Als der Wanderfalke floh - Gudrun Leyendecker - E-Book

Als der Wanderfalke floh E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Abigail Mühlberg, die als Journalistin in St. Augustine arbeitet und im Schloss des Malers Moro Rossini wohnt, erhält den Auftrag, nach den verschollenen Bildern des Malers Karl Pinetree zu suchen, der vor dem 2. Weltkrieg künstlerisch tätig war. Seine Bilder galten als "Entartete Kunst" und wurden vernichtet. Doch es gibt Anhaltspunkte für ein paar Bilder, die vorher gerettet wurden. Bei der Suche nach den Gemälden wird Abigail von zwei Brüdern unterstützt, die in einen unaufgeklärten Mordfall verwickelt sind. Eine abenteuerliche Reise in die Bergwelt Norditaliens beginnt.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapiel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

1. Kapitel

Der Frühling hatte Einzug gehalten in dem kleinen, historischen Ort Sankt Augustine, der mir während meiner Arbeit im letzten Jahr schon zur zweiten Heimat geworden war. Überall leuchtete mir aus den Vorgärten das frische Grün der jungen Blätter und Gräser entgegen, der Duft einiger blühender Büsche strömte süß und ein wenig betäubend in der milden Luft. Die immer wiederkehrenden Frühlingsboten für die Sinne spendeten mit ihrer Farbenvielfalt und intensiven Düften eine schwingende und heitere Atmosphäre.

Dagegen fand ich weit weniger erbaulich, was aktuell vor mir lag.

Mein Chef, Jens Wieland, Meister der langatmigen Sprache voller Umständlichkeit und oft unangebrachter diplomatischer Verwirrspiele, erwartete mich zu einem Gespräch im historischen Gasthof „Zur Traube“, der sich im Ortskern des mittelalterlichen Ortes Sankt Augustine befand.

In der Gaststube begrüßte mich Frau Bühler, die Inhaberin der „Traube“ persönlich, sie erkundigte sich nach meinem Befinden und führte mich zu dem kleinen Tisch in der Nische, an dem ich schon oft gesessen und so manches erlebt hatte.

„Wie war es in Italien?“ erkundigte sie sich. „Stimmt es, dass Sie sich dort mit Ihrem Freund Rolf verlobt haben?“

Ich nickte lächelnd. „Keine andere Stadt eignet sich so gut dafür wie Venedig.“ Ich hielt ihr meine linke Hand entgegen und zeigte ihr den schmalen Goldreif mit dem leuchtenden Stein.

Sie bestaunte den Verlobungsring. „Der ist wirklich wunderschön! Ich hatte es auch erwartet, Sie passen doch so gut zueinander, und könnten eigentlich auch zusammenarbeiten. Ihr Verlobter ist Fotograf, Sie schreiben, da sind doch einige gemeinsame Projekte möglich. Vermutlich haben Sie aber mit Ihrer Arbeit für Ihren Chef, dem Verleger, genug zu tun“, vermutete sie.

„Im Augenblick ja. Kaum habe ich einen Auftrag beendet, findet er schon wieder eine neue Aufgabe für mich“, bestätigte ich ihr.

„Aber ich hoffe, Sie hatten ein paar schöne Tage in Venedig, Abigail. Ich war selbst einmal dort, und mir hat es sehr gut gefallen. Diese vielen Kunstschätze, man kann sich nicht genug satt daran sehen.“

„Venedig war ein Traum, die Atmosphäre, die die Serenissima ausstrahlt, ist allein schon eine Reise wert, ganz zu schweigen von den Kirchen und Museen, den Brückchen und Plätzen. Der Abschied ist uns schon sehr schwergefallen.“

Frau Bühler lächelte verständnisvoll. „Es ist ein Trost, dass Sankt Augustine auch ein hübsches Städtchen ist. Und seit es jetzt im Schloss des italienischen Malers Moro Rossini und seiner Frau Adelaide das neue Museum gibt, in dem man kulturelle Schätze aus Vergangenheit und Neuzeit besichtigen kann, wird unser Ort richtig berühmt. Und Sie haben ja dazu auch einiges beigetragen, Abigail.“

„Ich bin selbst sehr froh, dass wir nun wenigstens ein paar schriftstellerische Werke von Andreas Konstantin und Benjamin Wohlfarth finden konnten, so können wir wenigstens ihr Andenken ehren. Leider fehlt uns immer noch irgendein Werk des Malers Karl Anton, alias Karl Pinetree. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, und werde noch einmal einen Aufruf in Sankt Augustine starten.“

„Hängt damit denn Ihre neue Aufgabe zusammen?“ Frau Bühler rückte die Blumenvase mittig auf den Tisch. Der Duft der frischen Frühlingsblüten drang in meine Nase.

„Ich kenne meine neue Aufgabe noch gar nicht. Herr Wieland wird gleich da sein und meine Neugier befriedigen. Ich hoffe, er hat diesmal eine Recherche, die mich mehr zufriedenstellt, als die letzte.“

Frau Bühler schüttelte den Kopf. „Sie haben doch wirklich ihr Möglichstes getan, Abigail. Sie können nichts dafür, dass dieser hässliche Krieg so viel zerstört hat. Und Sie können auch weder etwas dafür, dass die Nazis vor dem Krieg den Begriff „Entartete Kunst“ erfunden haben, noch dass die Bücher von Konstantin und Wohlfarth zum großen Teil vernichtet wurden. Gott sei Dank ist Ihnen dann die Idee mit dem Pseudonym gekommen, sonst hätten wir wohl gar keine Bücher mehr von den beiden Schriftstellern. Ich finde, unser kleines Museum kann sich schon sehen lassen. Sehr anschaulich finde ich auch die alten Maschinen aus der Druckerei. Es ist erstaunlich, dass sie noch so gut erhalten sind. Und was für ein Unterschied! Wenn man sich einmal vorstellt, wie die Bücher noch vor dem Krieg, ja zum Teil auch noch danach, hergestellt wurden. Und heute? Heute geht alles wie am Fließband. Ich habe mir einmal die neuen Maschinen in einem Verlag angesehen. Das geht heute wie am Schnürchen, und vollautomatisch.“

Die Gaststubentür öffnete sich und Jens Wieland trat herein. Rasch hatte er mich entdeckt und steuerte auf meinen Tisch zu. Er begrüßte zuerst sehr höflich Frau Bühler, reichte mir danach kurz die Hand und setzte sich neben mich.

Nachdem er für sich einen Kaffee und für mich eine Tasse heiße Schokolade bestellt hatte, sah er mich ernst an. „Bei der neuen Aufgabe, die ich für Sie habe, Abigail, kommt es auf sehr viel Fingerspitzengefühl an, auf sehr viel Feingefühl.“

Ich sah ihn fragend an. „Bisher konnten Sie sich nicht beklagen, oder?“

Er überhörte meine Frage. „Sehr viel Taktgefühl werden Sie brauchen. Wir haben nämlich wieder einmal Gäste in Sankt Augustine. Wie Sie wissen, gab es vor dem Krieg hier im Ort die Druckerei, die dem Herrn Kasimir gehörte. Seine Nachfahren haben uns netterweise auch alle Maschinen der alten Druckerei für das Museum gestiftet. Auf unseren Aufruf im Zusammenhang mit den Recherchen nach den verschollenen Schriftstellern Konstantin und Wohlfarth, deren Werke ja nachweislich bei Herrn Kasimir gedruckt wurden, haben sich nun die Nachfahren des Schriftsetzers gemeldet, der vor dem Krieg bei Herrn Kasimir gearbeitet hat. Es sind wohl die Urenkel des damaligen Schriftsetzers, sie heißen Michael und Alexander Mendig.“

Ich notierte mir die beiden Namen. „Und weshalb brauche ich mehr Taktgefühl als für jeden anderen Menschen? Sind sie krank oder behindert?“

„Es sind übrigens Zwillinge“, teilte er mir mit. „Sehr unterschiedliche Zwillinge, die den Kontakt, wenn es eben geht, zueinander meiden. Sie sind nicht mehr ganz jung, so um die 60 herum. Aber das sollte Sie ja nicht stören, da Sie ja gewohnt sind, mit dem 80-jährigen Maler Moro Rossini im Schloss zu kooperieren.“

„Warum brauche ich also mehr Taktgefühl?“ wiederholte ich mich.

