Alle Vögel meines Gartens - Len Howard - E-Book

Alle Vögel meines Gartens E-Book

Len Howard

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Beschreibung

Von der Londoner Berufsmusikerin zur gefeierten Vogel-Beobachterin: In den späten 1930er Jahren zog die Violinistin Len Howard in ein abgeschiedenes Haus in Sussex, das in den folgenden 20 Jahren als "Bird Cottage" berühmt wurde. Dank ihrer Faszination für die Vögel ihres Gartens hielt Len Howard alle Türen und Fenster geöffnet, und die Vögel flogen ein und aus. Mit großer Hingabe und Geduld beobachtete sie das Verhalten der Vögel, gewann ihr Vertrauen und lebte Seite an Seite mit ihnen. Ihre Einblicke in die Welt der Vögel zeugen von tiefer Kenntnis und feinem Humor. Obwohl Amateurbeobachterin, wird Len Howard als Pionierin der Vogelkunde gefeiert, da sie bereits vor 70 Jahren den Vögeln Intelligenz, Kommunikation und eine eigene Persönlichkeit zuschrieb. In den letzten Jahren werden Len Howards Bücher international wiederentdeckt und mit großer Resonanz neuveröffentlicht.

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Seitenzahl: 476

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zum Buch

Von der Londoner Berufsmusikerin zur gefeierten Vogel-beobachterin: In den späten 1930er-Jahren zog die Berufsmusikerin Len Howard in ein abgeschiedenes Haus in Sussex, das in den folgenden zwanzig Jahren als »Bird Cottage« berühmt wurde. Dank ihrer Faszination für die Vögel ihres Gartens hielt Len Howard alle Türen und Fenster geöffnet, und die Vögel flogen ein und aus. Mit großer Hingabe und Geduld beobachtete sie das Verhalten der Vögel, gewann ihr Vertrauen und lebte Seite an Seite mit ihnen. Ihre Einblicke in die Welt der Vögel zeugen von tiefer Kenntnis und feinem Humor. Obwohl Amateurbeobachterin, wird Len Howard als Pionierin der Vogelkunde gefeiert, da sie bereits vor siebzig Jahren den Vögeln Intelligenz, Kommunikation und eine eigene Persönlichkeit zuschrieb. In den letzten Jahren werden Len Howards Bücher international wiederentdeckt und mit großer Resonanz neu veröffentlicht.

Zur Autorin

LENHOWARD (1894–1973) verbrachte die zweite Hälfte ihres Lebens in einem kleinen, abgelegenen Haus in Sussex, Südengland. Sie lebte allein, gab ihren Beruf als Violinistin auf und öffnete ihr Cottage den Vögeln ihres Gartens, die sie über Jahrzehnte hinweg studierte. Obwohl sie keine Biologin war, galt sie als Pionierin auf dem Gebiet der Tierforschung und veröffentlichte zwei außergewöhnliche Bücher, darunter Alle Vögel meines Gartens. Derzeit gibt es in verschiedenen Ländern zahlreiche Wieder- und Neuveröffentlichungen. Der Titel erschien 1952 auf Deutsch, bei btb erscheint er nun in neuer Übersetzung und mit einem neuen Vorwort.

Len Howard

Alle Vögel meines Gartens

Mit einem Vorwort von Stephen Moss

Aus dem Englischen von Ulrike Kretschmer

Die englische Originalausgabe erschien 1952 unter dem Titel Birds as Individuals bei Collins, LondonDer Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe 1952 Len Howard

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2025 btb Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich

Pflichtinformationen nach GPSR)

Vorwort: © 2024 Stephen Moss Fotos im Bildteil: © Eric Hosking (www.erichoskingtrust.com)

Umschlaggestaltung: semper smile, München, nach einem Entwurf und einer Illustration von © Stephen Russ

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-29810-4V001

www.btb-verlag.de

www.facebook.com/penguinbuecher

INHALT

Vorwort

Teil 1 Vogelverhalten

Kapitel 1 Einleitung: Vertrauen, Vernunft und intelligentes Verhalten

Kapitel 2 Vogelporträts: Kohlmeisen

Nistnotizen, 1950

Kapitel 3 Vogelporträts: Amseln

Kapitel 4 Herbstnotizen – Rotkehlchen

Kapitel 5 Wiedererkennung, Freundschaft und Spiel

Kapitel 6 Schlafplatz, Nahrung und Nistkasten

Kapitel 7 Finken und andere

Der Gimpel

Der Buchfink

Der Grünfink

Der Distelfink

Spatzen und Schwalben

Die Drossel

Der Grauschnäpper

Kapitel 8 Das Vogelbewusstsein

Emotionen

Erinnerungsvermögen und Wiedererkennung

Intelligenz

Flugkünste

Teil 2 Vogelgesang

Kapitel 9 Stimmung, Umgebung und Gesang

Kapitel 10 Analyse verschiedener Gesangstechniken

Rhythmusarten und technische Analyse der Spezies

Kapitel 11 Der Gesang von Singvögeln und Drosselgattungen

Zilpzalp

Fitislaubsänger

Amsel

Singdrossel

Misteldrossel

Nachtigall

Rotkehlchen

Mönchsgrasmücke

Gartengrasmücke

Klappergrasmücke und Dorngrasmücke

Waldlaubsänger

Teichrohrsänger

Schilfrohrsänger

Kapitel 12 Der Gesang von Meisen, Finken, Piepern und anderen

Blaumeise

Kohlmeise

Sumpfmeise und Tannenmeise

Kuckuck

Gimpel

Bluthänfling

Sperling

Distelfink

Grünfink

Grauammer

Goldammer

Brachvogel, Rotschenkel und andere

Baumpieper

Feldlerche

Dank der Autorin

Bildteil

Anmerkungen

Register

VORWORT

Als ich das erste Mal von Alle Vögel meines Gartens, verfasst von Len Howard, hörte, nahm ich leichtsinnigerweise sofort an, das Buch wäre von einem Mann geschrieben. Später fand ich heraus, dass Len schlicht die Kurzform von Gwendolen war, dem eigentlichen Vornamen der Autorin. Allerdings frage ich mich, ob Howard, ähnlich wie George Eliot, die auf den Namen Mary Ann Evans getaufte Schriftstellerin aus dem 19. Jahrhundert, die männlicher klingende Kurzform bewusst wählte. Vielleicht war das ihre Art, dem allgegenwärtigen Klima des Sexismus, das zu ihren Lebzeiten und darüber hinaus gegenüber Autorinnen herrschte, aus dem Weg zu gehen.

Eine Zeitgenossin von Howard, die Naturforscherin und Schriftstellerin S. Vere Benson, benutzte ebenfalls nie ihren Vornamen (Stephana) und wurde ebenfalls häufig für einen Mann gehalten. Vere Bensons bekanntestes Buch, The Observer’s Book of Birds, erschienen 1937 und stieg zum Bestseller unter den Vogelbüchern des 20. Jahrhunderts auf. Für mich und viele andere meiner Generation war es das erste Vogelbestimmungsbuch überhaupt.

Len Howard war ein solcher Welterfolg oder Ruhm nicht vergönnt. Ihre beiden veröffentlichten Werke (diesem, Alle Vögel meines Gartens, aus dem Jahr 1952 folgte vier Jahre später Living with Birds) erreichten lediglich bescheidene Verkaufszahlen und wurden von der Presse wenig beachtet. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet eine anonyme Rezension aus der Zeitschrift The Spectator, in der es heißt: »Miss Howards Buch über Vogelbeobachtung ist das außergewöhnlichste, das ich je gelesen habe.«

In ihrem 2023 erschienenen Buch Beastly: The Epic 40 000-Year Story of Animals and Us räumt Keggie Carew Howards Leben und Arbeit einen angemessenen Platz ein. Sie ist der Meinung, Howards detaillierten Langzeitstudien aus nächster Nähe ist nie wirklich die Anerkennung zuteilgeworden, die sie verdienen, trotz ihrer erstaunlichen Ergebnisse und der Originalität ihrer Herangehensweise: Eine ihrer Kohlmeisen wurde neun Jahre alt, was den Glauben widerlegt, Kohlmeisen hätten mit viel Glück vielleicht drei Jahre zu leben. Ihr musikalisch geschultes Ohr war das perfekte Instrument, um selbst die kleinsten Veränderungen im Tonfall der Tiere wahrzunehmen, und ihr entging auch nicht die minimalste Nuance im Verhalten der Vögel.

Möglicherweise gibt es noch einen anderen Grund, warum Howards Bücher keine Bestseller wurden. Im Gegensatz zu heute, da sich die Tische in den Buchhandlungen unter der Last der neuesten »Nature Writing«-Bände biegen, war die Nachkriegsära – und eigentlich auch der Großteil der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts – nicht unbedingt das goldene Zeitalter der Naturbeschreibung.

Zwar gab es jede Menge wissenschaftliche Abhandlungen – darunter auch die berühmte »New Naturalist«-Reihe, ebenfalls von Howards Verleger Collins herausgegeben und ungeheuer beliebt bei Leserinnen und Lesern der Nachkriegszeit, die mehr über die Natur wissen wollten. Zudem wurden in dieser Zeit auch die ersten echten Naturführer veröffentlicht, etwa die »Bibel der Vogelbeobachter«, der Field Guide to the Birds of Britain and Europe (auch bei Collins). Aber Werke, die wir heute als erzählende Sachbücher bezeichnen würden – Erzählungen mit der Autorin oder dem Autor im Mittelpunkt –, waren dünn gesät.

