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Port Angeles, Trinidad. In den sonnendurchglühten Gassen mischt sich das vielstimmige Geschrei der Händler mit Vogelgezwitscher und Verkehrslärm; es riecht nach Gewürzen und reifen Früchten. Unter stillen, schattigen Bäumen ruht Fidelis, der jahrhundertealte Friedhof der Insel. Hier arbeitet Emmanuel als Totengräber. Der junge Rastafari hat sein Zuhause verlassen, um seinen Vater zu finden. Als er Yejide trifft, hat das Schicksal ihre Wege längst fest miteinander verflochten. Und so beginnt dort, wo das Leben endet, eine magische Liebesgeschichte.
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Seitenzahl: 392
Veröffentlichungsjahr: 2023
Ayanna Lloyd Banwo
Roman
Aus dem trinidad-kreolischen Englisch von Michaela Grabinger
Diogenes
Für meine Eltern Gale und Ronnie.
Tot, aber nicht entschlafen.
Komm. Die erste Lektion: deine Flügel zu einem Herzschlag zusammenfalten.
Aus Bird-Man/Bird-Woman in
Over the Roofs of the World von Olive Senior
Morne Marie, Trinidad. Gestern.
»Du musst wissen, es gab eine Zeit vor der Zeit«, sagt Granny Catherine und zieht ihre Enkeltochter Yejide näher an sich, »das ist wichtig.« Sie stopft die erste Tabakschicht fest in die Ebenholzpfeife. Die Flamme des silbernen Feuerzeugs lodert in der Höhlung auf, dann ruht das Mundstück zwischen ihren Lippen. »Bevor wir in dieses Haus gezogen sind, bevor Menschen in diesem Tal waren, noch vor den Steinbrüchen, als der Dschungel so dicht war, dass niemand hindurchkommen konnte, da lebten nur Tiere in Morne Marie. Aber keine Tiere wie jetzt, o nein!« Catherine reißt die Augen auf, blauer Rauch quillt ihr aus der Nase. »Die Ozelots waren groß wie Tiger, die Hirsche so schnell, die hat keiner erwischt, auch wenn er sich zum Jagen in den Dschungel getraut hat, und die kleinen grünen Papageien, die in der Abenddämmerung krächzen, waren so groß wie die blutroten Ibisse drüben im Sumpfland. Die Tiere haben miteinander geredet, genau wie ich jetzt mit dir, und sie haben eine mächtige Stadt im Dschungel gebaut, aber eine ganz andere als Port Angeles. Ohne Häuser, ohne Mauern, ohne Tore, und die Tiere haben darin zusammengelebt und nichts bewachen und sich um keine Grenzen sorgen müssen.
Aber eines Tages ist ein Krieger in den Dschungel gekommen und hat die vielen Tiere gesehen, die er jagen könnte, und die vielen Früchte zum Essen. Er hat die Bäume angeschaut und nur an die Häuser gedacht, die er daraus bauen würde, und beim Blick rundum hat er nur überlegt, wie viel vom Land er sich nehmen könnte. Die Tiere haben versucht mit ihm zu reden und ihm zu sagen, dass es noch viel, viel mehr gibt als das, was er sieht, aber ihre Sprache war fremd für ihn, er hat sie nicht verstanden.
Der Krieger hat andere Krieger geholt, und für die Krieger wurden Häuser gebaut, und dann kamen Bauern und mit den Bauern Priester. Mit den Priestern sind Gouverneure gekommen und mit den Gouverneuren der Tod.«
»Aber die Tiere haben sich gewehrt, stimmts?« Yejide zappelt aufgeregt auf Catherines Schoß. Nichts liebt sie mehr, als wenn alles da ist: der süße Tabakgeruch, der rhythmische Schwung des Schaukelstuhls, die grünen Berge und die vielen Geschichten im Gesicht ihrer Granny. Sie denkt an die scharfen Zähne der Ozelots und an den festen Griff der Macajuel, die einen Mann in ihrer Umschlingung ersticken kann. Kein Mensch mit nur zwei Beinen, winzigen Zähnen und ganz ohne Gift könnte die wilden Tiere im Dschungel jemals besiegen.
Catherine schaut sie an und zieht an der Pfeife. »Wer erzählt hier, du oder ich?«
Yejide grinst und sagt nichts mehr.
»Die Tiere haben immer in Frieden gelebt, aber jetzt war Zeit für Krieg. Ein blutiger Kampf, ein schrecklicher Kampf. Dort beim Steinbruch«, Catherine deutet aus dem Fenster auf den tiefen braunen Krater im Hang, »da haben sich die Tiere so erbittert gewehrt, dass der Berg Narben bekam.
Das große Töten hat den Dschungel schwer getroffen. Er war verwundet und hat getrauert, und deshalb kam die längste Trockenheit, die es in Morne Marie jemals gegeben hat. Die Flüsse haben sich in der Erde versteckt, und die Bäume haben die Äste hängen lassen und sind schwächer und schwächer geworden. Die Ozelots sind zu kleinen Kätzchen geschrumpft, die Brüllaffen waren mit einem Mal ängstlich, und die Hirsche, die Manicous und die Lappe, die zuvor friedlich zusammenlebten, haben einander plötzlich als Futter betrachtet. Und auch die Krieger haben gelitten, denn keiner kann überleben, kein Mensch und kein Tier, wenn die Natur ihren Reichtum für sich behält.
Eines Tages, als allen die Kraft ausging und der Krieg bald nicht nur die Kämpfer verschlungen hat, sondern den ganzen Dschungel, da hat sich oben in den Bergen ein großes Gewitter zusammengebraut. Dicke graue Wolken haben sich über dem Regenwald ausgeschüttet, und die Menschen und Tiere haben gejubelt, weil das Wasser der Flüsse wieder gestiegen ist und der Wald den Regen in tiefen Zügen getrunken hat. Drei Tage und drei Nächte sind Blitz und Donner auf die Erde geprasselt. Aber denk dran, das war eine Zeit vor der Zeit, da waren Bäume an einem einzigen Tag ausgewachsen, und ein Junge wurde von einem Tag auf den andern zum Mann. Deshalb war dieses Gewitter so lang und stark, wie es die Tiere noch nie erlebt haben. Die Erde ist die Berge runtergerutscht und ins Tal gestürzt. Bäume, die älter waren, als irgendein Tier zurückdenken konnte, verloren den Halt und sind umgekippt. Die Flüsse haben ihr Bett verlassen und das Land überschwemmt. Da hat sich der Jubel wieder in Kummer verwandelt. Als würde sich der ganze Dschungel gegen sie wenden und seinen Anteil von denen fordern, die seine heiligen Stätten mit Krieg beschmutzten.
Die grünen Papageien, die so krächzen und krähen und gackern wie du«, Catherine kneift Yejides Lippen zusammen, damit sie aufhört zu kichern, »die waren klüger, als die anderen Tiere dachten. Die Papageien haben den Regen und die Berge, die Flüsse und die Unmengen Tote betrachtet, sich in den Ästen des letzten heiligen Baumwollbaums versammelt und Rat gehalten. Und dann hat sich das Bataillon der Papageien aufgeteilt: Die eine Hälfte ist nach Osten geflogen, die andere nach Westen.
