprungfeder. Aus einem Nasenloch sickert ein dünnes Rinnsal Blut. Sie versucht, ihn mit den Händen abzuwehren, aber er bemerkt es nicht einmal, denn er ist viel stärker als sie.
Dann fährt sie mit einer Hand herunter, legt sie auf seinen Hosenschlitz und streichelt ihn durch den dreckverkrusteten Jeansstoff. Sie schmiegt sich an seinen Körper, ganz nah, damit er sie nicht schlagen kann. Er hört auf zu schreien, lässt aber ihre Bluse nicht los. Er zieht ihren Rock hoch, stößt sie zu Boden und bringt sie erneut zum Weinen. Nur auf andere Art und Weise.
Das ist meine früheste Erinnerung. Und ich wünschte, es wäre die schlimmste.
Dienstag
Normalerweise hätte Charlie Flint die ganze Medienberichterstattung über den Prozess gegen Philip Carlings Mörder verfolgt. Es ging dabei nicht unbedingt um die Art von Verbrechen, das in ihr Fachgebiet fiel, aber es gab gute Gründe, weshalb dieser bestimmte Fall für sie von Interesse sein konnte. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Leben jedoch vollkommen aus den Fugen geraten. Ihre Karriere lag in Scherben. Dass sie ihren guten Ruf verloren hatte, dass ihr verboten war, das zu tun, was immer ihre Stärke gewesen war, und dass ihr weiterhin ein Gerichtsverfahren drohte – das allein wäre schon genug gewesen, um Charlie von den Nachrichten abzulenken. Aber das war noch nicht alles.
Charlie war verliebt, und sie hasste es. Das war der eigentliche Grund, weshalb sie viele Dinge gar nicht beachtete, die sie normalerweise fasziniert hätten.
Das stechende Prickeln des Wasserstrahls der Dusche auf Schultern und Rücken kam ihr wie eine wohlverdiente Strafe vor. Sie versuchte, sich abzulenken, doch weder ihr Kopf noch ihre Gefühle machten mit. Heute Vormittag war, wie an jedem Morgen der letzten sechs Wochen, Lisa Kent der einzige Tagesordnungspunkt auf Charlies innerer Agenda. Im Lauf des Tages gelang es Charlie meist, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Dinge zu lenken, die tatsächlich von Belang waren. Aber solange sie ihre Abwehrmechanismen noch nicht in Gang gesetzt hatte, stand ganz oben auf der Prioritätenliste diese verdammte Lisa Kent. Und das sind die Argumente dagegen, dachte sie bitter: schlechtes Timing, fehlende Gemeinsamkeiten, völlig ungeeignete Frau.
Seit sieben Jahren war Charlie mit Maria zusammen. Als seien die Schuldgefühle nicht genug, war die Demütigung, ein Klischee zu leben – das verflixte siebte Jahr –, für sie eine zusätzliche Belastung. Sie hatte überhaupt erst angefangen, sich Gedanken darüber zu machen, nachdem Lisa sich in ihr Leben geschlichen hatte. Aber jetzt war es viel mehr als eine kleine Irritation. Es war ein riesiges Dilemma, eine Besessenheit, die rücksichtslos über ihr Leben hereingebrochen war. Aus jedem noch so harmlosen Ereignis, aus jeder Bemerkung sprach für Charlie plötzlich Lisas kritischer Blick oder ihr lässiges Lachen.
»Scheiß drauf«, sagte Charlie wütend und strich sich das schwarze Haar mit den Silberfäden aus dem Gesicht. Sie drehte energisch das Wasser der Dusche ab und stieg aus der Kabine.
Maria fing ihren Blick im Badezimmerspiegel auf. Das Rauschen des Wassers hatte Charlie überhören lassen, dass sie hereingekommen war. »Hast du’n schwierigen Tag vor dir?«, fragte sie mitfühlend und hielt inne, während sie Wimperntusche auftrug, die das Nussbraun ihrer Augen hervorhob.
»Anzunehmen«, sagte Charlie und versuchte, ihre Bestürzung zu verbergen. »Ich kann mich kaum daran erinnern, dass ich mal einen guten Tag hatte.« Was hatte sie in der Dusche laut gesagt? Wie lange hatte Maria schon hier gestanden?
Marias Mund zuckte leicht gequält, als sie die Styling Creme in ihr welliges braunes Haar knetete und sich kritisch betrachtete. »Ich muss zum Friseur«, meinte sie zerstreut, bevor sie sich umdrehte, um ihre Aufmerksamkeit ihrer Partnerin zuzuwenden. »Es tut mir leid, Charlie. Ich wünschte, ich könnte etwas tun.«
»Ich auch.« Keine freundliche Antwort, aber zu mehr reichte es nicht. Während Charlie sich die Haare mit einem Handtuch trocknete, zwang sie sich zu einem nüchternen Blick auf die Realität. Wenn man sich verliebte und schon eine Beziehung hatte, die man nicht beenden wollte, war das Problem – nein, eines der vielen Probleme, dass man zickig wurde und aus allem immer gleich ein Drama machte. Man mutierte zu einer Art manischem Egozentriker. Aber in Wirklichkeit hatte Maria nichts gehört als die Klage einer in Ungnade gefallenen Gerichtspsychiaterin, die sich einer ungewissen Zukunft gegenübersah. Eine Expertin mit Talent, die ungerechterweise auf ein Nebengleis abgeschoben worden war. Maria hatte keinen Verdacht geschöpft.
Erneut von Schuldgefühlen überwältigt, beugte sich Charlie vor, küsste Maria auf den Nacken, und irgendwie machte es sie glücklich, das leise Erschauern ihrer Freundin wahrzunehmen.
»Ignorier mich einfach«, sagte sie. »Du weißt ja, wie begeistert ich davon bin, bei Prüfungen die Aufsicht zu führen.«
»Ich weiß. Es tut mir so leid. Du hast Besseres verdient.«
Charlie glaubte, eine Spur Mitleid in Marias Stimme zu hören, und das gefiel ihr nicht. Ob es tatsächlich da gewesen war oder ob sie es sich eingebildet hatte, machte keinen großen Unterschied. Sie hasste es, in einer Lage zu sein, in der andere sie bemitleideten. »Das Schlimmste daran ist, dass es einem so wenig abverlangt. Es gibt zu vielen grauen Zellen Zeit, sich über all die Dinge zu beklagen, die ich lieber tun würde oder, verdammt noch mal, tun sollte.« Sie trocknete sich vollends ab und hängte das ordentlich gefaltete Handtuch über die Stange. »Bis gleich.«
Fünf Minuten später erschien sie in einer frischen weißen Baumwollbluse und schwarzen Jeans einen Stock tiefer und setzte sich an den Frühstückstisch, den sie bereits gedeckt hatte, während Maria sich duschte. Dieses morgendliche Ritual war immer noch ein beruhigender Fixpunkt in Charlies emotionalem Chaos. Selbst wenn sie nicht zur Arbeit gehen musste, stand sie trotzdem zur gewohnten Zeit auf und durchlief das vertraute Programm. Wie immer bestrich Maria ihren Vollkorntoast mit Marmite. Mit dem Messer wies sie auf ein großes gepolstertes Kuvert neben der Schale, in der Charlies zwei Weetabix lagen. »Der Briefträger war da. Ich begreife immer noch nicht, wieso du wegen den Dingern Cornflakes aufgegeben hast«, fügte sie hinzu und deutete auf die Vollkornweizen-Kekse. »Sie sehen wie Slipeinlagen für Masochistinnen aus.«
Charlie entfuhr ein überraschtes schnaubendes Gelächter. Aber dann meldeten sich sofort wieder die Schuldgefühle. Wenn Maria sie so zum Lachen bringen konnte, wie war es da möglich, dass sie in Lisa verknallt war? Sie nahm das Kuvert in die Hand. Aus der mit Computer geschriebenen und ausgedruckten Adresse ließ sich nichts ersehen, aber der Poststempel aus Oxford drehte ihr fast den Magen um. Lisa würde doch nicht …? Sie war schließlich selbst Therapeutin, wieso sollte sie eine Bombe auf den Frühstückstisch abwerfen und einen Beziehungskrach provozieren? Oder doch? Wie gut kannte Charlie sie wirklich? Einen Moment erstarrte sie in Panik.
»Was Interessantes?«, fragte Maria und brach den Bann.
»Ich erwarte eigentlich nichts.«
»Mach’s doch auf. Schließlich hast du keine Röntgenaugen.«
»Ja. Meine Tage als Supergirl sind leider schon lange Vergangenheit.« Charlie richtete es so ein, dass Maria nicht den Inhalt sehen konnte, während sie die Lasche aus dem Umschlag zog. Verwirrt starrte sie auf ein Bündel fotokopierter Blätter und zog sie dann langsam aus dem Umschlag. Sie schienen keine Bedrohung darzustellen, sondern machten sie nur ratlos. »Wie eigenartig«, sagte Charlie.
