Am Wunschbrunnen von Sankt Augustine - Gudrun Leyendecker - E-Book

Am Wunschbrunnen von Sankt Augustine E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Der Roman AM WUNSCHBRUNNEN VON SANKT AUGUSTINE spielt wie die 24-bändige Roman-Reihe in der historischen Kleinstadt, teilweise im Schloss bei der Witwe des berühmten Malers Moro Rossini, teilweise aber auch in anderen Gegenden und Ländern, in die Juliane, Constantin und ihre Freunde reisen müssen, um einen geheimen Auftrag des verstorbenen Malers zu erfüllen, damit der Wunschbrunnen vollendet werden kann.

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Der Roman

AM WUNSCHBRUNNEN VON SANKT AUGUSTINE

spielt wie die 24-bändige Roman-Reihe Reihe in der historischen Kleinstadt, teilweise im Schloss bei der Witwe des berühmten Malers Moro Rossini, teilweise aber auch in anderen Gegenden und Ländern, in die Juliane, Constantin und ihre Freunde reisen müssen, um einen geheimen Auftrag des verstorbenen Malers zu erfüllen, damit der Wunschbrunnen vollendet werden kann.

Gudrun Leyendecker ist seit 1995 Buchautorin. Sie wurde 1948 in Bonn geboren.

Siehe Wikipedia.

Sie veröffentlichte bisher über 65 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehnte langen Tätigkeit als Lebensberaterin.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

34. Kapitel

1. Kapitel

Roberto blickte auf das alte Gemälde, das die schmale Seitenwand des gelben Salons zierte.

„Das stammt aber aus einer frühen Zeit meines Vaters, nicht wahr“, wandte er sich an die Schlossherrin. „So figürlich hat er sich später nie wieder ausgedrückt. Höchstens noch in Zeichnungen.“

Die ältere Dame nickte und reichte ihm den gewünschten Espresso. „Das hast du absolut richtig bemerkt. Die meisten seiner späteren Gemälde waren abstrakt, zeigten dafür aber umso mehr Farbenfreude. Ich werde dir später auf jeden Fall noch mehr davon zeigen. Aber jetzt bin ich neugierig. Warum bist du den weiten Weg von Valdagno hierhergekommen?“

„Dein Mann, liebe Adelaide, mein Vater, hat mir einen Brief hinterlassen, gewissermaßen als Vermächtnis, und er hat mir darin etwas über den angefangenen Brunnen berichtet, der bei euch im Schlosspark steht. Um den geht es nämlich.“

Die Schlossherrin überlegte „Du meinst den Brunnen neben dem östlichen Pavillon, dessen hintere Fassade Moro aus dem Vulkangestein des Ätna gebaut hat? Bisher steht außer der Rückwand lediglich das Becken mit ein paar Felsbrocken darin, und es hat die Form des Trevi Brunnens in Rom. Ja, Moro hatte noch allerlei Pläne damit, bevor er starb. Daran kann ich mich auch erinnern.“

Roberto nickte. „Ja, er hatte mir ein paar Fotos davon geschickt. Auf einem kleinen Hügel aus Vulkangestein erkennt man das große flache Becken aus Marmor, während er den Triumphbogen dahinter aus Travertin erbauen ließ.“

Adelaide sah ihn fragend an. „In dieser Zeit war ich gerade in Bonn und habe meinem Sohn beim Umzug geholfen. Travertin? Was ist das für ein Gestein?“

„Das ist ein Süßwasser-Kalkgestein, und wurde für den Trevi Brunnen in Rom verwendet. Es lässt sich wohl gut verarbeiten. Mein Vater schrieb mir, dass seine Miniaturausgabe des Originals schon in der kurzen Zeit hier im Park zu einem Wunschbrunnen geworden sei.“ Er trank den Espresso in einem Zug aus.