Die Papageien, die den Weg nach Westen eingeschlagen haben, sind klein geworden; das sind die grünen Vögelchen, die heute hier bei uns krächzen und dorthin fliegen, wo die Sonne untergeht. Die andren aber, die nach Osten, zum Sonnenaufgang, gezogen sind, haben ihre grünen Federn schwarz gefärbt und ihre Schnäbel zu spitzen Haken geformt. Sie wurden dick, und ihre Flügel haben sich so weit gespannt, dass das Land unter ihnen dunkel geworden ist, wenn sie flogen. Sie haben noch ein letztes großes Lied hervorgestoßen, das alle Tiere und Menschen zum Zittern gebracht hat, dann sind ihnen graue Kapuzen über den Kopf und den Hals gewachsen, die ihre Kehlen für immer verstummen ließen.
Weißt du, in was sie sich verwandelt haben, Yejide?« Catherine zieht lächelnd an ihrer Pfeife und blickt aus dem Fenster.
»Corbeaux!«, ruft Yejide. Sie ist immer glücklich, wenn sie die richtige Antwort weiß. Ganz gleich, wie oft sie die Geschichte gehört hat – die Antwort zu kennen gibt ihr das Gefühl, erwachsen und sehr, sehr wichtig zu sein.
Catherine nickt und saugt scharf an der Pfeife. »Als sie ganz verwandelt waren, ist in ihren Bäuchen der Hunger nach Fleisch gewachsen. Sie haben ihre Flügel weit ausgebreitet, sind langsam über dem Land gekreist und haben nach Toten Ausschau gehalten. Und mit ihren neuen langen, gebogenen Schnäbeln und den Krallen so scharf wie Kaimanzähne sind sie über die Tiere hergefallen, die einmal ihre Freunde waren, und über die Menschen, die einmal ihre Feinde waren. Danach sind sie zum Baumwollbaum zurückgeflogen und haben nur Knochen hinterlassen.
Die Lebenden haben entsetzt zugesehen, wie die Toten verschlungen wurden. Sie haben nicht begreifen können, warum die Vögel, die sie einst kannten, etwas so Schreckliches taten. Aber die plappernden Papageien von früher gab es nicht mehr. Als sie ihre Gestalt veränderten, übernahmen sie die heilige Pflicht, an der Grenze zwischen den Lebenden und den Toten zu stehen. Und so warten sie auf die Sterbenden, wachen über die Kadaver und verzehren das Fleisch. Und nur die Corbeaux wissen, dass sich in ihren Körpern die Seelen der Toten verwandeln und ihre Freiheit finden.«
Catherine hebt sich das Kind vom Schoß und stellt es in seinen Kirchenschuhen aus weißem Lack auf die Bodendielen. »So, das war die Geschichte. Jetzt geh, und zieh deine Schuhe aus. Und dein schönes Kleid hängst du über die Stuhllehne in meinem Zimmer. Wehe, wenn ich entdecke, dass du es einfach irgendwo hingelegt hast!«
Doch Yejide kennt das Ritual gut. »Granny, die Geschichte ist noch nicht fertig. Was ist dann passiert?«
Catherine schaut auf ihre Enkeltochter hinunter. Bald ist sie zu groß für Kleinmädchenkleider, zu alt, um bei ihr auf dem Schoß zu sitzen. Aber ganz so weit ist es noch nicht – sie streckt ihre Hand aus, und Yejide läuft in ihre Arme zurück. Noch nicht ganz so weit.
»Na gut. Als am vierten Morgen des großen Gewitters die Sonne aufging, als die Corbeaux volle Bäuche hatten und alles vor Schmerz und Trauer erschöpft war, hat der Regen geendet. Die Flut war vorbei, und der Dschungel kam wieder ins Gleichgewicht. Aber als alle gerettet waren, hat niemand an die Retter gedacht. In solchen Dingen sind Tiere und Menschen ganz gleich. Weil sich alle vor ihnen gefürchtet haben, sind die Corbeaux davongeflogen und haben sich an den Rändern des Dschungels von Morne Marie niedergelassen. Nur sie wussten, dass sich die Welt verändert und dass es in den künftigen Städten der Menschen viel für sie zu tun geben würde. Und wie in allen Geschichten, die die Welt verändern, haben im Lauf der Zeit alle vergessen, dass das Gewitter zu Ende ging, als die Corbeaux geboren wurden. Alle, nur natürlich nicht die Corbeaux.« Sie beugt sich vor und flüstert Yejide ins Ohr: »Wir vergessen es nicht.«
Port Angeles, Trinidad. Heute.
Der ramponierte weiße Bedford bremst ab, fährt von der Straße, der Blinker flackert orange. Darwin nickt dem Fahrer zu, ein alter Mann mit Kappe tief in der Stirn. Das Mädchen auf dem Beifahrersitz hebt nicht mal den Blick, starrt weiter aufs Handy.
»Port Angeles?«
Der alte Mann nickt nach hinten zur Ladefläche. Darwin klettert rauf, bevor es sich der Alte anders überlegt, klopft an die metallene Seitenwand – er ist oben. Sie fahren los. Auf dem Highway rasen die Felder verschwommen vorbei, braun von der Trockenheit, von den Buschfeuern.
Er schiebt den großen Jutesack nach rechts, Kartoffeln oder Taro oder irgendwelche andern Knollen, die schwere Seilrolle nach links und kauert sich zwischen zwei Höcker im Pritschenboden, damit er nicht zur Seite kippt, wenn der Wagen über ein Schlagloch fährt. Dann lehnt er sich an die Ladeklappe und schaut in den Himmel. Sonst ist so früh am Tag alles noch sauber und rosig, aber diesmal ist der Saharastaub schlimm. Macht das rosa Licht diesig, und die Wolken erinnern an Schmutzwäscheberge.
Bei so einem Himmel wird ihm immer ganz komisch. Bei klarem Himmel, wenn noch Regen in der Luft hängt und die Berge vor Grün strotzen, ist leicht hoffen. Dann glaubt einer, dass er weiß, wos hingeht und was er will. Als würde schon alles klappen, auch ohne die leiseste Ahnung, was als Nächstes kommt. Aber dieser Schmutzwäschehimmel macht ein Gefühl, als würde alles gleich explodieren. Der Staub und die Asche und der Rauch, die er einatmet – wie mitten in einem Kriegsgebiet.
Aber sogar an so einem staubigen Tag hat man mal Glück, und ein alter Mann nimmt einen in seinem Pick-up mit in die Stadt. Sonst hält so früh keiner an, wenn die Sonne noch nicht ganz draußen ist. Als er klein war, ist er problemlos überall hingekommen, da war immer wer unterwegs in die Stadt oder runter zur Küste. Da ist er einfach mit ein paar Jungs aus der Dalia Street abgehaut, ohne Hemd, ohne Schuhe, ein Riesenspaß. Mussten gar nicht mal Freunde sein. Jetzt ist es anders. Und er ist eben kein kleiner Junge mehr.