Der lebende Berg beispielsweise wurde zwar schon in den 1940er-Jahren geschrieben – von Nan Shepherd, ebenfalls beinahe eine Zeitgenossin Howards –, aber erst 1977 veröffentlicht, kurz vor dem Tod der Verfasserin. Das zeigt, wie sehr Len Howard ihrer Zeit tatsächlich voraus war.

Erst in den frühen Jahren des aktuellen Jahrhunderts erlangten weibliche Nature Writer endlich den längst verdienten gleichen Rang wie ihre männlichen Kollegen. Die lange Ausgeschlossenen dominierten das Genre schon bald: Nun führen Werke wie H wie Habicht von Helen Macdonald, The Outrun (dt. Nachtlichter) von Amy Liptrot und Wilding (dt. Wildes Land) von Isabella Tree die Bestsellerlisten an und gewinnen eine literarische Auszeichnung nach der anderen.

Ganz gewiss unterscheidet sich Alle Vögel meines Gartens sehr vom heutigen Nature Writing. Es liest sich wie eine Mischung aus Tagebuch und Lehrbuch: Die Prosa ist schnörkellos, der Ton forsch, die Herangehensweise nüchtern. Tatsächlich fühlt man sich als Leser mitunter wie von einer ziemlich strengen, wenngleich zutiefst kundigen Lehrerin geschulmeistert.

Und obwohl Howard uns Einblick in ihr häusliches Leben gewährt (insbesondere in Schmutz und Unordnung, die sich aus dem Einlassen wilder Geschöpfe in ihr Cottage ergeben), ist dies doch stets den Vögeln selbst untergeordnet, die das Herz ihrer Beschreibungen ausmachen. Der Umgang mit ihnen hat ihr offensichtlich großes Vergnügen bereitet, und trotzdem legt sie den Fokus nie auf ihre eigenen innersten Gedanken und Gefühle, sondern immer auf das Leben und Verhalten der einzelnen Vögel.

Das ist nur einer von mehreren Aspekten, die ihre Bücher so interessant und wertvoll machen, heute, mehr als siebzig Jahre nachdem sie geschrieben und veröffentlicht wurden.

*

Len Howard kam 1894 gegen Ende von Königin Victorias langer Regentschaft in Wallington, Surrey, zur Welt und wuchs in einer literarisch und generell kulturell gebildeten Familie auf – ihr Vater, (Henry) Newman Howard, war Dichter und Dramatiker. Schon von Kindesbeinen an zeigte Howard musikalisches Talent: Nach dem Abgang von der Schule gab sie Musikunterricht, spielte Bratsche im Orchester und organisierte Konzerte für Kinder aus armen und sozial benachteiligten Verhältnissen.

1938, ein Jahr vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, kaufte Howard eine Parzelle Land nicht weit von Ditchling, einem Dorf in Sussex, auf den South Downs nördlich von Brighton. Hier baute sie sich ein kleines Haus, das sie Bird Cottage nannte und in dem sie für die restlichen drei Jahrzehnte ihres Lebens lebte.

Bis zu diesem Umzug nach Sussex – da war sie schon Mitte vierzig – hatte sie sich nicht besonders für die spezifischen Details des Vogelverhaltens interessiert, wie sie selbst zugibt:

Als ich in Bird Cottage einzog, hatte ich vorher nie Gelegenheit gehabt, das Verhalten von Vögeln selbst zu studieren, wenngleich mir die Londoner Bibliotheken natürlich ausgiebig Zugang zu Literatur über Vögel gewährten. […] ich [erwartete] Intelligenz im Verhalten der Tiere nur in Maßen […]

Doch eines Frühlingsmorgens, nur drei Monate nach ihrem Einzug, veränderte ein einziger Vorfall den Verlauf von Len Howards weiterem Leben. Sie war gerade mit alltäglichen Aufgaben des Haushalts beschäftigt, als eine Blaumeise zur offenen Tür hereingeflogen kam:

Sie flatterte aufgeregt vor mir herum, ihre Augen fest an meine geheftet, und rief so jämmerlich, wie ich nie zuvor eine Blaumeise hatte rufen hören. Mir war sofort klar, dass hier etwas nicht stimmte und sie mich um meine Hilfe bat.

Howard ging nach draußen, um nachzuforschen, und entdeckte, dass das Nest der Blaumeisen mitsamt einem Dutzend winziger Eier aus dem Nistkasten gerissen worden war, vermutlich von einer Katze aus der Nachbarschaft. Sie verlor keine Zeit, sammelte Nistmaterial und Eier auf und legte alles vorsichtig zurück in den Kasten. Zu ihrer Überraschung schlüpfte die gesamte Brut zehn Tage später und wurde schließlich auch erfolgreich flügge.

Sie schlussfolgerte, dass der Vogel in Not sie absichtlich um Hilfe gebeten hatte – eine schamlos vermenschlichende Schlussfolgerung, wie sie wiederum selbst zugab: Howard legte dem ungewöhnlichen Vogelverhalten menschliche Emotionen zugrunde. Und sie ging noch weiter: Sie gab ihren Vögeln Namen, damit sie sich besser an die einzelnen Individuen erinnern konnte. Sie riss die Barrieren zwischen sich und der Natur nieder, indem sie ein »offenes Haus« für die Vögel schuf, wie Keggie Carew anmerkt:

Wollten die Kohlmeisen an ihrer Butter picken, was normalerweise verboten war, sahen sie zuerst die Butter, dann Howard und dann wieder die Butter an. Redete sie ihnen gut zu und sagte: »Na, kommt schon«, bedienten sie sich; sagte sie streng: »Nein«, hielten sie sich fern. Und ein wütendes »Nein!« ließ sie für gewöhnlich zum Fenster fliehen.

Jeder, der schon einmal einen Hund hatte, wird mit dieser Art von Mensch-Tier-Dynamik vertraut sein, allerdings erlangte Howard sie, ähnlich wie der österreichische Zoologe Konrad Lorenz, mit wilden – oder, akkurater ausgedrückt, an den Menschen gewöhnten – Vögeln.

Trotzdem standen die Wissenschaftler damals – und stehen vielleicht auch heute noch – ihrer formlosen und anscheinend rein willkürlichen Herangehensweise höchst misstrauisch gegenüber. Oder, wie Julian Huxley, seinerzeit einer der führenden Evolutionsbiologen Großbritanniens, gegen Ende seines Vorworts zu Howards Buch schrieb:

Miss Howard erwartet sicher nicht, dass professionelle Biologen all ihren Schlussfolgerungen uneingeschränkt zustimmen. Dennoch können sie dankbar für die Fakten sein – und ich persönlich kann bezeugen, wie kurzweilig und informativ die Lektüre ihres Buchs ist.

Trotz dieses Hauchs von Skepsis lobte Huxley Howard für ihre außerordentlich detaillierten Beobachtungen. Indem sie das Vertrauen der Vögel in ihrem Garten gewann und diese die angeborene Angst vor ihr verloren, konnte sie »in die Geheimnisse des Vogellebens eingeweiht werden und den Grad seiner Intelligenz erkunden«, wie Huxley anmerkte.

Dass sie den Vögeln sowohl während des Kriegs als auch danach sogar einen Teil ihrer mageren Essenszuteilungen gewährte – die Rationierung hielt noch bis in die frühen 1950er-Jahre hinein an –, zeugt von der Hingabe Howards an ihre gefiederten Freunde. Sie wurde belohnt: Schon bald verloren die Vögel ihre Angst vor dem Menschen – genauer: vor ihr –, was es ihr wiederum ermöglichte, tiefe Einblicke in ihr Leben zu gewinnen, Einblicke, die nur wenigen anderen je gelungen sind.

Um dieses Vertrauen aufrechtzuerhalten, wurde sie zu einer Art Einsiedlerin und gestattete es Besuchern nur selten, das Cottage zu betreten. Sie stellte sogar ein typisch unverblümtes Warnschild auf, um zufällige Passanten abzuschrecken:

KEINEBESUCHERNISTENDEVÖGELHIERMUSSRUHEHERRSCHEN

Wenn sie doch einmal jemanden zögerlich in ihre heiligen Hallen ließ, meist aus rein praktischen Gründen, wurden die Gäste reich belohnt, wie sie im Eröffnungskapitel ihres Buchs erzählt:

Da fallen mir immer die Worte eines Elektrikers ein, der sich um die Anschlüsse in meinem Cottage in Sussex gekümmert hat. Verblüfft war er vor meiner Haustür stehen geblieben, als unzählige Vögel von den Bäumen heruntergeflogen kamen und sich auf mir niederließen […], mit einem Mal hatte sich seine ganze Haltung verändert: Sein Gesicht strahlte, seine Augen leuchteten, und er murmelte unablässig: »Wie schön!«

Als sich ihre Beziehung zu den Vögeln vertiefte, begann Howard, die Theorie zu entwickeln, ihr Verhalten sei nicht rein instinktgesteuert, sondern hinge auch von der Intelligenz des jeweiligen Vogels ab.