»Was ist es denn?«
Charlie durchblätterte den Papierstoß und runzelte die Stirn. »Kopien von Presseartikeln. Über einen Mord, der im Old Bailey verhandelt wird.«
»Ein alter Fall?«
»Ich glaube, er ist noch nicht abgeschlossen. Ich habe flüchtig zwei Berichte darüber gelesen. Diese zwei aalglatten Yuppies, die ihren Geschäftspartner an seinem Hochzeitstag ermordet haben. Im Scholastika College. Deshalb blieb es mir im Gedächtnis.«
»Ja, du hast es erwähnt. Ich erinnere mich. Haben sie ihn nicht unten bei den Booten oder so ins Wasser geworfen?«
»Stimmt. Zu meiner Zeit wäre so was nicht passiert«, murmelte Charlie zerstreut, denn sie konzentrierte sich auf die Zeitungsausschnitte.
»Wer hat dir das denn geschickt? Worum geht’s da?«
Charlie zuckte mit den Achseln, aber ihr Interesse war geweckt. »Weiß nicht. Keine Ahnung.« Sie breitete die Blätter fächerförmig aus, um zu sehen, ob sie irgendwo den Absender ausmachen konnte.
»Ist kein Begleitschreiben dabei?«
Charlie sah noch einmal im Kuvert nach. »Nee. Nur die Fotokopien.« Wenn es von Lisa kam, war das vollkommen unbegreiflich. Mit einer Therapie hatte dies wohl kaum etwas zu tun, und ein Liebesgruß war es genauso wenig.
»Es ist also ein Rätsel«, schloss Maria, aß ihr letztes Stück Toast und erhob sich, um ihr Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine zu stellen. »Eigentlich ist das unter deinem Niveau, aber es könnte immerhin eine Chance sein, deine ermittlungstechnischen Fähigkeiten in Schuss zu halten.«
Charlie stieß leise einen abfälligen Laut aus. »Jedenfalls habe ich jetzt etwas, über das ich während der Aufsicht nachgrübeln kann.«
Maria beugte sich hinüber und küsste Charlie aufs Haar. »Ich werde darüber nachdenken, während ich meine Patienten quäle.«
Charlie schreckte zurück. »Sag so was nicht. Nicht wenn du willst, dass ich mich jemals wieder von dir behandeln lasse.«
»Was, dass ich Patienten quäle?«
»Nein, dass du davon sprichst, beim Bohren an etwas anderes zu denken. Es ist zu erschreckend, sich das vorzustellen.«
Maria grinste und zeigte dabei, wie zu erwarten, ein perfektes Zahnarztlächeln. »Du Angsthase«, scherzte sie, drohte mit dem Finger, wiegte sich zum Abschied in den Hüften und ging aus der Küche hinaus. Charlie starrte niedergeschlagen hinter ihr her, bis sie hörte, dass sich die Haustür schloss. Dann gab sie mit einem tiefen Seufzer die beiden Weetabix in die Schachtel zurück und stellte ihre Müslischale in die Spülmaschine.
»Rutsch mir den Buckel runter, Lisa«, murmelte sie, während sie die Blätter zusammenschob, sie wieder in den Umschlag steckte und aus dem Zimmer stapfte.
Den Menschenmassen, die zur Arbeit eilten, als Heimkommende entgegenzugehen, erinnerte Magdalene Newsam an ihre Zeit als Ärztin im Praktikum. Dieses Gefühl, aus dem Üblichen herauszufallen und einem Lebensrhythmus zu folgen, der der Zeiteinteilung aller anderen zuwiderlief, hatte ihr am Ende einer anstrengenden Nachtschicht immer Auftrieb gegeben. Sie mochte so erschöpft sein, dass ihre Finger zitterten, wenn sie den Hausschlüssel ins Schloss schob, aber zumindest hob sie sich vom Rest der Herde ab. Sie hatte einen Weg gewählt, der sie zu etwas Besonderem machte.
Wenn sie jetzt darüber nachdachte, tat ihr diese frühere Magda leid. Sich an etwas so Triviales als Beweis ihrer Individualität zu klammern schien ihr armselig. Aber damals hatte Magda so viele interessante Möglichkeiten ausgeschlagen, dass sie jede Chance hatte ergreifen müssen, um sich als unabhängige Person zu sehen.
Sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Alles war jetzt so anders. Der Grund, weshalb sie sich durch die entgegenkommende, der U-Bahn zustrebende Menge kämpfte, hätte nicht weiter von den damaligen Ursachen entfernt sein können. Jetzt ging es nicht um Arbeit, sondern um Vergnügen. Sie war nicht wegen der Krise eines Patienten die halbe Nacht wach gewesen, sondern weil sie und ihre Freundin sich immer noch genauso unwiderstehlich fanden wie am Anfang. Die halbe Nacht wach und nicht müde, sondern aufgekratzt und nur körperlich erschöpft wegen ihrer Leidenschaft, nicht weil sie sich um andere Menschen hatte kümmern müssen, die Schmerzen litten.
Als sie auf den Tavistock Square einbog und sich der imposanten Portlandzement-Fassade des Wohnblocks gegenübersah, in dem sie noch immer wohnte, wurden ihre Glücksgefühle getrübt. Eine herrschaftliche Vierzimmerwohnung im Herzen von London, nur ein paar Minuten von ihrem Arbeitsplatz entfernt – das übertraf die wildesten Träume ihrer jungen Arztkollegen. Sie mussten sich entweder mit beengten, unzulänglichen Innenstadtwohnungen zufriedengeben oder mit etwas geräumigeren Unterkünften in ungünstig gelegenen Vororten. Magdas Heim war eine luxuriöse Oase, ein Ort, der ihr eine angenehme und trostspendende Zuflucht bot vor allem, mit dem die Welt sie konfrontierte.
Philip hatte auf einer geräumigen Wohnung bestanden. Für seine Magda war ihm nichts zu teuer gewesen. Sie könnten es sich leisten, hatte er beharrt.
»Na ja, du schon«, hatte sie geantwortet und sich nur ungern eingestanden, dass sie sich von Philip abhängig machte, wenn sie das akzeptierte. Daraufhin hatten sie eine Auswahl von Wohnungen besichtigt, die Magda das Gefühl gaben, zum Jetset zu gehören. Die Wohnung, für die sie sich schließlich entschieden, kam noch am wenigsten einem Wunschtraum gleich. Deren traditionelle Ausstattung passte noch am ehesten zu dem weitläufigen viktorianischen Haus in Nord-Oxford, in dem Magda aufgewachsen war. Die aggressive Modernität der anderen Wohnungen kam ihr zu fremd vor. Es war unmöglich, sich vorzustellen, dass sie in Räumen leben würde, die aussahen, als entsprängen sie direkt einem Lifestylemagazin.
Als sie sich erst einmal eingelebt hatte, war schließlich doch alles ganz anders gekommen, als Magda es sich vorgestellt hatte. Philip hatte kaum Zeit gehabt, sich den schummerigen Weg vom Bett zum Badezimmer einzuprägen, als er auch schon ermordet wurde. Die Gespräche beim Frühstück und die Unterhaltungen am Abend, die Magda sich ausgemalt hatte, konnten nicht mehr zur Gewohnheit werden. Gelegentlich fühlte sie sich deshalb fast erleichtert, was jedoch Scham- und Schuldgefühle in ihr aufsteigen ließ, die ihr eine tiefe Röte in die Wangen trieben. Sie war wohl doch noch sehr tief in der Welt der bürgerlichen Moralvorstellungen verankert.
Aber sie wollte lockerer werden. Wenn sie ehrlich war, kam sie nach einer Nacht mit Jay immer gern in ihre Wohnung nach Haus zurück. Wenn sie aus dem Bett stieg und die Kleider von gestern wieder anzog, hatte das etwas leicht Ordinäres; ungewaschen in der U-Bahn durch London zu fahren in dem Bewusstsein, dass sie erdig und salzig roch, hatte etwas Liederliches. Sie hatten sich schon lange vor dem Prozess geeinigt, dass sie nicht zusammen wohnen konnten, bis alles vorbei und endgültig erledigt wäre. Jay hatte erklärt, sie sollten vorerst zurückhaltend sein und keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, denn dadurch werde womöglich die Schuld anderer Leute verwischt. Sie schlug nicht vor, dass sie ihre Beziehung geheim halten sollten, sondern fand einfach, es sei vernünftig, sie nicht an die große Glocke zu hängen.
Also kam Magda morgens allein nach Haus. Die gebrauchte Kleidung kam in den Wäschekorb, der schmutzige Körper unter die Dusche. Kaffee, Orangensaft, Teekuchen aus dem Kühlfach in den Toaster, dann ein dünner Aufstrich Erdnussbutter. Ein weiteres dezentes Outfit für das Gericht. Und wieder ein Tag, an dem ihr Jay fehlen und sie wünschen würde, sie wäre an ihrer Seite.
