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AMOR IRRT SICH NICHT ist ein Fantasyroman Samantha hat Liebeskummer und möchte sich am liebsten in die Einsamkeit verkriechen. Doch ihre Schwester Amy braucht Hilfe und bittet ihre Nichte, für einige Tage die Versorgung ihrer Familie zu übernehmen. Unversehens wird sie in ein Abenteuer mit hineingezogen.
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Seitenzahl: 170
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AMOR IRRT SICH NICHT
ist ein Fantasyroman
Samantha hat Liebeskummer und möchte sich am liebsten in die Einsamkeit verkriechen. Doch ihre Schwester Amy braucht Hilfe und bittet ihre Nichte, für einige Tage die Versorgung ihrer Familie zu übernehmen. Unversehens wird sie in ein Abenteuer mit hineingezogen.
Siehe Wikipedia.
Sie veröffentlichte bisher über 70 Bücher, unter anderem Sachbücher, Kriminalromane, Liebesromane, und Satire. Leyendecker schreibt auch als Ghostwriterin für namhafte Regisseure. Sie ist Mitglied in schriftstellerischen Verbänden und in einem italienischen Kulturverein. Erfahrungen für ihre Tätigkeit sammelte sie auch in ihrer Jahrzehntelangen Tätigkeit als Lebensberaterin.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Als sich die Tür des kleinen Einfamilienhauses wie von Zauberhand öffnete, erwartete Samantha ihre Tante Amy. Doch die junge Frau musste erst den Kopf senken, um den kleinen Jungen zu entdecken, der mit vorwurfsvollen Augen zu ihr empor sah. „Wo hast du denn so lange gesteckt?“ fragte er und rollte die dunklen Augen. „Wir haben schon so lange auf dich gewartet.“
Sie bückte sich zu ihrem kleinen Neffen und drückte ihn. „Mein Zug hatte leider Verspätung, und der Internetempfang war miserabel. Es tut mir leid. Aber jetzt bin ich ja da.“
Er befreite sich aus der Umarmung. „Internetstörung? Kennen wir auch. Das Taxi hat Mama schon abgeholt, aber Hauptsache, du bist jetzt da.“
Sie musterte den hübschen kleinen Knirps. „Hast du mich denn erkannt, Nathan? Wir haben uns doch seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.“
Als er schmunzelte, zeigten sich Grübchen auf seinen Wangen. „Wir haben uns doch vorbereitet, Bobby Claire und ich. Gestern haben wir den ganzen Nachmittag Fotoalben angeschaut. Ich hätte dich jetzt auch am Bahnhof abholen können, denn ich kenne dein Gesicht jetzt in- und auswendig.“
Er öffnete die Tür weit und ließ seine junge Tante eintreten, die ihn belustigt ansah. „Du bist wirklich schon ein pfiffiges Kerlchen geworden. Als ich dich das letzte Mal sah, konntest du gerade laufen.“
Er streckte sich und hob den Kopf. „Das ist ja schon eine Ewigkeit her. Ich hoffe, du hast keinen großen Hunger, denn wir haben noch nichts gekocht, und Mama wollte gerade damit anfangen, als sie abgeholt wurde.“
Samantha folgte ihrem Neffen ins Gästezimmer und stellte ihr Gepäck ab. „Das ist nicht schlimm. Wenn der Kühlschrank voll ist, können wir zusammen etwas vorbereiten. Sind Claire und Bobby noch in der Schule?“
Er hob die Augenbrauen. „Hast du etwa vergessen, dass wir Ferien haben? Du bist ganz schön alt geworden, obwohl man es dir so noch nicht sehr ansieht.“
Die junge Frau schmunzelte. „Ich werde wahrscheinlich eine ganze Menge Spaß mit euch bekommen. Dann werde ich vermutlich gleich Bobby und Claire auch nicht wiedererkennen. Deine Schwester ist mit ihren dreizehn Jahren sicherlich schon eine junge Dame geworden.“
Nathan kicherte. „Sie ist in der Pubertät. Weißt du, was das heißt?“
Samantha ließ die Seife fallen, mit der sie sich gerade am Waschbecken die Hände waschen wollte. „Oh, ich glaube schon. Sie ist auf dem Weg, von einem Mädchen zur Frau zu werden. Hast du im Moment besondere Eigenschaften an ihr festgestellt?“
Der Junge nickte eifrig. „Na klar! Sie ist zickig, eitel, manchmal albern und tuschelt viel mit ihren Freundinnen herum. Außerdem schminkt sie sich wie ein Filmstar, benutzt jede Menge Duftwässerchen, die selbst Sammy, unseren Hund vergraulen und bleibt oft stundenlang im Badezimmer. Ich hoffe, dass ich nie in die Pubertät komme!“
„Da muss wohl jeder durch“, tröstete ihn die Tante. „Aber ich vermute, bei dir werden andere Symptome auftreten. Ja vielleicht wirst du dann auch das Bad für Stunden blockieren. Aber wahrscheinlich verschwendest du dann nicht so viel Zeit mit dem Schminken wie Claire.“
Samantha wechselte das Thema. „Was möchtest du denn essen? Hast du großen Hunger? Dann können wir ein schnelles Gericht kochen.“
„Pfannkuchen wären super“, schlug er vor. „Und für uns Zwei geht es ja auch schnell.“
„Werden deine Geschwister denn nicht mit uns essen?“ erkundigte sich die junge Frau verwundert.