Mit dieser Erkenntnis war sie nicht allein: Zwei ausgesprochen bedeutende Ornithologen, Alexander Skutch und Bernd Heinrich, kamen ebenfalls zu der Überzeugung, Vögel handelten nicht ausschließlich rein automatisch und seien weitaus intelligenter, als wir für gewöhnlich glauben. Jeder der beiden veröffentlichte gut besprochene Bücher – Skutch The Minds of Birds (1996) und Heinrich Mind of the Raven (1999), dt. Die Weisheit der Raben. In diesen Büchern finden sich zahlreiche Beispiele komplexer Verhaltensmerkmale, die unsere Vorstellung vom »Spatzenhirn« ziemlich alt aussehen lassen.

In meinen Augen werden die faszinierenden Fragen hinsichtlich der Vogelintelligenz, die Len Howard in ihren Büchern aufwirft, jedoch von etwas weitaus Einfacherem und trotzdem Dringlicherem noch in den Schatten gestellt: der Tatsache, dass die Populationen so vieler einst weitverbreiteter Arten so drastisch zurückgegangen sind, seit Howard in den 1950er-Jahren mit ihren Beobachtungen begann.

Meine eigene Leidenschaft für Vögel hat ihre Wurzeln etwa zehn Jahre später, zu dieser Zeit war ich noch ein Kind. Deshalb beschäftigen mich die Statusveränderungen, die die gefiederten Besucher ihres Gartens in Sussex und der unmittelbaren Umgebung seit damals in nur zwei Generationen erfahren haben.

Mehrere Spezies, die zu Howards Zeit noch weitverbreitet waren, sind mittlerweile entweder sehr selten geworden oder aus Sussex sowie aus dem Großteil des restlichen Südostenglands praktisch verschwunden. Sie schreibt von einem Grauschnäpperpaar, das gleich vor ihrem Fenster nistet; von Scharen nicht nur von Haus-, sondern auch von Feldsperlingen; von Grauammern und Mehlschwalben – deren Zahlen allesamt dramatisch gesunken sind. Auch Vögel, die einst so häufig vorkamen, dass sie unauslöschlich mit der Folklore, Kultur und Literatur unserer Nation verwoben sind – insbesondere Kuckuck und Nachtigall –, sind in weiten Teilen des englischen Tieflands ebenfalls nicht mehr zu finden.

Warum das so ist, wissen wir alle. Der erschreckende Rückgang an Insekten ist in erster Linie das Ergebnis der modernen industriellen Landwirtschaft, wie auch die Arbeit von Professor Dave Goulson an der University of Sussex belegt. Dazu die infolge des Klimawandels immer unvorhersehbareren Wettermuster, die häufigere Dürren, Überschwemmungen und andere extreme Wetterereignisse mit sich bringen.

Alles zusammen dezimiert dies die Populationen der Vögel, die wir früher für selbstverständlich gehalten haben, zu einem bloßen Überbleibsel dessen, was Len Howard kannte und woran sie sich erfreute. Die von ihr Mitte des 20. Jahrhunderts in einem einzigen Garten festgehaltene Anzahl gewöhnlicher Vögel führt uns lebhaft vor Augen, wie wenige von ihnen es noch gibt. Dieser dramatische Kontrast zwischen damals und heute ist vielleicht das größte Vermächtnis ihrer Tagebücher und Beobachtungen.

Gwendolen Howard starb in Bird Cottage, am 5. Januar 1973, in ihrem achtzigsten Lebensjahr. Für beinahe ein halbes Jahrhundert danach war sie mehr oder weniger vergessen. Doch im Laufe der vergangenen zehn Jahre wurden ihre Bücher und Artikel wiederentdeckt und werden nun von einer neuen Generation Nature Writer gefeiert.

Dank dieser neuen Ausgabe kann Len Howards Arbeit nun von allen Natur- und Literaturinteressierten gelesen werden. Und ich bin mir sicher, dass die Lektüre dieser außergewöhnlichen Berichte und Beobachtungen über unsere vertrauten und doch immer wieder aufs Neue faszinierenden Gartenvögel Ihnen große Freude bereiten wird.

Stephen Moss, 2024

Stephen Moss ist ein englischer Naturforscher, Autor und Rundfunksprecher. Er ist leitender Dozent für kreatives Schreiben an der Bath Spa University. Auf Deutsch erschienen von ihm die hoch gelobten Sachbücher Über die Schwalbe und Wie zehn Vögel die Welt veränderten.

Teil 1 Vogelverhalten

· KAPITEL 1 ·

Einleitung: Vertrauen, Vernunft und intelligentes Verhalten

An meinen halb zahmen Vögeln haben schon sehr viele Menschen Interesse gezeigt. Häufig halten Fremde, die mich mit einem Vogel auf der Hand erblicken, auf der Straße an und fragen mich, wie es kommt, dass er so zutraulich da sitzen bleibt. Wird es in dieser »besseren Welt«, die derzeit für zukünftige Generationen vorgesehen ist, noch immer so ungewöhnlich sein, diese wunderschönen Wildtiere ohne Angst auf der Hand eines Menschen zu sehen? Da fallen mir immer die Worte eines Elektrikers ein, der sich um die Anschlüsse in meinem Cottage in Sussex gekümmert hat. Verblüfft war er vor meiner Haustür stehen geblieben, als unzählige Vögel von den Bäumen heruntergeflogen kamen und sich auf mir niederließen. Bis dahin hatte er wie ein völlig normaler »Dann wollen wir mal die Ärmel hochkrempeln«-Handwerker ausgesehen; dann aber hatte er die Vögel bemerkt, und mit einem Mal hatte sich seine ganze Haltung verändert: Sein Gesicht strahlte, seine Augen leuchteten, und er murmelte unablässig: »Wie schön! Wie schön!« Anschließend sagte er: »Aber warum sollte es auch nicht so sein? Es sollte so sein!«

Natürlich bringt es einige Schwierigkeiten mit sich, so zu leben, wie ich es tue, in beständiger Gesellschaft einer Vielzahl von Vögeln. Da wären zunächst einmal die ganz praktischen: das Saubermachen, Dinge, die ruiniert werden, die Zimmer, die immer aussehen, als hätte sich der Schornsteinfeger angekündigt, mit Zeitungen über den Möbeln und Stofftüchern über den Büchern. Dann der Schlafmangel, denn die Vögel hämmern geradezu an die Scheiben, wenn ich die Fenster im Morgengrauen schließe, um die Tiere in den kurzen Nächten des Sommers auszusperren. Außerdem geben sie sich alle Mühe, mich davon abzuhalten, mich auf etwas anderes als sie selbst zu konzentrieren. Es gibt aber noch Schlimmeres. Lebt man mit Vögeln zusammen, ist es schlichtweg unmöglich, keine Zuneigung zu jedem einzelnen von ihnen zu entwickeln. Doch ein Vogelleben ist kurz, es kann von vielen Tragödien ereilt werden. Katzen richten das größte Unheil an, bin ich nicht beständig auf der Hut. Bird Cottage liegt alles andere als abgeschieden – es befindet sich auf einem Streifen alten Farmobstlands am Rand eines relativ großen Dorfs in Sussex. Da die Farm in mehrere private Grundstücke aufgeteilt wurde, ist das Cottage von verschiedenen Häusern umgeben, die im Laufe der Zeit gebaut wurden. Einzig der Garten ist gut durch Bäume und hohe Hecken abgeschirmt, und ich lasse einen Großteil von ihm verwildern und so anmutig wachsen, wie er nur will. Dornbusch, Weißdorn, Wildpflaume und Holunder säen sich selbst aus, dicke Efeuranken überwuchern die hohen Stümpfe alter Apfel- und Birnbäume. In ihnen finden die Vögel Nahrung und Deckung, wobei die Efeubeeren besonders nützlich sind, reifen sie doch zu einer Zeit, zu der andere Nahrung durch den Frost knapp geworden ist. In der Brutzeit lasse ich das Gras um die Grenzen meines Grundstücks herum hoch wachsen; ist es feucht von Tau oder Regen, haben es die Katzen schwerer, sich Zugang zu verschaffen, wenngleich nichts, was ich tue, sie ganz fernhalten kann.

Dann gibt es noch die Dohlen und Elstern, die sich die Jungvögel holen. Vor allem die Elstern haben überhandgenommen und die Sumpf- sowie Tannenmeisen in der Umgebung praktisch ausgelöscht. Meine Vögel verlassen sich darauf, dass ich sie vor all diesen Plünderern schütze. In jüngster Zeit bin ich meist morgens um fünf von einer Kohlmeise geweckt worden, die aufgeregt zwischen meinem Bett und dem Fenster hin und her flog und dabei laute Alarmrufe ausstieß. Der Vogel wollte mir mitteilen, rasch mit hinauszukommen, da eine Elster seine Jungen bedrohte. Also springe ich aus dem Bett und vertreibe den Feind mit einem Stock. Kaum habe ich mich wieder hingelegt, gibt es neuen Ärger: Die Amsel ruft mich mit nicht minder aufgeregten »Tschinks« in Fensternähe. Wieder stehe ich auf und verscheuche diesmal die Katze, indem ich einen vollen Wasserkrug mit einem großen Platsch in ihre Richtung ausschütte. Sie schleicht sich durch die Sträucher davon, natürlich will sie nicht nass werden. Trotz all meiner Bemühungen fallen manche Vögel den Katzen und Elstern dennoch zum Opfer. Bin ich einmal im Urlaub, ereignen sich so viele Katastrophen, dass ich schon kaum mehr wegfahre, obwohl ich mir sehr gern auch andere Vogelarten in anderen Gegenden ansehen würde.

