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»Bio« gilt als Ausweis für besonders gesunde Agrarprodukte. Und wo das Etikett fehlt, wird mindere Qualität unterstellt. Groß- und Massenproduktion ist verpönt, sie gilt zudem als Profitmacherei. Tatsache ist: Weder werden Bio-Bauern von Altruismus getrieben, noch können sie allein die Weltbevölkerung ernähren. Wohin führt die Auffassung »Bio versus industriell betriebene Landwirtschaft«? Lutz Niemczik wendet sich gegen Glaubensbekenntnisse und Verabsolutierung in der Landwirtschaft, er analysiert pragmatisch, was gut und was schlecht ist. Dabei greift er auf eigene Erfahrungen zurück. Im Unterschied zu anderen Kritikern verteufelt er weder das eine, noch lobt er das andere über den grünen Klee. Er macht auf Probleme und Risiken auf allen Feldern aufmerksam. Und nennt auch Alternativen, wie man vernünftig mit der wertvollen Ressource Boden umgeht.
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Seitenzahl: 190
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Impressum
ISBN eBook 978-3-360-50086-1
ISBN Print 978-3-360-02195-3
© 2015 Verlag Das Neue Berlin, Berlin
Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin, unter Verwendung
eines Motivs von picture alliance / Foodcollection
Die Bücher des Verlags Das Neue Berlinerscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de
Lutz Niemczik
Alles Bio!Alles Mist?
Irrwege in der Landwirtschaftund vernünftige Alternativen
DasNeueBerlin
Vom schrägen Bild der Landwirtschaft – Ein Vorwort
Es ist ein sonniger Spätsommerabend. Ich stehe am Rand eines märkischen Dorfes und beobachte, wie ein Traktor mit seiner modernen Drillmaschine über den Acker fährt. Stoisch und schnurgerade zieht er seine Bahnen über das riesige Feld. Wo der Acker fertig bestellt ist, sieht er so schön und glatt aus wie das Gemüsebeet eines ordentlichen Gärtners im Frühjahr. Dabei liegt über dem gesamten Land ein frischer erdiger Duft. Mir geht bei solcher Gelegenheit das Herz auf, und ich weiß wieder, weshalb ich Landwirt geworden bin. Die gleiche Freude empfinde ich beim Anblick einer friedlich weidenden Rinderherde auf einer saftigen Wiese in einer von Baumreihen durchzogenen, weiten Landschaft. Das Beobachten von grasenden Rindern oder Schafen hat geradezu etwas Meditatives. Sie sind doch zu beneiden, diese Bauern bei ihrer Arbeit in und mit der Natur.
Das klingt, als wollte ich Werbung machen für den Beruf des Landwirts. Gern würde ich das tun, doch der innere Zwang zur Ehrlichkeit drängt mich dazu, auch über die Kehrseite der Medaille zu sprechen. Und dann beginnt sie doch ziemlich schnell zu bröckeln, die Idylle. Die Landwirtschaft speziell im Osten Deutschlands hat in den vergangenen Jahrzehnten so einiges an Höhen und Tiefen mitmachen müssen: Vom »Sozialistischen Frühling« bis zum kapitalistischen Herbst mit den mehrere zehntausend Hektar bewirtschaftenden »landwirtschaftlichen« Aktiengesellschaften. Dabei spielten und spielen ökonomische Zwänge genauso eine Rolle wie die politischen Verhältnisse.
Beim Beobachten komme ich auch immer wieder an den Punkt, an dem es um die Frage nach dem Sinn des Ganzen geht: Sind wir Landwirte nun die Ernährer des Volkes und damit zuständig für die Schaffung der Grundvoraussetzung unseres Wohlstandes? Oder werden die Nahrungsgrundlagen für unser Volk schon längst anderswo in der Welt produziert? Sind wir deutschen Landwirte nur noch die größten Umweltzerstörer, deren frevelhaftes Tun obendrein mit Unsummen aus dem Brüsseler Finanztopf finanziert wird? Wäre es somit nicht längst an der Zeit, auf ökologischen Anbau umzustellen und gleichzeitig die ethischen Fragen zur Tierhaltung im Blick zu behalten?
Wo liegt sie also, die Zukunft unserer Landwirtschaft?
Bei der Lösungssuche gilt es, sowohl die inhaltliche Ausrichtung als auch die strukturelle Gestaltung zu bedenken. Im Osten und im Westen der Bundesrepublik herrschen hierbei immense Unterschiede in den Voraussetzungen vor: Durch die mehr oder weniger freiwillige Kollektivierung und die Enteignung landwirtschaftlicher Betriebe erfuhren die Eigentumsverhältnisse in der DDR einen grundlegenden Wandel, während die Entwicklung in den alten Bundesländern recht geradlinig verlief.
Im Folgenden möchte ich versuchen, einige der angesprochenen Konfliktfelder näher zu betrachten und kritisch Stellung zu beziehen – als Landwirt und als Mensch.
ENTWICKLUNG
Strukturwandel im Osten
Bevor im Jahre 1946 auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone die Bodenreform durchgeführt wurde, hatte es in der Betriebsgröße zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands kaum deutliche Unterschiede gegeben. Abgesehen davon, dass sich im Osten weit mehr und meist größere Flächen im Besitz von adligen Grundbesitzern statt von Bauern befanden. Die durchschnittliche Betriebsgröße lag bei wenigen Hektar.
Die Bodenreform führte nun durch die Aufsiedlung der großen Güter zunächst zu einer Verringerung der durchschnittlichen Betriebsgröße auf dem Gebiet der DDR. In den frühen fünfziger Jahren setzte hier der Trend zur Genossenschaftsbildung ein, sowohl den politischen als auch den wirtschaftlichen Zwängen geschuldet. Im Jahre 1960 wurde unter großem staatlichen Druck die nahezu hundertprozentige Kollektivierung der Flächen durchgesetzt. Die durchschnittliche Betriebsgröße stieg deutlich und lag nun bei einigen hundert Hektar.
Zweifellos war die Art und Weise der Durchsetzung des sogenannten »Sozialistischen Frühlings« in der DDR als Akt der staatlichen Willkür zu werten. Aber es wurden auf diese Weise Strukturen geschaffen, die besser an die sich ebenfalls vergrößernden Strukturen in der Industrie angepasst waren. Weitere Flächen ermöglichten eine bessere Technisierung der landwirtschaftlichen Produktion und führten so zur Freisetzung von Arbeitskräften, die an anderer Stelle der Volkswirtschaft gebraucht wurden. Dass man aber allein durch größere Felder nicht zu höheren Erträgen kommt, war auch schon in der Sowjetunion erkannt worden. Es waren dazu noch andere materielle und technische Voraussetzungen zu schaffen.
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