„Nein“, sagte Nathan gedehnt, „Sie sind doch noch im „Tal der tausend Träume“.“
Die Tante sah ihren Neffen ungläubig an. „Schlafen sie etwa noch?“
Nathan grinste. „Nein! So heißt eine Begegnungsstätte am Ende unseres Orts. Da ist besonders jetzt in den Ferien eine Menge los.“
Samantha runzelte die Stirn. „Und das heißt „Im Tal der tausend Träume“? Ist das etwas für Jugendliche? Ich hoffe, das hat nichts mit Drogen zu tun.“
Der Junge lachte. „Was ihr auch immer gleich denkt! Dort kann man lernen, was man tun muss, um Träume wahr werden zu lassen.“
Die junge Frau sah ihn skeptisch an. „Und wie funktioniert das? Wer lehrt denn so etwas?“
„Professor Simons. Aber wenn du mehr darüber wissen willst, musst du schon meine Geschwister fragen. Sie sind schon oft bei ihm gewesen. Ich dagegen muss noch ein Weilchen warten, bis ich einen Kurs besuchen kann. Wenn man zwölf Jahre alt ist, darf man sich dort anmelden. Ich habe momentan sowieso keine Zeit dafür.“
Samantha sah ihn neugierig an. „Womit beschäftigst du dich denn, wenn du gerade Ferien hast, so wie jetzt?“
Er reichte ihr das Handtuch und antwortete beiläufig: „Ich komponiere.“
Sie sah ihn ungläubig an. „Du komponierst? Was denn?“
„Melodien, die lustig sind, damit du fröhlich sein kannst. Die Noten finde ich auf dem Klavier. Sie sprechen zu mir, diese weißen und schwarzen Tasten. Manche Menschen können das nicht verstehen. Das ist so wie mit einer Fremdsprache, die man noch nie gehört hat.“
Samantha staunte. „Du setzt dich also vor das Instrument und hörst auf die Tasten?“
„Ich höre sie nicht nur, sie sehen mich an und wollen beachtet werden. Magst du Musik?“
„Es gibt verschiedene Musikarten, die ich sehr gerne mag. Jetzt machst du mich aber sehr neugierig, zumal ich keine Ahnung habe, wie man von Tasten angesprochen werden kann. Aber ich nehme an, das kannst du mir bestimmt noch zeigen, während ich hier bin.“
„Wie lange wirst du hier sein?“ fragte er und sah sie treuherzig an.
„Ich weiß nicht genau. Im Augenblick hat man deiner Mutter drei Wochen Kur versprochen, aber möglicherweise wird man den Aufenthalt verlängern. Sicher werden die Ärzte ganz nach Bedarf entscheiden. Ist das wichtig für dein Klavierspiel?“
Er nickte eifrig. „Ich kann mein Talent nicht beeinflussen. An manchen Tagen habe ich keine Lust, Musik zu machen. Dann gehe ich nach draußen, um mit meinen Freunden Fußball zu spielen.“
Samantha nickte. „Das kann ich verstehen. Ich bewege mich auch gern. Morgens laufe ich meist eine Runde. Hast du Lust, mit mir zu gehen?“
Er zwinkerte ihr zu. „Lieber nicht. Meine Freunde könnten sich darüber amüsieren. So etwas ist nur für ältere Leute. Aber ehrlich gesagt, bin ich auch froh, wenn ich dann älter bin.“
„Aus einem besonderen Grund?“ hakte sie nach.