Von meinen vielen Vögeln sind auch häufig welche verletzt und bezüglich ihrer Genesung von mir abhängig. So verlangen meine Vögel auf die eine oder andere Weise von morgens bis abends nach meiner Aufmerksamkeit. Sie bemühen sich nach Kräften, mich an konzentrierter Arbeit zu hindern – während ich versuche, diese Seite zu tippen, sitzen einige von ihnen auf der Schreibmaschine, andere zupfen an meinen Haaren, wieder andere fliegen mir auf die Hände und fallen herunter, wenn ich versuche, die Buchstaben anzuschlagen. Es gibt noch einen Menschen, der aus eigener Erfahrung weiß, wie fordernd meine Kohlmeisen sein können. Er wird Old Harry genannt und liebt genau wie ich alle wilden Tiere. Er bewohnt eine kleine Hütte in einem Gehölz, das rund zehn Minuten zu Fuß von meinem Cottage entfernt liegt. Als eine meiner Kohlmeisen dieses Jahr wegen Überfüllung aus meinem Garten vertrieben wurde, nistete sie in diesem Gehölz. Bis ihre Jungen geschlüpft waren, flog sie jeden Morgen und Abend zu mir zurück und bestand mit Nachdruck darauf, ordentlich gefüttert zu werden. Irgendwann wurde dann der freundliche alte Mann, der ebenfalls Vögel füttert, zum Opfer ihrer einfordernden Art. »Ganz schön unverschämt, diese Kohlmeise«, erzählte Old Harry. »Sie weckt mich jeden Morgen, indem sie an meiner Bettdecke zerrt und mir ins Gesicht pickt. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als ihr zu geben, was sie will, und zwar schleunigst.« Ich schloss aus seiner Beschreibung sofort, um welchen Vogel es sich handelte, denn genau so sprang das kleine Biest auch mit mir um.

Vielleicht liegt es daran, dass ich Vögel so mag, dass sie, ohne zu zögern, zu mir kommen und ich nicht die geringsten Schwierigkeiten habe, ihr Vertrauen zu gewinnen. Unmittelbar nach meinem Einzug in Bird Cottage stellte ich ganz in der Nähe der Terrassentür ein Vogelhäuschen und ein Vogelbad auf, und es dauerte nicht lange, bis die Plätze von einem Rotkehlchen, einer Blaumeise und einer Amsel genutzt wurden. Bald kamen auch andere Arten, darunter die Kohlmeisen. Ich habe immer zu meinen Vögeln gesprochen, in meiner ganz normalen Sprechstimme, denn sie lernen in relativ kurzer Zeit, anhand des Tons einige der Wörter zu verstehen. Diese Nähe intensivierte sich rasch, und ebenso rasch kamen immer mehr Vögel. Abgesehen davon, dass ich ihre Gesellschaft liebe, finde ich es auch ungeheuer interessant, ihren jeweiligen Charakter zu studieren, und durch diesen engen Kontakt gelange ich allmählich zu einem besseren Verständnis ihrer Denkweise.

Als ich in Bird Cottage einzog, hatte ich vorher nie Gelegenheit gehabt, das Verhalten von Vögeln selbst zu studieren, wenngleich mir die Londoner Bibliotheken natürlich ausgiebig Zugang zu Literatur über Vögel gewährten. Da ich Intelligenz im Verhalten der Tiere nur in Maßen erwartete, war ich ungeheuer überrascht, als sich der folgende Vorfall ereignete. Es war an einem Frühlingsmorgen, drei Monate nachdem mein kleines Cottage gebaut worden war, und ich war gerade im Haus beschäftigt, in der Nähe einer offenen Tür. Plötzlich kam eine Blaumeise zu mir geflogen und stieß dabei Rufe in höchster Not aus. Sie flatterte aufgeregt vor mir herum, ihre Augen fest an meine geheftet, und rief so jämmerlich, wie ich nie zuvor eine Blaumeise hatte rufen hören. Mir war sofort klar, dass hier etwas nicht stimmte und sie um Hilfe bat. Ihr Partner war ebenfalls da, saß aber direkt vor dem Cottage und wandte seinen Blick nicht von mir ab. Als ich nach draußen ging, hörte sie auf zu rufen, und beide Vögel führten mich zu ihrem Nistkasten; dabei flogen sie vor mir her, blieben ab und zu an geeigneter Stelle sitzen und sahen sich nach mir um, ob ich ihnen auch folgte. Das ganze Nest war aus dem Kasten gerissen worden, die zwölf Eier des Blaumeisenpaars lagen auf dem nackten Holzboden des Kastens verstreut. Der Deckel war geschlossen; vermutlich hatte eine Katze das Nest durch das Einflugloch herausgekratzt. (Daraus habe ich gelernt, dass Nistkästen auf jeden Fall tiefer als zwölf Zentimeter sein sollten.)

Beide Meisen warteten in der Nähe und sahen stumm zu, wie ich rasch die Einzelteile des Nests vom Boden aufhob, die Eier aus dem Kasten nahm, das Nest, so gut ich es vermochte, im Kasten wieder herrichtete und die Eier auf der rechten Seite hineinlegte, in der Annahme, die Meise würde sie ungefähr dort haben wollen, wo sie vorher gewesen waren. Als ich fertig war, flog der Muttervogel sofort hinein, rollte die Eier auf die andere Seite des recht großen Nistkastens und nahm das Bebrüten des Geleges wieder auf. Zehn Tage später schlüpften die Jungen, die die Blaumeisenmutter trotz des Unglücks durchgebracht hatte – weil sie sich vernünftigerweise an mich gewandt und um Hilfe gebeten hatte. Was sonst, wenn nicht Denken und Vernunft, hätte sie so handeln lassen sollen? Es ist alles andere als Instinkt, einen Menschen aufzusuchen, im Gegenteil: Vor allem in der Brutzeit halten sich Vögel instinktiv von Menschen fern. Ich war zu dieser Zeit noch nicht lange im Cottage und hatte noch keinem Vogel dort geholfen, weder bei einer Nist- noch bei einer anderen Angelegenheit. Ich hatte die Vögel lediglich gefüttert und sie heimlich, still und leise beim Nestbau beobachtet. Allerdings waren viele der Vögel schon sehr zahm geworden und hatten Vertrauen zu mir entwickelt.

Es war faszinierend gewesen, diese Blaumeise und ihren Partner beim Nestbau zu beobachten. Er hatte zunächst versucht, ihr Interesse an einer Höhle in einem Baumstumpf zu wecken, doch vergebens: Der große Nistkasten an einem anderen Baum war anscheinend mehr nach ihrem Geschmack. Sie verbrachte viel Zeit damit, in den Nistkasten hinein- und wieder hinauszuschlüpfen, während er auf dem Sims des Kastens saß und vorsichtig durch das Einflugloch hineinspähte oder Deckel und Seitenwände des Kastens untersuchte. Dann begann er, mit ihr gemeinsam hineinzuschlüpfen, und von draußen war viel eifrig klingendes Gezwitscher zwischen den beiden Vögeln zu hören. Spielerisch jagte er seine Partnerin aus dem Kasten und um die Bäume, bis sie schließlich wieder zu ihrer ausgewählten Niststätte zurückflog. So ging es über einen Monat lang weiter, erst dann wurde das erste Nistmaterial zum Kasten gebracht. Dabei diente als Grundlage nicht wie üblich Moos oder Wolle, sondern Füllmaterial von Kartons. Sie flog mit dem Füllmaterial in den Nistkasten, er flog ihr nach und sah durchs Einflugloch, bis sie wieder herauskam, um mehr zu holen. Danach wurden Moos und schließlich die Haare eines weißen Pferds sowie Federn herbeigeschafft, zu Letzteren kamen nach dem Legen der zwölf Eier gelegentlich neue hinzu. Das Blaumeisenmännchen gab seiner Partnerin bei dem einen Monat dauernden Nestbau keinerlei praktische Unterstützung, doch war seine Begeisterung, sie zu begleiten und ihr bei der Arbeit zuzusehen, ebenso groß wie ihr offensichtliches Vergnügen an der Arbeit und seiner Gesellschaft.

Nicht alle Blaumeisen zeigen eine solche Zuneigung zueinander; sie variiert in ihrer Ausprägung. Häufig ist das Verhalten der Vögel, hat das Nisten erst begonnen, sehr zurückhaltend, ja sogar geheimnistuerisch. Ich denke, dies trifft vor allem auf die älteren, erfahreneren Vögel zu, die ein weniger auffälliges Verhalten klüger finden; auch mein überschwängliches Blaumeisenpaar verhielt sich danach, als das Brüten begann, vergleichsweise ruhig, nüchtern und vorsichtig.