Er rutscht ein Stück in die Mitte, damit ihn der alte Mann im Rückspiegel besser sieht. So, wies inzwischen läuft, kann ers ihm nicht verübeln, aber als ihn der Blick des Fahrers trifft, starrt er eisern zurück. Der Mann schaut als Erster weg, recht so. Was glaubt der, was Darwin vorhat? Rausspringen, sich an den fahrenden Wagen hängen, durchs Fenster rein und ihm die Kehle durchschneiden? Er ist ja einiges, aber bestimmt kein Bandit und kein Killer.
Aus den braunen Feldern in der Ferne steigt Rauch auf. Er weiß gar nicht mehr, wann es das letzte Mal Regen gab. Die kurze Hitze in der Regenzeit ist eigentlich gut, da kann die Erde bisschen trocknen, aber dieses Jahr war Petit Carême früh dran und hat mit den Buschfeuern alles aufgeheizt wie ein Ofen. Er betrachtet den Jutesack mit den Knollen. Vielleicht ist der alte Mann Bauer und bringt seine Ernte zum Markt. Hat es bestimmt besonders schwer dieses Jahr. Er würde ihn gern danach fragen, vielleicht mit ihm plaudern, über die Stadt, in die er zum ersten Mal fährt. Weiter vorn ragen verlassene Krane wie Finger aus dem Boden, und eine Überführung endet in der Luft wie eine Himmelsstraße ins Nirgendwo. Seit die großen Baufirmen zugemacht haben und der Staat die Arbeit am Highway auf halber Strecke zwischen Mount Perish und dem südlichen Tiefland gestoppt hat, gibts kaum noch Arbeit. Nur in der Stadt.
Letzte Woche, als er in Wharton im Amt endlich ganz vorn in der Schlange war, hat er sein Glück kaum fassen können. Er kennt Männer, die haben schon Stunden gewartet, und wenn die Schlange noch nicht mal zur Hälfte vorgerückt ist, sagt die Chefin hinter der Tür, dass sie für diesen Tag nichts mehr hat, kommen Sie morgen wieder. Aber letzte Woche, da gibt ihm die Arbeitsvermittlerin einen Zettel vom Stapel auf ihrem Schreibtisch, hier unterschreiben, und er sagt ein Dankgebet, weil Jah ihn erhört hat.
MRSJAMESON – LEITENDESACHBEARBEITERIN. Hatte sich eigens ein Namensschildchen aus Pappe für ihren Schreibtisch gebastelt. Und sie war auch die Einzige, die wirklich was machte. In einem Eck saßen Männer mit aufgekrempelten Ärmeln und klopften an zwei zusammengeschobenen Schreibtischen Karten, All Fours. Einer mischte wie ein Profi und grinste dabei so fies, als wüsste er ganz genau, dass er gleich allen ihr Geld abnehmen würde. Und daneben steht eine Frau und streitet mit wem am Handy.
»Was ist das genau für ein Job, Mrs Jameson?« Darwin betrachtete das Formular, das er von ihr bekommen hatte.
»Wenn Sie hungrig sind, und jemand gibt Ihnen etwas zu essen, dann fragen Sie auch, was es ist?« Sie schob die Brille höher auf die Nase und sortierte weiter ihre Akten.
»Was Fidelis ist, mein ich.«
»Sie kennen Fidelis nicht? Der große Friedhof in Port Angeles. In der St Brigitte Avenue.«
»Ein Friedhof? Mit Toten?«
»Kennen Sie einen ohne?«
»Was gibts auf einem Friedhof zu tun?«
»Die brauchen noch einen Totengräber.«
Darwin sträubten sich alle Haare am Körper, kein Witz. »Und was andres haben Sie nicht?«
»Geben Sie mir mein Formular, und dann raus.« Sie griff nach dem Blatt Papier. »Wenn Sie verzweifelt genug sind, landen Sie eh wieder hier.«
Als hätte er sonst irgendwo hingehen können. Wer auf der Suche nach Arbeit in diesem Amt gelandet war, hatte schon in allen andren Schlangen gestanden und seinen Namen auf jede andre Liste gesetzt. Hier war Endstation. Kaum wäre er von hier verschwunden, würde draußen in der grellen Sonne sofort wer seinen Platz einnehmen, einer wie er oder eine Frau mit Baby, eine Dame mit einer Tasche aus besseren Tagen, ein Mann mit guten Schuhen, bei dem es erst seit Kurzem nicht mehr reichte. Die Schlange ging schon raus auf die Straße und um die Ecke.
»Emmanuel Darwin?« Sie las seinen Namen.
»Ja. Aber nur Darwin, Ma’am.«
Sie schob die Brille wieder rauf und sah ihn zum ersten Mal richtig an – seinen Vollbart, die Ballonmütze über den Dreadlocks, bis runter zu den abgenutzten Stiefeln –, und ihr Blick wurde eine Spur weicher. »Hören Sie, Darwin, wenn ich was anderes hätte, würde ich es Ihnen geben, aber ich habe gerade nur das. Sie könnten natürlich ein andermal wieder reinschauen. Allerdings …« Ein Blick an ihm vorbei auf die Schlange.
Er hat unterschrieben. Erst mal sechs Wochen, und wenn er sich bei der Arbeit bewährt, behalten sie ihn vielleicht. Als wärs sein eigenes Todesurteil, so hat er sich dabei gefühlt. Aber zu so was bringt einen das Leben. Und vielleicht macht genau das einen zum Mann. Dinge tun, die man sich nie hätte vorstellen können, schwere Entscheidungen treffen, wo es nur schwere Entscheidungen gibt.
Wieder der Blick aus dem Rückspiegel, aber diesmal das Mädchen. Er hat nicht viel von ihr gesehen, als er raufstieg. Jetzt, im besseren Licht, wird ihm klar, dass sie kein kleines Mädchen mehr ist, sondern so alt wie er, höchstens ein, zwei Jahre jünger. Sie hebt ständig den Blick vom Handy, schaut zu dem alten Mann und dann in den Spiegel zu Darwin und lächelt dabei mit den Augen, damit der Mann nichts bemerkt.
Braucht sie auch nur eine Mitfahrgelegenheit so wie er? Vielleicht ist der Alte ihr Vater oder ihr Onkel. Ihr Mann ist er nicht, dafür wirkt er zu alt. Andererseits sind die Zeiten so schlecht, da weiß man nie. Wenn sie gleichzeitig aussteigen, spricht er sie vielleicht an. Er versucht zu erkennen, ob sie Bürosachen trägt, damit er weiß, woran er ist. Er denkt an Marcia und ihre letzte Begegnung, das ganz neue Leben, das sie jetzt führt. Er betrachtet den Lippenstift, mit dem sich das Mädchen geschminkt hat, das lange Haar, eine teure Frisur, und ihm fällt ein, dass er so gut wie nichts in der Tasche hat. Er senkt den Blick. Zu viel Ärger. Genau wie sich mit nem Rasta einlassen, um Daddy zu nerven.
Wieder trifft es ihn wie ein Schlag in den Magen, dass der Mann, den Mrs Jameson vor ein paar Tagen gesehen hat, und der, den das Mädchen im Rückspiegel sieht, nicht mehr derselbe sind. Wen sehen die Leute jetzt, wenn sie ihn anschauen? Wie sich das Leben in einer einzigen Woche verändern kann. Wie bei einem Buschbrand.