Es ging nicht nur darum, dass sie sich der einschüchternden Ehrwürdigkeit des Old Bailey ohne Begleitung stellen musste. Ihre drei Geschwister hatten einen Plan ausgearbeitet, nach dem immer einer von ihnen zumindest einen Teil jedes Prozesstages bei ihr war. Gestern war der dunkelhaarige, grüblerische Patrick da gewesen. Offensichtlich aus einem lästigen Pflichtgefühl gegenüber seiner großen Schwester, die sich immer um ihn gekümmert hatte, war er seinem Schreibtisch in der City ferngeblieben. Heute würde es Catherine sein, das Nesthäkchen, die ihre anthropologischen Studien vernachlässigte, um Magda beistehen zu können. »Wheelie wird sich wenigstens freuen, mich zu sehen«, sagte Magda zu ihrem dunstigen Abbild im Badezimmerspiegel. Und es ließ sich nicht leugnen, dass Catherines ungebrochene Leichtigkeit Magda durch den Tag tragen würde. Zu viel Abschottung beunruhigte Magda. Sie war das älteste von vier Kindern. Von ihrem Elternhaus war sie damals direkt ins Studentenwohnheim gezogen. Danach war die enge Gemeinschaft im Krankenhausteam gekommen. Das Alleinsein war ihr fremd, weshalb sie auch Jay gegenüber, die sie aus der Einsamkeit gerettet hatte, große Dankbarkeit empfand.
Magda steckte mit geübten, fast automatischen Bewegungen ihr hellbraunes Haar zu einer gepflegten Frisur zurecht. Sie betrachtete sich aufmerksam, und es verwirrte sie, dass sie noch immer wie die gleiche alte Magda aussah. Der gleiche offene Gesichtsausdruck, der direkte Blick, die gleiche gerade Linie der Lippen. Eigentlich erstaunlich.
Eine Locke löste sich aus der Haarklemme und ringelte sich auf ihrer Stirn. Sie erinnerte sich an einen Kinderreim, der Catherine immer zum Kichern gebracht hatte.
There was a little girl
Who had a little curl
Right in the middle of her forehead.
And when she was good
She was very, very good.
But when she was bad, she was horrid.
Es war mal ein kleines Mädchen,
das hatte mitten auf der Stirn
ein Löckchen.
Wenn sie brav war,
war sie sehr, sehr artig.
Aber wenn sie böse war, war sie garstig.
Solange sich Magda Newsam erinnern konnte, war sie tatsächlich immer sehr, sehr artig gewesen.
Die Zeiten waren nun vorbei.
Betreff: Ruby Tuesday
Datum: 23. März 2010, 09 : 07 : 29 WEZ
Von: [email protected]
Guten Morgen. Hier scheint die Sonne. Als ich eben die Haustür öffnete, ergoss sich geradezu ein Schwall blauer Irisblüten über mich. Gestern waren sie noch nicht da. Fast hätten sie mich die düstere Aussicht vergessen lassen, hundertzwanzig Jurastudenten beaufsichtigen und in der Klausur über Eigentumsübertragung am Schummeln hindern zu müssen. Aber ganz schafften sie es nicht. Jeder beschissene kleine Job, den ich jetzt hinter mich bringen muss, erinnert mich an das, womit ich mich eigentlich beschäftigen sollte. Was meiner Ausbildung entspräche. Was ich am besten kann.
Am Frühstückstisch heute Morgen ein merkwürdiges Päckchen mit einem Oxforder Poststempel, ohne Begleitschreiben. Soll das lustig sein? Wenn ja, dann musst du mir den Witz erklären. Deinen spitzen Humor verstehe ich nicht immer.
Ich wünschte, ich wäre in Oxford; wir könnten von der Folly Bridge nach Iffley spazieren und uns die Dinge sagen, die wir nicht schreiben mögen. Ich würde dir vielleicht sogar was vorsingen.
Herzlich, Charlie
Von meinem iPhone gesendet.
Betreff: Re: Ruby Tuesday
Datum: 23. März 2010, 09 : 43 : 13 WEZ
Von: [email protected]
Hi, Charlie
<Hier scheint die Sonne> hier leider nicht, wenn du also in Oxford wärst, müssten wir uns etwas Angenehmeres ausdenken als eine nasskalte Wanderung am Fluss. Aber ich glaube, es würde uns schon etwas einfallen. Du schaffst es immer, mich aufzuheitern, auch an grauen Tagen.
<ein Schwall blauer Irisblüten> Mit deiner Gabe für bildhafte Beschreibungen solltest du dich vielleicht an der Fakultät für kreatives Schreiben bewerben. All diese Romane über Serienmörder und Profiler – dabei hast doch gerade du den Blick des Insiders und könntest ihnen mal zeigen, wie man’s richtig macht. Du Arme. Leute mit künstlerischem Talent sollten keine Prüfungen beaufsichtigen müssen!
<das merkwürdige Päckchen> hat leider nichts mit mir zu tun. Du musst also außer mir noch einen weiteren geheimen Verehrer hier in Oxford haben. Was war denn in dem Päckchen drin?
Von hier nicht viel zu berichten. Heute Vormittag sollte ich eigentlich am Programm arbeiten. Als ich mich zuerst mit der Idee zu »Ich bin nicht ok, du bist nicht ok. Der Umgang mit Verletzlichkeit« befasste, hatte ich keine Ahnung, dass es mein ganzes Leben ausfüllen würde.
Ich denk an dich und wollte, wir könnten weglaufen und Spaß haben.
LKx
Betreff: Es ist ein Rätsel
Datum: 23. März 2010, 13 : 07 : 57 WEZ
Von: [email protected]
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Einen weiteren geheimen Verehrer? Das glaube ich nicht. :-) Eine würde mir vollauf genügen, wenn es nur die Richtige ist. Wenn nicht von dir, woher kommt es dann? Die anderen Leute, die ich in Oxford »kenne«, sind die wenigen noch verbliebenen Professoren am St. Scholastika College, bei denen ich studiert habe, und ich kann mir nicht vorstellen, wieso jemand von ihnen mir ein Bündel Presseberichte über einen aktuellen Mordprozess schicken sollte. Außer wenn jemand irrtümlicherweise meint, es sei für mich wegen der Verbindung zum College von beruflichem Interesse. Wenn es so ist, dann ist es jemand, der über meine gegenwärtige Lage als Paria der klinischen Psychiatrie nicht Bescheid weiß.
Zu deiner Erbauung habe ich einige der Artikel eingescannt. Nur damit du weißt, wovon ich spreche.
Ich hoffe, das Seminarprogramm läuft gut. Ich weiß nicht, wo du die Energie dafür hernimmst. Sollte ich doch wieder einmal meine Fertigkeiten an Studenten weitergeben dürfen, werde ich sie alle zu einem deiner Wochenendkurse schicken, damit sie lernen, wie man Einfühlungsvermögen entwickelt.
Tut mir leid wegen des Wetters.
Herzlich, Charlie
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Aus der Daily Mail
Im gestern im Old Bailey verhandelten Fall standen zwei aufstrebende Geschäftsleute vor Gericht, die ihren Geschäftspartner am Tag seiner Hochzeit kaltblütig ermordeten und die Nacht danach mit wildem Sex miteinander verbrachten.
Das mörderische Paar zertrümmerte den Schädel des Bräutigams Philip Carling. Nur einige Meter entfernt von der Gartenparty im Oxforder College, auf der seine Hochzeit gefeiert wurde, warf man ihn ins Wasser.
Bei einem romantischen Spaziergang am Fluss entdeckten schockierte Hochzeitsgäste die Leiche des Bräutigams, die am Landesteg für die College-Boote im Wasser trieb. Blut aus seiner Kopfverletzung hatte das Wasser rot gefärbt.
Paul Barker, 35, und Joanna Sanderson, 34, sind wegen Mordes und Betrugs angeklagt. Sie führten zusammen mit ihrem Partner, dem Opfer, eine auf sensible Dokumente spezialisierte Druckerei, wodurch sie Kenntnis von heiklen Bankgeheimnissen hatten. Carling, 36, soll gedroht haben, Barker und Sanderson als Betrüger zu entlarven, die sich durch Insidergeschäfte die Taschen füllten.
Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Betrügern vor, dass sie Carling im Juli letzten Jahres nur einige Stunden nach seiner Trauung zum Schweigen gebracht und dann die Nacht mit geräuschvollen Liebesspielen zugebracht hätten.
Carlings Witwe, Magdalene, 28, war gestern im Gericht anwesend, als Kronanwalt Jonah Pollitt das Komplott detailliert schilderte, das die Partner ihres Mannes während der glanzvollen Hochzeitsfeier in den Räumen des St. Scholastika College in Oxford in die Tat umsetzten.
Während Freunde und Familie des glücklichen Paares bei Champagner und Räucherlachs feierten, ermordete das Paar kaltblütig den Bräutigam. Carling wurde vermisst, kurz bevor er und seine Frau zu ihren Flitterwochen in die Karibik aufbrechen wollten.