Die ältere Dame lächelte. „Wie man es nimmt. Einige Gäste, auch von den Kunststudenten, die hier so etwa alle zwei Jahre wechseln, haben, wie in den Originalbrunnen in Rom, Münzen hineingeworfen, weil sie hoffen, eines Tages wieder zurückzukommen. Aber es ist auch schon ein gewisser Aberglaube entstanden, und daran ist die Bildhauerin Juliane schuld.“

Er sah sie neugierig an. „Was hat sie denn verbrochen? Hat sie irgendeine Fabel in die Welt gesetzt?“

„Sie sagte, der Brunnen sei ein Wahrzeichen. Dein Vater habe sich hier eine kleine neue Heimat geschaffen, und sein Italien nach Deutschland geholt. Das empfand sie als eine Art Völkerverständigung und Symbol für den Frieden. Sie war mit einem Franzosen verheiratet, aber die Ehe ist leider schon nach kurzer Zeit wieder zerbrochen. Darunter leidet sie noch sehr. Da ist sie auf die Idee gekommen, ihren Ehering in den Brunnen zu werfen und hat allen anderen Bewohnern des Schlosses erzählt, dass sie auf eine Versöhnung hofft. Auf eine Versöhnung mit Pierre, ihrem Exmann und mit ihren unmöglichen Ex Schwiegereltern Roger und Claudie.“

„Das ist an sich eine ganz nette Idee“, fand Roberto. „Aber was macht sie dann hier im Schloss von Sankt Augustine? Ich nehme an, ihr Exmann und ihre Schwiegereltern sind vielleicht momentan in Frankreich?“

Die Schlossherrin lächelte. „Ja, du hast natürlich recht. Im Moment ist sie hier in Sankt Augustine und sucht ein Motiv für ihre Prüfungsarbeit. Aber das hält sie nicht davon ab, ihren Träumen nachzuhängen und zu hoffen, dass das Wünschen auch in der heutigen Zeit noch zum Erfolg führt.“

Roberto dachte nach. „Da kann ich ihr vielleicht sogar helfen. Denn genau aus diesem Grund bin ich hier. Mein Vater wünscht sich, dass der Brunnen hier fertiggestellt wird. Denn der Trevi Brunnen in Rom ist 26 Meter hoch und 49 Meter breit, das kann man natürlich nicht mit der kleinen Miniaturausgabe im Schlosspark vergleichen mit seiner Höhe von 2,60 Meter und einer Breite von 4,90 Meter. Mein Vater hatte eine Skizze davon in seinem Brief beigelegt alle Figuren gezeichnet, die den Brunnen schmücken sollen.“

„Und jetzt denkst du an Juliane und ihre Prüfungsarbeit? Das ist gar keine schlechte Idee. Sie wird bestimmt begeistert sein, und ihr könnt bald loslegen.“

„Ja, mein Vater hat sie und drei andere Künstler zur Ausführung vorgeschlagen. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Er hat sich dazu nämlich noch ein paar Extras ausgedacht, wobei ich mir über sein Motiv noch nicht im Klaren bin.“

Adelaide lächelte. „Ich habe gedacht, ich würde meinen Moro in- und auswendig kennen, und ich weiß, dass er ein sehr ernsthafter Mensch war, der dennoch einen feinen Humor besaß. Aber auf die Extras bin ich sehr neugierig.“

2. Kapitel

In diesem Augenblick betrat Juliane die geräumige Schlossküche und entdeckte Roberto neben der Schlossherrin.

„Da bist du ja endlich! Wir haben schon seit Stunden auf dich gewartet, wo hast du denn solange gesteckt?“

Der junge Italiener betrachtete die blonde Frau, deren hübsches Gesicht von großen Locken umrahmt wurde. „Meine Frau wollte mich unbedingt zum Flughafen bringen. Aber wir hatten unterwegs eine Panne, und so musste ich den nächsten Flieger nehmen, denn ich war ja in München noch mit Signor Scotty verabredet, seinem alten Freund. Das hat natürlich auch dann alles etwas länger gedauert. Aber jetzt bin ich endlich hier, und muss auch so schnell nicht wieder weg.“