Er druckste weiter herum. „Also, an den Berufen liegt es bestimmt nicht. Michael Mendig ist Verleger, hat aber früher selbst einmal das Buchbinderhandwerk gelernt. Sein Bruder Alexander hat einmal Psychologie studiert und ist später Schriftsteller geworden. Sie haben also im großen Ganzen keine außergewöhnlichen Berufe.“

Ich sah ihn an, meine Stimme klang leicht ungeduldig. „Lieber Herr Wieland, ich kenne Sie doch sonst immer als Chef, der sofort zur Sache kommt, und sich nicht scheut, mir auch die unangenehmen Wahrheiten direkt mitzuteilen. Irgendetwas ist doch an der ganzen Sache faul, ich merke es Ihnen doch an. Was gibt es denn Besonderes an diesen beiden Herren?“

„Also, wenn Sie sie besuchen und interviewen, haben Sie einen doppelten Weg. Michael, der Verleger wohnt auf dem Gutshof in einem Fremdenzimmer bei Jasmin und Senta Schirmer. Dagegen wohnt Alexander Mendig im Rosenturm, dem Gästehaus von Sankt Augustine. Wie gesagt, beide sprechen nicht sehr gern und nicht sehr oft miteinander, weil sie eine dunkle Geschichte miteinander verbindet. Sie liegt allerdings schon ein paar Jahre zurück und ist von vielen längst vergessen. Aber damals stand es in allen Zeitungen: Es ging um Melinda, die damals Alexanders Freundin gewesen ist. Man erzählte sich, dass sich auch Michael für sie interessierte. Beide waren wohl verliebt in sie. Und eines Tages war Melinda verschwunden, erst viel später fand man sie tot im Wald, sie war ermordet worden. Beide, Michael und Alexander wurden verdächtigt, aber keinem von beiden konnte man etwas nachweisen.“

Einen Moment lang war ich sprachlos, dann siegte die Neugier. „Was ist denn genau passiert?“

„Sie wurde erschossen, aber eine Waffe wurde nie gefunden. Dieser ganze Fall war damals sehr mysteriös. Die Menschen um die beiden herum spalteten sich in zwei Parteien. Die einen glaubten, Michael sei der Mörder, die anderen verdächtigten Alexander. Am Ende aber hatten beide einen sehr guten Anwalt, und die Brüder wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Zum Zeitpunkt der Tat lebten sie hier im Nachbarort, in Sankt Wittentine, aber nach ihrer Anklage und dem Freispruch zogen sie weit fort, nicht nur weit von hier entfernt, sondern auch weit voneinander.“

Ich nickte leicht mit dem Kopf. „Jetzt kann ich mir wenigstens denken, warum Sie ständig von Feingefühl sprechen. Sie möchten, dass ich mit diesen beiden Herren nur über das spreche, was sie von ihrem Urgroßvater wissen. Aber hätte man den beiden dann nicht einfach nur schreiben können? Weshalb dann ein Interview? Und weshalb müssen sie hier unbedingt in Sankt Augustine sein?“

„Sehen Sie! Das ist es ja gerade, Abigail. Michael und Alexander Mendig hatten selbst den Wunsch hierher zurückzukehren, um sich an ihren Urgroßvater zu erinnern. Sie hatten ihn als Kinder oft besucht, und möchten sich mit Ihnen gern unterhalten, auch über die beiden Schriftsteller Konstantin und Wohlfarth.“

Ich sah ihn verständnislos an. „Aber wenn doch hier im Nachbarort all diese schlimmen Dinge geschehen sind, werden sie doch bestimmt auch daran wieder erinnert.“

Frau Bühler servierte uns Kaffee und Kakao.

Jens Wieland seufzte. „Als ich mit den beiden sprach, wurde ich das komische Gefühl nicht los, dass die beiden diese Gelegenheit nutzen wollten, auch einander einmal wieder etwas näher zu kommen. Ich halte es für möglich, dass sie beide mit der Vergangenheit einmal aufräumen wollen, aber nicht wissen, wie. Beide erwarten Gespräche mit Ihnen, und ich kann mir gut vorstellen, dass sie hoffen, in Ihnen eine Vermittlerin zu finden. Daher werden Sie für alles wohl sehr viel Fingerspitzengefühl brauchen.“

„Ehrlich gesagt, bei diesem Auftrag ist es mir etwas mulmig zumute. Einer dieser beiden Herren ist ja vielleicht der Mörder dieser Melinda. Was ich aber sehr erstaunlich finde, ist, dass es den beiden Herren offensichtlich nicht daran gelegen ist, diesen Fall wirklich aufzuklären. Man sollte ihnen vielleicht raten, alles noch einmal aufzurollen, wenn sie beide unschuldig sind. In der heutigen Zeit ist man in Wissenschaft und Technik doch sehr viel weiter, sodass die Kriminalpolizei heute ganz andere Möglichkeiten hat, einen Täter zu überführen.“

Jens Wieland sah mich entsetzt an. „Um Himmels willen! Schlagen Sie den beiden bloß nicht so etwas vor! Das ist es ja, was ich meinte, mit Taktgefühl. Es ist ganz wichtig, dass Sie den Fortlauf des Gesprächs den beiden Herren überlassen.“

Ich sah ihn misstrauisch an. „Wie lautet denn genau mein Auftrag? Und was versprechen Sie sich von der ganzen Sache? Oder kann es vielleicht sein, dass mich der Detektiv Rüdiger von Ambergs noch in sehr guter Erinnerung hat und mich bei den beiden Herren etwas Undercover ermitteln lässt?“

Mein Chef grinste. Er sah aus, wie ein kleiner Junge, den man bei einem Streich ertappt hat. „Offiziell sind Sie beauftragt, etwas über den Urgroßvater Hans Keller, den damaligen Schriftsetzer von Sankt Augustine herauszufinden. Dabei wäre es natürlich sehr interessant, wenn Alexander und Michael Mendig auch noch Erinnerungsstücke aus dieser Zeit bewahrt hätten. Das Anliegen der beiden Brüder, so konnte ich es jedenfalls heraushören, ist es, sich einander zu nähern, vielleicht unter der Führung von Ihnen, da sie selbst wohl zu stolz sind, den Bann zu brechen und aufeinander zuzugehen. Tatsächlich habe ich aber bezüglich des Mordfalls sowohl mit dem hiesigen Kriminalkommissar Niklas Meyer, als auch mit dem durch die letzten Fälle allerseits gut bekannten Detektiv Rüdiger gesprochen. Sie haben sich die alten Akten einmal angesehen und wären keine guten Kriminalisten, wenn sie nicht an neuen Erkenntnissen interessiert wären.“

Ich nippte an meiner heißen Schokolade. „Dann ist es doch bestimmt nur fair, wenn man mich auch einmal in die Akten hineinschauen lässt.“

„Das wird man Ihnen nicht gestatten, Abigail“, vermutete Wieland.

Ich hob den Kopf. „Dann muss ich es leider ablehnen, mich in den Mordfall verwickeln zu lassen. Das Interview mache ich natürlich wie immer gern für Sie.“

Wieland lachte. „Wie ich Sie kenne, sind Sie doch viel zu neugierig, um den Fall ruhen zu lassen. Und dass Sie risikobereit sind, haben Sie beim letzten Mal schon im Fall Kreutzer gezeigt, als Sie in den schlimmen Autounfall verwickelt wurden. Außerdem traue ich Ihnen schon zu, dass Sie dem Niklas und dem Rüdiger auf den Zahn fühlen.“

„Wissen Sie da nichts Genaueres über den Mord? Was ist denn dem Verschwinden von Melinda vorausgegangen?“

„Darüber habe ich in der Zeitung nichts gefunden. Selbst die Presse war da nicht sonderlich gut informiert, Abigail. Es stand nichts von einem Streit zwischen Melinda und einem der beiden Brüder in der Zeitung. Beide sollen zu der Zeit, als sie verschwand, in ihren häuslichen Büros gearbeitet haben, Melinda verschwand in den Nachmittagsstunden aus ihrer Wohnung, niemand weiß, wohin sie gegangen ist. Aber mehr weiß ich nun wirklich nicht.“

Ich seufzte. „Dann werde ich mir einmal überlegen, wie und wo ich am besten zu meinen Informationen gelangen kann. Dabei können Sie mich aber nicht daran hindern, dass ich mich weiter um das Museum und die Werke der dort ausgestellten Künstler kümmere. Unsere liebe, gute und zum Glück auch reiche Frau Ackermann hat wie immer Wort gehalten. Inzwischen werden die Bücher der beiden von den Nazis ermordeten Schriftsteller Konstantin und Wohlfarth in einem seriösen Verlag gedruckt und so der ganzen Welt zugänglich gemacht. Ich bleibe also weiter auf Schatzsuche, werde mich nach vergessenen Künstlern umsehen, und habe auch die Suche nach einem Gemälde von Karl Pinetree noch nicht aufgegeben.“

Jens Wieland nickte. „Solange Sie dabei nicht die Interviews mit Michael und Alexander Mendig vernachlässigen, soll mir das nur recht sein. Schließlich war ich ja der Mitinitiator für ein Wiederaufleben der Werke von Konstantin und Wohlfarth. Ich denke, ich habe Sie jetzt genügend unterrichtet. Es wird Zeit für mich, den Heimweg anzutreten. Ich lasse Sie wie immer beruhigt in der Obhut des Malers Moro Rossini und seiner Adelaide zurück im romantischen Schloss. Eine wunderbare Atmosphäre. Geht es den beiden gut?“

Ich lächelte. „Gott sei Dank, ja. Adelaide macht sich immer sehr viel Sorgen um ihren Liebsten, schließlich ist er schon über 80 Jahre alt und nicht mehr so sehr gesund. Die beiden genießen ihr spätes Glück, ich glaube, dadurch finden sie Kraft für ihr Leben.“

„Dann grüßen Sie mal Ihren Verlobten Rolf recht schön von mir“, beauftragte er mich. „Sicher hat er viele wunderschöne Fotos von Venedig gemacht.“

„Im Augenblick ist er zu Fotoaufnahmen in Amsterdam. Aber ich werde ihn grüßen, wenn ich heute Abend mit ihm telefoniere. Für tolle Fotos hatte er diesmal in Venedig etwas weniger Zeit, wir haben diese zauberhafte Stadt einfach nur genossen, die Zeit gehörte uns einmal ganz allein.“

Wieland spielte den Verständnisvollen. „Ja, ja. Das war gut. Sie sehen sich ja sonst nicht so oft, er ist ja meist auf Achse.“

„Und ich kann auch nicht gerade in Zeit baden“, fügte ich hinzu.