Des Weiteren wurde ausgeführt, dass Carling vor drei Jahren Barker und Sanderson miteinander bekannt gemacht hatte. Bald wurden sie ein Paar. Ein Jahr danach gab Sanderson ihre Stelle bei einer Handelsbank auf und stieg als Leiterin von Vertrieb und Marketing in Carlings und Barkers Firma ein.
Laut Staatsanwaltschaft begannen bald danach die Betrügereien, durch die ahnungslose Investoren um Hunderttausende Pfund gebracht worden sein könnten. Man bediente sich dabei der Kontakte Sandersons, um einen florierenden Handel mit Wertpapieren und Aktien anzubahnen. Philip Carling wurde nicht eingeweiht. Dass er die Wahrheit herausfand, kostete ihn das Leben.
Der Prozess wird fortgesetzt.
Auszug aus The Guardian
Zwei Gesellschafter einer Druckerei für vertrauliche Dokumente wurden des Missbrauchs von Insiderwissen bezichtigt. Ohne ihren Geschäftspartner einzuweihen, begingen sie eine Reihe von Betrügereien, die ihnen Hunderttausende Pfund einbrachten.
Paul Barker, 35, und Joanna Sanderson, 34, stehen im Old Bailey wegen Betrugs und der Ermordung ihres Partners Philip Carling vor Gericht. Er hatte gedroht, sie bei den Finanzkontrollbehörden und der Polizei anzuzeigen. Carling, 36, wurde einige Stunden nach seiner Trauung ermordet, während die Hochzeitsparty ganz in der Nähe noch in Gang war.
Gestern sagte Detective Inspector Jane Morrison vom Betrugsdezernat als Zeugin für die Staatsanwaltschaft aus, dass die Witwe des Ermordeten auf Beweise für das Komplott gestoßen sei.
Als Magdalene Carling und eine Freundin nach dem tragischen Todesfall persönliche Papiere des Toten ordneten, entdeckten sie einen Memory Stick, auf dem Einzelheiten von Barkers und Sandersons Machenschaften gespeichert waren. Außerdem fanden sich dort Entwürfe von Schreiben ans Handelsministerium und die Polizei, die einen Überblick über den Insiderhandel gaben. Daraus war ersichtlich, dass es Mr. Carling darum ging, seinen guten Namen zu retten, selbst wenn er seine Partner beschuldigen musste.
DI Morrison sagte: »Aus den Briefen war zu ersehen, wie schockiert er gewesen war, als er entdeckte, was seine Partner getan hatten. Er erwähnte seine Hochzeit und schrieb, er wolle seine Ehe unbelastet beginnen. Soweit wir herausfinden konnten, wurde er umgebracht, bevor die Briefe abgeschickt werden konnten; dies könnte zu Barkers und Sandersons Vertuschungsstrategie gehören.«
Für die Verteidigung stellte Kronanwalt Ian Cordier die Frage, ob es möglich sei, dass Mr. Carling als Partner in einer so kleinen Firma von solch groß angelegten Manipulationen nichts gewusst habe.
Laut DI Morrison sei es aufgrund der firmeninternen Verteilung von Verantwortlichkeiten sehr unwahrscheinlich, dass Mr. Carling im normalen Geschäftsverlauf mitbekommen konnte, was vor sich ging. Es sei kein besonders findiges oder komplexes Manöver gewesen, fügte sie hinzu, aber es sei klar, dass Mr. Carling mit diesem Teil der Geschäfte nichts zu tun hatte.
Die Verhandlung wird fortgesetzt.
Aus dem Mirror
Zwei Gesellschafter, denen vorgeworfen wird, ihren Geschäftspartner am Tag seiner Hochzeit ermordet zu haben, verbrachten die Nacht nach seinem Tod mit geräuschvollen Sexspielen, wie gestern im Old Bailey zu hören war.
Steven Farnham, ein Gast der verhängnisvollen Hochzeitsfeier von Philip und Magdalene Carling, hatte das Hotelzimmer neben dem der mutmaßlichen Mörder, Paul Barker, 35, und der 34-jährigen Joanna Sanderson.
Er sagte: »Zwischen den Zimmern ist eine nur schlecht schallisolierte Verbindungstür. Paul und Joanna hatten offenbar Sex, bei dem es sehr laut zuging und der sich über mehrere Stunden erstreckte. Ich war empört. Nur Stunden zuvor war Philip einem brutalen Mord zum Opfer gefallen. Paul und Joanna waren nicht nur seine Geschäftspartner, sondern angeblich auch seine besten Freunde. Aber sie schienen nicht im Mindesten zu trauern.«
Auf die Frage des Verteidigers, ob Sex nicht eine durchaus gängige, lebensbejahende Reaktion angesichts eines Todesfalls sei, antwortete Mr. Farnham: »Ich bin Börsenmakler, kein Psychologe. Ich kann nur sagen, dass mich Philips Tod niederschmetterte, und Sex war in diesem Moment das Letzte, was mir eingefallen wäre. Dabei waren sie angeblich eng mit Phil befreundet, da begreife ich nicht, wie sie sich benehmen konnten, als sei alles normal und als sei nichts geschehen.«
Die Staatsanwaltschaft wirft Sanderson und Barker vor, ihren Geschäftspartner bei seiner Hochzeitsfeier im St. Scholastika College, Oxford, getötet zu haben, um zu verhindern, dass er ihre illegalen Insidergeschäfte aufdeckte, die ihnen ein Vermögen einbrachten.
Die Verhandlung wird fortgeführt.
Betreff: Re: Es ist ein Rätsel
Datum: 23. März 2010, 14 : 46 : 33 WEZ
Von: [email protected]
Hi, Charlie,
faszinierend! Bin froh, dass ich das Zeitunglesen aufgegeben habe! Aber es muss ziemlich verstörend sein für dich, all diese merkwürdigen Artikel zugeschickt zu bekommen. Wie interessant dein Leben ist! Ich vermute, du würdest mich im Vergleich dazu sehr langweilig finden.
<Wenn nicht von dir, woher kommt es dann?>
Ich habe das Gefühl, dass du die Sache aus der falschen Perspektive betrachtest. Wenn das Päckchen von jemandem kam, der sich aus beruflichem Interesse an dich wendet, hätte er es dann nicht an die Universität geschickt? Ich glaube, es geht um etwas, das mit dir persönlich zu tun hat. Und das bringt mich darauf, dass es eine Verbindung zu deinem alten College geben muss. Jeder, der mit Scholastika Kontakt hat, könnte deine Privatadresse in der Liste der Ehemaligen finden, oder?
Ich habe eins vom »Umgang mit Verletzlichkeit« gelernt: Kaum jemand beherrscht die Kunst, die richtige Frage zu stellen. Vielleicht solltest du darüber nachdenken, was der Absender dir nicht geschickt hat? Oft kommt es auf die fehlende Information an …
Heute Nachmittag habe ich drei UV-Klienten in Einzeltherapie. Meine Kollegen raten mir immer, ich sollte jetzt, wo das Programm so gut läuft, die Einzeltherapie-Sitzungen reduzieren. Aber ich weiß nicht. Ich habe immer noch gern das Gefühl, erfolgreich in das Leben eines Menschen eingreifen zu können. Ich weiß, du kannst das nachvollziehen, auch wenn man dich im Moment davon abhält.
Bis morgen.
LKx
Meine Mutter verschwand, als ich sechzehn war. Es war das Beste, was mir passieren konnte.
Wenn ich das laut sage, schauen mich die Leute entsetzt an, als hätte ich ein unumstößliches Tabu gebrochen. Aber es ist wahr. Ich empfinde keinen versteckten, unterdrückten Kummer.
Meine Mutter verschwand, als ich sechzehn war. Die Wärter hatten die Tür zu meinem Gefängnis offen stehen lassen. Und ich trat blinzelnd hinaus ins Sonnenlicht.
Jay Stewart lehnte sich zurück und las, den Kopf nachdenklich zur Seite geneigt, was sie geschrieben hatte. Es bewirkte genau das, was es bewirken sollte, dachte sie. Es war fesselnd und verblüffend. Wenn man es vom Büchertisch mit Billigangeboten nahm und die ersten Sätze überflog, musste man einfach weiterlesen. Das war das Geheimnis, so brachte man Leser dazu, Geld auszugeben. Das zu verstehen war einfach, die Ausführung allerdings kompliziert. Aber schließlich hatte sie es schon einmal geschafft und würde es wieder schaffen.
Als Jay beschlossen hatte, ihr erstes Buch zu schreiben, tat sie, was sie immer tat. Recherchieren, recherchieren, recherchieren. Das war der Schlüssel jedes erfolgreichen Unterfangens. Sich den Markt anschauen. Die Konkurrenz ins Auge fassen. Potenzielle Stolperfallen beachten. Dann loslegen. Vorbereitung ist kein Vorwand für das Aufschieben. Das stand auf einer ihrer wichtigsten Powerpoint-Folien. Sie war immer schon stolz darauf gewesen, sagen zu können, dass sie nie unüberlegt vorging.