Später in diesem Jahr fielen zwei Rotkehlchennestlinge, bevor sie flügge waren, aus ihrem unsicheren Nest in einer flachen Baumhöhle. Da die restlichen beiden Jungen Gefahr liefen, ebenfalls aus dem Nest zu fallen, waren die Elternvögel sehr besorgt. So legte ich die vier Nestlinge in eine Kokosnussschale, in die sie sich auch sofort zufrieden hineinkuschelten, band das improvisierte Nest an die Sitzfläche eines Stuhls, der unter dem Baum stand, tarnte den Stuhl mit Zweigen und bedeckte ihn schließlich so mit Sackleinen, dass nur noch ein kleines Einschlupfloch für die Rotkehlcheneltern blieb. Die waren währenddessen damit beschäftigt, in der nahe gelegenen Hecke auf und ab zu hüpfen und die Nachbarskatze mit Tick-Tick-Rufen auf Abstand zu halten. Sie schienen mein Eingreifen nicht zu bemerken, allerdings drehen sich Rotkehlchen häufig um und tun kaum interessiert, wenn sie es in Wirklichkeit sind. Ich zog mich zurück und fragte mich, ob sie ihre Nestlinge wohl finden würden, vor allem bei einem so kleinen Einschlupfloch. Doch schon bald verließen sie die Hecke und flogen schnurstracks zur Kokosnuss, obwohl die Jungen keinen Mucks von sich gaben. Nicht ein einziges Mal kehrten die Elternvögel zum alten Nest zurück, aus dem ich immerhin zwei Küken genommen hatte. Und die Jungen versuchten nie, das Kokosschalennest zu verlassen, bis sie eine Woche später flügge waren.

Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass sich die Blaumeisen und Rotkehlchen nicht so intelligent verhalten hätten, hätten sie Angst vor mir gehabt. Häufig beurteilen wir das Verhalten von Vögeln, wenn der Vogel große Angst vor dem Beobachtenden zeigt. Wie aber ist das bei uns Menschen? Würden wir gern einen Intelligenztest mit uns machen lassen, wenn unser Leben oder das Leben unserer Kinder unmittelbar bedroht wäre? Sicher nicht. Meiner Meinung nach verhalten sich Vögel, insbesondere Meisen, in ungewöhnlichen Situationen intelligent – es sei denn, sie sind nervös, weil sie Angst haben.

Einmal hob ich den Deckel eines Blaumeisennistkastens halb an, schloss ihn aber rasch wieder, als ich sah, dass die Meisenmutter gerade brütete. Sie geriet in Panik – sie hatte den Deckel nie zuvor offen gesehen – und flog aus dem Einschlupfloch direkt zu ihrem Partner auf der anderen Seite meines Cottages, der unmöglich hatte mitbekommen können, was soeben geschehen war. Sie kehrten umgehend gemeinsam zum Nest zurück, wo sie das Brüten wieder aufnahm und er sich verhielt, als wüsste er genau, was sie so erschreckt hatte. Zuerst inspizierte er den Deckel des Nistkastens sorgfältig, dann sah er sie durch das Einschlupfloch an, bevor er sich nach einer weiteren Inspektion schließlich auf dem schmalen Rand vor dem Einschlupfloch niederließ, anscheinend, um Wache zu halten oder sie zu beruhigen. Hin und wieder steckte er den Kopf in den Nistkasten, um das Weibchen erneut anzusehen. So hatte er sich in der gesamten Brutzeit noch nicht verhalten. Nach etwa einer halben Stunde verließ sie den Nistkasten, um nach Nahrung zu suchen – und das Männchen blieb nicht wieder am Einschlupfloch sitzen, während sie brütete. Das tun die Vögel normalerweise auch nicht, würde es doch nur unwillkommene Aufmerksamkeit auf das Nest lenken.

Es scheint auf der Hand zu liegen, dass Vögel durch leichte Veränderungen im Tonfall und in den Bewegungen miteinander kommunizieren können. Die Vögel, die mich gut kennen, verstehen mich durch ihre feinfühlige Interpretation meiner Stimme oder kleiner Gesten. Wenn Kohlmeisen beispielsweise an meine Butterdose wollen – sie wissen, dass das normalerweise verboten ist –, bleiben sie in einiger Entfernung sitzen und sehen erst die Butter und dann mich an; sie zögern also noch, obwohl sie sich liebend gern bedienen würden, denn sie haben eine Leidenschaft für Butter. Rede ich ihnen gut zu und sage etwa: »Na, kommt schon«, kommen sie tatsächlich zutraulich näher und picken an der Butter herum. Sage ich hingegen leicht streng: »Nein«, bleiben sie, wo sie sind, blicken aber weiterhin erst mich flehentlich an und dann zur Butter. Ein etwas verärgerteres »Nein« lässt sie weiter weg hüpfen; ein wütendes »Nein«, und sie fliegen zum offenen Fenster. Rufe ich ihnen in einschmeichelndem Tonfall: »Ist schon gut« hinterher, kehren sie sofort zurück, und bin ich dann still, hüpfen sie auf dem Tisch Zentimeter für Zentimeter näher an die Butter heran, behalten mich dabei aber im Auge, ob ich nicht doch noch etwas einzuwenden habe. Sind sie durch das »Nein« erst einmal auf der Hut, nähern sie sich der Butter nicht mehr mit demselben Zutrauen, das sie durch mein: »Na, kommt schon« an den Tag legten. Sie interpretieren jeden Einwand in Stimme oder Gestik korrekt, gehen aber ohne ermunternden Tonfall (solange ich hinsehe) nicht an die Butter, weil ich es ihnen ein- oder zweimal durch ein zorniges »Nein« verboten habe. Diese äußerste Sensibilität lässt sie außergewöhnlich schnell lernen. Ich muss den Vogel allerdings kennen, bevor ich mittels Tonfall zufriedenstellend mit ihm kommunizieren kann; fremde Vögel sind naturgemäß unsicher, weil sie nervös sind, doch verstehen Kohlmeisen mich im Allgemeinen sehr rasch.

Einige Amseln und in geringerem Ausmaß auch verschiedene andere Vögel sind meiner Erfahrung nach ähnlich sensibel. Eine Amsel von nebenan (sie heißt Thief (Dieb) und wird in Kapitel 3 näher vorgestellt) hat mich einmal in der ihr typischen Weise übers Ohr gehauen, nachdem sie zuerst vorbildlich wie die Kohlmeisen in dem gerade beschriebenen Beispiel mit der Butterdose gehorcht hatte. Für seinen Gehorsam und seine Intelligenz belohnte ich das Amselmännchen mit Brot und Kartoffeln; das Fleisch, das dabei auf dem Teller auf meinen Knien lag – mein Mittagessen und rund die halbe Wochenration! –, war für Thief eigentlich tabu. Plötzlich schlug er aber allen Gehorsam in den Wind, flog mir direkt vors Gesicht, schnappte sich das ganze Stück Fleisch vom Teller und war mit einem kichernden Geräusch über die Hecke verschwunden, bevor ich protestieren oder auch nur begreifen konnte, was geschehen war. Von allen Amseln würde nur Thief in seiner Langfingerart einen solchen Diebstahl direkt vor meiner Nase wagen und erfolgreich durchführen.

Kohlmeisen verüben gelegentlich ähnliche Diebstähle, wenn sie merken, dass ich gerade nicht bei der Sache bin. Anscheinend können sie nicht nur Tonfall und Gestik interpretieren, sondern auch viel an meinen Augen und meinem Gesichtsausdruck ablesen. Sehe ich sie an, bin mit meinen Gedanken dabei aber woanders, verhalten sie sich so, als wendete ich ihnen den Rücken zu, und begehen Sünden, die sie nie begehen würden, wenn ich meine Aufmerksamkeit ganz bewusst auf sie richtete.

Beobachtet man Vögel ganz genau und aus nächster Nähe, zeigen sich wiederholt Verhaltensweisen, die sich nicht mit Instinkt und automatischer Reaktion erklären lassen. Allerdings variiert die Intelligenz sowohl zwischen den einzelnen Arten als auch zwischen den einzelnen Vertretern der verschiedenen Arten. Von den Vögeln, die mir am vertrautesten sind, erreichen die Kohlmeisen den höchsten Grad an Intelligenz und somit auch den höchsten Grad an Individualität innerhalb ihrer Spezies.

Leider herrscht mancherorts immer noch die irrige Annahme, Kohlmeisen verhielten sich anderen Vögeln gegenüber grausam. Diese Annahme gründet auf einer Geschichte des verstorbenen Viscount Grey of Fallodon, nach der eine Kohlmeise das Gehirn eines Spatzen verzehrte, als beide in einem Käfig gefangen waren. In den zehn Jahren, in denen ich Kohlmeisen nun schon kontinuierlich beobachte, ist mir nicht ein Akt der Grausamkeit untergekommen, den die Spezies begangen hätte. Spatzen oder Sperlinge hingegen schikanieren andere Vögel gern, auch Kohlmeisen, und Letztere wehren sich noch nicht einmal. Sie breiten als Zeichen des Protests lediglich die Flügel aus und fliegen dann einfach weg – wahrlich gutmütige Zeitgenossen, die andere Arten in der Regel nicht bekämpfen. Außerdem ist es unfair, einen Vogel zu beurteilen, wenn er eingesperrt ist und Hunger hat und somit nicht er selbst ist. Kohlmeisen verfügen über eine ganz außergewöhnliche Lebenskraft; vielleicht hat die Kohlmeise im Käfig den Spatz überlebt und sich vernünftigerweise vor dem Verhungern gerettet, indem sie das Gehirn des toten Vogels fraß. Wenn die Kohlmeise den Spatz getötet hat, ist es durchaus wahrscheinlich, dass Letzterer den Streit angefangen hat und die Kohlmeise sich im Käfig nicht wie in freier Wildbahn zurückziehen konnte. Blaumeisen gehen mit anderen Arten viel weniger sanft um als Kohlmeisen. Man muss schon manchmal lachen, wenn man beobachtet, wie eine Blaumeise eine Kohlmeise angreift – diese wehrt sich meist nämlich nur durch das Ausbreiten der Flügel und zeigt ihrem kleineren Verwandten gegenüber eine erstaunliche Nachsichtigkeit. Ich habe schon einmal miterlebt, wie eine Blaumeise eine Amsel angriff, weil diese an der heruntergefallenen Talgstange der Meise knabberte. Die Amsel reagierte, indem sie die Blaumeise auf ihren Schnabel nahm und etwa einen Meter weit von sich schleuderte – als wäre die Meise nur ein Blatt. Dann setzte sie ihre Mahlzeit unbeeindruckt fort, während sich die Meise hinter ihrem Rücken aufrappelte und davonflog.