Er fährt mit der Hand über die kurzen Büschel. Sein Kopf fühlt sich an wie der Kopf von wem andern. Sechs in der Früh ist sechs in der Früh, auch in der Trockenzeit; ungewohnt, die kühle Luft am fast kahlen Kopf, im Nacken und an den Ohren. Immerhin hat seine Mutter ihm ein ganzes Kokosbrot mitgegeben, noch warm, und es riecht nach ihren Händen. Sie ist zwar zum Abschied nicht aufgestanden, aber sie hat das Brot auf die Arbeitsfläche gelegt, damit ers nicht übersieht. Es muss was bedeuten, dass sie ihm Frühstück gemacht hat, obwohl es in ihrem Gesicht stand, dass er nicht mehr ihr Sohn ist. Er spürt das Gewicht im Rucksack und hofft, dass sie ihn, egal, was aus ihm wird, in ihre Gebete einschließt.
Auf der Überführung wechseln sie die Spur und reihen sich in den dichten Verkehr Richtung Stadt ein. Er schaut zum Himmel, der jetzt wegen der steigenden Sonne heller ist, aber immer noch ziemlich bewölkt und dunstig, und sieht kreisende schwarze Flecken. Corbeaux. Besser als jedes Ortsschild.
Die Vögel kreisen ganz langsam. Seine Mutter, Janaya, hat immer gesagt, viele Corbeaux bedeuten, dass Port Angeles nicht mehr fern ist. Sie tun keinem was, das nicht, aber es hat was Unheimliches, wie sie so schweigend kreisen oder zu mehreren aufgereiht auf Telefondrähten sitzen und alles beobachten. Wenn man Corbeaux sieht, weiß man, dass sie wegen den Toten da sind. Und in der Stadt kann nicht nur ein streunender Hund tot sein, ein Manicou oder das alte Fleisch, das die Restaurants in den Rinnstein werfen, sondern auch der Kopf von einer Frau, den die Polizei nie findet, obwohl der restliche Körper aufgetaucht ist, oder ein Mann, der vom Wasser dick aufgequollen im Hafen treibt, oder ein Kind in einem Jutesack, von dem keiner weiß, dass es da ist, bis die Corbeaux anfangen zu kreisen.
Als kleiner Junge hat er Janaya oft gefragt, warum sie nie in die Stadt fahren, nie ins Kino oder in ein Konzert gehen wie die anderen. Sie hat ihm die gleiche Antwort gegeben wie auf die Frage, ob sein Vater noch in Port Angeles ist: »In der Stadt sind nur Tote, Emmanuel. Rastas hüten sich vor den Toten.«
An der großen Kreuzung kommt der Verkehr zum Stehen. Darwin sieht die hohen Betonbögen des Busbahnhofs von Port Angeles. Der Fahrer bremst an der Ampel, und bevor wie aus dem Nichts Babylon mit Blaulicht auftaucht und dem Alten einen Strafzettel verpasst, weil er ihn auf die Ladefläche gelassen hat, schlägt Darwin wieder an die Seitenwand, »Mister, ich packs hier!«, und springt runter.
Er geht auf die gegenüberliegende Straßenseite, wo die Leute in den Busbahnhof strömen, alle mit versteinerter Miene und schnell, schnell, schnell, wie Feuerameisen. Die einen hetzen lange Treppen rauf, andere eilen in Gänge rein, und der Rest betritt durch die Bögen die Innenstadt. Er dreht sich kurz nach dem Pick-up und dem Mädchen drin um, aber die Ampel ist schon auf Grün, und das Mädchen ist weg.
Er stößt mit dem Fuß gegen was und schaut runter. Ein Mann schläft auf zusammengelegten Kartons, die Leute gehen um ihn herum. Darwin zieht sich seinen Rucksack ein Stück höher auf die Schulter. War bestimmt gut, dass er das Mädchen nicht angemacht hat. Viel besser so. Er marschiert unter den hohen weißen Betonbögen durch und verschmilzt mit dem Getümmel der Stadt.
Die Warteschlange vor dem Fastfood-Lokal am Eingang zur Stadt ist ewig lang, von der Verkaufstheke bis raus auf den Gehweg. Es stinkt nach Pisse und altem Öl, aber die Leute stellen sich trotzdem nach Brathuhn an, als wüssten sie nicht, dass der Morgen die Zeit für Tee und Gebäck ist, wo dus dir gemütlich machst mit was Gutem, das nach daheim riecht, bevor du den Menschen begegnen musst, die den Tag schon gehässig beginnen.
Darwin schaut sich um und versucht rauszufinden, welcher Weg in die Altstadt führt. Am Taxistand stehen mehrere Wagen; die Fahrer streiten um Kundschaft, jeder giert nach dem ersten Stich. Ein knallrotes tiefergelegtes Auto kommt angerast, überholt alle andren und nimmt zwei Frauen mit, anstatt hinten zu warten. Der Wagen prescht von den Flüchen der restlichen Fahrer verfolgt Richtung Hafen. Die ganze Gegend, wo die Kreuzfahrtschiffe einlaufen und Manager und Politiker Drinks kippen und aufs Meer schauen, wird das neue, aufgepeppte Port Angeles, stand in der Zeitung. Was das alte Port Angeles dazu sagt, fragt bestimmt keiner, denkt Darwin.
Der Taxistand interessiert ihn nicht. So früh am Tag kriegen die keinen von seinen sauer verdienten Dollars. Außerdem ist es nicht weit, und wenn er Glück hat, kann er das Kokosbrot essen, bevor die Friedhofsarbeit beginnt.
Port Angeles ist ganz anders, als ers sich vorgestellt hat. Man denkt, es gibt viele hohe Gebäude in so einer Stadt, funkelnde Läden und Restaurants mit schicken Leuten auf der Terrasse. So ist es vielleicht am Hafen, aber hier ist alles flach und zusammengedrängt, die Menschen leben dicht aufeinander. Obsthändler verkaufen gelbe Bananen, Julie-Mangos, saftige Papayas und in Hälften geschnittene rote Wassermelonen, und gleich daneben wiegen Fischhändler Königsmakrelen, Snapper und Kingfish in glänzenden Waagschalen. Kleine Geschäfte sind mit Gittern aus Gusseisen einbruchsicher verrammelt; die Kunden rufen dem Ladenbesitzer zu, was sie brauchen, und nehmen die Ware zwischen den Stäben entgegen. Straßenprediger in langen weißen Gewändern fuchteln mit Bibeln und verkünden den Stadtbewohnern Verdammnis und Hölle. Kleine Jungs verticken aus alten Crix-Dosen raus einzelne Zigaretten, Bonbons und Kaugummistreifen, und die Penner gleich daneben auf dem Boden hoffen, dass ein paar Münzen Wechselgeld für sie abfallen. Zwei Händler von CD-Raubkopien liefern sich einen Beschallungskampf wie beim Soundclash, jeder auf seiner Straßenseite – auf der einen donnert »To God Be the Glory«, gegenüber dröhnt satter Dancehall-Bass. Frauen in Kostüm und High Heels eilen zur Arbeit, und junge Burschen versuchen, sie auf sich aufmerksam zu machen. Schulkinder trödeln, als hätten sie vor, den Bus zu verpassen oder zu schwänzen und gar nicht erst bis zur Schule zu kommen. Hand in Hand schlendernde Paare, der Mann flüstert ihr was ins Ohr, und sie kichert. Und über allem die gellende Huperei der Autos im Stau, die nur hin und wieder ein kleines Stück weiterkriechen.