Aber neuerdings war bei ihr alles anders.
Einen so grundsätzlichen Wandel hätte sie allerdings vor niemandem als sich selbst zugegeben. Als ihr Literaturagent sie vor einer Woche zum Mittagessen eingeladen und ihr verraten hatte, dass ihr Verleger sie mit einem neuen Projekt locken wolle, hatte sich Jay so betont vorsichtig und unverbindlich gegeben wie eh und je. »Ich dachte, die Wirtschaftskrise hätte dem ganzen Genre herzzerreißender Biographien den Garaus gemacht«, merkte sie an, als Jasper während der feinen Vorspeise aus Jakobsmuscheln an Mangosauce und zarten Zuckererbsen das Thema zur Sprache brachte. Während Jay auf Jaspers Antwort wartete, musterte sie kritisch ihren Teller. Wann war es eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit geworden, in einem Restaurant ein einfaches, schmackhaftes Gericht zu bekommen?
»Das stimmt ja«, strahlte Jasper, als sei er der Lehrer und Jay seine Lieblingsschülerin. »Gerade deshalb wünscht man sich etwas Unverfälschtes von dir. Triumph über Unglück und Schicksalsschläge – das wird gebraucht. Und du, meine Liebe, bist genau die richtige Galionsfigur für den Sieg über das Schicksal.«
Er hatte recht. Jay konnte es nicht abstreiten. »Hm«, sagte sie, zerlegte eine Muschel und führte den Bissen geschickt auf der Gabel zum Mund. Damit hatte sie einen Vorwand, nichts weiter antworten zu müssen, bevor sie mehr gehört hatte.
»Deine Geschichte ist packend und unterhaltend«, beharrte Jasper, und auf seinem hageren und argwöhnischen Gesicht erschien ein für ihn untypischer, herzlicher Zug. »Und sie macht den Menschen Mut. Die Leser können sich mit dir identifizieren, weil du nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurdest.«
Jay schluckte, hob die Augenbrauen und grinste. »Die einzigen Silberlöffel meiner Kindheit waren bei uns zu Haus diese netten kleinen Kokslöffelchen, die die Freunde meiner Mutter am Kettchen um den Hals trugen. Aber aus der Ecke kommen meine Leser eher nicht.«
Jasper setzte ein angespanntes, nüchternes Lächeln auf. »Wohl kaum. Aber dein Verlag hat bei Umfragen unter deinen Lesern herausgefunden, dass sie sich dir durchaus nahe fühlen. Sie haben das Gefühl, sie könnten in deinen Schuhen stecken, wenn die Dinge nur etwas anders gelaufen wären.«
Mitnichten. Nicht in den wildesten Träumen. »Es gibt Berührungspunkte«, antwortete Jay, ohne von ihrem Teller aufzuschauen. »Die Vorfälle in meinem Leben und die Lebensrealität der Leser berühren sich am Rande, und diese Verbindung lässt sie erschauern. Ich verstehe, wie das mit der Autobiographie meiner unglücklichen Kindheit funktionierte. Die Leser können sich gemütlich und selbstzufrieden in ihre Decke einkuscheln, denn sie mussten meinen Abstieg in die verschiedenen Kreise der Hölle nicht erleiden, in die meine Mutter mich in den ersten sechzehn Jahren meines Lebens mitschleppte.« Sie sog heftig den Atem zwischen den Zähnen ein und hörte ein leises Pfeifen. »Aber Triumph über das Schicksal? Ist das nicht ein bisschen, als würde man es ihnen unter die Nase reiben?«
Jasper runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht recht, was du meinst.« Irgendwie war es ihm gelungen, seinen Teller mit fast aggressiver Gründlichkeit zu leeren, während Jay kaum ein Drittel ihres Essens geschafft hatte. Das war einer der Gründe, weshalb Jay sich Jasper als Agenten gewählt hatte, als sie sich entschloss, die Autobiographie ihrer Kinder- und Jugendjahre zu schreiben. Sie mochte es, wenn Menschen mit einem guten Appetit auf ihrer Seite standen.
»Ohne Reue gab ihnen die Möglichkeit, mich zu bemitleiden. Sich zu freuen, dass sie das nicht durchstehen mussten, was ich erlebt hatte. Aber ein Bericht über meinen Erfolg in Oxford, darüber, dass ich eine gewinnbringende Dotcom-Firma aufgebaut und verkauft habe, bevor die Blase platzte, danach einen Nischenverlag gründete und nebenher meinen Bestseller über meine leidvolle Kindheit schrieb … Na ja, damit, so scheint mir, gebe ich ihnen doch nur Gründe, mich zu hassen. Und das ist nicht gerade ein Rezept für den Absatz von Büchern, Jasper.«
»Du würdest dich wundern«, sagte Jasper mit einer Stimme, die so trocken war wie der Chablis, den sie tranken. »Ich habe mir von Experten sagen lassen, dass die Leser sich dafür begeistern, über Leute zu lesen, die ihnen ähneln und großen Erfolg hatten.«
Jay schüttelte den Kopf. »Wirklich gern lesen sie über geistlose Promis. Angeber ohne Talent, die alles tun, nur um einmal im OK-Magazin zu stehen. Idioten, die meinen, einmal in X-Factor aufzutreten, sei eine absolut herausragende Leistung. Das sind Leute, die ihnen gleichen. Ich bin nicht wie sie.«
»Aber es gelingt dir nicht schlecht, so zu tun als ob.«
»Nur bis zu einem gewissen Grad. Dann ist da noch die Sache, dass ich lesbisch bin. Ich ließ das Buch an einem Punkt enden, an dem es möglich war, meine jugendlichen Sehnsüchte mehr oder weniger außen vor zu lassen. Aber wenn ich über Oxford und die Zeit danach schreibe, ist es kaum vorstellbar, das Thema zu vermeiden.«
Jasper zuckte mit den Achseln. »Die Welt hat sich weiterentwickelt, Schätzchen. Heute sind Lesben cool. Denk mal an Sandi Toksvig, Sam Ronson, Maggi Hambling, Sarah Waters.«
»Du würdest trotzdem nicht wollen, dass deine Tochter eine heiratet.« Sie aß ihre Vorspeise zu Ende und legte das Besteck ordentlich auf den Teller. »Im besten Fall werden sie finden, dass ich unverschämtes Glück hatte.«
»Das werden sie sicher tun, wenn sie hören, wie hoch dein Vorschuss ist«, sagte er und schloss genüsslich die Augen. »Anderthalbmal so viel, wie wir für Ohne Reue bekommen haben. Und bei einer so flauen Marktsituation ist das sagenhaft.«
Ein Kellner, dessen Designeranzug offensichtlich mehr gekostet hatte als Jays Outfit, räumte rasch ihre Teller weg. »Glaubst du, dass sie hier nur Personal anstellen, das in diese Anzüge passt?«, fragte sie zerstreut und sah ihm nach, wie er zur Küche zurückstolzierte.
Jasper überging die Frage und pries weiter tapfer seinen Vorschlag an. »Jetzt bist du doch auch vom Fernsehen her bekannt. Seitdem du als Stargast und Investorin für White Knight eingeladen wurdest, weiß jeder, wer du bist.«
Jay schaute finster wie ein missmutiger Teenager. »Das war das letzte Mal, dass ich dir erlaubt habe, mich wider besseres Wissen zu etwas zu überreden. Der verdammte White Knight. Nicht mal eine Packung Spaghetti kann ich im Supermarkt kaufen, ohne dass mir jemand seine genialen Geschäftsideen zu verkaufen versucht.«
»Tu nicht so, als seiest du eine Eigenbrötlerin. Du findest es doch toll, wenn dir Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.«
»Ich bin eine Eigenbrötlerin.« Jay schwieg, während ihnen auf schweren Porzellantellern kunstvoll angerichtete rosa Scheiben Lammfleisch umgeben von säuberlichen Häufchen Puy-Linsen und hübsch zurechtgeschnittenem kleinem Wurzelgemüse vorgesetzt wurden. »Ich meine es ernst mit dem, was ich neulich gesagt habe. Ich will wirklich nichts mehr mit White Knight zu tun haben.«
Sie sah die unterdrückte Frustration in Jaspers Gesicht. »Na gut«, antwortete er leicht säuerlich und lächelte dünn. »Ich finde, du bist verrückt, aber gut. Dann tu doch etwas, das ich als überzeugenden Vorwand vorbringen kann, um dir die Leute vom Hals zu halten. ›Tut mir leid, sie schreibt. Sie muss den Termin einhalten.‹ Du weißt, welchen Spaß es dir gemacht hat, Ohne Reue zu schreiben. Und du hast festgestellt, dass du Talent für Autobiographisches hast.«
Jay musste zugeben, dass sie sich gern ausmalte, wie Jasper jedermann sagen würde, man solle sie in Ruhe lassen. Die Tür verriegeln und die Barbaren fernhalten, während sie in Liebe schwelgte.