In den vergangenen drei Jahren hat sich im Herbst und Winter jeden Abend immer folgende kleine Episode in meinem Cottage abgespielt. Eine Blaumeise flattert durchs Wohnzimmer, zögerlich aufgrund des schwachen Lichts, und fliegt zur Schiebetür zwischen den beiden Räumen. Ich habe sie für sie offen gelassen, sie will durch einen sehr schmalen Spalt zwischen der Laufschiene der Tür und dem Deckenbalken schlüpfen. Sie schlägt mit den Flügeln, während sie versucht, Halt zu finden, meist gelingt es ihr nicht auf Anhieb. Deshalb zieht sie sich für einen Augenblick auf eine Stuhllehne zurück und versucht es anschließend erneut. Kräftig schlägt sie mit den Flügeln und bringt sich in die richtige Position, bis es ihr schließlich gelingt, ihren kleinen Körper vorsichtig durch den Spalt in eine Nische über dem Deckenbalken zu quetschen – ein geräumiges Schlafzimmer für eine Blaumeise. Ist die Tür geschlossen, wenn sie schlafen gehen will, kommt sie mit einem wimmernden Ruf zu mir geflogen, und ich öffne sie für sie. Befindet sich der Vogel in der Nische, kann sich die Tür in ihrer Laufschiene bewegen; erwacht die Meise früh am Morgen und ist die Tür dann noch geschlossen, klopft der Vogel mit dem Schnabel an den Balken, um herausgelassen zu werden. Manchmal verschläft die Blaumeise, und ich öffne die Tür und ziehe die Vorhänge am Fenster zurück, bevor sie aufgestanden ist; dann beeilt sie sich, aus ihrem Schlafplatz zu schlüpfen und zum Fenster zu fliegen, augenscheinlich noch nicht ganz munter. Ist sie erst im Freien, ist sie plötzlich ganz Leben und Energie und beginnt ihren Tag mit eifrigem Putzen auf den Bäumen in der Nähe des Fensters. Sie hat derart Gefallen an diesem Schlafplatz gefunden, dass sie sich auch nicht von ihm abbringen ließ, als sie letztes Jahr eines Morgens falsch abbog, über das hintere Ende der Tür stürzte und auf einmal in unbekannten, dunklen Gefilden gefangen war. Ich musste eigens einen Handwerker rufen, um sie zu befreien. Die Blaumeise aber ließ sich davon nicht beirren und kehrte am nächsten Abend wie gewöhnlich zurück. In diesem Herbst hat sie ihren Partner mitgebracht: Er beherrscht das Schlüpfen in die Nische noch nicht ganz und braucht immer mehrere Anläufe, bevor er sich neben ihr auf dem inneren Balken zum Schlafen niederlassen kann.

· KAPITEL 2 ·

Vogelporträts: Kohlmeisen

1

Beim Beobachten des Nistens verschiedener Vögel in meinem Garten hat sich eine große Vielfalt an Verhaltensweisen innerhalb der jeweiligen Spezies gezeigt, insbesondere bei den Kohlmeisen. Im Grunde verwundert das nicht, weisen die Vögel doch einen hohen Grad an Intelligenz auf. Obwohl sich Kohlmeisen fürs Leben paaren, scheint manchen die Gesellschaft des Partners oder der Partnerin außer in der Brutzeit recht gleichgültig zu sein, während andere Paare ständig zusammen sind. Verliert diese Kohlmeise den Partner beziehungsweise die Partnerin doch einmal für wenige Minuten aus den Augen, nimmt sie eine äußerst wachsame, starre Haltung ein, bis er oder sie wiederauftaucht. Stirbt ein Partner oder eine Partnerin dieser einander zugetanen Paare, wird der Nachfolger oder die Nachfolgerin mit vergleichsweisem Desinteresse behandelt, manchmal sogar in der Brutzeit. In diesen Fällen besonderer Zuneigung, die ich beobachtet habe, handelte es sich um junge Vögel, die sich zuvor noch nicht gepaart hatten. Das trifft nicht nur auf Kohlmeisen, sondern auch auf andere Arten zu.

Ich erkenne meine einzelnen Kohlmeisen anhand verschiedener Dinge. Sie sind leichter auseinanderzuhalten als die Individuen der meisten anderen Spezies. Da ich in so engem Kontakt zu ihnen stehe, kenne ich mittlerweile die verschiedenen Gesichtsausdrücke, die charakteristischen Eigenheiten und die individuell typischen Posen. Zudem gibt es erhebliche Abweichungen in ihrem Aussehen von vorn, manchmal auch in der Form der weißen Gesichtszeichnung sowie leichte Unterschiede in der Tönung des Gefieders. Die Vögel aber, die in den Vogelporträts die größte Rolle spielen, konnte ich auch erkennen, wenn ihr Gefieder nach einem Bad dunkel vom Wasser und zerzaust und somit jeglicher charakteristischer Merkmale beraubt war. Ihr ganzer Habitus, ihre ganze Persönlichkeit war viel zu eigentümlich, als dass es zu Verwechslungen hätte kommen können, zumindest wenn ich sie aus nächster Nähe sehen konnte. Auch nach der Mauser bleiben die Gefiederzeichnungen im Großen und Ganzen erhalten, außer natürlich der Vogel wechselt vom Jugend- zum Alterskleid. Mausern die Jungen jedoch zum ersten Mal, kann ich den Veränderungen, die dabei stattfinden, im Allgemeinen Tag für Tag folgen, da diejenigen, mit denen ich besonders vertraut bin, häufig auf meiner Hand oder auf meinem Schoß sitzen, ebenso wie ihre Eltern.

Ein Kohlmeisenweibchen habe ich sechs Jahre lang genauestens beobachtet. Es wurde im Obstgarten meines Nachbarn aufgezogen und verpaarte sich mit einem Vogel gleichen Alters aus meinem Garten. Drei Mal hintereinander zogen sie wiederum zweimal im Jahr Junge auf, ein hingebungsvolles Paar, das immer zusammen war, selbst im Winter. Erschien einer der Vögel ohne den anderen an meinem Fenster, verharrte er oder sie regungslos und verschmähte das angebotene verführerische Futter, bis sich der Partner beziehungsweise die Partnerin dazugesellte. Für gewöhnlich flogen sie gemeinsam in mein Zimmer hinein und wieder hinaus.

Das Weibchen, Jane, hatte die Eigenwilligkeit, in der Brutzeit immer ein ganz zauberhaftes Lied zu singen. Sie war einzigartig begabt. Andere weibliche Kohlmeisen singen nicht, wenngleich sie über eine Vielzahl an Rufen, beispielsweise einen Schimpfruf, verfügen. Jane aber übertraf mit ihrem Gesang sogar die Männchen. Er war jedes Jahr ein wenig anders; in den ersten Jahren ihres Lebens ähnelte er dem »Zi-tuhi«-Gesang des Männchens, war aber viel melodischer. Statt immer die gleichen Noten zu wiederholen, ging sie in ineinander übergehenden annähernden Terzen die Tonleiter hinab. Das Lied begann in fröhlichen, hellen Tönen und wurde mit abnehmender Tonhöhe allmählich immer leiser und lieblicher. Wie Glockengeläut, das vom Wind fortgetragen wird.

Im vierten Jahr starb Janes Partner an einem verletzten Bein. Sie verpaarte sich mit einem anderen Vogel in seinem ersten Jahr, der ihrem verstorbenen Partner äußerlich ähnelte: Er war außergewöhnlich groß und besaß eine breitere Frontalzeichnung als andere Kohlmeisenmännchen. Im Frühling dieses Jahres nistete sie in einem Baumstamm weiter unten an der Straße, da ein recht streitlustiges Pärchen Kohlmeisen sie von ihrem angestammten Platz in meinem Garten vertrieben hatte – gierigerweise wollte das Pärchen den Garten wohl ganz für sich. Als Janes erste Brut von Partner Nummer zwei flügge geworden war, versuchte sie, die Jungen in meinen Garten zu bringen, was das andere Kohlmeisenpärchen jedoch verhinderte. Selbst wenn ich sie am Bach jenseits der Straße füttern wollte, schoss das kämpferische Männchen mit wütendem Gebaren über die Hecke, um Jane und Partner Nummer zwei davon abzuhalten, aus meiner Hand Futter für ihre Jungen zu nehmen. Während ihre zweite Brut im Nestlingsalter war, wurde Partner Nummer zwei von einer Katze getötet. Daraufhin unternahm Jane verstärkte Anstrengungen, ihre Jungen weiter zu füttern, und nicht selten hielt sie beim Wegfliegen auf dem Rand des Nests mit besorgtem Gesichtsausdruck1 inne. Dann flog sie auf den Wipfel des Baums und blickte in alle Richtungen, als suche sie ihren Partner. Sobald die Jungen flügge waren, brachte sie sie erneut in meinen Garten. Dieses Mal verhielt sich das andere Kohlmeisenpaar friedlich; weitere Artgenossen ließ es in meinem Garten jedoch nicht zu, denn auch hier wuchs eine zweite Brut heran. Hin und wieder kam es sogar vor, dass das kämpferische Männchen mit Nahrung für den Nachwuchs im Schnabel innehielt, dem Betteln von Janes acht hungrigen Küken zu lauschen schien und, statt die eigenen Nestlinge zu füttern, zu einem Jungen der Witwe flog und diesem die Raupe in den Schlund steckte.