Er verabschiedete sich mit den üblichen väterlichen Ermahnungen, mit denen er glaubte, ein guter, verantwortungsvoller Chef zu sein.

Ich ließ es über mich ergehen wie einen lästigen Regenschauer.

***

2. Kapitel

Auf dem Weg vom historischen Gasthof bis zum Schloss erfreute ich mich an den bunten Frühlingsblumen in den Vorgärten. Japanische Kirschbäume strahlten feierlich in ihrem leuchtenden Rosa wie Brautjungfern in der Kirche.

Ich bog in die Allee ein, wo mich weiß blühende Kastanienbäume zu beiden Seiten grüßten, eine winkende Gestalt kam aus der anderen Richtung auf mich zu. Beim Näherkommen erkannte ich Adelaide, meine liebe ältere Freundin, die ihren Schritt beschleunigte, um mich einzuholen.

Sie lächelte mich an. „Und? Wie war dein nerviger Chef heute? Welche Leichen musst du diesmal aus dem Keller ausgraben?“

Ich riss die Augen auf. „Du hast wohl wieder einmal den siebten Sinn. Es geht tatsächlich am Rande des Auftrags um eine Tote, die erschossen wurde. Vordergründig soll ich in der Vergangenheit der Nachfahren eines Schriftsetzers recherchieren, der hier bei Kasimir in der damaligen Druckerei gearbeitet haben soll.“

Während wir die Allee zum Schloss entlang schlenderten, erzählte ich ihr alles, was mir Wieland berichtet hatte.

Adelaide erschrak. „Oh, das scheint nicht einfach für dich zu werden. Bist du sicher, dass du den richtigen Beruf hast?! Als Kommissarin hättest du vermutlich nicht mehr geheimnisvolle Fälle zu lösen. Ich kann mir vorstellen, dass du einen Schritt weiterkommst, wenn du dich an anderer Stelle über das Opfer informierst. Täter und Opfer haben oft Verbindungen, auch vom Profil her. Auf den ersten Blick kommt man natürlich auf einen Mord aus Eifersucht. Zwei Männer und eine Frau, das kann auf Dauer nicht lange gut gehen.“

Ich nickte. „Interessant finde ich es auch, dass es sich bei den Verdächtigen um Zwillinge handelt. Man sollte meinen, dass sie sich sehr ähnlich sind, sich möglicherweise sehr gut kennen oder sogar telepathische Verbindungen zueinander haben. Vermutlich haben sie deswegen dieselbe Frau geliebt.“

„Wahrscheinlich kommst du nicht ohne die Unterlagen der alten Akte aus. Vielleicht erfährst du von ihren noch lebenden Verwandten oder Freunden das meiste. Weißt du denn, wo sie gewohnt hat, Abigail?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, keine Ahnung. Michael und Alexander wohnten in Wittentine hier im Nachbarort, offenbar in zwei getrennten Wohnungen. Aber wo Melinda gewohnt hat, werde ich erst noch herausfinden müssen. Ob du es glaubst oder nicht, irgendetwas sträubt sich in mir, mich mit den beiden Brüdern zu befassen. Ich glaube, es ist, weil ich viel lieber weiter für das Museum recherchieren möchte. Das werde ich auf keinen Fall zu kurz kommen lassen.“ Wir waren im Schloss angekommen, das mich wie immer mit der heiteren Atmosphäre des Moritzburger Schlosses begrüßte, obwohl es sehr weit von seinem sächsischen Pendant entfernt stand.

Adelaide lud mich zu einem Tee in ihren exquisiten Salon ein, dessen Wände etliche Gemälde ihres Ehemannes Moro schmückten.

Über dem Sofa entdeckte ich ein neues Bild von Rossini. Es zeigte eine stilisierte Berglandschaft in zarten Pastellfarben.

„Es ist faszinierend, wie dein Mann die Stimmung der Berge einfängt!“ bewunderte ich das Gemälde.

Adelaide nickte. „Man spürt, wie sehr er sich mit den Bergen identifiziert.“

Eine tiefe Stimme mischte sich ein. „Ich könnte längst nichts mehr malen, wenn nicht meine Muse jeden Morgen neben mir erwachte.“

„Oh! Hallo! Was für eine Überraschung! Der Künstler persönlich“, rief ich ihm scherzend entgegen.

Adelaide lief auf ihn zu, die beiden umarmten sich mit Innigkeit.

Sie boten ein Bild seltener Harmonie, der weißhaarige, stattliche, 80-jährige Mann und die um neun Jahre jüngere, kleine ältere Dame, die sich zärtlich an ihn schmiegte.

Ich wollte leise und diskret das Zimmer verlassen, aber Ada löste sich aus der Umarmung und hielt mich zurück. „Warte bitte einen Augenblick, Abigail! Das ist immer die Zeit, in der sich Moro zu einem Mittagsschlaf zurückzieht, stimmt es, Moro?“

Der Maler nickte. „So ist es, mia moglie (meine Frau). Dieses Bild habe ich übrigens aus dem Gedächtnis heraus gemalt. Es zeigt die kleinen Dolomiten oberhalb von Valdagno, wo ich viele Jahre verbracht habe.“

„Moro vermisst die Berge schrecklich“, teilte mir seine Frau mit. „Ich habe ihm vorgeschlagen, dass wir doch noch einmal dorthin reisen, aber momentan findet er es für seinen jetzigen Gesundheitszustand zu anstrengend. Es bleibt also vorerst ein Traum für uns. Doch du kennst mich ja, Abigail. Bisher habe ich immer noch jeden Traum verwirklicht in meinem Leben.“

Rossini lächelte. „Ja, meine kleine Frau hat immer an uns geglaubt, an unsere Liebe, auch in den vielen Jahrzehnten, in denen wir getrennt waren. Ich werde mich jetzt ein bisschen zurückziehen und wünsche euch beiden eine gute Unterhaltung.“

Zärtlich küsste er seiner Frau die Hand, und es war wieder einmal die Geste, die mir in Erinnerung rief, wie sich die beiden in den Bergen kennen gelernt hatten, im Norden Italiens, damals vor über 50 Jahren. Ja, der damalige Carabiniere hatte sie in der Gaststube entdeckt, sie hatten sich in die Augen geblickt und es gewusst, das war die Liebe ihres Lebens. Der erste Handkuss im Foyer des Hotels, der erste Kuss unter dem Sternenhimmel im milden August. Die erste Trennung und die vielen Liebesbriefe, die Tränen, als sich Moro einer anderen zuwandte. Das neue Zusammenfinden, als Rossini um Verzeihung bat, der gemeinsame Urlaub im Sommer darauf mit Moros Heiratsantrag, aber dann Adelaides Ablehnung aus Ängsten und mangelndem Vertrauen zu ihrem Liebsten. Danach erneut eine Trennung. Über mehrere Jahrzehnte hatte sie das Leben getrennt, jeder war seine eigenen Wege gegangen, bis sie sich dann im Jahr 2005 das erste Mal wieder gesehen hatten, in seiner Heimat. Von da an hatten sie sich nicht mehr aus den Augen verloren, sich geschrieben, telefoniert und endlich wieder gefunden. Wie schön war doch im letzten Herbst ihre Hochzeit gewesen, die sie im kleinen Kreis im Schloss mit ihren Freunden gefeiert hatten.

Meine Gedanken fanden in die Gegenwart zurück.

Rossini winkte uns noch einmal zu, bevor er langsam aus dem Zimmer schritt.

„Ich mache mir viel Sorgen um seine Gesundheit“, bekannte Ada. „In letzter Zeit kann er nicht nur immer schlechter laufen, es ist auch sein Herz, das oft ein bisschen müde schlägt. Ich hoffe, dass Gott uns noch etwas Zeit schenkt.“

„Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass es ihm bald wieder besser geht“, gab ich ihr mein Mitgefühl zu verstehen. „Und vielleicht gibt es auch schöne Ortschaften in den Bergen, wo man gut mit dem Auto hinfahren kann, wie zum Beispiel einige Pässe in den Dolomiten.“

„Ich hoffe es, Abigail. Aber lass uns noch ein bisschen über deine zukünftige Arbeit fachsimpeln. Du könntest mir auch einmal die Geburtsdaten der beiden Brüder, und das von Melinda besorgen. Vielleicht kann ich irgendeine Veranlagung darin erkennen, die für den Fall wichtig sein könnte.“

Ich staunte. „Aber ist so ein Horoskop von Zwillingen nicht ziemlich gleich? Besonders wenn sie ganz kurz hintereinander geboren wurden?“