Sie wusste genug über den Verlauf von Beziehungen, um zu begreifen, dass der Rausch der Gefühle und sexuellen Intensität zwischen ihr und Magda bald nachlassen würde. Das erste Aufwallen ließ sich nicht vertagen, bis man ein Zeitfenster finden konnte. Es kam und ging nach seinem eigenen Zeitplan. Und es war so plötzlich, unerwartet und unvorhersehbar gekommen, dass man fast fürchten musste, es könnte genauso schnell wieder verschwinden. Konkret konnte sie sich das allerdings kaum vorstellen, wo doch ihr Herz bei jedem Blick auf Magdas Schönheit jubelte. Aber wenn sie einen Vorwand hätte, sich vor der Welt zu verstecken, damit sie Magda fester an sich binden konnte, hatte das nur Vorteile. Dabei war es egal, dass sie sich mit dem Buch auf längere Sicht keine Freunde machen würde. Sie hatte ja schon genug.
Sie seufzte: »Na ja, also gut«, was eher mürrisch als gnädig klang.
Jasper lächelte beglückt. »Du wirst es nicht bereuen.«
»Das hoffe ich, in deinem Interesse. Du weißt ja, dass den Leuten, die mich verärgern, schlimme Dinge zustoßen.« Einen Moment herrschte frostiges Schweigen. »Nur ein Scherz, Jasper«, sagte sie lächelnd.
Er antwortete seinerseits mit einem schwachen Lächeln.
Bevor sie sich kennenlernten, hatte Charlie Flint erwartet, dass sie Lisa Kent unsympathisch finden und verachten würde. Obwohl Charlie damals diejenige war, die unter falscher Flagge segelte, war sie überzeugt gewesen, dass sie die moralisch überlegene Position innehatte.
Ihre Liebe zu ihrem Beruf ließ sie jede Gelegenheit wahrnehmen, ihr Wissen und ihre Erfahrung zu erweitern. Als ihr klarwurde, dass es einen neuen Trend bei Selbsthilfeprogrammen gab, der sich schon fast in der Nähe des Kults bewegte, wollte sie dieses Phänomen unter die Lupe nehmen. Von den drei oder vier Seminaren, von denen sie wusste, hatte sie Lisa Kents »Ich bin nicht ok, du bist nicht ok. Der Umgang mit Verletzlichkeit« ausgewählt. Unter den Anhängern hatte sich, wie bei solchen Trends üblich, bereits ein ganz spezieller Fachjargon entwickelt.
Charlie hatte sich unter falschem Namen für ein Wochenendseminar angemeldet. Sie hatte vor, ihre Erfahrung als Grundlage für einen prägnanten, vernichtenden Bericht über das ganze Phänomen zu nutzen. Eine akademische, von Experten begutachtete Publikation sowie ein mehrseitiger Artikel im Feuilleton des Guardian waren angedacht.
Die ungefähr fünfzig Teilnehmer entsprachen weitgehend Charlies Erwartungen; die meisten waren Mitte zwanzig bis Ende dreißig, zeichneten sich nicht durch einen eigenen Stil aus, waren fast alle durch eine Niederlage gezeichnet, die nur abgemildert war durch die Hoffnung, dass dieses Wochenende irgendwie ihr Leben verändern werde. Was sie allerdings erstaunt hatte, war, dass sie widerstrebend zur Kenntnis nehmen musste, dass Lisa Kent weder eine Schamanin noch eine Schwindlerin war. Was sie bot, war größtenteils vernünftig und praktisch. Allgemein anerkannte therapeutische Ratschläge. Es war Lisas Charisma, das dem Seminar etwas Kultiges gab. Wenn sie sprach, hatte sie den Saal voll im Griff. Alle waren begeistert von ihr. Und Charlie war schockiert, als sie merkte, dass sie sich nicht so sehr von den anderen unterschied. Ihre Ausbildung und ihre Erfahrung hatten sie gegen Lisas Charme nicht immun gemacht.
Aber es hätte trotzdem ganz harmlos ausgehen können. Alles änderte sich durch das, was in der Kaffeepause am Nachmittag geschah. Charlie stand an die Wand gelehnt, trank Tee und versuchte, so niedergedrückt auszusehen, dass sie dazuzugehören schien, als Lisa durch die Menge auf sie zukam und vor ihr stehen blieb. Lisa schaute auf ihr Namensschildchen und lächelte ironisch. »Ich hätte gern kurz mit Ihnen gesprochen, Miss … Browning«, sagte sie und ließ es so skeptisch klingen, dass Charlie es nicht als Schmeichelei verstehen konnte.
Charlie folgte Lisa in einen kleinen Raum am Hauptkorridor. Niedrige, miteinander verbundene Stühle standen an den Wänden, und ein Wasserspender summte in einer Ecke. Die Einrichtung ließ keine Rückschlüsse auf die Verwendung des Raums zu. Charlie setzte sich, ohne auf eine Aufforderung zu warten, schlug die Beine übereinander und fragte sich, was sie erwartete. Lisa lehnte sich gegen die geschlossene Tür, immer noch mit dem ironischen Lächeln. Ihrem Blick, fand Charlie, ließ sich nur schwer ausweichen. Ein grünblauer Scheinwerferstrahl, der einen ganzen Raum voller Menschen in Bann geschlagen hatte und ihr jetzt das Gefühl gab, fixiert zu werden. »Es ist ein faszinierendes Erlebnis«, sagte sie und versuchte die Begeisterung nachzuahmen, die sie beim Mittagessen gehört hatte.
»Dr. Charlotte Flint«, sagte Lisa. »Für Ihre Freunde, glaube ich, Charlie. Diplom in Psychologie, Philosophie und Physiologie vom St. Scholastika College, Oxford. Als Psychiaterin approbiert in Manchester, wo Sie jetzt Senior Lecturer für Klinische Psychologie und psychologisches Profiling sind. Vom Innenministerium amtlich zugelassen, als Profilerin mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Wie mache ich das?«
»Sie haben mein Pfadfinderabzeichen vergessen. Wie haben Sie mich entdeckt?«
Lisa stieß sich von der Tür ab, nahm einen weißen Plastikbecher und goss sich Wasser ein. Sie wandte Charlie dabei den Rücken zu. »Ich habe Sie wiedererkannt.« Sie drehte sich um und schüttelte sanft den Kopf. »Sie sprachen sehr eloquent vor der Gesellschaft für Rechtsmedizin über die Gründe für die Entscheidungen, die Sie im Fall Bill Hopton getroffen hatten.«
Bill Hopton. Der Mann, der freikam aufgrund von Charlies widerstrebender Schlussfolgerung, dass er Gemma Summerville nicht ermordet habe. Der Mann, der in die Freiheit entlassen wurde, nur um vier andere Frauen zu ermorden. Auch nur seinen Namen zu erwähnen hieß, ihr den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Der Fall Hopton hatte Charlie ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Damals war es nicht gerade ein Gewinn für sie gewesen. Und jetzt schien dieser Fall ihre Karriere zu zerstören. Aber damals, an jenem Nachmittag in Oxford, als sie Lisa Kent gegenüberstand, war die Bombe noch nicht hochgegangen, obwohl weiterhin alle, die mit dem Strafvollzug zu tun hatten, mit ihr über diesen Fall sprechen wollten. Bedächtig sagte Charlie: »Ich wusste nicht, dass Sie Mitglied der Gesellschaft für Rechtsmedizin sind.«
Lisa nippte an ihrem Wasser und sah Charlie über den Rand des Plastikbechers an; die dunklen Augenbrauen hatte sie belustigt hochgezogen. »Bin ich auch nicht. Aber ich habe Freunde, die wissen, wie sehr mich interessiert, was sich in den Köpfen der Leute tut. Ich vermutete heute Morgen schon, dass Sie das sind, aber in der Mittagspause habe ich mich erkundigt, um sicherzugehen.«
»Wir leben in einem freien Land.«
Lisa lachte. »Machen Sie sich nicht lächerlich. Sie sind hier, um mich niederzumachen. Sie meinen, dass ich aus Geldgier die Gutgläubigkeit und Schwäche der Teilnehmer ausnutze. Was das allerdings mit dem Erstellen von Täterprofilen zu tun hat, weiß ich nicht.«
In flagranti ertappt, dachte Charlie. »Das glaubte ich tatsächlich. Aber jetzt nicht mehr. Wieso das für mich beruflich von Interesse ist? Durch die Manipulation anderer Menschen kommen viele Serienmörder so lange ungestraft davon.« Sie erhob sich und ging auf die Tür zu. »Es war ein interessanter Tag. Aber wahrscheinlich ist es am besten, wenn ich jetzt gehe.«
»Eigentlich sollte ich Ihnen böse sein, Dr. Flint. Aber aus irgendeinem Grund kann ich das nicht. Sie brauchen wirklich nicht zu gehen.« Der Wortlaut war recht unverfänglich, der Tonfall hingegen nicht.
