Als Braut musst du doch glücklich sein - Charlotte Berg - E-Book

Als Braut musst du doch glücklich sein E-Book

Charlotte Berg

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Über Schloß Renzau ging die Sonne so strahlend auf, als freue sie sich auf diesen Tag ganz besonders. In einem der kleinen Salons des linken Schloßflügels hatte man jedoch noch gar nicht bemerkt, daß es Tag geworden war. Die hohen Südfenster wehrten mit schweren roten Samtvorhängen jedes Licht von außen ab. Drinnen brannte nicht der funkelnde Lüster, der unter der stuckverzierten Decke hing, sondern eine aus Messing gegossene Stehlampe. An der grünbezogenen Tischplatte saßen zwei Männer. Ihre Gesichter waren angespannt und von einer schlaflosen Nacht gezeichnet, ganz im Gegensatz zu ihren überwachen Augen, die das Spielfieber lebhaft glänzen ließ. Drei weitere Herren hatten sich vom Spiel zurückgezogen. Sie standen in nächster Nähe des Spieltisches und schauten wie gebannt abwechselnd auf die Gesichter der beiden Spieler und auf die Chips, die mitten auf dem Tisch zu einem beachtlichen Hügel aufgehäuft lagen. Es war so still, daß man jeden Atemzug zu vernehmen glaubte. »Geben Sie auf, Enno«, sagte Graf Marbert. »Die Partie ist für Sie verloren. Glauben Sie, ich würde so hoch reizen, wenn ich nicht ein sicheres Blatt hätte?« Graf Aiching kräuselte die Lippen. »Ihre Karten mögen gut sein, aber nicht gut genug für mich«, erwiderte er. »Ich erhöhe um fünftausend und will Ihre Karten sehen.« Damit warf der junge Graf fünf von seinen Chips zu den übrigen in der Tischmitte und hob herausfordernd das Kinn. Die anderen hielten den Atem an. Wie weit würden diese beiden Kampfhähne das Spiel noch treiben?

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Fürstenkrone – 255 –

Als Braut musst du doch glücklich sein

Unveröffentlichter Roman

Charlotte Berg

Über Schloß Renzau ging die Sonne so strahlend auf, als freue sie sich auf diesen Tag ganz besonders.

In einem der kleinen Salons des linken Schloßflügels hatte man jedoch noch gar nicht bemerkt, daß es Tag geworden war.

Die hohen Südfenster wehrten mit schweren roten Samtvorhängen jedes Licht von außen ab.

Drinnen brannte nicht der funkelnde Lüster, der unter der stuckverzierten Decke hing, sondern eine aus Messing gegossene Stehlampe.

An der grünbezogenen Tischplatte saßen zwei Männer. Ihre Gesichter waren angespannt und von einer schlaflosen Nacht gezeichnet, ganz im Gegensatz zu ihren überwachen Augen, die das Spielfieber lebhaft glänzen ließ.

Drei weitere Herren hatten sich vom Spiel zurückgezogen. Sie standen in nächster Nähe des Spieltisches und schauten wie gebannt abwechselnd auf die Gesichter der beiden Spieler und auf die Chips, die mitten auf dem Tisch zu einem beachtlichen Hügel aufgehäuft lagen.

Es war so still, daß man jeden Atemzug zu vernehmen glaubte.

»Geben Sie auf, Enno«, sagte Graf Marbert. »Die Partie ist für Sie verloren. Glauben Sie, ich würde so hoch reizen, wenn ich nicht ein sicheres Blatt hätte?«

Graf Aiching kräuselte die Lippen.

»Ihre Karten mögen gut sein, aber nicht gut genug für mich«, erwiderte er. »Ich erhöhe um fünftausend und will Ihre Karten sehen.«

Damit warf der junge Graf fünf von seinen Chips zu den übrigen in der Tischmitte und hob herausfordernd das Kinn.