Ein Bobo-Shanti-Rasta schiebt einen grünen Karren vor sich her, die rot-grün-goldenen Fähnchen flattern im Wind. Hinter ihm riecht es süß nach honiggerösteten Nüssen. Darwin grüßt ihn, aber der Ras bemerkt ihn nicht, schreitet feierlich langsam vorbei, und sein Blick streift Darwin nur, als wäre Darwin irgendein Fremder.
Er geht weiter, richtet sich nach den Straßenschildern. Immer weniger Leute sind unterwegs, die Stadt wird ruhig. Als er um eine Ecke biegt, ist plötzlich alles golden: ein großer Park mit hohen Trompetenbäumen, ausladende Äste, goldgelbe Blüten überall auf dem Gras, ein alter Brunnen. Von den Vögeln vollgekackte grüne Meerjungfrauen tanzen in der Luft, und Fische, die irgendwann Wasser gespuckt haben, spucken jetzt nichts mehr. Governor Square. Runtergekommen wie alles, was in dieser Stadt in Verbindung mit Queen, King und Governor steht.
Mitten auf dem Platz ein leerer Sockel mit nur einem halben Bein, oben am Schenkel abgebrochen. Darunter ein rostiges Schild mit einem verwitterten Namen. Eine von den Statuen aus früheren Zeiten, die gestürzt worden sind, als der Doctor den Leuten von der Revolution predigte. Jetzt hocken Amseln auf dem Sockel und den Stufen und dem einen Bein vom Governor. Den Doctor kennt er aus der Schule, sein Gesicht war hinten auf allen Heften. Damals hat er sich oft in diese Zeit geträumt, als alle voller Begeisterung waren und aus Port Angeles eine andere Stadt machen wollten und aus dem ganzen Land ein anderes Land.
Aber die Bäume geben ein gutes Gefühl, so weit gespannt wie große goldene Schirme. Ein paar von ihnen sind wahrscheinlich älter als die ganze Stadt. Es gefällt ihm, dass noch was steht, was schon vor den morschen Bänken da war, vor den überfüllten Gehwegen, den streitenden Taxifahrern, den Governors und Revolutionären, der Straße, auf der er jetzt unterwegs ist. Gut zu wissen, dass es noch Dinge gibt, die lang leben und ihre Schönheit behalten, egal, was sich rundum abspielt.
Er biegt um die nächste Ecke und sieht das Schild mit der Aufschrift St Brigitte Avenue und die hohe Mauer aus Stein. Dahinter muss der Friedhof Fidelis liegen. Die sanft kühle Luft, die der frühe Morgen gebracht hat, ist weg, die ersten Schweißperlen rinnen ihm an den Schläfen runter. Er wischt sich mit einem Taschentuch über die Stirn und stutzt, weil seine Hand keine Dreads berührt, sondern nur kurze Büschel, die die stumpfe Schere struppig geschnitten hat.
Die Mauer ist so lang, dass er nicht sieht, wo sie aufhört. Er bleibt auf dem Gehweg gegenüber dem Friedhof. Steinbögen ragen über die Mauer, schräge Dächer, buschige Palmen und das weitgespannte Grün von Regenbaumkronen.
Er war noch nie auf einem Friedhof, hat noch nie einen von innen gesehen. Gut, dass es Menschen gibt, die so eine Arbeit machen – Krankenhaus, Leichenschauhaus, Friedhof –, aber dass er mal so einer sein würde, hätte er nie gedacht. Wenn die Kinder aus seinem Dorf den Weg zum Laden über den kleinen Friedhof abgekürzt haben, ist er auf die andere Straßenseite gegangen, damit er möglichst weit weg blieb. Nicht, dass er Angst gehabt hätte. Geister, Dämonen – an so was hat er noch nie geglaubt. Er weiß, dass Tote nicht aus dem Grab springen und ihm irgendwas tun, aber genauso sehr hat er immer gewusst, dass die Toten zu den Toten gehören und die Lebenden zu den Lebenden.
An der Gabelung, wo sich die St Brigitte Avenue teilt, wirft er noch mal einen Blick auf die Straßenschilder. Rechts beginnt die Queen Isabella Street, links setzt sich die St Brigitte Avenue fort. Er biegt links ab, und je länger er geht, umso glatter wird die Mauer, als hätte wer die Lücken mit frischem Zement gefüllt. Ein Stück weiter vorn sind verrostete Tafeln eingelassen; der Gehweg ist mit weißem Wachs von runtergebrannten Kerzen bedeckt, und leere Rumflaschen liegen im Rinnstein.
Vor ihm steht ein hohes schwarzes Gusseisentor sperrangelweit offen, ein Tor mit dicken, geraden Stäben, die nur ganz oben gebogen sind und die Jahreszahl 1806 formen. Das ist alles. Als müssten Tor, Mauer und Jahreszahl reichen, als hätte keiner hier was verloren, der jetzt immer noch nicht kapiert, wo er ist. Darwin schaut die Straße rauf und runter. Nach dem Menschengewühl, dem Governor Square, dem Autoverkehr ist in der St Brigitte Avenue alles ruhig.
Jetzt weiß er nicht, was er tun soll. Draußen bleiben und warten, bis ein Arbeiter um die Ecke biegt und er mit ihm reingehen kann? Einfach so reingehen kommt ihm vor wie ein Haus zu betreten, ohne eingeladen zu sein.
Er späht hinter das Tor, von dem eine lange Zufahrt zu einem Betonbau führt. Zwei Männer lehnen an der Hauswand, drei sitzen auf der Eingangstreppe, alle fünf so lässig, als würden sie da wohnen. Der eine von den beiden an der Wand ist alt. Er hat einen gepflegten grauen Bart und O-Beine und raucht eine Zigarette. Der daneben hält einen Styroporbecher in der Hand und ist schlaksig, steht aber so gebeugt da, dass er genauso klein wie der Graubart wirkt.
Einer nach dem andern wenden sie sich zu ihm um und mustern ihn. Er fühlt sich wie ein kleiner Junge, den man erwischt, während er sich was Verbotenes anguckt. Ein letzter Blick auf die stille Straße, die hohe Mauer, den Bogen über seinem Kopf, dann betritt er durch das Eisentor den Friedhof Fidelis.
»Hallo.« Darwin nickt den Männern zu. Keiner grüßt zurück. Noch schlimmer: Sie tragen Overalls und schmutzige Stiefel. Er hat noch seine einzige gute Hose und ein Hemd an. Mrs Jameson hat ihm nicht gesagt, ob er in den Arbeitssachen kommen oder sich erst dort umziehen soll. Im Overall durch die Stadt laufen wollte er nicht; dann hätten alle gewusst, wo er arbeitet.
»Ich such Errol.«
»Um was gehts?« Der Mann mit dem Styroporbecher schaut ihn an.