„Adelaide hat sich schrecklich auf dich gefreut“, berichtete Juliane. „Schließlich bist du der einzige Sohn ihrer großen Liebe und stehst ihr damit automatisch auch sehr nahe.“

Der junge Mann wandte sich an die Schlossherrin. „Ehrlich gesagt, obwohl ich meine Mutter sehr liebe, bin ich doch sehr froh, dass ihr beide noch ein paar glückliche Jahre zusammen erleben durftet. Papa hat mir ab und zu davon geschrieben, und ich habe es ja auch schon mitbekommen, damals, als euch das Leben noch getrennt hatte und ich manchmal die Post für ihn erledigen musste.“

Juliane bereitete sich einen Kaffee zu. „Ja, von dieser großen Liebesgeschichte habe ich auch schon viel gehört. Aber jetzt bin ich doch erst einmal neugierig, was diese ganze Sache mit dem Wunderbrunnen auf sich hat. Ich habe ihn schon ins Herz geschlossen und dachte, er sei so fertig. Und dann höre ich, dass der Wunschbrunnen mit Figuren geschmückt werden soll. Mit den Motiven des echten Trevi Brunnens.“

Roberto zwinkerte mit einem Auge und zeigte ein feines Lächeln. „Es sollen keine genauen Nachbildungen sein, nicht etwa von Originalfotos oder mit einem Bauplan. Mein Vater hat an moderne Skulpturen gedacht, die allerdings symbolisch die Originalfiguren ersetzen sollen.“

Juliane hob die Augenbrauen. „Also, wenn ich dich jetzt richtig verstanden habe, dann soll zum Beispiel der Oceanus, der sich im Triumphbogen befindet, zwar dargestellt werden, aber als moderne Figur. Ist das richtig so?“

„Genauso habe ich es auch verstanden“, stimmte ihr Roberto zu. Jede alte Figur soll durch eine moderne Nachbildung ersetzt und in das Gefüge des Brunnens eingebaut werden.“

„Das ist doch dann gar nicht so schwierig“, fand Adelaide. „Die Kunststudenten hier im Schloss sind sehr kreativ und haben es gelernt, wunderschöne moderne Skulpturen zu erschaffen. Vielleicht nicht gerade aus Travertin, sicher aber auch aus ähnlichen Materialien.“

Roberto lächelte. „Dein Mann hat sich da aber doch noch etwas Besonderes ausgedacht. Ein einzelner Künstler darf nicht mehr als drei bis vier Figuren erschaffen.“

Juliane nickte. „Das ist doch fair, und mehr kann man sowieso nicht so kurz hintereinander allein erschaffen. Irgendwann soll der Brunnen ja auch fertig werden. Hat sich Moro Rossini da ein bestimmtes Datum überlegt?“

„Nein. Kein genaues Datum“, wusste Roberto. „Er meint, ein guter Bildhauer dürfe auch nicht unter Zeitdruck gesetzt werden und schätzt, dass man für drei kleine Figuren möglicherweise zwölf Monate benötigt. Aber er hat ein anderes Datum festgelegt, und das ist der Zeitpunkt von heute an in genau vier Wochen.“

Juliane sah ihn erwartungsvoll an. „Jetzt bin ich aber gespannt? Was soll in vier Wochen fertig sein?“

„Die Skizzen. In vier Wochen soll man den Entwurf, die Vorlage für den fertigen Brunnen auf Papier bewundern können.“

„Das dürfte auch kein Problem sein“, überlegte Juliane. Wenn die ganze Künstlergruppe hier im Schloss mitarbeitet, und sich jeder um drei Figuren kümmert, dann müsste man das doch spielend schaffen.“

Roberto atmete tief durch. „Es ist noch ein kleiner Haken vorhanden, ein Pferdefuß, der allerdings auch ein Geschenk sein kann.“

Adelaide lächelte. „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. So mysteriös hat mein Moro doch niemals gehandelt. Bist du sicher, dass diese Ideen alle von ihm sind?“