Die anderen hielten den Atem an. Wie weit würden diese beiden Kampfhähne das Spiel noch treiben? Auf dem Tisch lag so viel Geld, daß man ein ausgedehntes Waldgebiet dafür kaufen konnte.

»Meine Karten sehen?«

Graf Marbert lächelte, warf einen abschätzenden Blick auf die angesammelten Chips.

»Hm…«, machte er und strich sich nachdenklich über das Kinn. »Vielleicht…«

Er zog eine Platinuhr mit brillantbesetztem Deckel aus der kleinen Tasche seiner Frackhose und ließ sie mit spielerischer Grazie aufklappen.

»Ich bin um zehn Uhr zu einem Sektfrühstück verabredet«, sagte er zu sich selbst. »Heimfahrt, ein ausgiebiges Bad, Anfahrt…, das macht etwa neunzig Minuten…« Er nickte. »Ja, wir sollten abbrechen. Ich hasse es, mich nach einer erfolgreichen Nacht abhetzen zu müssen.«

Er ließ den Deckel seiner Frackuhr wieder zuschnappen und schob sie in die kleine Tasche zurück. Dann hob er den Kopf und schaute sein Gegenüber abschätzend an.

»Sie wollen also meine Karten sehen, mein lieber Aiching?«

Er schmunzelte, ließ die Karten, die er in der linken Hand hielt, durch einen gekonnten Daumenstrich zu einem Fächer aufblühen.

»Voilà!«

Er ließ den Kartenfächer langsam – betont langsam – auf den Tisch gleiten.

»Na?« fragte er. »Wie sieht es aus? Wer von uns beiden hat nun gepokert?«

Enno von Aiching wurde so blaß, daß man glauben konnte, er habe kein Blut mehr in den Adern. Er starrte auf die Karten seines Gegenübers.

Narrte ihn seine Müdigkeit? Oder lagen da tatsächlich drei Könige?

»Das… Das ist doch nicht möglich!« ächzte er tonlos. »Das gibt’s doch gar nicht!«

Seine linke Hand sank schwer auf den Tisch, und ihr entfielen drei Damen.

»Drei Damen!«

Graf Marbert nickte. »Ganz beachtlich! Aber eben für meine drei Könige nicht gut genug.«

Er zuckte die Schultern.

»Wie konnte Ihnen das nur passieren? Sie wissen doch, daß ich ein schlechter Spieler bin. Wenn ich hoch reize, habe ich auch ein gutes Blatt.«

Er erhob sich.

»Nehmen Sie es nicht so tragisch, mein Bester. Ich gebe Ihnen selbstverständlich Revanche.«

Enno war so verstört, daß er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Er hatte fast alles verspielt, was er für den letzten Wechsel bekommen hatte.

Dabei war er so sicher gewesen, dieses Spiel zu gewinnen. Mit dem Berg Geld, der hier auf dem grünen Tisch lag, hätte er seine dringendsten Schulden bezahlen können.

Und jetzt?

Er würde neue Schulden machen müssen, um die Revanche wahrnehmen zu können. Aber was blieb ihm anderes übrig?

Das Spiel war seine einzige Möglichkeit zu Geld zu kommen.

Er nickte nur und erhob sich schwerfällig, wandte dem Spieltisch den Rücken zu und nahm an der kleinen Bar eine Whiskyflasche zur Hand. Er goß ein Glas halbvoll und trank es in einem Zug aus.

Als Graf Enno das Glas absetzte, legte sich ihm eine Hand auf den Arm.

»Sie sollten jetzt nicht den Kopf verlieren, Aiching«, sagte Graf Carmass. »Überschlafen Sie die Angelegenheit. Die Welt geht nicht unter, nur weil man beim Spiel mal hoch verloren hat.«

Enno von Aiching streifte den anderen mit einem seltsamen Blick, als wollte er sagen: Was verstehst denn du schon vom Spiel? Du bist doch ein blutiger Anfänger. Wahrscheinlich wirst du nie ein richtiger Spieler werden.