„Von deinen Gedanken her wäre das normalerweise eine Richtlinie. Aber ich habe während meiner ganzen Arbeit in den vielen Jahren immer wieder festgestellt, dass Zwillinge sich in die Anlagen eines Horoskops teilen. In der Regel kultiviert der Zwilling die stärksten Anlagen, der als Baby beim Schreien die besten Erfolge hat. Er bleibt dann im Lauf seines Lebens oft derjenige, der sich mehr durchsetzen kann, er gewöhnt sich an, sich nach vorn zu kämpfen. Der andere Zwilling gewöhnt sich recht schnell daran, zu teilen und seine sozialen Veranlagungen oder auch die künstlerischen mehr zu kultivieren. Sie gehen auch sozusagen eine Symbiose ein, und bilden zusammen einen ganzen Menschen. Aber das gilt nur für Zwillinge, die auch zusammen aufwachsen. Werden sie getrennt, entwickeln sie ganz normal gemäß ihrer Umgebung die Veranlagungen und Potentiale.“

Ich überlegte. „Das ist für diesen Fall sehr interessant. Dann könnte tatsächlich einer von beiden ein deutlicheres Täterprofil haben.“

Ada lächelte. „Wobei du dann unterscheiden musst: Eine Tat im Affekt stünde eher für den starken Zwilling mit der Durchsetzungskraft. Eine Verzweiflungstat aus enttäuschten und unterdrückten Gefühlen stünde eher für den Zwilling, der enttäuscht darüber ist, immer der Zweite sein zu müssen, ein Verlierer zu sein.“

Ich lachte. „Ich sehe es schon, die Theorie nutzt mir gar nichts. Ich muss die beiden einfach kennen lernen, und natürlich das Opfer, so wie es war. Erst dann kann ich anfangen zu arbeiten.“

Adelaide überlegte. „Die Zwillinge wurden freigesprochen, es ist also möglich, dass sie beide unschuldig sind. Und wer weiß, wo der wirkliche Täter, wo auch immer, heute noch frei herumläuft. Trotzdem solltest du aber, wenn du mit den beiden sprichst, ein Pfefferspray bei dir tragen. Man weiß nie, welche Emotionen in Michael und Alexander hochkommen, wenn sie wieder mit der Vergangenheit konfrontiert werden, es ist nicht ungefährlich.“

„Ich werde vorsichtig sein. Weißt du noch, vor einem Jahr, als ich den Tod von Mona untersucht habe? Man hatte auch zuerst Kurti verdächtigt, und dann hat es sich herausgestellt, dass es ein Selbstmord war. Aber bei einer Frau, die erschossen wurde, wird es kaum ein Selbstmord gewesen sein, wenn man keine Waffe gefunden hat.“

„Es sei denn, irgendeiner, der gerade vorbeikam, und eine Waffe gut gebrauchen kann, hat sie für eigene Zwecke mitgenommen, Abigail. Aber das wäre schon ein seltener Zufall. Und diese Waffe könnte dann heute in aller Welt sein.“

Ich lächelte säuerlich. „Unsere ganzen Theorien sind grau. Es hilft nichts, ich werde mich in die Höhle der Löwen begeben müssen.“

„Magst du mit mir einen Mittagsimbiss einnehmen?“ lud mich Ada ein. „Ich hatte eben für Moro etwas Pasta mit Pesto zubereitet, aber sein Appetit war nicht so groß. Ich könnte uns schnell etwas aufwärmen.“

„Sei mir bitte nicht böse, liebe Adelaide, aber lieber nicht. Du wirst mich vermutlich verstehen, wenn ich jetzt total neugierig geworden bin und erst einmal zu Niklas ins Kommissariat spaziere, um einmal nachzuschauen, was in den alten Akten steht. Und dann werde ich mir zeitnah die Termine holen bei Michael und Alexander Mendig. Nach dieser angenehmen Teepause bei dir fühle ich mich wieder richtig fit.“

Sie lächelte verstehend. „Ja, inzwischen kenne ich dich ganz gut, und ich selbst würde nicht anders handeln. Auf jeden Fall wünsche ich dir für alles viel Glück!“

***

3. Kapitel

Ich traf den Kommissar Niklas Meyer kurz vor dem Ende seiner Mittagspause. Und da wir seit einiger Zeit schon gute Freunde waren, lud er mich in sein Büro ein. Er sah mich grinsend an. „Ich habe schon mit dir gerechnet, nachdem auch Wieland mir deinen neuen Auftrag ausführlich erklärt hat. Eine Akteneinsicht kann ich dir nicht geben, aber du kannst mich fragen, alles das, was du willst. Und wenn ich kann, werde ich dir darauf eine Antwort geben.“

„Na gut, dann fangen wir doch einmal bei dem Opfer an, bei Melinda. Wer war sie, und was ist genau passiert?“

Niklas spielte mit dem Kugelschreiber. „Es ist jetzt genau zehn Jahre her, Melinda Schubert war damals 42 Jahre alt. Sie hatte eine kleine Wohnung in der Nähe des Rosenturms, hier in Sankt Augustine.“

„Oh!“ unterbrach ich ihn erstaunt. „Das wusste ich bis jetzt noch gar nicht. Das ist interessant und vermutlich gut für die Recherchen.“

Niklas fuhr unbeirrt fort. „Sie hatte hier auch eine gute Freundin, eine Anja Goldmann, die über ihr im Haus eine Wohnung bewohnte. Sie war eine wichtige Zeugin, und konnte uns sagen, dass Melinda am 27. Dezember 2009 nachmittags gegen 17 Uhr das Haus allein verließ und in Richtung Stadtmitte ging. Es war einem Sonntag, Anja und Melinda hatten morgens noch gemeinsam gemütlich gefrühstückt, sich in der oberen Wohnung zu einem Brunch getroffen.

Gegen 19 Uhr war Melinda mit Alexander in ihrer Wohnung verabredet, und so stand dieser Zwilling auch pünktlich an diesem Sonntagabend vor ihrer Tür und drückte den Klingelknopf. Als niemand die Tür öffnete, wandte er sich an Anja, die sehr erstaunt war, dass die Freundin noch nicht zurückgekommen war. Sie hatte ihr am Vormittag erzählt, dass sie am Abend Alexanders Besuch erwartete. Danach ging die übliche Suche los, erst einmal bei den Bekannten, und am anderen Tag, als sie nicht in Wittentine zur Arbeit erschien, auch bei der Polizei. Auch Michael und viele Freunde suchten mit nach der verschwundenen Frau. Ebenso etliche Menschen aus Wittentine, wo sie als Arzthelferin von vielen Patienten geschätzt wurde.“

„Das war dann wirklich ein großer Kreis“, fand ich. „Der Täter konnte also auch irgendein durchgedrehter Patient sein. Was für eine Praxis war das?“

„Allgemeinmedizin, also nicht nur psychisch Kranke, wie du jetzt vielleicht annimmst.“

„Und wie kam man dann auf Michael und Alexander als Täter?“

„Weil Anja wusste, dass sich die beiden Brüder um Melinda stritten. Alexander war sehr eifersüchtig auf Michael, der immer wieder versuchte, sie für sich zu gewinnen.“

„Lebt diese Anja denn jetzt noch in Sankt Augustine? Ich würde gern einmal mit ihr sprechen, Niklas.“

Der Kommissar nickte. „Ja, Anja lebt noch in Sankt Augustine, aber nicht mehr dort in dieser kleinen Wohnung. Sie ist inzwischen verheiratet, heißt Anja Behrendt und wohnt in einem hübschen kleinen Einfamilienhaus am Ortsrand, ganz nah an unserem schönen Gemeindezentrum.“

„Das ist gut“, fand ich. „Ich würde sie einmal besuchen.“

„Sie ist Grundschullehrerin“, wusste Niklas. „Sie arbeitet an einer Schule in Wittentine. Sie ist eine sehr nette und gesprächige Frau. Sie ist im Gemeinderat, auch dort kannst du sie antreffen.“

„Kannst du mir auch noch irgendeinen Hinweis auf die beiden Zwillinge geben? Gibt es da noch irgendetwas zu beachten?“

„In der Kindheit waren die beiden Brüder ganz normale Jungen, die nicht auffielen. Sie besuchten ein Gymnasium, waren keine schlechten Schüler, gehörten aber auch nicht zu den besten. Zu der Zeit verlief ihr Leben noch ziemlich ähnlich. Sie heirateten ziemlich früh, Michael eine Gabi und Alexander eine Mechthild, beide Ehen hielten nur wenigen Jahre. Gabi trennte sich schon nach zehn Jahren und Mechthild nach 14 Jahren. Darüber und über die Ehen gab es nichts Spektakuläres. Nach den Aussagen der Frauen, die damals auch in den Zeugenstand gerufen worden, hatten sich die Partner einfach nur auseinander entwickelt. Während Alexander weiter feste Bindungen einging, die oft einige Jahre hielten, begnügte sich Michael mit kurzen Affären. Er sagte damals von sich selbst, er sei nun wählerisch geworden und warte auf die Richtige, und die glaubte er dann in Melinda gefunden zu haben.“

Ich war hellhörig geworden. „Hast du auch die Adressen der beiden Ex-Frauen?“

Niklas schüttelte den Kopf leicht. „Mechthild ist vor einigen Jahren an Krebs gestorben, und Gabi hat einen Schotten geheiratet, sich lebten erst eine Weile gemeinsam irgendwo in Deutschland, aber wohin sie dann zog, das ist mir nicht bekannt. Soviel ich weiß, ist das Ehepaar irgendwann einmal nach Schottland gezogen. Die beiden Frauen waren übrigens mit ihren Ehepartnern ziemlich gleichaltrig gewesen, wären also jetzt auch ungefähr 60 Jahre alt.“