„Ganz sicher. Unter diesem Brief ist die exakte Unterschrift meines Vaters zu sehen. Das konnte ich sehr gut erkennen, es ist absolut keine Fälschung. Und ich glaube, liebe Adelaide, bei diesem Teil seiner Wünsche bist du auch mit am Zug.“

Juliane seufzte. „Mach es nicht noch spannender als es sowieso schon ist! Was für ein Haken ist dabei? Müssen wir die Figuren vielleicht in einer Vollmondnacht zeichnen, draußen am plätschernden Brunnen?“

Der junge Italiener lachte. „Nein, so verrückt ist es denn dann doch nicht, aber umständlicher. Jeder Künstler, der sich bereit erklärt, Figuren anzufertigen, erhält Spesen für eine Reise an die Orte, die Moros Glück begründet haben, Orte, an denen er glücklich war. In seinem Text gibt er dazu Hinweise, aber auch in Rätseln, die gemeinsam mit dir, Adelaide, gelöst werden müssen. An diese Orte sollen die Künstler fahren, auch den einen oder anderen alten Bekannten treffen und sich dort für einen Entwurf inspirieren lassen. Das ist sein Plan.“

Juliane staunte. „Irgendwie finde ich das schön, das ist eine besondere Idee. Aber was bezweckt er damit? Dass die Figuren besonders schön und mit Herzblut geschaffen werden?“

„Das traue ich ihm zu“, meinte Adelaide, glücklich lächelnd. „Er war ein Mensch, für den es keine halben Sachen gab. Wahrscheinlich hat er besondere historische Orte ausgesucht, die eine große Ausstrahlung haben und Künstler inspirieren können.“

„Kannst du denn auf Anhieb damit etwas anfangen“, fragte Juliane und sah die Schlossherrin erwartungsvoll an.

„Ein bisschen schon. Ich denke, dass Moro in seiner Geburtsstadt Catania sehr glücklich war. Er hat mir von seinem Vater erzählt, den er sehr liebte und verehrte, aber auch von seiner Mutter, die eine hervorragende Köchin in einem noblen Haus war, dort muss er eine ganze Zeit seines Lebens verbracht haben. Sicher liegen auch einige seiner Lieblingsorte in den Bergen, denn er war nicht nur ein begeisterter Skifahrer, sondern ist auch schon in jungen Jahren mit Begeisterung auf viele Berge der Alpen gestiegen. Er liebte zum Beispiel die Dolomiten mit all den Orten, in denen er früher als Carabinieri stationiert war.“ Sie lächelte. „Und natürlich auch den Ort dort, an dem wir uns in jungen Jahren kennengelernt haben. Auf jeden Fall liebte er auch die Stadt, in der er zuletzt gelebt hat, nahe an den kleinen Dolomiten, die er ebenfalls ins Herz geschlossen hatte. Diese drei Regionen Italiens wird er wohl besonders ins Auge gefasst haben. Aber möglicherweise gibt es da noch Überraschungen. Das wird sich alles durch diesen Brief in seinem Vermächtnis herausstellen.“

Roberto nickte. „Ich denke auch, dass du damit schon ganz schön ins Schwarze getroffen hast. Die Einzelheiten können wir dann durchgehen, wenn wir die Künstler zusammengebracht haben, die Moro vorgeschlagen hat, und die Freude daran haben, die Skulpturen zu entwerfen. Habt ihr dazu eine Idee?“

„Ich werde meine Kollegen gleich einmal fragen“, versprach Juliane.

„Und ich denke auch einmal darüber nach“, nahm sich Adelaide vor. „Dazu gehört auch Teresa aus Sizilien und möglicherweise aus den letzten Semestern Mirabell und Nicolas, die sich beteiligen könnten. Ich werde es in Erfahrung bringen.“

Roberto freute sich. „Das hört sich gut an. Es wird bestimmt ein wunderbarer Brunnen, daran glaube ich fest.“

Juliane lächelte. „Ein wunderbarer Wunsch-Brunnen.“

3. Kapitel

Roberto und Juliane standen im Schlosspark vor dem Marmorbecken des Brunnens und blickten auf die große Muschelschale, die Moro bereits als Wagen für den Meeresgott Oceanus vorgerichtet hatte.