Graf Carmass schien ihn zu verstehen. Er lächelte.

»Es war eine amüsante Nacht. Danke für Ihre Einladung. Und verzeihen Sie mir, wenn ich kein ebenbürtiger Partner war.«

Er zuckte die Schultern.

»Ich gestehe, mir fehlt die Leidenschaft, die zum wirklichen Spiel gehört. Dafür war Ihnen Graf Marbert ein sehr kompetenter Gegner. Wenn Sie gestatten, werde ich mich jetzt zurückziehen.«

Graf Enno erwiderte nichts, sondern läutete nur nach seinem Diener.

*

Johst erschien augenblicklich. Seine Miene war wie immer betont würdevoll, und obgleich auch er die ganze Nacht nicht zur Ruhe gekommen war, merkte man ihm nichts an. Er ging sehr aufrecht und deutete eine Verbeugung an.

»Herr Graf haben geläutet?«

Er näselte ein wenig, weil er zu enge Nasenflügel hatte. Aber dieses Näseln gab ihm genau die Nuance von Arroganz, die ihm als dem ersten unter den Bediensteten des Schlosses den erforderlichen Respekt der übrigen Angestellten verschaffte.

»Graf Carmass möchte gehen«, sagte der Schloßherr.

Johst verneigte sich vor dem Besucher und geleitete ihn hinaus.

Graf Enno kippte einen weiteren Whisky in sich hinein, pur, damit dieses elende Gefühl in der Magengegend verschwand. Dann setzte er das Glas hart ab und wandte sich dem Spieltisch wieder zu.

Graf Marbert schaute den beiden übrigen Herren zu, wie sie die Chips ordneten und die Stapel in einer Reihe aufstellten, so daß man sie leicht zählen konnte.

Als Graf Marbert die Summe genannt bekam, wiegte er den Kopf.

»Glück im Spiel und in der Liebe ist beinahe mehr, als ein Mann erleben sollte«, sagte er. »Aber wenn ich mich jetzt nicht spute, wird die schönste aller Frauen auf mich warten müssen. Und das wäre unverzeihlich.«

Er nickte den beiden zu und trat auf Graf Enno zu.

»Ich freue mich auf die Revanche, mein lieber Aiching«, sagte er. »Sie sind ein interessanter Gegner.«

Enno hatte Mühe, die Formen der Höflichkeit nicht zu verletzen. Er wollte nach Johst läuten, doch Graf Marbert winkte ab.

»Lassen Sie nur, ich finde allein zu meinem Wagen.«

Graf Watzdorf und Baron Tessach warteten ab, bis Graf Marbert den Raum verlassen hatten, dann wandten sie sich an Enno.

»Wenn Sie das Ergebnis bitte überprüfen würden?« bat Graf Watzdorf. »Und hier ist Ihre Unterschrift noch erforderlich.«

Er schob Enno ein Quittungsformular zu. Enno kehrte an den Spieltisch zurück.

An seinem Platz lagen noch immer die drei aufgedeckten Damen und auf der anderen Seite die drei Könige, die ihn um ein Vermögen gebracht hatten.

Er starrte auf das kleine Stück Papier, mit dem er den Spielgewinn anerkennen sollte. Die Buchstaben und Zahlen tanzten wie winzige, boshafte Teufel vor seinen Augen auf und ab.

»Ob hier alles mit rechten Dingen zugegangen ist?« stöhnte er.

Graf Watzdorf und Baron Tessach sahen sich bestürzt an.

»Sie zweifeln doch nicht etwa an der Ehrenhaftigkeit des Grafen Marbert?« fragte Baron Tessach.

Enno räusperte sich.

»Natürlich nicht«, knurrte er, griff nach dem silbernen Kugelschreiber und setzte seinen Namen in großen steilen Buchstaben unter das ihm zugeschobene Schriftstück.

