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Forschungsarbeit aus dem Jahr 1995 im Fachbereich Soziologie - Beziehungen und Familie, Note: 1, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Institut für Soziologie der Universität Heidelberg), Veranstaltung: Forschungspraktikum, Sprache: Deutsch, Abstract: Ist die Partnerwahl ein 'Random Mating' (R. KLEIN), dem Bild in der römischen Mythologie entsprechend, in dem Amor seine Pfeile mit verbundenen Augen verschießt? Sicher nicht. Daß bei der Partnerwahl eine Vielzahl beispielsweise kognitiver und behavioristischer Selektionsmechanismen greifen, ist aus der sozialpsychologischen Attraktivitäts- und Sexualitätsforschung bekannt. Inwieweit auch heute noch normative Schranken oder gar strukturelle Besonderheiten des Partnermarktes die Freiheit bei der Partnerwahl einschränken, soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.
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"LIEBHABER u. FREUND, groß an Geist und
Körper, ab 45 J. gesucht. Von IHR, 43/168/65, langh. (...)"
"ATTRAKTIVE Feminine (28/177) träumt von maskul. Attraktion (mind. 30/187, sportl., bauchu. bartlos (...)"
"Ist doch einfach! Sie muß einfach richtig gut sein! Dazu schl./zierl., powerful, 25-35, (...). Die Beste soll sich bitte melden bei M39/173/schl./NR (...)" "INDIANA JONES: mutig mit atemberaubender Ausstrahlung, (...), bezaubernder Typ (30, 183, sehr sportl. u. gutaussehend!)(...) Bist Du der 20-25 jähr. goldige Schatz (...)"1
Partnerwahl Mitte der neunziger Jahre: Immer noch geprägt von uralten Mustern? Er muß und will größer, älter und stark sein, sie muß und will kleiner, jünger und hübsch sein? Welche Bedeutung haben Merkmale wie Körpergröße, Attraktivität, Alter, Bildung und ökonomische Situation? Ist die Norm des ungleichen Paares, verbunden mit Rollenzuweisung und Machtgefälle, nicht vielmehr überholt?
In dieser Arbeit wollen wir uns auf eine der genannten Normen konzentrieren: Gegenstand einer empirischen Analyse soll der Altersunterschied in Paarbeziehungen sein. Es soll untersucht werden, ob die Norm der jüngeren Partnerin, respektive des älteren Partners, tatsächlich noch uneingeschränkte Gültigkeit hat oder in der Auflösung begriffen ist und inwieweit die Beobachtungen soziologich begründet werden können. Dieser Forschungsbericht ist Ergebnis unserer einsemestrigen Arbeit zu dieser Fragestellung.
Die aktuelle Entwicklungsrichtung fortgeschrittener Wohlfahrtsstaaten wie der Bundesrepublik Deutschland ist durch hochkomplexe, interdependente Tendenzen in den verschiedensten Lebensbereichen gekennzeichnet: innovative Formen der Arbeitsteilung, Flexibilisierung von Arbeits-, Frei- und Rentenzeiten, anhaltende Bildungsexpansion, immer umfassendere Risikenabsicherung durch sozialstaatliche Transferleistungen, emanzipatorische Fortschritte in Politik und Rechtssprechung, aufbrechende Normen- und Wertstrukturen, um nur einige zu nennen.
Ursache und Wirkung sind den einzelnen Veränderungen nicht mehr eindeutig zuzuordnen. Aus diesem Prozeß hervorgehende Entwicklungen - zunehmende Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen - schlagen bis zur Ebene individuellen Verhaltens durch und
1meier. Das Stadtmagazin, Mannheim, März 1995, S.188/190
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lassen sich mittels sozialwissenschaftlicher Indikatoren wie Scheidungsquoten, Mobilitätsraten, Abgabenbelastung, Ledigenquote u.ä. veranschaulichen. Im Zuge dieser Entwicklungen werdenNormalbiographienzunehmend vonWahlbiographienabgelöst.2Diese Wahlfreiheit, dieser 'freedom of choice', gilt auch für interpersonelle Beziehungen , insbesondere für die Wahl eines ehelichen oder nichtehelichen Lebenspartners. Wo früher staatliche Heiratsgesetze (Heiratsverbote etwa für Dienstboten und ökonomisch abhängige Personen) und vor allem bindende Normen (Klassenschranken, die Voraussetzung ökonomischer Unabhängigkeit des Mannes usw.) das 'field of eligibles' einschränkten, sollte heute stattdessen eine individuelle und unabhängige Wahl diesen Matching-Prozeß bestimmen.
"Was Familie, Ehe, Elternschaft, Sexualität, Erotik, Liebe ist, meint, sein sollte oder sein könnte, kann nicht mehr vorausgesetzt (...) werden, sondern variiert in Inhalten, Ausgrenzungen, Normen, Moral (...) von Individuum zu Individuum, Beziehung zu Beziehung" so BECK.3
Doch wird die Partnerwahl so zu einem 'Random Mating' (R. KLEIN), dem Bild in der römischen Mythologie entsprechend, in dem Amor seine Pfeile mit verbundenen Augen verschießt?