Im darauffolgenden Jahr verpaarte sich Jane wiederum neu, dieses Mal mit einem der Jungen des streitlustigen Paars. Und wiederum hatte sie sich einen groß gewachsenen Partner mit dunkler Frontalzeichnung ausgesucht, eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit. Erneut ging es ans Nisten – in ungewöhnlicher Weise. Zuerst konkurrierte Jane mit einer anderen Kohlmeise namens Grey um einen großen Nistkasten, der an einem Baum in meinem Obstgarten hing. Anfang April begannen beide Weibchen damit, Moos zum Nistkasten zu bringen, wobei jeder Vogel nur am Nest arbeitete, wenn der andere nicht da war. Ich glaube allerdings, dass Jane das Moos der Konkurrentin wieder aus dem Kasten beförderte, da fast jedes Mal wenn sie mit dem eigenen Nistmaterial hineinflog, anschließend etwas aus dem Einschlupfloch geworfen wurde. Grey tat so etwas nie.

Ich war zu dieser Zeit verwirrt, weil Grey keinen Partner zu haben schien und entweder allein oder mit Jane und ihrem Partner Nummer drei zusammenlebte. Ein paar Tage später sah ich, wie Jane in den Nistkasten flog und Grey ihr folgte. Dort blieben die beiden Vögel mehrere Minuten lang und stießen beständig die schrillen, an Nestlinge erinnernden Rufe aus, die Kohlmeisen in bestimmten Phasen des Nistens zu eigen sind. Anschließend flogen beide gemeinsam, wie beste Freundinnen, wieder aus dem Nistkasten hinaus. Das geschah in der Zeit, in der Jane ihr Nest fertigstellte, viele Male. Grey brachte nun kein Nistmaterial mehr zum Kasten.

Partner Nummer drei war in der Zwischenzeit damit beschäftigt, unermüdlich zu singen und den Baum gegen Eindringliche zu verteidigen, was ihn seine Schopffedern kostete. Deshalb hieß er von da an Baldhead (Kahlkopf). Ab und zu flog er in den Nistkasten, anscheinend um nachzusehen, wie die Dinge so liefen. Ich habe nie gesehen, dass eine männliche Kohl- oder Blaumeise beim Nestbau geholfen hätte, doch eskortieren viele aufmerksame Männchen ihre Weibchen vom und zum Nest, während Letztere das Nistmaterial zusammensuchen. Solch aufmerksame Männchen gibt es bei zahlreichen Vogelarten, was den fälschlichen Eindruck erweckt, die Männchen würden sich am Nestbau beteiligen.

Janes zauberhaftes kleines Lied, das nun origineller war denn je, erklang häufig in meinem Obstgarten. Sie sang, während sie vom Nest flog, um neues Nistmaterial zu holen, als liefe ihr das Herz über vor lauter Glück. Und oft flog Grey ihr wie ihr stummer Schatten nach.

Als Jane ihr erstes Ei legte, war Grey im Nistkasten nicht mehr geduldet. Daraufhin beeilte Letztere sich, in einem anderen Nistkasten in meinem Obstgarten ein eigenes Nest zu bauen. Greys Nest war wunderschön: Es war aus bunten leuchtenden, flauschigen Wollfäden geflochten, die Grey aus meinen Läufern, Jacken und bunten Decken gezupft und schnabelweise aus dem Fenster zum Nest geschafft hatte. Ich hatte es nicht übers Herz gebracht, dieser Zerstörungswut Einhalt zu gebieten, denn ich wusste, dass der Vogel es verzweifelt eilig hatte. Zu diesem Zeitpunkt fand ich heraus, dass Janes Partner auch Greys Partner war. Mit identischer Hingabe bewachte Baldhead beide Nistplätze, folgte beiden Weibchen und inspizierte beide Nester. Jane und Grey gingen weiterhin freundschaftlich miteinander um, die perfekte Ménage-à-trois. Innerhalb von nur drei Tagen hatte Grey ihr Nest fertiggestellt und ebenfalls ihr erstes Ei gelegt. Mit großer Aufmerksamkeit fütterte Baldhead beide Partnerinnen, sowohl am Nest, wenn sie brüteten, als auch wenn sie das Nest kurz verlassen hatten – was sie häufig gleichzeitig taten. Beide flatterten vor ihm mit den Flügeln und stießen Babyrufe aus, woraufhin er sie fütterte, immer äußerst galant und ohne eine der beiden Damen zu bevorzugen. Manchmal fütterte er Grey in den Bäumen nahe Janes Nest, wenn diese brütete. Jane musste ein Guckloch in ihrem Nistkasten gehabt haben, denn sie schien immer zu wissen, wenn Grey in ihrer Nähe gefüttert wurde, und sang vom Nest aus dann mehrmals ihr kleines Lied, wahrscheinlich um Baldheads Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Anschließend steckte sie ungehalten ein paarmal den Kopf aus dem Einschlupfloch. Umgekehrt wartete Grey immer geduldig, bis sie an der Reihe war.

Am 8. Mai begannen Janes Junge zu schlüpfen, und von dem Tag an, da Baldhead Janes Nestlinge fütterte, war Grey vollkommen auf sich gestellt. Sie flatterte weiter vor ihm mit den Flügeln und stieß Babyrufe aus wie zuvor, doch Baldhead ignorierte sie. Am 11. Mai begannen auch Greys Junge zu schlüpfen. Wenn sie nicht gerade brütete, folgte sie Baldhead aufgeregt rufend und rasch mit den Flügeln schlagend zu Janes Nistkasten. (Damit schien sie ihm mitzuteilen, dass die Jungen schlüpften.) Ihr Partner nahm noch immer keine Notiz von ihr, und Jane jagte sie fort. Grey schien verzweifelt, sie machte seltsame Laute und zeterte und schimpfte, während sie zu ihrem Nest zurückkehrte. In den folgenden ein bis zwei Tagen wiederholte sich das mitleiderregende Schauspiel, wann immer Grey Baldhead sah, doch ohne Erfolg. Am 14. Mai kam sie zu mir ins Zimmer geflogen, als ich Baldhead gerade etwas Käse für Janes Nestlinge gab. Sofort verharrte sie mit bebenden Flügeln und lauterem Klagen als je zuvor. Da plötzlich beäugte Baldhead sie neugierig und bestieg sie noch mit dem Käse im Schnabel. Zornig breitete Grey das Schwanzgefieder aus und schüttelte Baldhead ab. Der flog davon und beachtete sie nie wieder. Einmal lockte ich ihn zu Greys Nest, damit er sich die Nestlinge ansah. Das tat er auch einen Augenblick lang, dann aber flog er zu Janes Nest und kehrte nicht mehr zurück. Wann immer die verlassene Grey Jane oder Baldhead sah, baute sie sich mit klagenden Rufen und immer stärker zitternden Flügeln vor ihnen auf; und manchmal, wenn sie weggeflogen waren, setzte sie sich mit noch immer heftig zitternden Flügeln auf meine Schulter und sah mich mit herzergreifendem, flehendem Gesichtsausdruck an. Da sie mir immer aus der Hand gefressen hatte, konnte ich ihr Futter für ihre Nestlinge geben, sie selbst aber nahm zu diesem Zeitpunkt nichts. Greys Problem war nicht das Füttern der Jungen – die Weibchen können die Jungen durchbringen, wenn der Partner stirbt, wie Jane beim Tod von Partner Nummer zwei bewiesen hatte, ohne dabei unnötig Energie auf die Demonstration von Trauer zu verwenden. Nein, an Grey nagte es ganz offensichtlich, verlassen worden zu sein.

Am Morgen des 19. Mai kam Grey nicht wie üblich zu mir, um sich Futter für ihre Nestlinge zu holen. Stattdessen verbrachte sie beinahe die gesamte Zeit damit, mit unablässigem, übertriebenem emotionalem Gebaren über Janes Nest fast in der Luft zu stehen. Es war kaum mehr zu ertragen, sie so zu sehen, so quälend war ihr klagender Ruf, so herzzerreißend ihre Erscheinung, wie ihre Flügel zitterten vor lauter Anstrengung. Sie hatte sogar ihren Nachwuchs verlassen, um diesen letzten flehentlichen Versuch zu unternehmen. Am Nachmittag dieses Tages starb sie, offensichtlich vor Kummer. Ihre Nestlinge überlebten sie um nur wenige Stunden.

Jane und Baldhead zogen ihre Jungen auf und brachten sogar ein zweites Gelege erfolgreich durch. Danach jedoch wirkte Jane sehr müde, nach der folgenden Mauser kam sie nicht wieder vollständig zu Kräften. Im Winter zeigten sie und Baldhead kein besonderes Interesse mehr aneinander, wenngleich sie häufig zusammen waren. Das Geräusch ihrer Flügel im Flug hatte sich verändert, es war schwerer geworden. Sie überlebte den strengen Winter, starb aber Anfang April 1947 im Alter von sechs Jahren.