Graf Watzdorf, der die Bank hielt, sammelte die Chips sorgfältig ein und verwahrte sie in einem eleganten Krokoköfferchen, von dessen zahlengesicherten Schlössern nur er selbst den Code kannte.

Enno läutete noch einmal nach dem Diener und verabschiedete die beiden Herren.

Dann war es plötzlich still in dem kleinen Salon, so still, daß Enno seinen eigenen Herzschlag zu hören glaubte. Seine Hände begannen zu zittern. Sie streckten sich nach den drei Damen aus und zerfetzten eine Karte nach der anderen, als trügen sie die Schuld an seinem Unglück. Danach verließ er beinahe fluchtartig den Salon. Er lief den Gang hinunter, bis er die Schloßhalle erreicht hatte, und stürmte die breite, geschwungene Marmortreppe hinauf zu seinen Räumen.

Als er sein Schlafgemach erreicht hatte, warf er sich auf sein Bett und krallte die Finger in das Leopardenfell der kostbaren Decke.

Wenn nicht ein Wunder geschieht, bin ich verloren! dachte er. Warum nur läßt mich das Glück jetzt schon so lange im Stich? Hatte ich nicht früher viel mehr Fortüne?

Wieso hat ausgerechnet Marbert die besseren Karten gehabt und alles gewonnen? Er schwimmt doch ohnedies im Geld.

Und woher soll ich das Geld bekommen, das ich für die Revanche unbedingt brauche? – An die fälligen Zinsen darf ich überhaupt nicht denken!

Er stöhnte und barg das Gesicht in dem seidigen Fell der Decke.

*

Nach einem Bad fühlte Enno von Aiching, daß seine Lebensgeister allmählich wieder erwachten.

Als er seiner Mutter seine Aufwartung machte, konnte er schon wieder lächeln.

»Ein herrlicher Morgen, nicht wahr, Mama?«

Er beugte sich formvollendet über ihre Hand, diese schmale, durchscheinende Aristokratenhand, die nie mit etwas anderem beschäftigt gewesen war, als Blumen zu arrangieren und kostbaren Schmuck zu tragen.

»Ein Morgen mit kleinen Schönheitsfehlern«, erwiderte die Gräfin und bat ihren Sohn, sich zu ihr zu setzen. »Du hast wieder gespielt?«

Sie sah ihn nicht an, während sie ihn das fragte, trotzdem hatte Enno das Gefühl, sie konnte ihm bis ins Innerste seiner Seele schauen.

»Ein wenig – zum Zeitvertreib«, antwortete er.

»Und du hast verloren?«

Gräfin Adelaida zeigte andeutungsweise auf das goldene Zigarettenkästchen, um ihren Sohn aufzufordern, ihr eben diese Zigaretten anzubieten.

Enno übersah den Wink nicht und bediente sie aufmerksam. Er vergötterte seine immer noch schöne Mutter, wie es einst sein Vater getan hatte.

»Du hast verloren?« fragte die Gräfin noch einmal, diesmal nachdrücklicher, so daß Enno ihr nicht mehr ausweichen konnte.

»Na ja«, seufzte er. »Ich kann nicht immer Glück im Spiel haben.«

Die Gräfin zog nachdenklich an ihrer Zigarette und blies den Rauch auf die überlange goldene Zigarettenspitze.

»Wer Pech im Spiel hat, braucht Glück in der Liebe«, bemerkte sie und rollte die Zigarettenspitze verspielt zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her.

Enno runzelte die Stirn.

»Wie meinst du das? – Glück in der Liebe? Du weißt doch, daß neben dir keine Frau bestehen kann. Befürchtest du immer noch, ich könnte dich zur Schwiegermutter machen?«

Die Gräfin kräuselte die Lippen.

»Mein Lieber, ich denke, es ist nun bald der Zeitpunkt gekommen, wo uns keine andere Wahl bleibt, als dich zu verehelichen.«

Enno schluckte.