Darwin zieht das Schreiben von Mrs Jameson aus der Tasche und gibt es ihm. »Mrs Jameson von der Bezirksverwaltung schickt mich. Ich soll hier arbeiten.«
Der Mann wirft nicht mal einen Blick auf den Brief, und die Mienen der Jungs auf den Stufen sind wie versteinert. »Was stehst du dann da draußen rum, Spanner? Brauchst du ne Einladung?«
Darwin rinnt der Schweiß über die Stirn, aber undenkbar, dass er jetzt das Taschentuch rausholt. »Ich hab nicht gewusst, ob –«
»Haben sie dir gesagt, dass du hier im Büro arbeiten sollst, oder was?« Der Mann trinkt einen Schluck aus dem Becher und beäugt Darwin von Kopf bis Fuß, die Khakihose, das Hemd und die alten, aber sauberen Schuhe.
»Ich hab den Overall dabei. Hab nur nicht gewusst, obs ein Vorstellungsgespräch gibt –«
»Vorstellungsgespräch?« Einer von den Jungs auf den Stufen lacht auf. »Habt ihr das gehört?« Er schaut den Mann neben ihm an. »Jamesy, haben sie mit dir beim ersten Mal ein Vorstellungsgespräch gemacht?«
Jamesy verzieht das Gesicht, und Darwin hat das Gefühl, als würde er auf der Treppe sitzen und Jamesy auf ihn runterschaun.
»McIntosh«, fragt der andere weiter, »bist du hier an deinem ersten Tag mit nem Lebenslauf oder so was angetanzt?« McIntosh verdreht nur die Augen und hebt den Becher wieder zum Mund.
Darwin startet den nächsten Versuch. »Sagt mir einfach, wo Mr Erroll ist und lasst mich –«
Jamesy lacht. »Der Typ schämt sich, Cardo. Die Frauen in der Stadt sollen nicht sehen, dass er sein Geld mit Gräberschaufeln verdient.«
»Nein, ich schäme mich nicht, ich hab nur nicht gewusst, ob –«
»Wenn du auf nen Schnöseljob aus bist«, der alte Mann, der die ganze Zeit schweigend neben McIntosh stand und alles beobachtet hat, löst sich von der Hauswand und macht ein paar Schritte auf Darwin zu, »gehst du am besten gleich zu Mrs Jameson und lässt dich wieder auf die Liste setzen.« Mit diesen O-Beinen müsste er eigentlich hinken, aber sie behindern ihn überhaupt nicht. Der Mann schlendert lässig daher wie ein Revolverheld in einem alten Western. »Dann wartest du, bis in irgendsoner Behörde was frei wird, mit Bürostuhl und Klimaanlage, wo dir morgens ne Tante Tee macht.« Er geht langsam weiter und steht schließlich so nah, dass Darwin die Augen sieht, das eine tiefschwarz, das andere milchig trüb, matt wie ein Flussstein. »Dann wartest du und wartest und stehst in der nächsten Schlange und dann in noch einer, bis dein letztes Geld flöten ist und sich dein Magen selbst auffrisst und deine Frau auf den Strich muss, damit Mehl ins Haus kommt, und die Nachbarjungs bei deiner Mutter Waffen verstecken, ohne dass sie was machen kann. Na, wie klingt das?«
Darwin schießt das Blut in den Kopf. Er ist nicht von so weit hergekommen, um sich von einem alten Mann wie ein kleiner Junge verächtlich machen zu lassen. Die andern beobachten ihn, warten, was er jetzt tut, und er muss sich schwer zusammenreißen, damit er dem Alten nicht an die Kehle geht oder dem Friedhof für immer den Rücken kehrt. Aber er denkt an das Haus seiner Mutter am Ende der Dalia Street, an das Wasser, das nur zweimal die Woche fließt, an die Medizin für ihre Hände, die ihr kurz vor dem Regen wehtun, weil sie so schlimme Arthritis hat.
Er schluckts runter, bleibt ruhig. »Ich brauch die Arbeit. Ich kann zulangen. Sagt einfach, wo der Chef ist.« Seine Stimme zittert nicht mal. In der Ferne hupt einer, kurz ist der Bass aus einem Autoradio zu hören, dann nichts mehr. Die Stadt liegt gleich da draußen, aber sie klingt wie weit weg. McIntosh stellt den Becher ab. Jamesy und die andren auf der Treppe beugen sich vor.
Der alte Mann fängt an zu lachen. Er lacht so laut, dass Darwin von der Hauswand her ein Echo hört. McIntosh macht mit, dann auch Jamesy, dann die anderen auf den Stufen, und Darwin hat das Gefühl, dass es die ganze Straße runter zu hören ist, die ganze graue Friedhofsmauer entlang und bis in die Stadt rein. Der Alte reißt den Mund so weit auf, dass Darwin seine Zähne sieht, ein weißes, perfektes Gebiss, das überhaupt nicht zu einem passt, der alt und halb blind ist.
»Entspann dich, kleiner Darwin, wir haben dich nur verarscht.« Der alte Mann schlägt ihm auf die Schulter, Darwin geht fast in die Knie. Kraft hat er auch, der Scheißkerl. Die anderen lachen und sind ganz locker, als wären sie jetzt plötzlich alle miteinander beste Kumpel.
»Woher weißt du, wie ich heiß?«
Wieder lacht der Alte, und diesmal läuft es Darwin eiskalt den Rücken runter.
»Ich bin Errol. Du arbeitest unter mir, mein Junge.«
Auch im Overall kommt er sich wie ein Vollidiot vor. Zu sauber, zu neu. Seiner ist knallorange wie ein Verkehrshütchen frisch aus der Fabrik, die von den Jungs sind schmutzigbraun oder rostrot. Er hat gedacht, er würde sich in der Uniform sicherer fühlen, aber sie zeigt den Unterschied zwischen ihm und den andren Totengräbern noch deutlicher. Und dass Errol ihn ständig beobachtet, als würde er abschätzen, ob er tauglich ist und wie er ihn hinbiegen könnte, macht es nicht besser.
»Komm mit, ich führ dich rum.« Errol geht mit ihm vom Verwaltungsgebäude zum Ende der Zufahrt, dann nach links.
Das Erste, an was er denkt, sind Knochen. Fidelis erscheint ihm wie eine Stadt aus Knochen. Grauer Stein, weißer Marmor und Beton erstrecken sich in die Ferne und weit nach allen Seiten. Von außen wirkt der Friedhof vielleicht drei Häuserblocks groß, aber von innen so groß wie die ganze Stadt.
Grabsteine zwischen wucherndem Unkraut. Grabmale aus Beton, die wie Kirchen aussehen, so alt, dass sie schwarz und bemoost sind. Einige haben verschnörkelte Holzverzierungen wie die Häuser von früher in der Altstadt. Statuen von toten Kindern mit Flügeln und Müttern, die um sie weinen. Und überall schwarzes Eisen, vom Rost rot gewordene und weiß gestrichene Zäune, Kreuze, die wie verfaulte Finger aus dem Boden ragen.