„Wurden damals noch mehr Zeugen geladen außer der Freundin Anja? Gab es damals noch mehr Menschen, die Melinda gut kannten?“

„Ja, es wurden etliche Personen aus Melindas Umkreis geladen, darunter ihr Chef, eine Kollegin, eine Yogalehrerin und sämtliche Personen, die damals hier in den Kirchenchor gingen, denn Melinda sang dort auch regelmäßig.“

„Das gibt Arbeit“, vermutete ich. „Verrätst du mir auch ein paar der Namen, oder muss ich das alles selbst herausfinden?“

Niklas grinste. „Am besten fängst du erst mal bei den beiden Brüdern an, was du dann nicht an Namen und Adressen bekommst, darüber können wir dann ja noch einmal sprechen. Möglicherweise können wir das dann auch über Rüdiger von Ambergs, den Detektiv machen. Mit dem arbeiten wir ja öfters zusammen, und soviel ich weiß, ist er auch ein guter Freund von dir.“

„Ich wusste doch schon immer, dass du ein Schatz bist. Deine Freundin Jasmin schwärmt mir nicht umsonst so oft von dir vor. Vielleicht hilft mir auch Cordula etwas weiter, sie arbeitet im Rathaus und ihre Beziehungen sind weit verzweigt.“

„Wie geht es übrigens Rolf?“ erkundigte sich Niklas. Er schien mir das Zeichen zu geben, dass er das Thema Michael und Alexander Mendig jetzt für beendet hielt.

„Es geht ihm gut. Während unserer Venedigreise haben wir uns gut erholt und können jetzt wieder gut durchstarten.“

„Ach, übrigens noch herzlichen Glückwunsch zur Verlobung! Und noch einen kleinen Tipp habe ich für dich. Auch meine liebe Jasmin, die ja auch deine Freundin ist, war damals im Kirchenchor.

***

4. Kapitel

Tatsächlich schienen die beiden Brüder schon auf mich gewartet zu haben. Michael schlug mir ein Treffen vor, in den Nachmittagsstunden auf dem Gutshof und Alexander am frühen Abend im Rosenturm.

Die milde Frühlingsluft beflügelte mich, ich schlenderte durch das Städtchen und freute mich an den bunten Frühlingsblumen in den Vorgärten. Im historischen Gasthof „Zur Traube“ bestellte ich mir bei Frau Bühler eine Tasse heiße Schokolade und konnte es nicht vermeiden, dass mir die freundliche Gastwirtin ein frischgebackenes Stück Käsekuchen mit ein paar freundlichen Worten servierte.

„Sie haben doch jetzt wieder so viel zu tun, und alles extra für die Leute hier in Sankt Augustine. Danke, dass Sie immer so engagiert sind.“

Ich freute mich. „Hier bei Ihnen im Gasthof, liebe Frau Bühler, habe ich im letzten Frühling meine ersten Eindrücke von Sankt Augustine gesammelt, hier fühlte ich mich direkt wohl und angenommen. Von hier habe ich meine ersten Ausflüge gemacht. Die Traube ist ein Zentrum im Ort und wie das Gemeindezentrum ganz wichtig für die Kommunikation. Ich bin sehr gern hier in diesem Städtchen, es ist mein zweites Zuhause geworden. Und Danke für Ihre nette Fürsorge!“

Nach dem Imbiss spazierte ich am westlichen Viertel durch die Gassen hinaus und schlug den Weg zum Gutshof ein. Das saftige Frühlingsgrün auf den Wiesen links und rechts neben dem Weg duftete in frischem Aroma aus Erde und Gras.

Vor dem Gutshaus saß ein älterer Herr auf der Bank, sein ernstes, schmales Gesicht wirkte etwas blass in der Umrahmung seiner grauen gepflegten Haare. Die langen Beine steckten in einer hellen Hose, zu der ein marineblauer Pullover leuchtend kontrastierte. An seinen Füße trug er elegante, helle Schuhen aus Wildleder.

Er stand auf, als er mich sah und begrüßte mich höflich. „Sie sind Frau Abigail Mühlberg“, nahm er an, und als ich nickte, fuhr er fort: „Ich bin Michael Mendig, der Urenkel des alten Schriftsetzers von Sankt Augustine. Mein Bruder und ich haben uns spontan bereit erklärt, uns mit der Vergangenheit zu beschäftigen, um Ihnen für Ihre Recherchen möglicherweise ein paar Auskünfte zu geben. Wollen wir ins Haus gehen oder möchten Sie hier auf der Bank Platz nehmen?“

„Ehrlich gesagt, die Frühlingsluft ist mir noch etwas zu frisch, um schon auf der Bank zu sitzen. Soviel ich weiß, haben die Schirmer-Zwillinge auch einen hübschen Aufenthaltsraum für die Feriengäste. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern dort hineingehen.“

Herr Mendig führte mich ins Haus. „Wie Sie sich ausrechnen können, bin ich erst nach dem Krieg geboren. Aber als kleines Kind, habe ich meinen Urgroßvater noch kennen gelernt.“

Im Aufenthaltsraum strömte uns eine gemütliche Wärme entgegen, die der große grüne Kachelofen ausstrahlte. Wir setzen uns auf die alte, rustikale Eckbank, auf der dicke, bequeme Sitzkissen lagen.

„Unser Urgroßvater war ein einfacher, ehrlicher Mensch. Er war sparsam und streng, das ist mir gut in Erinnerung geblieben. Und er hat uns oft von Kasimir erzählt. Die verbotenen Bücher haben sie vor dem Krieg immer nur heimlich gedruckt, selbst in der Zeit, in der die beiden Dichter Konstantin und Wohlfahrth, deren Werke verboten waren, schon unter Pseudonymen gedruckt worden. Kasimir und mein Urgroßvater waren da sehr vorsichtig, sie wollten niemandem schaden. Diese Zeit muss sehr schlimm gewesen sein, nicht nur für die Gegner des Regimes, sondern für alle, die weder Anhänger der Nazis noch Mitläufer waren.“

„Wie haben denn die beiden die schlimme Zeit überlebt?“ fragte ich verwundert. „Hatte niemand etwas gemerkt, dass sie den Verfolgten geholfen haben?“

„Sie haben wohl ein unvorstellbares Glück gehabt, dass sie hier von niemandem im Ort denunziert worden sind. Und vermutlich haben sie sich sonst sehr unauffällig verhalten. Kasimir hatte einen Onkel in der Schweiz, zu ihm ist er dann noch kurz vor Ausbruch des Krieges geflohen. Und mein Urgroßvater hatte einen Cousin, der im Norden Italiens wohnte, hoch in den Bergen im Tauferstal, bei dem hat er doch tatsächlich ganz versteckt in einer Berghütte den Krieg überlebt.“

Ich lächelte. „Dieses Tal kenne ich gut, dort hat Adelaide, die Frau des Malers Moro Rossini vor vielen Jahren ihren heutigen Ehemann kennen gelernt. Wie klein doch die Welt ist! Aber wenn die beiden, Kasimir und Ihr Urgroßvater geflohen sind, dann ist doch anzunehmen, dass man ihr verborgenes Handeln letztendlich doch entdeckt hat, sonst hätten sie nicht fliehen müssen, oder?“

„Angeblich hatten die beiden ursprünglich gar nicht vor zu fliehen. Während Kasimir bei seinem Onkel in der Schweiz war, um Geld zu holen, das er seinen Freunden für die Flucht geben wollte, reiste mein Urgroßvater heimlich ins Tauferstal, um dort in der einsamen Bergwelt, in einer Höhle, die fast niemand kannte, wertvolle Dinge zu verstecken. Und deswegen wollte ich mich jetzt auch mit Ihnen treffen. Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass dort heute vielleicht noch einige Bücher von Konstantin und Wohlfahrth zu finden sind und vielleicht auch sogar einige Bilder von dem Maler Karl Anton.“

Meine Augen leuchteten. „Das wäre ja fantastisch! Das wäre ja wirklich … Ich weiß jetzt nicht, was ich dazu sagen soll!“

„Ich kann mir vorstellen, dass Sie sehr überrascht sind, Frau Mühlberg. Ich habe davon gehört, dass Ihre Suche glücklicherweise unterstützt wird von der Gott sei Dank schwerreichen Katharina Ackermann. Man kann sie nur bewundern, sie gehört zu den wenigen Reichen, die sehr viel für gute Zwecke tun.“

„Ja, das ist auch eine ganz lange Geschichte. Im letzten Herbst gastierte hier der große Schauspieler Jérôme Tessier mit seiner Truppe. Eine seiner erfolgreichsten Schauspielerinnen war Laura Camissoll, deren Mutter in jungen Jahren nach Frankreich auswanderte. Und diese Laura wiederum hat nun endlich ihre Tante gefunden, ihre einzige noch lebende Verwandte, Frau Ackermann.