»Als… mich zu… verehelichen?« fragte er tonlos und fuhr sich über das Schläfenhaar. »Ja weißt du… um ganz ehrlich zu sein… daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht. Ich fühle mich noch viel zu jung für die Ehe. Und überhaupt… Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen, hier im Schloß mit einer anderen Frau zu leben als mit dir, Mama.«

Gräfin Adelaida legte ihre Zigarettenspitze mit einer ungehaltenen Geste in einem Aschenbecher ab.

»Seit dein Vater uns verlassen hat, ist es mit dem Besitz ziemlich bergab gegangen!« erwiderte sie ungewöhnlich heftig. »Willst du es soweit kommen lassen, daß man uns von Renzau verjagt? Könntest du es verantworten, mich in eine dieser Mietskasernen zu pferchen?«

Sie betrachtete ihre linke Hand und vor allem den kostbaren Ring, der an ihrem Mittelfinger steckte.

»Willst du es soweit bringen, daß mir jede Freude am Leben genommen wird? Bist du nicht für mich verantwortlich, seit Vater so rücksichtslos war, uns viel zu früh zu verlassen?«

Enno räusperte sich und rückte die Revers seines eleganten Sportanzugs zurecht. Eine Antwort wußte er nicht.

Er dachte nur daran, daß sie aus einem völlig verarmten italienischen Adelsgeschlecht stammte und erst gelernt hatte, Ansprüche zu stellen, nachdem der alternde Graf Aiching sie als zweite Frau nach Renzau geholt hatte. Er hatte sie vergöttert und ihr, als sie ihm auch noch einen Sohn und Erben schenkte, jeden Wunsch von den Augen abgelesen.

Die Gräfin schien dasselbe zu denken, denn sie sagte in seine Gedanken hinein: »Ich könnte nie wieder zurück. Lieber würde ich sterben. Ein Leben voller Entbehrungen ist schlimmer als der Tod, glaube es mir.«

»Vielleicht«, nickte Enno.

»Du wirst mir das nicht antun, nachdem du den gesamten Besitz verspielt hast!«

Das war keine Bitte mehr, sondern eine nachdrückliche Forderung.

Enno hob den Kopf und preßte die Lippen trotzig aufeinander.

»Ich könnte mich nicht erinnern, daß du in deinen Ausgaben jemals bescheiden gewesen wärst!« erwiderte er aggressiv.

Gräfin Adelaida erhob sich.

»Lassen wir diese alberne Aufrechnung«, sagte sie in einer so spröden Art, als habe sie vergessen, daß sie mit ihrem Sohn sprach. »Dein Vater hat dich verpflichtet, mich standesgemäß zu unterhalten. Ich habe Ansprüche. Und ich werde dafür sorgen, daß du diese Ansprüche erfüllst.«

Enno traten die Augen aus dem Kopf. Hatte sich denn alles gegen ihn verschworen? In einer solchen Art hatte seine Mutter noch nie mit ihm gesprochen. Wieso gerade an diesem Morgen?

»Ich habe mich umgehört, und ich habe ein passendes Objekt gefunden«, fuhr die Gräfin fort. »Keine Schönheit, kein Adel, aber ein Vermögen, das sich sehen lassen kann. Außerdem ist sie die einzige Tochter. Sie wird also nicht nur eine beachtliche Mitgift bekommen, sondern eines Tages – vielleicht schon bald…«

Sie unterbrach sich und spielte wieder mit dem Ring an ihrer linken Hand.

»Du wirst sie heiraten und deiner Sorgen enthoben sein. Ich werde dafür sorgen, daß sie dich in deiner freien Entfaltung nicht allzusehr behindert. So tun wir beide etwas dazu, daß uns Renzau nicht verlorengeht.«

»Ich bin sprachlos«, stöhnte Enno. »Ich hätte dir eine solche Entscheidungskraft überhaupt nicht zugetraut. Ich hatte eher den Eindruck, du würdest dich treiben lassen.«

Die Gräfin lachte leise auf.