Der junge Mann hielt ein Foto des Originalbrunnens aus Rom in der Hand. „Ich finde es ganz schön mutig von dir, dass du dich gemeldet hast, den Oceanus selbst aus Stein zu hauen. Wie stellst du dir diesen Meeresgott vor?“

„Er stellt die Naturgewalten dar, da stelle ich ihn mir schon sehr herrisch, aber auch sehr mächtig vor. Und auch irgendwie wild. Deswegen bin ich auch gar nicht erstaunt, dass dein Vater vorgesehen hat, dass derjenige, der den Oceanus schafft, auch das wilde geflügelte Pferd und den etwas aufregenden Titanen nachbilden soll. Die passen tatsächlich auch meiner Meinung nach gut zusammen.“

„Und was hältst du von der Idee meines Vaters, dass du dir die Inspiration dazu am Meer bei Catania holen sollst?“

„Das kann ich auch gut nachempfinden“, behauptete Juliane. „So nah am Ätna ist die Natur auch sehr gewaltig und wild, und das Meer dort hat auch seinen Reiz. Vorstellbar für mich waren allerdings auch die äolischen Inseln, denn dort wird auch das Meer durch die unterirdischen Vulkane wild. Aber Adelaide hat schon recht mit ihrer Vermutung dieser Kombination. Schließlich ist Rossini auch in Catania geboren und hat dort seine erste Kindheit verbracht.“

„Du könntest auch bei meiner Tante Rosa in Acicastello wohnen. Die Schwester meines Vaters ist eine sehr liebe Frau, ich mag sie gern.“

Juliane schüttelte den Kopf. „Um wirklich inspiriert zu werden, brauche ich Ruhe. Die Ferienwohnung von Frau Bianchi sagt mir mehr zu. Aber auf Sizilien freue ich mich natürlich wahnsinnig. Warst du schon oft dort?“

„Nein, eher selten. Eigentlich nur, wenn es bei meiner Tante irgendwelche großen Feste gab. Sizilien hat seinen Reiz, aber der Norden ist auch schön, du könntest auf dem Rückweg bei uns in Valdagno Halt machen. Meine Frau würde sich bestimmt freuen, dich kennenzulernen.“

„Ich glaube, daraus wird so schnell nichts“, vermutete Juliane. „Wenn mich einmal die Arbeit in Besitz genommen hat, dann denke ich an nichts anderes mehr. Ich fürchte, dass das auch nicht gut war für meine Partnerschaft mit Pierre.“

Roberto sah die junge Frau nachdenklich an „Er ist kein Künstler, dein Exmann?“

„Er ist Bauzeichner, also auch irgendwie ein Künstler. Aber er darf sich da eben keine Fantasie leisten, und ich fürchte, dass er das daher auch nicht mir zugesteht.“

Er sah sie interessiert an. „Wie habt ihr euch kennengelernt? Irgendwo beim Zeichnen?“

Juliane schüttelte den Kopf. „Nein, auf einem Campingplatz in Südfrankreich, direkt am Meer. Wir sind dort zusammen um die Wette geschwommen und lieben beide das Wasser, egal wo es fließt. Adelaide scherzt immer mit mir und sagt, es liegt daran, dass wir beide vom Sternzeichen her „Fische“ sind.“

„Und was hat dann bei euch zur Trennung geführt?“

Die junge Frau betrachtete die kleinen Wellen im Brunnen. „Ich brauche oft das kreative Chaos, und er sehr viel Konkretes und eine bestimmte Ordnung. Da gab es im Alltag oft Reibereien. Aber ich glaube nicht, dass das wirklich für eine Trennung gereicht hätte. Meine Schwiegereltern waren es, Roger und Claudie, die waren von Anfang an gegen mich und haben uns auseinandergebracht, das war leicht, denn er liebt seine Eltern über alles.“