Da ich im letzten Herbst beruflich mit Laura zu tun hatte, konnte ich ihre Tante und ihre Großzügigkeit in der letzten Zeit ebenfalls genießen. Frau Ackermann unterstützt unser Museum und sorgt dafür, dass die Bücher der vergessenen Schriftsteller neu verlegt werden.“

„Vielleicht kann ich da auch noch ein bisschen behilflich sein“, schlug Michael Mendig vor. „Ich habe selbst einen kleinen Verlag. Aber, nun zurück zu der Höhle in den Bergen Norditaliens. Sicherlich müsste man sich dann vor Ort erkundigen. Es gibt da nun jede Menge Höhlen in den Bergen. Ganz abgesehen davon, dass ja selbst dort der Krieg gewütet hat und möglicherweise zu einer Vernichtung der verborgenen Schätze geführt hat.“

Es klopfte, Jasmin trat herein und brachte uns eine Kanne Tee. Sie begrüßte uns kurz und entschuldigte sich wegen Zeitmangel und der Begründung, dass sie gerade im Stall dem Tierarzt Dr. Clemens Lang bei der Geburt eines Fohlens helfen müsse.

„Oh, dann viel Erfolg!“ wünschte ich ihr.

„Vielleicht stiftet Ihnen Frau Ackermann das Geld für eine Reise in den Norden Italiens“, überlegte Michael Mendig. „Leider kann ich mich nicht mehr an den Namen des Ortes erinnern, in dessen Nähe die einsame Berghütte lag. Ich weiß nur, dass dieser Cousin dort nicht mehr lebt, und dass es dort eine Martha Sonnenbichler gab, die mein Urgroßvater wohl sehr nett fand. Von ihr und ihren langen, dunklen Zöpfen hat er immer geredet.“

Ich nahm einen Schluck Tee und sah mir mein Gegenüber genau an. Dieser ernste, seriöse Herr! Konnte das ein Mörder sein? Im Vergleich zu meinem Lieblingsmaler Moro Rossini wirkte er geradezu emotionslos. Dieser Herr hier wirkte auf mich still, bescheiden und keinesfalls spontan. Ich konnte mir auch gar nicht vorstellen, dass er wechselnde Liebschaften haben sollte. Seine dezente Wirkung auf Frauen hielt sich bei mir in sparsamen Grenzen, er begegnete mir ohne jede Spur von Charme. Oder war das alles nur gespielt? Gab es in diesem ruhigen Menschen ein verstecktes Temperament?

„Das ist immerhin schon etwas“, fand ich. „Vermutlich gibt es den Namen Sonnenbichler dort häufiger, aber in der Kombination mit dem Vornamen Martha haben wir schon eine Eingrenzung. Vielleicht leben von ihr auch noch Verwandte, vielleicht kannte dort jemand die Höhle. Ich werde diese Spur auf jeden Fall aufnehmen. Mein Chef Jens Wieland wird bestimmt für die nötigen Mittel sorgen. Und Ihr Urgroßvater hat nicht erzählt, was er dort versteckt hat?“

„Nein. Er selbst hat immer nur von der Druckerei und von Kasimir erzählt. Man durfte mit ihm nicht über die Zeit während des Krieges sprechen, niemand weiß warum. Ich habe mir immer gedacht, vielleicht, damit niemand wusste, dass er nicht wie andere Soldaten gekämpft hat. Nur meine Urgroßmutter, sie hat öfter von den Bergen gesprochen. Die war nämlich im Nachhinein etwas eifersüchtig auf diese Martha Sonnenbichler.“

„Aber warum hat Ihr Urgroßvater dann nach dem Krieg die Sachen nicht wieder aus dem Versteck herausgeholt? Das wäre dann doch nur logisch gewesen.“

„Meine Mutter hat erzählt, der Kasimir habe die Sachen dann von dort wieder holen wollen, aber nachdem mein Urgroßvater gestorben war, haben wir nach Kasimir gesucht und erfahren, dass er in Deutschland von der Gestapo noch vor Kriegsende gefasst wurde, gerade als er wieder einmal jemandem mit Geld helfen wollte.“

„Und warum haben Sie dann nicht nach den Sachen gesucht, Sie oder Ihre Familie, Herr Mendig?“

„Da kommt ganz vieles zusammen. Wir wissen nicht, wo die Sachen versteckt sind, wir wissen auch nicht, was es genau war, geschweige denn wussten wir, dass es sich um solche Raritäten handelt, um Bücher von vergessenen Schriftstellern. Das haben wir jetzt erst vermutet. Wir nahmen an, dass es sich um irgendwelche persönlichen Bücher und Bilder aus Kasimirs Privateigentum gehandelt habe. Irgendein paar wertlose Bücher und ein paar alte Schinken, die wahrscheinlich längst verrottet wären.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nun ja, für ein paar wertlose Schinken fährt man nicht nach Südtirol.“

„Das habe ich Ihnen noch nicht verraten, er fuhr in Wahrheit dorthin, um sich selbst bei seinem Cousin zu verstecken, die Sachen nahm er nur einfach so als Alibi mit, das hat er ein einziges Mal später zugegeben. Und wir dachten uns nichts dabei, als wir hörten, es befände sich alles in der Höhle. Wir dachten, dass da auch der Cousin und vielleicht noch andere Menschen während des Krieges ihr Hab und Gut versteckten.“

Ich seufzte. „Ja, wenn das so ist! Das habe ich nicht bedacht. Dann hatten sie natürlich keinen Grund, da weiter nachzuforschen. Aber es gäbe schon Sinn, dass da ein paar Originale liegen, vielleicht gut verpackt …“ Michael Mendig nickte. „Ich bleibe noch eine Weile hier in Sankt Augustine. Wenn Sie möchten, können wir in Kontakt bleiben. Möglicherweise fällt mir ja noch der Name des Ortes ein. Vielleicht wird Ihnen aber auch mein Bruder weiterhelfen, er ist ja auch hierhin gereist und hat vielleicht ein besseres Gedächtnis als ich.“

„Es ist seltsam, einen Zwillingsbruder zu haben“, fand ich. „Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Dann ist man sich doch sicherlich sehr ähnlich, oder?“

Er überlegte einen Moment lang. „Wir waren früher wie ein Herz und eine Seele, jeder von uns spürte, wie es dem anderen ging. Aber vermutlich ist es wichtig, dass sich Zwillinge trennen, damit jeder sein eigenes Leben führen kann.“

„Ist das wirklich so? Haben Zwillinge nicht eine ganz besondere Bindung, die sich auch durch Entfernung nicht lösen lässt?“ forderte ich ihn heraus.

„Nun, ich hätte nichts dagegen, wenn wir uns wieder ein wenig annäherten. Es gab Differenzen zwischen uns, aber irgendwann einmal sollte man die Vergangenheit auch bewältigen und einen neuen Anfang finden. Falls mein Bruder auch so denkt, wäre ich bereit für ein paar versöhnliche Worte, Frau Mühlberg.“

„Soll ich das für Sie herausfinden?“ bot ich ihm vorsichtig an.

„Sie interviewen doch öfters Menschen. Ich denke, Sie könnten das herausfinden, ohne dass ich mich besonders hervorheben muss. Wir sind nämlich beide ziemlich stur, müssen Sie wissen. Wenn es früher wirklich einmal zwischen uns krachte, haben wir so manches Mal einen Vermittler gebraucht, das war dann unsere Großmutter, eine ganz liebe Frau, an der wir heute noch sehr hängen. Sie hieß Benedikte.“

„Darf ich sie in dem Gespräch mit Ihrem Bruder erwähnen?“ schlug ich vor. „Wenn er seine Großmutter auch so schätzt, kann das eine gute Verbindung sein. Möchten Sie mir den Grund ihres Streites erzählen?“

Sein Gesicht verhärtete sich. „Den wahren Grund kann ich Ihnen nicht nennen, aber es hat mit dem Mord an Melinda zu tun. Sicher haben Sie sich inzwischen über unser Leben informiert und wissen die Fakten.“

„Nicht wirklich“, schwindelte ich. „Nur das, was ganz oberflächlich in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Falls Sie es mir erzählen möchten …“

Er seufzte. „Es ist ja nun schon so lange her, und aus irgendwelchen Informationsquellen werden Sie es doch nach und nach herauslesen können. Ich habe jetzt all die Jahre mit niemandem darüber gesprochen, vielleicht ist es gut, das jetzt einmal zu tun.“

„Ich möchte Sie nicht drängen“, beeilte ich mich zu sagen.