Errol belauert ihn, das spürt er, aber er lässt sich nichts anmerken. Ab hier ist alles eine Art Test, das ist klar, und den wird er nicht schon am Anfang verbocken. Außer den Bartpalmen und Regenbäumen gibt es struppige rote Ixorahecken. So, wie die ausschauen, gehen die Leute da durch, anstatt den Weg außen rum über die Straßen zu nehmen. Ixora sind eigentlich pflegeleicht – seine Mutter hat welche im Garten –, aber die hier müssen gestutzt und in Form gebracht werden. Er spürt den Drang, die Lücken in den Hecken zu schließen und die Grabeinfassungen zu erneuern, und wüsste gern, ob das auch zu seinem Job gehört. Da hat offenbar lang keiner mehr was gemacht.
Fast alles wirkt im harten Morgenlicht verfallen und müde. Alles außer einer Ausläuferpflanze mit dunkellila Blättern, die wie Messer geformt sind und sich über die Gräber verbreiten, die kein Zaun von den anderen trennt. Sieht nicht mal so aus, als hätte die einer gepflanzt. Sie wächst einfach von Grab zu Grab, als hätte sie ihren eignen Plan. Er schaut sie an, und durch seine Brust fährt etwas weich und heiß. Die Pflanze mit den lila Blättern braucht keinen, der sich um sie kümmert. Sie hat einfach beschlossen zu leben.
»Fidelis ist alt«, sagt Errol. Sie gehen die Hauptstraße rauf. »Hast ja das Datum über dem Tor gesehen. Hier liegen alte Plantagenbesitzerfamilien und Leute, die mal ihr Eigentum waren. Alles ist wie Port Angeles aufgebaut, wie ein Gitter, verstehst du? Die Hauptstraße, wo wir gerade sind, führt von Nord nach Süd.« Errol schwenkt seine Arme wie ein Verkehrspolizist. »Und von hier gehen alle andren Straßen ab, immer von Ost nach West.«
Darwin hebt den Blick zu den weiß-blauen Schildern, die überall stehen, wo von der großen Straße schmalere Straßen abzweigen, einige breit genug für ein Auto, manche so eng, dass kaum Platz für zwei Männer nebeneinander ist.
»Alle Straßen haben Namen, alle Gräber haben Nummern. Shirley kümmert sich um die Unterlagen, lässt sich die Graburkunden geben und sagt uns, wo wir schaufeln sollen. Unser Job ist leicht. Gräber buddeln.«
Darwin nickt und schaut sich um. »Mit dem Bagger?«
»Wo passt hier ein Bagger durch?« Errol lacht. »Fidelis ist alt, hab ich ja schon gesagt. Hier gibts nur Schaufeln, Grabgabeln, Planen, Blut und Schweiß. Wenn Leute zum Bestatten kommen, wird vorher schon mal bisschen ausgeschaufelt – die Jungs zeigen dir das –, und den Rest erledigen wir, während sie singen oder beten oder was sie halt tun.«
»Warum nicht gleich alles, bevor sie kommen?«
»Tradition. Wird hier so gemacht. Jeder hat sein Ritual, und das ist unsres. Hier begraben alle möglichen Leute Tote – manchmal singen sie Kirchenlieder, manchmal wird getrommelt, und manchmal ist es gar keine richtige Feier, nur paar Leute, die kommen, zuschaun und wieder heimgehn. Die machen am wenigsten Arbeit.«
»Und wie oft?«
»Begräbnisse? Hängt von der Jahreszeit ab und obs in der Stadt heiß hergeht.« Errol grinst ihn von der Seite an, zieht zwei Zigaretten aus der Tasche, hält eine an sein Feuerzeug und will die andre Darwin geben.
»Nein danke, schon gut.« Darwin schüttelt den Kopf.
»Rauchst nicht?«
»Zigaretten nicht, nein. Macht mir aber nichts aus, wenn du rauchst.«
»Ach ja?« Errol lacht, diesmal leise. Oder sie sind schon so tief in Fidelis drin, dass der Friedhof alle Geräusche schluckt. »Macht dir also nichts aus, dass ich rauch. Als obs hier drin irgendwen schert, was dir was ausmacht.«
Darwin hält es für besser, nichts zu erwidern. Errol will ihn provozieren. Aber da hat er Pech.
Errol zieht lang an seiner Kippe.
»Wo kommst du her, Darwin? Vom Land, würd ich sagen. Siehst aus wie einer vom Land.«
»Nicht wirklich.«
»Schon jetzt Geheimnisse vor mir?«
»Ist kein Geheimnis. Spielt keine Rolle, wo ich herkomm.«
Am Ende der Hauptstraße biegen sie bei dem Schild mit der Aufschrift 21st Street links ab, und plötzlich ist Fidelis ganz anders. Auf dieser Seite sehen die Gräber aus wie in Reihen gepflanzt. Saubere Marmorsteine, niedrige Trennmauern um die Gräber, offenbar sogar frisch gestrichen. Eine ganze Sektion ist mit Wandelröschen bewachsen, winzige gelbe und rosa Blüten quellen aus frischer Erde. Daneben liegen mehrere Gräber, die betoniert und mit Mäuerchen abgetrennt sind. In kleinen Vertiefungen in den Steinen stecken Räucherstäbchen, abgebrannt bis zum Holz.
Sie kommen an ein Grab, das mit violetten Chrysanthemen und weißen Rosen bedeckt ist. Der Stein ist aus weißem Marmor. Ein räudiger Streuner hat die Nase in den Blumen und schnüffelt. Darwins Herz schlägt wie wild. Ein frisches Grab. Die Inschrift lautet: ANTHONYGRAHAM, LIEBENDERVATER. UNVERGESSEN. Das Bild von einem Mann im guten Anzug in einer Kiste blitzt in ihm auf, mit einem Gesicht so hart wie das Holz, in dem sie ihn begraben haben. Und Errol und er stehen ganz nah dran und reden, als wär nichts.
Errol bemerkt Darwins Blick. »Spielt immer ne Rolle, wo einer herkommt. Sagt einem, wie er ist, für was er steht, wo ers nicht so genau nimmt, falls du weißt, was ich mein.«
Darwin lässt den Hund nicht aus den Augen. Er hat keine Lust, zu Errol zu schauen. Die Augen mit den unterschiedlichen Farben bereiten ihm Unbehagen. Errol scheint zwar halb blind zu sein, aber ihm entgeht nicht das Geringste, da ist sich Darwin sicher. »Ich habs schon gesagt – ich arbeite hart. Nur darauf kommts an.«
Der Hund riecht irgendwas. Sein Körper wird starr, und sein Schwanz ragt steil nach oben. Plötzlich reißt er die Blumen aus, schleudert sie um sich, wühlt in der Erde.
»Hau ab, Hund!«, knurrt Errol. Seine Stimme hallt durch die Stille. Der Hund flitzt davon, wirft im Laufen noch einen Blick auf die beiden. »Kümmer dich nicht um die Köter, die schnüffeln hier ständig nach Futter. Manchmal legen die Leute Essen und so aufs Grab.«
Darwin nickt, und sie gehen weiter. »Wieso sind die Gräber da hinten einbetoniert?«, fragt er.