„Du hast ihn noch nicht aufgegeben, nicht wahr?“

„Nein, und ja, ich liebe ihn immer noch wie am ersten Tag. Und ich habe mir auch vorgenommen, um ihn zu kämpfen.“

„Und wie hast du dir das vorgestellt?“

„Zuerst einmal muss ich ihm beweisen, dass meine Arbeit etwas sehr Ernstes ist und keine Spielerei. Er hat es immer als eine Art Hobby angesehen und wurde dabei von seinen Eltern sehr unterstützt.“

Nachdenklich betrachtete er sie. „Du willst also dann wieder mit ihm Kontakt aufnehmen, wenn du etwas erreicht hast?“

„Das hatte ich so vor. Und wenn er bis dahin sein Herz einer anderen Frau geschenkt hat, so ist das dann eben Schicksal.“

„Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist“, vermutete Roberto. „Er sollte sich seiner Liebe zu dir sicher werden, in der Zeit, in der du noch keinen Erfolg hast und noch nicht berühmt bist.“

„Aber vorher habe ich keinen Grund, um mit ihm Kontakt aufzunehmen“, bedauerte Juliane.

Er rollte die Augen und spitzte den Mund. „Oh, da könnte man gut etwas inszenieren. Adelaide hat doch immer so fantastische Ideen, wenn es um Partnerschaftsvermittlung geht. Sollen wir sie einmal um Rat fragen?“

„Ich möchte sie eigentlich nicht auch noch damit belästigen. Ich glaube, sie hat den Verlust deines Vaters heute noch nicht überwunden. Manchmal ist sie sehr traurig, auch wenn sie es niemandem zeigen will.“

„Sie wird diesen Verlust niemals überwinden“, wusste Roberto. „Diese Liebe ging und geht sehr tief und wird nie enden, das habe ich auch eines Tages begreifen müssen. Früher habe ich auch angenommen, dass die Beziehung der beiden nur eine romantische Schwärmerei, teilweise aus weiter Entfernung gewesen sei. Aber dann musste ich immer mehr entdecken, wie tief die Gefühle der beiden waren. Adelaide lebt jetzt ganz mit diesen vielen wunderbaren Erinnerungen, aus denen sie täglich schöpft. Aber ein bisschen Ablenkung kann ihr zwischendurch ganz guttun. Du kannst sie also ruhig fragen, ob sie dir bei einer Kontaktherstellung zu Pierre helfen kann.“

Juliane seufzte. „Kontakt habe ich ja zu ihm. Wir schreiben uns ab und zu, aber wir bemühen uns um einen Ton, als wären wir gute Freunde. Das fällt mir manchmal natürlich sehr schwer. Aber ich halte es für besser so, denn er soll nicht wissen, wie sehr ich ihn noch liebe.“

„Warum nicht? Wäre es nicht gut, mit offenen Karten zu spielen? Für Liebe muss man sich doch nicht schämen.“

„In diesem Fall wäre es nicht gut, Roberto. Am Ende hat er mich schon sehr verletzt, weil er die Partei seiner Eltern ergriffen hat, und ich mir ziemlich einsam vorkam. Deswegen möchte ich auch, und ich hoffe es jedenfalls, dass er mich vermisst.“

„Ja, das kann ich auch verstehen. Was hältst du denn davon, wenn du ihn zu dir nach Sizilien rufst? Dort gibt es genug Wasser. Wenn er solch eine Wasserratte ist, dann wird er sich einen Urlaub dort bestimmt nicht entgehen lassen.“

„Du meinst, ich soll ihn einfach dorthin einladen und mit ihm in der Ferienwohnung zusammen sein? Das würde er niemals tun. Wenn ich ihn nach Catania einlade, denkt er natürlich, ich liefe ihm nach.“