2

Baldhead war schon als Jungvogel ziemlich faszinierend und hatte einen ausgesprochen eigenen Charakter. Seine Eltern, das streitlustige Kohlmeisenpaar, begannen zwei Wochen, nachdem er flügge geworden war, mit den Vorbereitungen für eine zweite Brut, und seltsamerweise war Baldhead geradezu besessen davon, alle Nistangelegenheiten genauestens zu verfolgen. Normalerweise nehmen Erstgelege-Kohlmeisen keine Notiz vom zweiten Gelege, das ohnehin nur bei manchen Vertretern der Art vorkommt. Der Rest der Jungvögel zeigte nach dem Flüggewerden auch keinerlei Interesse mehr am Nest, nur Baldhead hielt sich größtenteils am Einschlupfloch des Nistkastens auf, als versuche er, dem Rätsel des Brutgeschäfts auf die Spur zu kommen und herauszufinden, warum sein Vater auf einmal nicht mehr ihn, sondern seine Mutter fütterte. Verließ Letztere den Nistkasten, verrenkte sich der neugierige Sprössling fast den Hals, um hineinzuspähen und die Eier anzustarren, bis seine Mutter wieder zurückkam, ihn wegschubste und protestierend die Flügel vor dem Einschlupfloch ausbreitete. Doch jeden Tag kehrte Baldhead wieder und wieder zum Nistkasten zurück, als würde er von ihm magnetisch angezogen. Es war lustig mitanzusehen, wie er überrascht aufhüpfte, als ihm zum ersten Mal aufgesperrte Schnäbel aus dem Nest entgegenschossen. Zuerst zuckte er zurück, dann wagte er einen zweiten Blick, wobei er den Kopf zur einen und dann zur anderen Seite neigte, wie um sicherzugehen, dass er sich nicht verguckt hatte. Anscheinend fesselte ihn der Anblick der nackten Nestlinge: Er starrte sie unaufhörlich an und schreckte dabei immer zunächst zurück – ich vermute, wenn ihm die Küken in Erwartung von Futter den aufgerissenen Schnabel entgegenstreckten. Er behinderte die Elternvögel beim Füttern des Nachwuchses, denn immer, wenn sie Futter ans Nest brachten, steckte er den Kopf durchs Einschlupfloch, um sie beim Füttern zu beobachten. Das wiederum veranlasste die Elternvögel dazu, schimpfend herausgeflogen zu kommen und ihn zu verjagen. Flogen sie ihm nach, mimte er selbst wieder das Baby, mit Flügelzittern, Bettelrufen und allem Drum und Dran. Er bekam mittlerweile nur noch selten Raupen von seinen Eltern, fraß mir aber oft aus der Hand; dabei sah er manchmal zum Nistkasten, ließ plötzlich sein Stückchen Lieblingskäse fallen und flog eiligst zum Nest, als hätte er Angst, etwas vom dort gebotenen Unterhaltungsprogramm zu verpassen.

Als die Nestlinge des zweiten Geleges flügge geworden waren und einer der Jungvögel unsicher auf einem Zweig herumbalancierte und dabei, wie es Kohlmeisenjungen beim ersten Sitzversuch zu eigen ist, nach vorn zu kippen drohte, kam Baldhead herangeflogen und führte ein ganz erstaunliches Meisenballett vor dem Jungvogel auf, der ihn mit dem Ausdruck größten Interesses im Gesicht anstarrte. Nachdem Baldhead einen Purzelbaum um den Zweig geschlagen und sich mit einem Fuß kopfüber daran gehängt hatte – den anderen schwang er in der Luft hin und her –, und nachdem er anschließend energisch Blätter abgerissen und diese auf den Boden geworfen hatte, hämmerte er schließlich laut auf der Rinde des Baums herum und flog dann davon. Danach hätten ihm sowohl die Jungvögel als auch der Nistkasten gleichgültiger nicht sein können.

Nachdem Jane Anfang April gestorben war, fand Baldhead rasch eine neue Partnerin. Sie wählte einen neuen Nistkasten an einem Baum im Obstgarten, für den Baldhead sich jedoch kaum interessierte – nur selten begleitete oder fütterte er das Weibchen. Er hatte mittlerweile eine andere Obsession: Greys alten Nistkasten. Resolut hatte er diesen gegen einzugswillige Meisen verteidigt, wohingegen er Janes alten Nestern keinerlei Beachtung mehr geschenkt hatte. (Sie hatte die Jungen in verschiedenen Nistkästen aufgezogen.) Wenn seine Partnerin nun das Nest verließ, ihn rief und seine Aufmerksamkeit verlangte, war er aufgeregt mit Greys Nistkasten beschäftigt und so vertieft, dass er sie nicht einmal wahrnahm. Sie wartete einen Augenblick, dann wandelte sich ihr sanfter Ruf in ein gedämpftes Schimpfen, bevor sie wegflog, um für sich selbst zu sorgen. Baldhead setzte seine fieberhafte Beschäftigung mit dem leeren Nistkasten fort und bekam von alldem offenbar nichts mit. Seine Partnerin hieß Monocle, da eines ihrer Augen von einem Rand umgeben war; so sah sie aus, als trüge sie ein Monokel. Es ist schwierig, Baldheads seltsames Verhalten zu beschreiben, das hauptsächlich deshalb seltsam war, weil er so aufgeregt und ganz in Anspruch genommen war. Zuerst blickte er neugierig durch das Einschlupfloch in den Kasten, als erwarte er, dort etwas zu sehen, dann schlüpfte er mit schrillen Nestlingsgeräuschen ins Nest, wo er sich zum Crescendo dringlich klingender Rufe hinaufarbeitete, bevor er plötzlich damit begann, aus dem Kasten hinaus- und wieder hineinzuhüpfen. Dabei wurde er immer schneller, als hinge sein Leben von der Geschwindigkeit der Aktion ab. Gelegentlich hüpfte er mit einem komischen kleinen Ruf auf den Deckel des Kastens, dann ging es wieder in den Kasten hinein. Anschließend wurde das Ganze wiederholt, wenn auch nicht immer im gleichen Muster. Diese frenetische Hast und die dringlich klingenden Rufe waren alles andere als normal. Für das Auge des Vogelbeobachters hatte seine aktuelle Gefährtin, Monocle, weit weniger Liebreiz oder Persönlichkeit als Jane oder Grey. Spürte Baldhead das und wollte er Grey in ihrem alten Nest zurückhaben, oder war er vielleicht unzufrieden damit, in diesem Jahr nur eine Partnerin zu haben? Es ist äußerst ungewöhnlich für Kohlmeisen, bigamistisch zu leben; allerdings sind diese Vögel solche Individualisten, dass das Nisten bei ihnen keinem starren Schema folgt. In der Regel haben sie nur ein Gelege, und das Männchen verhält sich seiner brütenden Partnerin gegenüber aufmerksam. Zudem beteiligt es sich mit Begeisterung am Füttern der Jungen, sogar noch zwei bis drei Wochen nachdem diese flügge geworden sind. Aber auch dieses normale Nistverhalten, das oft als »instinktiv« bezeichnet wird, weist im Detail viele Abweichungen auf: Keine zwei Paare verhalten sich beim Nestbau und bei der Aufzucht der Jungen absolut identisch.

Baldheads hektische Beschäftigung mit Greys Nest hörte meist so plötzlich auf, wie sie begonnen hatte; danach flog er ruhig und gemächlich in die entgegengesetzte Richtung zu Monocles Nest davon. Sein Verhalten war völlig anders als das Verhalten gegenüber seinen beiden Partnerinnen im Vorjahr. Als Jane und Grey gebrütet hatten, hatte er sie unablässig gefüttert, er hatte sie außerhalb des Nests begleitet und die Nistplätze beständig bewacht.

Diese Obsession mit Greys Nest hielt an, bis Monocles Junge geschlüpft waren und er sich hingebungsvoll dem Füttern ihrer acht Sprösslinge widmete. Darüber hinaus adoptierten er und Monocle acht bereits flügge gewordene Junge, die zu einem von seinen und Janes Nachkommen gehörten.

Und das kam so. Ein Vogel von Janes zweiter Brut, Fatty (Dickerchen), war genauso groß und frech wie sein Vater, es machte Freude, ihn zu beobachten. Wie Baldhead blieb auch er das ganze Jahr über in meinem Garten, die Nester der beiden befanden sich auf angrenzendem Terrain. Baldhead war Herr über den Obstgarten, Fatty und ein anderes Kohlmeisenpaar teilten sich den Vorgarten. Hinsichtlich der Grenzen gab es einige Dispute mit vielen Drohgebärden und lautstarkem Gezwitscher. Auch ihre Partnerinnen stritten sich lebhaft, was hin und wieder sogar so weit ging, dass sie mit ineinander verkrallten Füßen auf dem Boden herumrollten. Die Streitigkeiten der Weibchen waren heftig, aber rasch vorüber, während die Männchen es zu genießen schienen, ein anhaltendes Spiel oder eine fantasievolle Kunst daraus zu machen; ihre Auseinandersetzungen dauerten manchmal bis zu drei Stunden.