»Weil der Rest der Familie wegzieht und dann keiner mehr da begraben wird. Oder weil die Leute sich lieber einäschern lassen. Manche machens auch, damit keiner die Toten stört. Aus Aberglauben, verstehst du?«
Seine Frage, woher Darwin kommt, hat Errol nicht vergessen, das ist Darwin klar. Aber Errol lässt die Sache erst mal auf sich beruhen. Immerhin einen Punkt gutgemacht nach seiner Dummheit vorhin. Er mustert den alten Mann aus dem Augenwinkel. Errol war das ganze Gespräch über cool, total anders als in der Szene nach Darwins Ankunft auf dem Friedhof. Er humpelt jetzt sogar leicht. Lässt ihn harmlos erscheinen.
Nach der nächsten Wegbiegung zeigt Fidelis schon wieder ein neues Gesicht. Hier drängen sich die Gräber dicht an dicht, keine Mauern, Mausoleen, Tore, keine weinenden Statuen, Kreuze, Marmorgrabsteine, sondern Steine aus nacktem Beton, die Inschriften mit der Hand aufgemalt. Hohes Unkraut, das an Federn erinnert, Mimosensträucher, die ihre Blüten schließen, sobald er sie mit dem Fuß streift, Gräser mit schneidenden Blättern, und der dornige Ausläufer, den er vorhin gesehen hat, bedeckt ganze Grabfelder dunkellila. Und viel Müll. Eine alte Flasche, Verpackungen, ein einzelner Flipflop, ein Saftkarton, was Menschen so alles wegwerfen. Errol startet den nächsten Versuch. »Hast du Familie?«
»Nur meine Queen«, antwortet Darwin. Dann fällt ihm Ms Enid ein, die Freundin von seiner Mutter, eigentlich eine zweite Mutter. »Und ne Art Tante.«
»Sehr schön. Ein Mann muss dafür sorgen, dass seine Mutter ein gutes Leben hat, muss sich um seine Leute kümmern. Ich hasse Undankbarkeit. Kanns nicht ausstehn, wenn einer seine alten Eltern alleinlässt und sie auf der Strecke bleiben. Wenn einer denen nicht dankbar sein kann, die alles für einen getan haben, als mans selbst nicht konnte.«
Errol geht schneller, und Darwin sieht zu, dass er Schritt halten kann. Sie sind wieder auf der großen Straße, Richtung Verwaltungsgebäude. Der Rundgang ist offenbar demnächst zu Ende.
»Ich hab gleich gewusst, dass du gut hier reinpasst. Ich hab ein Gespür für Menschen, und mit dir klappts.«
Darwin fragt sich, was der alte Mann sieht, wenn er ihn anschaut, was ihm seine Antworten sagen. Vielleicht hat Errol bemerkt, wie er die Pflanzen angestarrt hat, damit er vergisst, wo er ist – an einem Ort für die Toten, wo einer wie er nichts zu suchen hat oder einer, wie er mal war. Und dass Errol so tut, als wäre die Arbeit in einem Friedhof völlig normal, ein Job wie jeder andre, macht die Sache nicht besser.
»Da.« Errol hält ihm einen Schlüsselbund hin. »Großes Tor und Verwaltung.«
»Haben den alle hier?« Darwin nimmt die Schlüssel.
»Nein, bei uns gibts nur einen. So sind die Regeln. Bei der Bezirksverwaltung liegt noch ein Bund und bei der Stadtpolizei, für den Notfall, aber die Arbeiter sollen nur einen haben. Sicherheitsrisiko.«
Darwin lässt den Blick über die alten Bäume schweifen, die beschnitten werden müssen, über das Unkraut, über verfallene Grabsteine und Mausoleen. »Was gibts hier zu klauen?«
»Früher haben sie Zäune geklaut, wegen dem Metall. Siehst du die Kreuze und die Marienstatuen, die kleinen Engel? Alles Marmor. Die haben sie früher auch mitgehn lassen. Könnten sie zwar immer noch, aber mit nem großen Engel aus Stein auf dem Buckel von der Mauer springen ist schon um einiges schwieriger.«
Errol lacht, als hätte er den besten Witz der Welt gemacht, doch Darwin wirds plötzlich kalt bis in die neuen Stiefel rein. Wie lang würde so was dauern? An einem Sockel rummeißeln, einen Zaun rausreißen, der in den Boden einbetoniert ist, Messingteile, Kupferteile von Grabsteinen lösen? Wie kann einer so tief sinken und Grabräuber werden?
»Angst?«
Wieder fühlt sich Darwin in der Defensive. »Ich will nur wissen, mit was ich rechnen muss.« Er hält Errols Blick stand.
»Musst dich nicht fürchten, Junge.« Errol klingt jetzt ganz sanft, gar nicht wie ein grauhaariger alter Mann in Arbeitskluft. Mehr wie einer im Dreiteiler in einem von den Hochhäusern am Hafen. »Hier sind nur die Toten.«
Errol nickt zu den Schlüsseln in Darwins Hand hin. »Bist in Hemd und Hose in meinen Friedhof gekommen, als wärst du scharf auf nen Security-Job, deshalb kriegst du die Schlüssel. Um sechs in der Früh bist du da und drehst um halb sieben am Abend die letzte Runde. Dürfen dann keine Besucher mehr da sein. Soll keiner hier eingesperrt werden.«
»Letzte Runde? Was heißt das? Bin ich dann ganz allein da? Abends?« Darwins Stimme wird zum Ende hin brüchig – er könnte sich in den Arsch beißen.
Errol grinst schief und mustert ihn. »So groß und stark und Angst im Dunkeln?« Er dreht sich um und lässt Darwin stehen.
Darwin schaut zu, wie der Mann auf der Hauptstraße Richtung Verwaltungsgebäude verschwindet und durch die rote Eingangstür reingeht. Was soll er jetzt tun? Errol hat nichts gesagt, und von der restlichen Mannschaft ist nichts zu sehen. Er hat keine Lust, allein über den Friedhof zu streifen. Woanders würde er irgendwas finden, was geputzt oder weggeräumt werden muss, irgendeine Beschäftigung. Aber seit Errol weg ist, besteht der Friedhof wieder nur noch aus Knochen. Er hat nicht gewusst, dass irgendwas so leer sein kann und gleichzeitig so voll.
Die Sonne steht hoch am Himmel. Es müssen Stunden vergangen sein. Er fährt mit der Hand durch sein struppig geschnittenes Haar. Er ist ziemlich müde, obwohl er noch gar nicht richtig gearbeitet hat. Der Vormittag hat an ihm gezehrt. Als er sich auf den Weg zur Verwaltung macht, steckt Errol den Kopf durch die Tür und ruft: »Mittagspause. Hast du Essen dabei?«
Darwin schüttelt den Kopf, und erst in dem Moment fällt ihm das Kokosbrot von seiner Mutter ein.
Bellemere liegt so nah beim Stadtzentrum, dass Darwin vom Friedhof zu Fuß hinkommt, aber weit genug weg, dass sich die Bewohner der besseren Häuser einreden können, sie hätten es ein Stück nach oben geschafft. Im Licht des frühen Abends und wenn man richtig hinschaut, hat das alles eine ganz eigene Schönheit – die dicht gedrängten Wohnblocks und die heruntergekommenen Häuser mit ihren Blumengärten, die Männer, die ihre Autos mit Schaum aus dem Eimer waschen, die kleinen Läden, die nie schließen und alles haben, Flipflops, Gasflaschen, Brot, Zigaretten und andere Sachen, die man an der Seitentür kriegt.