Er lächelte spitzbübisch. „Dagegen gibt es auch ein Mittel. Ich kenne genug Leute auf Sizilien, da habe ich eine Menge Freunde. Die kenne ich alle von den Familienfeiern bei meiner Tante. Da finde ich schon ein nettes Mädchen, das die Ferienwohnung gern mit dir teilt, um dir einen Gefallen zu tun. Dann wirkt es ganz unverfänglich, wenn du ihn dazu einlädst. Oder noch besser, ich kenne da auch ein paar nette Jungs.“

Juliane überlegte. „Diese Idee ist gar nicht schlecht. Wenn noch ein anderer Gast in der Ferienwohnung ist, kommt er nicht auf die Idee, das Ganze solle ein Liebesurlaub werden. Damit hast du mich auf eine wirklich gute Idee gebracht. Ich muss schnell mit der Besitzerin der Wohnung reden und einmal nachfragen, ob das alles so in Ordnung geht.“

Er nickte. „Und ich werde mich inzwischen um deine Urlaubsgäste kümmern. Mal sehen, wer Lust hat, eine ganz aparte Bildhauerin kennenzulernen.“

Die junge Frau lächelte. „Na endlich. Ich hatte schon befürchtet, du seist kein echter Italiener. Adelaide hat mir doch davon erzählt, wie viele ihrer guten Freunde in Italien immerzu so nette und charmante Komplimente machen.“

Er schmunzelte. „Wenn das schon ein Kompliment sein soll?! Nein, das war wirklich nur eine Feststellung.“

4. Kapitel

Adelaide schnitt die verblühten Rosenköpfe ab und legte sie in einen Korb, als Constantin auf sie zukam.

„Darf ich dich einen Moment stören?“ wandte er sich an die ältere Dame. „Juliane hat mir eben die aktuellen Neuigkeiten erzählt. Ist es wahr, dass wir uns bei dir bewerben können, um die Skulpturen für den Wunschbrunnen anfertigen zu dürfen?“

Die Schlossherrin legte die Gartenschere in den Korb. „Ja. Das ist tatsächlich so. Du warst vorhin beim gemeinsamen Essen nicht anwesend. Daher hast du meinen Vortrag nicht mitbekommen. Hast du auch Zeit und Lust, dich auf einer Reise zu Figuren inspirieren zu lassen?“

Die dunklen Augen des jungen Mannes leuchteten. „Welche Stadt hast du mir denn anzubieten, und welche Figuren sind noch für mich übrig?“

„Eines von den geflügelten Pferden ist zum Beispiel noch zu vergeben, dazu auch der Titan, der es führt. Es ist das sanftere Pferd, das symbolisch für das ruhige Meer steht. Juliane hat sich für das wilde Pferd entschieden und wurde prompt nach Sizilien geschickt.“

„Und welche Stadt hat Moro dafür ausgesucht, für das sanfte?“

Adelaide nahm eine Rosenknospe, hielt sie an ihre Nase und sog den Duft ein. „Überhaupt keine Stadt. Wenn du die Berge und die Einsamkeit der Natur und ein bisschen Ruhe magst, dann darfst du zum Neves -Staudamm reisen. Weißt du, wo der ist?“

„Ein ruhiger Bergsee vermutlich. Nein, ich habe keine Ahnung, wo der sich befindet.“

„Er befindet sich im Norden Italiens“, klärte ihn die Schlossherrin auf. „Ganz hoch oben, fast am Ende des Mühlwalder Tals ist er von 1960-1964 gebaut worden, dieser Staudamm, hinter dem sich nun der stille See erstreckt. Himmel und Wolken spiegeln sich darin auf den zart gekräuselten Wellen. Das ist ein sehr ruhiger Ort, um in sich zu gehen, aber auch um sich inspirieren zu lassen. Hättest du Lust darauf?“

„Im Allgemeinen hätte ich sofort abgelehnt“, bekannte Constantin. „Ich glaube nicht, dass ich ein naturgetreues Pferd optimal wiedergeben kann. Aber Rossini war ein moderner Künstler, die meisten seiner Werke sind abstrakt und haben das gespiegelt, was er empfunden hat. Das wiederum traue ich mir auch zu. Und die Berge? Ja, die faszinieren mich auch. Aber wer bestimmt denn am Ende, ob unsere Werke auch gut sind und Moro gefallen würden?“