Charlie schüttelte den Kopf. »Ich glaube schon, dass es am besten ist, wenn ich gehe. Ich möchte Sie nicht aus dem Konzept bringen.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht. Meine Kenntnis Ihrer Identität und die Tatsache, dass Sie das wissen, würde die Gruppendynamik im Raum verändern.« Lisa zog eine Karte aus der Tasche ihrer weiten Hose. »Ich habe offenbar falsch eingeschätzt, was Sie erwarteten, und das heißt, dass Sie hier Ihre Zeit verschwendet haben.« Sie lächelte. »Lassen Sie mich das irgendwann wiedergutmachen. Ich glaube wirklich, dass wir uns über einige Dinge unterhalten könnten, die uns beide interessieren. Hier ist meine Karte. Bleiben wir doch in Verbindung.«
Auf dem Weg zurück zu ihrem Hotelzimmer versuchte Charlie, die Nuancen in Lisas Stimme aufzuschlüsseln. Sie war unsicher, ob sie das Geschehene richtig interpretierte. Hatte Lisa geflirtet? Oder ging es um eine berufliche Herausforderung? Oder genoss sie einfach das Katz-und-Maus-Spiel? Was immer es sein mochte, Charlie war Lisas Charme erlegen.
Die Erfahrung, dass sie über die genaue Bedeutung von Lisas Worten nachgrübelte, war Charlie inzwischen vertraut. Seit dieser ersten Begegnung summte der Äther. Eine E-Mail folgte der anderen, und es ging hier bei weitem nicht nur um berufliche Dinge. Ein prickelnder Flirt hatte sich entsponnen.
Nach Charlies Erfahrung gab es zwei Arten von klinischen Psychiatern. Diejenigen, die sich ganz bewusst niemals Fragen über sich selbst stellten, und die, die jeden Aspekt ihres Lebens dem gleichen forschenden Blick unterwarfen, der sonst ihren Patienten galt. Charlie wünschte sich oft, sie möge nicht dazu verdammt sein, zu diesen Sklaven der Selbstanalyse zu gehören. Andererseits erklärte es teilweise, wieso sie von Lisa so fasziniert war. Je unergründlicher die Äußerungen dieser Frau waren, desto mehr reizte es Charlie, ihre Bedeutung aufzudröseln. Es war ihr klar, dass sie flirteten. Dass sie miteinander, mit Ideen und mit der Gefahr flirteten.
Vielleicht solltest du darüber nachdenken, was der Absender dir nicht geschickt hat? Oft kommt es auf die fehlende Information an … Was hatte Lisa damit eigentlich gemeint, fragte sich Charlie, während sie den Bildschirm anstarrte. Bezog sie sich einfach auf die Zeitungsartikel, oder war dies ein weiteres Beispiel versteckter Zweideutigkeit? Lisa gab ihr das Gefühl, als unterhöhle ein Schwarm Termiten das stabile Fundament ihrer Beziehung mit Maria.
Charlie wusste, dass es falsch war, dieses riskante Spiel zu spielen, aber jedes Mal, wenn sie beschloss, es aufzugeben, war da eine SMS oder eine E-Mail, die ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm und eine Antwort erforderte. Es war so hoffnungslos wie bei manchen ihrer Patienten. Sie konnte nicht widerstehen, und dabei wusste sie doch genau, dass es schlecht für sie war. Sie war nicht einmal sicher, dass die Frau eine Lesbe war. Das Flirten und die Andeutungen waren vielleicht einfach ihre natürliche Art, sich zu geben. Nur ein kleiner Teil ihrer Kommunikation hatte den persönlichen Bereich gestreift, sehr oft war es ein Wettstreit gewesen, bei dem sie einander neckten. Vielleicht lag Charlie total daneben. Ja, soweit sie wusste, konnte Lisa hetero sein. Und die ganze Aufregung war nicht mehr als ein Wunschtraum. Mit einem resignierten Seufzer wandte sich Charlie wieder dem Inhalt des Umschlags zu.
Die Zeitungsausschnitte waren ganz klar nur eine Auswahl dessen, was in den Medien veröffentlicht worden war. Konnte es sein, dass die Antwort in den Artikeln lag, die fehlten? Ungeduldig rief sie Google News auf und gab den Namen des Opfers ein. Im Bruchteil einer Sekunde wurde eine Liste von allem angezeigt, was die Medien über den Mord an Philip Carling gebracht hatten. Es gab Dutzende Treffer, selbst wenn man mit einrechnete, dass Google ähnliche Artikel aussortiert hatte.
Charlie brauchte ihre Zeit für andere, dringendere Dinge. Zum Beispiel dafür, ihre dahinschwindende Karriere wiederzubeleben. Aber manchmal konnte man der Zerstreuung nicht widerstehen. Charlie beschloss, die Links einen nach dem anderen durchzugehen, und rief den ersten Artikel der Liste auf. Die erste Erkenntnis kam im zweiten Artikel, auf den sie zugriff, ein Bericht im Daily Telegraph, der sich mit Dr. Magda Newsam befasste. Schlagartig wurde Charlie klar, dass die verwitwete Braut für sie keine Fremde war. Der Name Magdalene Carling hatte ihr nichts gesagt. Aber die andere Identität ließ Charlie aus ihrem wissenschaftlichen Eifer aufschrecken und machte sie betroffen. Sie war erschrocken, gar nicht bemerkt zu haben, dass die Frau im Zentrum dieser Tragödie eine Person war, die sie von früher kannte. Plötzlich fing alles an, einen Sinn zu ergeben.
»Armes Mädchen«, sagte sie leise mit vom Mitgefühl erstickter Stimme. Als ihr klarwurde, welchen Platz Magda in dem Mordprozess einnahm, wurde eine Tatsache unbestreitbar. Wer immer der Absender des mysteriösen Kuverts war, diese Person hatte damals vor vielen Jahren mit großer Sicherheit zum Leben im College gehört. Es war allgemein bekannt gewesen, dass Charlie während ihres Studiums Kurse bei Corinna, Magdas Mutter, belegte und gelegentlich für ihre Kinder den Babysitter spielte. War es Corinna Newsam selbst gewesen, oder hatte jemand anderes die Fotokopien geschickt? Aber auch dann blieb die Frage nach dem Warum unbeantwortet.
Systematisch wie immer ging Charlie weiter das archivierte Material durch. Sie war fast am Ende angekommen, als ein Foto geladen wurde, das sich langsam auf dem Bildschirm aufbaute. Es zeigte eine Frau von einer Schönheit, die alle Blicke auf sich ziehen würde. Selbst ein flüchtig erhaschter Schnappschuss für die Zeitung ließ in dieser Hinsicht keinen Raum für Zweifel. Dunkelblondes Haar und offenbar perfekte Haut, die regelmäßigen Züge eines Models und ein Mund, dessen volle Lippen Sinnlichkeit andeuteten. »Wow«, sagte Charlie und bewunderte die wohlproportionierte Figur und die unbestreitbar schönen Beine, die allmählich erschienen.
Aus der Bildunterschrift ergab sich, dass diese atemberaubende Frau im Vordergrund Philip Carlings Witwe Magdalene war. »Sieh mal an, was aus dir geworden ist, Maggot«, murmelte Charlie, vom Wunderwerk der Gene verblüfft. Aber als sie den Rest des Bildes studierte, merkte sie, dass sie keine Bildunterschrift brauchte, um die Frau neben Magda zu erkennen. Die Jahre hatten Jay Macallan Stewarts zierlicher Schönheit nicht geschadet, noch hatte die Alltagsroutine ihre Haltung beherzter Courage abgeschwächt.
Charlie war sicher, dass sie das Grundproblem, die Herkunft der Zeitungsausschnitte, gelöst hatte, allerdings warf das mehr Fragen auf, als damit beantwortet waren. »Wenn meine Tochter mit Jay Stewart herumhängen würde, dann würde ich genauso handeln«, murmelte sie. Und mit ein paar Tastenanschlägen war sie in ihrem E-Mail-Programm.
Betreff: Mehr Fragen als Antworten
Datum: 23. März 2010, 15 : 35 : 26 WEZ
Von: [email protected]
Ich habe deinen Rat befolgt. Es war offensichtlich, dass man mir nicht alle veröffentlichten Artikel geschickt hatte, also habe ich versucht, mit Google News herauszufinden, was fehlte. Und siehe da, ich entdeckte fast sofort, dass keine der Versionen, die ich erhalten habe, den richtigen Namen der Witwe nannte. In Wirklichkeit ist sie nicht ›Mrs. Magdalene Carling‹, sondern ›Dr. Magda Newsam‹, alias Maggot. Oder zumindest hieß sie so, als sie zehn und ich einundzwanzig war und auf sie und ihre Geschwister aufpasste. Sie ist die älteste Tochter von Corinna Newsam, der Philosophiedozentin am St. Scholastika College, deren Studentin ich war und die mich oft als Babysitter einsetzte, bis im letzten Studienjahr mein brennender Wunsch, einen guten Abschluss zu schaffen und daneben doch noch Spaß zu haben, dem ein Ende bereitete. Jedenfalls schickten wir uns danach eine Weile Weihnachtsgrüße und hielten Kontakt, der aber nicht so eng war, dass sie Magdas Verbindung zu diesem Fall erwähnte.