»Ich habe niemals etwas dem Zufall überlassen«, entgegnete sie. »Und wenn du es unbedingt hören willst, dein Vater glaubte zwar, unsere Begegnung sei zufällig und vom Schicksal bestimmt gewesen, doch dieses Schicksal war von mir genau vorausgeplant gewesen.«

Sie lächelte in Erinnerung an ihren Sieg.

»Dein Vater war ganz sicher nicht meine große Liebe, dazu war der Altersunterschied zu groß. Aber ich wollte ihn trotzdem. Und was wäre verwerflich daran gewesen? Er hat sich mit seinem Vermögen meine Jugend erkauft und das Glück seiner letzten Jahre. Warum also hätte ich mich nicht auf dieses Geschäft einlassen sollen, da wir doch beide unseren Vorteil davon hatten?«

»Mama?« Enno schüttelte fassungslos den Kopf. »Du bist ja nicht wiederzuerkennen!«

Die Gräfin lachte leise auf.

»Ist es meine Schuld, daß du mich bis heute nicht so gesehen hast, wie ich bin?«

Sie zuckte die Schultern. »Ich hätte dir diese Illusion ja gern erhalten, aber dein Leichtsinn hat uns in eine Situation gebracht, in der man sich Sentimentalitäten nicht mehr leisten sollte.«

Sie reckte sich noch ein wenig auf.

»Also, es bleibt dabei, du wirst heiraten!« schloß sie energisch.

Enno barg das Gesicht in den Händen.

»Was für ein Tag!« stöhnte er.

»Du könntest natürlich versuchen, dich meinem Vorschlag zu widersetzen«, sagte die Gräfin. »Aber dadurch würdest du mich zu deiner erbittertsten Feindin machen.«

Enno riß die Hände vom Gesicht und starrte seine Mutter entsetzt an.

»Aber… Mama…?« flüsterte er tonlos. Er hatte das Gefühl, einen Alptraum zu erleben.

In den Augen der Gräfin war ein Glitzern, das er bisher nie bemerkt hatte. Sie fing seinen Blick auf und hielt ihn fest.

»Ich kann dir versichern, ich komme zu meinem Recht! Ich habe bisher noch immer erreicht, was ich erreichen wollte.«

Sie wandte sich halb ab und ging ein paar Schritte auf die Tür ihres Schlafzimmers zu.

»Es wird Zeit für mich, eine passende Garderobe auszuwählen. Und du tätest gut daran, dich ebenfalls für diesen Empfang herzurichten.«

»Empfang?« fragte Enno begriffsstutzig. »Für welchen Empfang?«

»Ich habe deinen zukünftigen Schwiegervater zu einer Unterredung gebeten«, eröffnete ihm die Gräfin.

Enno stockte der Atem.

»Meinen… meinen…«

Er brachte das Wort nicht über seine Lippen. Die Gräfin kräuselte die Lippen zu einem spöttischen Lächeln.

»Natürlich ahnt er nicht, was ich von ihm will. Ich habe ihn in dem Glauben gelassen, es handele sich um Geschäfte. – Übrigens, habe ich noch einen zweiten Bewerber in die engere Wahl genommen.«

Enno war überwältigt. Er wußte nicht, ob er seine Mutter für diese Tatkraft bewundern oder hassen sollte. Nur eines war ihm nach dieser Unterredung klargeworden: Er würde von nun an nicht mehr den Kopf in den Sand stecken und auf ein Wunder hoffen können. Seine Mutter zwang ihn, den Tatsachen ins Auge zu blicken und entsprechend zu handeln.

*

Herrmann Fortner fuhr in einem Rolls-Royce vor – das heißt, er ließ sich von einem livrierten Chauffeur fahren, denn er achtete sehr darauf, standesgemäß aufzutreten.

Wie sonst hätte er auch in der Öffentlichkeit demonstrieren können, daß seine Geschäfte ihn in den letzten Jahren zu einem der reichsten Männer gemacht hatten!