Sie lächelte, etwas wehmütig. „Das wirst du schon mir überlassen müssen. Ich fühle mit dem Herzen, was Moro mag, und was ihm gefallen könnte. Ich konnte mich in jedes seiner Bilder hineinversetzen und hätte über jedes Werk einen ganzen Aufsatz schreiben können, weil ich all seine Empfindungen ebenfalls spürte. Wenn ich jetzt seine Bilder und Skulpturen anschaue, dann werden sie für mich wieder lebendig, sie leben und sprechen zu mir.“

Er sah sie zweifelnd an. „Und was ist, wenn dir meine Werke nicht gefallen?“

„Wir werden uns alles gemeinsam anschauen, und ich trau dir schon zu, dass du dir Mühe geben wirst. Ich habe neulich die kleine Aphrodite von dir gesehen. Sie hat mir sehr gut gefallen, obwohl du sie zarter gestaltet hast als viele andere Bildhauer.“

„Ja, das haben einige Kritiker bemängelt. Aber so ein Schönheitsideal, das wandelt sich nun mal und ist auch vom Geschmack abhängig. Meine Aphrodite ist zwar keine Elfe, aber auch keine übertrieben muskulöse Frau. Wann soll denn die Reise losgehen und wo werde ich wohnen?“

„Du darfst in Mühlwald wohnen, in dem Hotel, in dem wir uns damals, vor etlichen Jahrzehnten kennengelernt haben, Moro und ich. Es sieht jetzt ein bisschen anders aus, ist ein paarmal umgebaut worden, aber trotzdem sind dort noch alle Erinnerungen an uns gespeichert.“

„Gut“, entschied er, „ich habe mich mit dem Gedanken an das ruhige Pferd und den starken Titanen angefreundet.

Wenn du magst, kann ich morgen schon abreisen.“

„Möchtest du vielleicht einen Freund oder eine Freundin mitnehmen, damit du nicht allein bist? Das ist in den Spesen mit enthalten.“

„Meine Freunde sind alle beschäftigt“, berichtete er. „Die meisten lernen oder arbeiten für irgendeine Prüfung.“

„Und wie sieht es mit einer Freundin aus?“

„Da habe ich im Moment auch keine. Wir Künstler sind schon ein besonderes Völkchen, und manche von uns nicht so beziehunsfähig. Vielleicht sind wir auch ein bisschen in uns selbst oder in unsere Werke verliebt. Vor einem Jahr habe ich meiner letzten Freundin zu ihrer Hochzeit gratuliert, wir sind in guter Freundschaft auseinandergegangen.“

Adelaide lächelte. „Dann musst du dich in Mühlwald etwas in Acht nehmen! Da gibt es eine raffinierte Frau, die eine Malschule unterhält, und manchmal sammelt sie Künstler wie Trophäen. Wir hatten hier schon einmal einen Maler, der dort Lehrer werden sollte. Sie hatte ihn auch engagiert, damit er den Touristen Zeichen- oder Malunterricht gibt. Aber eigentlich sollte er nur die Kegelclub - Frauen anziehen und Autogramme geben. Das hat ihm gar nicht gefallen, und so hat er sich dort in diesem zauberhaften Tal eine andere Beschäftigung gesucht. Er lebt jetzt dort in einem Bauernhof mit netten Menschen zusammen, die dort Bio-Gemüse anbauen. Er hilft ihnen, lebt dort mit und in der Natur und hat noch genügend Zeit, um zu malen.“

Er lächelte verträumt. „Das wäre auch etwas für mich. Ich liebe die Natur und fühle mich dort frei und angenommen. Vielleicht ist dort auch noch ein Plätzchen für mich. Vielleicht komme ich auch nicht zurück, wenn mich die Landschaft in diesem Tal so sehr gepackt hat.“