Als ich weiterlas, stieß ich auf ein Foto von Magda, aus der eine umwerfende Schönheit im Stil von Prinzessin Diana geworden ist. Und hinter ihr stand noch eine Person, die ich erkannte. Sie hieß früher einfach Jay Stewart, aber jetzt ist sie als Jay Macallan Stewart bekannt, eine Dotcom-Millionärin und Bestseller-Autorin eines Buches über ihre schreckliche Kindheit. Inzwischen ist sie die Chefin von 24/7, dem Internetverlag für digitale Reiseführer. Vielleicht hast du sie in White Knight gesehen, manchmal tritt sie als Gastinvestorin auf. Sie war einige Jahre nach mir am Scholastika, aber ihr Bekanntheitsgrad reichte aus, um das auszugleichen. Sogar unter den Lesben von Brighton kursierten Gerüchte über Jay Stewart.
Ich erinnere mich, dass sie von rücksichtslosem Ehrgeiz war, eine dieser Streberinnen aus einfachen Verhältnissen, die beherzt jede Gelegenheit voll und ganz ausnutzen und denen es egal ist, auf wem sie beim Wettlauf nach ganz oben herumtrampeln. In dem Jahr, nachdem ich Examen machte, wurde sie zur Vorsitzenden des Junior Common Room[1] gewählt. Erst als sie sich den Posten gesichert hatte, outete sie sich auf sehr spektakuläre und freche Weise als Liebhaberin der leitenden Redakteurin einer Hochglanz-Modezeitschrift. Einige der Dozentinnen wollten sie rauswerfen, aber sie hatte sich immer sehr in Acht genommen und keine der Regeln verletzt.
Ich stelle mir also vor, wenn ich Corinna Newsam wäre und Jay Stewart würde sich an meine Tochter ranmachen, dann würde ich versuchen, schmutzige alte Geschichten auszugraben, die Stewart in den Mülleimer der Geschichte verbannen würden. Aber sie will mich wahrscheinlich nicht direkt ansprechen; meine Solidarität als Lesbe könnte stärker sein als die sehr alte Loyalität gegenüber ihr und Maggot.
Jetzt, da ich das alles herausbekommen habe, bin ich nicht sicher, was ich tun soll. Soll ich mich da einmischen? Liegt mir etwas daran? Und ist die Solidarität unter Lesben nichts wert? Alle Ratschläge sind willkommen.
Ich hoffe, deine Klienten treiben dich nicht in den Suff.
Alles Liebe, Charlie
Betreff: Re: Mehr Fragen als Antworten
Datum: 23. März 2010, 19 : 57 : 32 WEZ
Von: [email protected]
Hi, Charlie,
wärst du ein Hund, dann bestimmt ein Lakeland Terrier, diese Hartnäckigkeit, vollkommen zuverlässig und mit einem Grinsen, bei dem ein Eisberg schmelzen würde. Was du entdeckt hast, ist faszinierend. Was immer sich dahinter verbergen mag. Jedenfalls hast du recht, es hat ganz klar mit Magda Newsam und Jay Stewart zu tun, und das Bindeglied zu dir ist das College.
Deine Corinna scheint sich ja deiner nicht gerade sehr sicher zu sein, wenn man bedenkt, wie gut sie dich früher gekannt hat. An ihrer Stelle wäre ich einfach bei dir aufgetaucht und hätte dir gesagt, dass ich dich brauche. Du hättest niemals abgelehnt. Oder?
Andererseits ist der Grund vielleicht, dass sie dich kennt und versteht, wie unmöglich es dir wäre, ihr gegenüber nein zu sagen. Sie bittet dich auf diese Weise um Hilfe, weil sie sich vorstellen kann, dass dir so eine Möglichkeit bleibt, abzulehnen.
Oder ist es ein Test? Nach dem Motto, wenn du nicht schlau genug bist, das herauszufinden, dann kannst du mir sowieso nicht helfen.
Wie verhält es sich, was meinst du?
<Alle Ratschläge sind willkommen.> Ich kenne dich, Charlie. Du brauchst Antworten. Du hast gleich am Anfang mit der Entscheidung, die Artikel zu prüfen, deine Alternativen abgesteckt. Ob du es zugibst oder nicht, es rührt an deine tief verwurzelte Zuneigung zu deinem alten College. Jetzt, so scheint mir, wirst du nicht ruhen können, bis du Corinna zur Rede gestellt und herausgefunden hast, was sie von dir will.
Aber betrachte es doch von der positiven Seite. Vielleicht kannst du es so drehen, dass dabei eine Reise nach Oxford für dich herausspringt, und wir können Zeit miteinander verbringen. Es wäre gut, persönlichen Kontakt außerhalb einer Tagung zu haben, meinst du nicht?
Die Klienten haben mich dazu gebracht, bei einem köstlichen Rotwein Zuflucht zu suchen. Wenn du hier wärst, würde ich die Gelegenheit ergreifen, dir die schweren Weine aus der Neuen Welt abzugewöhnen, auf die du so viel hältst. Ich bin sicher, die Reise würde dir Spaß machen.
LKx
Daran besteht kein Zweifel, dachte Charlie. Mit dem Vorschlag, nach Oxford zu fahren und Lisas Hilfe zu erbitten, hatte Lisa die Gedanken an Magda und Corinna vertrieben. Die Eventualitäten der zugleich wundervollen und entsetzlichen Vorstellung ließen Charlie erbeben. Beim Gedanken, dass Lisa und Maria sich begegnen könnten, hätte sie am liebsten weinend die Hände vors Gesicht geschlagen, so unmöglich war das alles. Sie konnte nicht glauben, dass Lisa nicht bewusst war, welche Wirkung ihre Worte haben würden; schließlich waren die geheimsten Winkel in der Psyche anderer Menschen das Arbeitsgebiet dieser Frau.
»Werd endlich erwachsen!«, murmelte Charlie. Sie zwang sich, nicht länger in kindischen Träumen zu schwelgen und sich auf den praktischen Teil der Nachricht zu konzentrieren. Lisa verstand sie gut genug, um zu wissen, dass sie genauso wenig die Zeitungsausschnitte beiseitelegen konnte, wie sie es schaffen würde, den Austausch der brisanten E-Mails abzubrechen. Jedenfalls schien Corinna eindeutig die Absenderin zu sein. Es gab wohl keine andere Möglichkeit, als sie anzurufen und die Sache zu klären.
Charlie seufzte. Endlich hatte sie etwas noch Aufwühlenderes als die Ärztekammer gefunden. Und sie fürchtete, sich damit auseinanderzusetzen werde kaum leichter sein.
Dagegen lässt sich kaum etwas sagen«, meinte Catherine Newsam, während sie ihre Schwester aus dem Gerichtssaal und einen schmalen Seitengang entlang zu dem Raum begleitete, den der Staatsanwalt für sie hatte reservieren lassen. »Der Richter hat es ganz deutlich dargelegt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie irgendjemand bezweifeln könnte, dass Barker und Sanderson die Täter sind.« Sie schob sich geschickt zwischen ihre Schwester und eine Frau, die sie auf den Plätzen für die Presse gesehen hatte. »Verschwinden Sie«, warf Catherine ihr betont freundlich über die Schulter zu, während sie Magda in den Raum mit dem Schild »Privat« folgte. Da Catherine das jüngste der Newsam-Kinder war, hatte sie sich schon immer eine Ungezwungenheit erlauben können, die ihre Geschwister manchmal zusammenschrecken ließ.
Seit zwei Wochen durfte Magda sich hierhin zurückziehen, aber trotzdem wunderte sie sich jedes Mal aufs Neue über die nüchterne Einrichtung und den Mangel an Komfort. Vier Sessel, die nicht ganz zusammenpassten und deren Tweedpolster an manchen Stellen sehr abgenutzt waren, ein für den Raum zu großer Tisch und ein Abfalleimer aus Blech, der nicht geleert worden war, seit sie gleich am Anfang ihre gebrauchten Kaffeebecher hineingeworfen hatten. Jemand hatte versucht, die Atmosphäre des Raums etwas aufzuhellen, indem er zwei Poster mit spanischen Ferienmotiven an die Wand geheftet hatte; doch das leuchtende Blau des Himmels ließ die schmutzigen Wände noch deprimierender wirken. Für Magda spielte all das keine Rolle. Ihr war nur wichtig, dass sie einen Zufluchtsort vor den neugierigen Blicken und geflüsterten Kommentaren hatte. »Meinst du wirklich? Ich weiß nicht, Wheelie. Nur weil wir wünschten, es wäre so, heißt das nicht, dass du recht hast«, gab sie zu bedenken und zog ein Bein unter sich, als sie sich auf einen Sessel setzte.