„Nein, nein. Ich denke, es ist nötig, auch schon deswegen, wenn ich mich wieder an meinem Bruder herantasten möchte.“

Ich nickte. „Es ist nicht einfach, über traurige Erfahrungen zu sprechen.“

Er kniff die Augen zusammen und sah in eine unsichtbare Ferne. „Es ist nun schon einige Jahre her, und ich sehe es wie in einem fremden Traum. Ich war wirklich verliebt in Melinda, sie war die erste Frau, die eine ganze Reihe von Gefühlen in mir auslöste. Und sie war die erste, die mich nicht anhimmelte, das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Ich bin nicht sicher, was ich früher ausstrahlte, ich nehme an, viele Frauen sahen in mir eine seriöse, vertrauenswürdige Vaterfigur. Es waren vor allen Dingen immer jüngere Frauen, die sich um mich scharten. Natürlich reizte es mich auch, dass sich Melinda nicht für mich interessierte. Aber mein Bruder Alexander hatte damals eine schwierige Zeit. Er schrieb viele langweilige Romane und Fachbücher, die niemanden interessierten und die Problemfälle in seiner psychologischen Praxis kosteten ihn viel Kraft. Er hatte sich ein wenig an Melindas Zuneigung wie an etwas Selbstverständliches gewöhnt und schenkte seiner Freundin nicht allzu viel Zeit. Das machte ich mir zunutze, und ich musste nicht einmal einen Trick anwenden. Ich musste nur meine guten Seiten in mir spielen lassen, dann war ich Alexanders perfektes Ebenbild. Wer kann es da Melinda verdenken, dass sie plötzlich nicht mehr wusste, in wen sie verliebt war?“

„Sie hatte sich in Sie verliebt?“

„Sie war sehr verunsichert. Offensichtlich genoss sie die Stunden, die wir gemeinsam verbrachten. Nein, wir hatten keine Affäre, wenn Sie das jetzt denken. Soweit waren wir noch nicht. Ich führte sie aus, ging mit ihr spazieren, lud sie zum Essen ein, unterhielt mich mit ihr, machte all die schönen Sachen mit ihr, die man am Anfang einer Partnerschaft gern gemeinsam unternimmt. Sie gab zu, dass sie das sehr genoss, denn es fehlte ihr bei Alexander. Und ich hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen, weil ich glaubte, sie ehrlich zu lieben und ihr mehr geben zu können, als es Alexander tat. Aber sobald sich Melinda von mir verabschiedete, sehnte sie sich nach meinem Bruder, je mehr, desto weniger er seine Zeit mit ihr teilte. So, wie sich der Mensch immer nach dem sehnt, was er nicht hat.“

„Oh, ich dachte, Ihr Bruder sei der Psychologe!“ sprudelte es aus mir heraus.

Er zeigte ein winziges Lächeln auf den Lippen. „Wir sind es beide. Und er hat es zu seinem Beruf gemacht. Übrigens, genau an dem Tag, an dem Melinda Alexander mitteilte, dass sie sich in einem Gefühlskonflikt befand, verschwand sie am späten Nachmittag. Trotz vieler Suchaktionen fand man sie erst viel, viel später, sodass wohl etliche Spuren des Täters verwischt waren.“

Jetzt ging ich aufs Ganze. „Haben Sie jemals Ihren Bruder verdächtigt, der Mörder zu sein?“

Sein Gesicht verschloss sich. „Dazu möchte ich jetzt nichts sagen. Ich fühle mich jetzt auch nicht besonders gut. Es tut mir leid, für heute möchte ich das Gespräch beenden.“

„Natürlich, gern“, beeilte ich mich zu sagen. „Ich habe gleich ein Treffen mit Ihrem Bruder. Möchten Sie immer noch, dass ich herausfinde, ob er sich Ihnen nähern möchte?“

Seine Miene verfinsterte sich weiter. „Ich stehe immer zu meinem Wort.“ Ohne sich zu verabschieden, stand er auf und verließ den Raum.

Das Ende dieser Unterredung warf eine Menge Fragen auf. Was war jetzt plötzlich los mit ihm? War das Ganze jetzt grundsätzlich zu viel für ihn gewesen, oder hatte ihn meine Frage, ob sein Bruder ein Mörder sein könnte, so verärgert?

Ich schenkte mir noch eine Tasse Tee ein, trank sie in kleinen Schlucken und dachte nach.

Es half nichts, bevor ich mir ein weiteres Bild von ihm machen konnte, würde ich ihn noch näher kennen lernen müssen.

Von Jasmin verabschiedete ich mich, als sie gerade mit einer freudigen Nachricht aus dem Stall kam.

„Das kleine Fohlen ist da! Denk dir nur, es ist immer ein Wunder, so eine Geburt! Möchtest du es dir einmal ansehen“

Ich schaute auf meine Uhr und erschrak. „Ich wusste gar nicht, dass es schon so spät ist. Ich werde es mir morgen ansehen, wenn ich wieder komme. Jetzt habe ich ja noch ein Rendezvous im Rosenturm. Da muss ich mich jetzt beeilen. Und herzliche Glückwünsche zum Fohlen!“

***

5. Kapitel

Als ich vor dem Rosenturm stand, wurden alte Erinnerungen in mir wach. Hier lebte die alte Sage aus dem Mittelalter von Ottokar und Melusine wieder auf, die sich nach langer Trennung im Turm wieder getroffen hatten. Der Rosenbusch war ihnen ein Erkennungszeichen gewesen. Hier hatte ich bei Adelaide meine Zuflucht gefunden, als ich Tränen aus Liebeskummer weinte. Hier hatte Adelaide versteckt gewohnt, bevor sie zu Moro Rossini ins Schloss gezogen war. Hier hatte ich in der Bibliothek ganz oben im Turm alle Bücher durchsucht nach den Werken der beiden Schriftsteller Konstantin und Wohlfahrth. Hier hatte ich den Puppenspieler Jérôme Tessier interviewt, eine ganze Reihe weiterer Erinnerungsbilder stieg in mir hoch.

Als mir Alexander Mendig die Tür öffnete, sah ich verblüfft in das gleiche Gesicht, das vor kurzer Zeit im Gutshof so mürrisch vor mir aus dem Aufenthaltsraum geflohen war. Erst bei näherem Hinschauen entdeckte ich, dass sich die Falten in Alexanders Gesicht tiefer und schärfer eingegraben hatten. Ein paar dunkle Schatten unter seinen Augen deuteten entweder auf mangelnden Schlaf oder schlechte Gesundheit hin.

Der Ton seiner Stimme klang kraftloser, als er mich begrüßte und in den Wohnraum führte, den ich von früher gut kannte.

Er bot mir einige Getränke zur Wahl an, und ich entschied mich für ein Wasser, das er mir sofort mit korrekter Höflichkeit servierte.

„Ich hoffe, es ist nicht zu kalt. Ich habe es eben aus dem Keller des Turms geholt“, teilte er mir mit.

War er fürsorglicher als sein Bruder? Oder nur höflicher?

Ich bedankte mich und fragte ihn, ob ihm das Städtchen Sankt Augustine gefiel.

„Ich hatte es ganz anders in Erinnerung“, berichtete er. „Aber damals war ich auch noch klein, da prägt sich manches anders ein. Dies hier ist ein hübscher Ort, er wirkt auf viele Menschen ziemlich anziehend. Auf mich wirkt er eher provozierend, weil ich vor einiger Zeit hier große Schmerzen erlebt habe, wie Sie sicher inzwischen wissen.“

Ich nickte. „Ein paar Einzelheiten sind mir bekannt. Es muss schwer sein, eine geliebte Person auf eine solche Art zu verlieren.“

„Ich habe es bis heute noch nicht vergessen, Frau Mühlberg. Melinda war eine so lebenslustige, fröhliche Frau. Sie hatte eine große, sonnige Ausstrahlung, mit der sie viele Menschen verzauberte. Es ist nicht jedem Menschen gegeben, sich so zu freuen und so sehr an den schönen Dingen des Lebens Anteil zu nehmen. Sie konnte das, und ich lebte ein wenig in diesem Glanz. Aber inzwischen lebe ich sehr im Schatten, besonders, da ich mir die Mitschuld an ihrem Tod gebe.“

Ich riss die Augen auf und sah ihn erstaunt an. „Das verstehe ich jetzt nicht.“

„Ich bin fest davon überzeugt, dass mein Bruder Michael Melinda im Affekt erschossen hat. Der jedoch konnte die Beziehung nur so gut zu ihr aufbauen, weil ich in dieser Zeit meine Freundin sehr vernachlässigt habe. Nur deswegen war sie bereit, Michael näher kennen zu lernen. Da werden Sie nun verstehen, dass ich seitdem keine Ruhe mehr habe.“

„Wie kommen Sie denn darauf, dass Ihr Bruder Melinda erschossen hat? Er hatte doch gar kein Motiv. Soviel ich weiß, war sie zwar verunsichert in ihren Gefühlen, aber sie hatte sich doch zu der Zeit nicht gegen ihn entschieden. Oder bin ich da falsch informiert?“

„An jenem düsteren und denkwürdigen Tag waren wir in den Abendstunden verabredet. Sie hatte alles für ein Festessen vorbereitet, sogar eine Flasche Champagner bereitgestellt. Das deute ich so, dass sie mir mitteilen wollte, dass sie sich für mich entschieden hat“, erklärte Alexander Mendig.

„Sie meinen also, Ihr Bruder habe Melinda erschossen, weil er sie Ihnen nicht gönnte? Aber hatte er denn eine Waffe?“

Er nickte. „Wir hatten beide zu dieser Zeit eine Waffe. Bei ihm hatte man öfter eingebrochen, im Verlag und in seiner Villa. Er wurde auch bedroht zu dieser Zeit wegen eines politischen Artikels, der sich gegen Rechtsradikale richtete. Zur gleichen Zeit hatte ich einige kriminelle Patienten und ebenfalls über mehrere Einbrüche in meiner Praxis zu klagen. Ich bewahrte sie jedoch ständig in gesichertem Zustand und ohne Munition auf.“

„Aber das kann doch gar nicht sein“, widersprach ich ihm. „Man hat doch hinterher bestimmt feststellen können, ob aus einer der beiden Waffen geschossen worden ist. Das ist doch heute kein Kunststück mehr.“

„Beide Waffen waren verschwunden, als die Polizei unsere Wohnungen durchsuchte.“

Ich sah ihn ungläubig an. „Was sollte das denn für einen Sinn haben? Eine Verschwörungstheorie? Wer sollte denn Interesse daran haben, diesen Fall so kompliziert zu gestalten? Das hört sich ja fast so an, als gäbe es eine dritte Person, die da involviert ist.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, mein Bruder wird beide Waffen entwendet und vernichtet haben. Meine, damit ich auch verdächtigt wurde, und seine, weil er daraus geschossen hatte. Auf diese Weise konnte man keinem von uns beiden etwas nachweisen.“

„Haben Sie sich denn seit dem Mord einmal miteinander ausgesprochen, Herr Mendig?“

„Nein, seit dem Mord haben wir kein Wort mehr miteinander gesprochen.“

„Oh“, entfuhr es mir. „Jetzt sind doch einige Jahre vergangen. Würden Sie jetzt mit ihm reden? Es könnte ja auch sein, dass Sie sich irren. So wie sich die Polizei auch geirrt hat, als Sie verdächtigt wurden.“

Er kniff die Augen zusammen. „Wer sollte es sonst gewesen sein? Es gab sonst niemandem mit einem Motiv. Nein, im Augenblick möchte ich nicht mit ihm reden.“

„Es können ganz Viele gewesen sein, mit einem Motiv, das Sie nicht kennen. Trauen Sie denn Ihrem Bruder zu, dass er ein Mörder ist?“

„Es gibt eine Theorie, die sagt, fast jeder Mensch kann zum Mörder werden. Ich weiß, dass wir beide auch eine melancholische, manchmal etwas depressive Ader haben. Und irgendwo schlummert auch Dunkelheit in unseren Seelen. Es ist fast so, als seien unsere Seelen während der Generationen auch von den Umständen geprägt worden. Unter unseren Vorfahren waren viele Bergleute, und in der Buchdruckkunst, der schwarzen Kunst kannten sich auch einige aus. In meinem Beruf tue ich auch nichts anderes, als in den dunklen Ecken der Menschen herumzugraben, und ich muss selbst dafür geeignet sein, um ihnen folgen zu können. Die Probleme der anderen Menschen, die ich suche, müssen auch bei mir in der Tiefe mindestens ansatzweise vorhanden sein, wie sollte ich sie sonst verstehen, geschweige denn Ihnen helfen können. Auch wenn mein Bruder es gut tarnen kann, er war schon immer der aktive, der in die Tat umgesetzt hat, was ich dachte. Nein, nicht dass Sie jetzt denken, ich hätte Melinda auch töten können. Nein, das hätte ich nie fertig gebracht.“

„Können Sie denn so mit der Vergangenheit abschließen, wenn Sie sich niemals richtig mit Ihrem Bruder ausgesprochen haben, Herr Mendig?“

„Will ich das?“ antwortete er mit einer Gegenfrage. „Und jetzt möchte ich das Thema wechseln. Es geht um Kasimir und meinen Urgroßvater. Welche Fragen haben Sie da an mich? Und wie weit sind Sie bereits informiert?“

„Ich weiß, dass ihr Urgroßvater während des Krieges im Tauferstal war und oben in einer Höhle in den Bergen für Kasimir etwas versteckt hat. Wissen Sie vielleicht, wo diese Höhle war, und wissen Sie etwas über eine Martha Sonnenbichler?“

„Ja, darüber bin ich informiert. Diese Höhle liegt oberhalb von Mühlwald. Da gibt es einen Stausee, der heißt Neves Stausee. In der Nähe gibt es zwei Orte, Lappach und Oberlappach, und von dort aus muss ein Wanderweg zu der Höhle gehen.“

Ich staunte. „Das ist ja fantastisch. Damit kann man ja wirklich schon etwas anfangen. So viele Höhlen wird es dort wohl gar nicht geben. Und wissen Sie auch, was Ihr Urgroßvater dort versteckt hat?“

„Ich weiß nur, dass er damit Kasimir einen Gefallen getan hat. Es war nichts auf den ersten Blick Wertvolles, kein Schmuck, kein Geld, angeblich sollen es ein paar Familienerinnerungen gewesen sein. Aber im Nachhinein könnte ich mir doch vorstellen, dass bei den Dingen etwas war, das an die berühmten Künstler von Sankt Augustine erinnerte. Von dieser Martha Sonnenbichler ist mir bekannt, dass sie auch in der Nähe des Stausees wohnte und sie den Krieg überlebt hat. Meine Urgroßmutter hat sich einmal danach erkundigt, weil sie wissen wollte, was zwischen den beiden gewesen ist.“

„Wo war denn Ihre Urgroßmutter in der Zwischenzeit? War sie nicht mit in Norditalien?“

„Nein, sie war in der Zwischenzeit in einem winzigen Dorf in der Eifel und hat ihre kranken Eltern gepflegt. Mein Urgroßvater muss jedoch gegen das Regime gewesen sein, sonst hätte er sich nicht während des Krieges verstecken müssen.“

Ich überlegte und versuchte, ihn zu provozieren. „Ach so, ich hatte das so verstanden, dass er einfach nur nicht Soldat sein wollte. Hatte er aktiv gegen das Regime gearbeitet?“

„Ich glaube, Kasimir und mein Urgroßvater haben damals allerlei Verbotenes gedruckt, auch für einige, die sich Hitler widersetzen wollten. Diese Martha war übrigens Witwe, hat aber dann nach dem Krieg noch einmal geheiratet, obwohl sie schon nicht mehr jung war.“

„Wenn noch jemand aus Marthas Familie lebt, könnte jemand über diese Höhle Bescheid wissen. Hatte diese Höhle einen Namen?“ erkundigte ich mich.

„Ja, und ich versuche nun schon seit Tagen, mich daran zu erinnern. Aber er fällt mir nicht ein. Allerdings bleibe ich noch eine Weile hier, ich möchte mir noch einmal einiges ansehen, was ich früher kannte. Das Haus, wo Melinda wohnte, die Wege, auf denen wir spazieren gingen, das Ufer am Fluss, dass Blumenviertel …“

„Sie kannten auch das Blumenviertel draußen in den Auen? Dort, wo die beiden Schriftsteller Konstantin und Wohlfarth sich in der schlimmen Zeit versteckt hatten?“

„Ja, wir sind dort gern spazieren gegangen, Melinda und ich. Es ist ein besonderes Fleckchen Natur, sie konnte sich dort immer begeistern für die Blumen und ihren Duft.“

„Sie bestimmt auch! Sie sind doch Schriftsteller!“ versuchte ich ihn aus der Reserve zu locken.

„Ich bin Schriftsteller, aber kein Dichter oder Poet. Ich verstehe mit Worten umzugehen, bin vom Typ her aber sehr realistisch, sehr Kopf gesteuert. Ich habe mich immer sehr gewundert, wie stark sich Melinda für etwas begeistern konnte. Ihre gesamten Sinne müssen besonders gut ausgeprägt und ausgebildet gewesen sein. Sie konnte sich am Duft einer Blume berauschen, und der Gesang eines Vogels war für sie wie ein Konzert von Mozart.“

„Ich habe gehört, dass Sie nicht nur Schriftsteller sind, sondern auch Psychologe, konnten Sie sich vielleicht deswegen etwas helfen nach den schlimmen Ereignissen, nach Melindas gewaltsamem Tod und nach der Erfahrung, dass man Sie verdächtigte?“ bohrte ich weiter.

Er sah mich prüfend an. „Ich weiß nicht genau, was Sie damit meinen. Aber ich nehme an, dass Sie glauben, diese Erlebnisse kann man nur mit einem Psychotherapeuten verarbeiten, oder?“

Ich nickte. „Das sind doch traumatische Erlebnisse. Braucht man da nicht immer Hilfe von einem Außenstehenden?“

„Wenn Sie darauf einspielen, dass ich sehr zurückgezogen lebe und auch seit Melinda keine Partnerschaft mehr eingegangen bin, dann muss ich Ihnen sagen: Nein. Jemanden zu verlieren, wie auch immer, das gehört für mich zum Leben dazu. Es gibt kein Leben ohne den Tod. Und für etwas verdächtigt zu werden, was man nicht getan hat, das passiert vielen Menschen andauernd. Es mag auch sein, dass es Menschen gibt, die dabei professionelle Hilfe brauchen. Aber ich habe meinen augenblicklichen Lebensstil selbst und bewusst gewählt. Melinda war für mich die Verbindung zu einer anderen Welt, in die ich sonst keinen Eintritt habe. Es war, als schaute ich mit ihr immer ein wenig durch einen Türspalt in einen hell erleuchteten Raum, zu dem ich keinen Zutritt hatte. Ohne Melinda bin ich wieder in meine eigene Welt zurückgekehrt, da gibt es nicht diese Sinnenfreudigkeit.“

Hatte er mir das vorher nicht etwas anders erklärt? Hatte er da nicht zugegeben, auch Schuldgefühle zu haben? Tatsächlich schien jetzt eine andere Seite in ihm zu sprechen.

„Und diese Tür soll jetzt für immer für Sie verschlossen sein?“ wagte ich es, ihn zu fragen.

„Manche Leute glauben, ich hätte einen Hang zur Depressivität. Meines Erachtens habe ich eine teilweise melancholische Ader. Ich fühle mich wohl in einer Welt, die nicht ständig blendet oder glitzert. Ich fühle mich wohl in einer Welt, die nicht nur aus Superlativen besteht. Die Gene der Menschen sind eben sehr unterschiedlich.“