„Im Tal der tausend Träume kann mir Professor Simons zeigen, wie ich Leute mit meiner Musik dazu bringen kann, dass sie weinen.“
Die junge Frau erschrak. „Du willst, dass Menschen weinen?“
Nathans Gesicht zeigte einen ernsten Ausdruck. „Ja. Weinen ist gesund, wenn man traurig ist. Aber viele Leute können nicht weinen, obwohl sie es möchten.“
„Denkst du da an einen bestimmten Menschen?“ fragte Samantha vorsichtig nach.
„Ja. Ich denke dabei schon an eine bestimmte Person“, antwortete er traurig.
Die junge Frau näherte sich ihrem Neffen und legte den Arm um seine Schultern. „Denkst du dabei vielleicht an deine Mutter?“
Er nickte kurz. „Seit Papa gestorben ist, ist sie immer so furchtbar nett zu uns. Sie schimpft nicht, und sie ist nicht wütend. Sie ist immer nur freundlich und hat noch keine einzige Träne geweint. Ich habe neulich gehört, wie sie zu einer Freundin am Telefon sagte: „Es ist alles so leer in mir. Eine tiefe Leere. Ich weiß, da unten in der Tiefe befindet sich ein großer See voller Tränen. Er möchte geweint werden. Aber er ist so weit unten, da komme ich nicht dran.“
Samantha staunte. „Das waren ihre Worte? Hast du sie auswendig gelernt? Das klingt ja wie ein ganzes Gedicht.“
„Ich habe dieses Gespräch mitgeschnitten, mit meinem Handy“, berichtete er und sah sie schuldbewusst an. „Dann habe ich den Text aufgeschrieben, weil ich dachte, ich könnte dazu Töne auf dem Klavier finden.“
„Und, hast du es geschafft?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Das ist es ja gerade. Ich habe mich immer wieder hingesetzt und gewartet, ob mich die Tasten anspringen. Aber es ist nichts gekommen. Die Tasten wollen einfach nur lustige Melodien von sich geben.“
„Da weiß ich auf Anhieb auch keinen Rat“, gestand ihm die Tante. „Aber ich bin ja noch eine Weile hier. Möglicherweise bin ich auch etwas zu müde von der langen Fahrt. Was hältst du davon, wenn wir jetzt gemeinsam die Pfannkuchen backen?“
„Das ist eine gute Idee“, fand er. „Wir haben Äpfel da, Apfelpfannkuchen oder Blaubeeren?“
„Wie groß ist dein Hunger“, erkundigte sie sich. „Die Äpfel müssen noch geschält und kleingeschnitten werden. Sind die Blaubeeren aus dem Glas?“
„Nein. Mama hat gestern extra frische Heidelbeeren besorgt. Die müssen wir nur noch waschen. Ich denke, die nehmen wir einfach.“
Sie lächelte ihn an. „Darauf habe ich mich schon lange gefreut: Blaubeerpfannkuchen mit meinem Patenkind! Komm! Gehen wir in die Küche!“
Seine Augen weiteten sich. „Darauf hast du dich gefreut?!“ zweifelte er. „Ich denke, du wirst dich hier noch auf ganz andere Sachen gefasst machen müssen. Das Leben bei uns ist hier ziemlich abenteuerlich.“
Nathan und Samantha füllten gerade die Spülmaschine, als Claire die Küche betrat. Sie eilte auf ihre Tante zu und umarmte sie. „Hier duftet es aber gut! Habt ihr noch etwas übrig gelassen von eurem Rezept?“
„Es sind noch eine ganze Menge Blaubeerpfannkuchen übrig für meine Lieblingsnichte.“ Die junge Frau zeigte auf einen großen Teller. „Ich kann dir gern ein paar davon aufwärmen.“
„Warum hast du dich nicht schon bei Professor Simons satt gegessen?“ mischte sich der Junge ein.
Das junge Mädchen strich sich eine Strähne des langen schwarzen Haares aus dem Gesicht. „Wir hatten etwas anderes zu tun, meine Freundin Lena und ich. Heute hat uns Dakota, eine Assistentin von Professor Simons gezeigt, wie man mit Pferden flüstert.“
Samantha hob erstaunt die Augenbrauen. „Ihr habt Pferde in der Begegnungsstätte?“
Claire lächelte nachsichtig. „Du musst in den nächsten Tagen unbedingt einmal mitkommen. Zu der Begegnungsstätte gehören ja nicht nur die Gebäude. Es ist ein ganzes Tal mit sehr vielen Hektar Land. Und dazu gehören natürlich dann auch einige Weiden mit den dazugehörigen Ställen. Es gibt viele Pferde dort und ein paar Ponys.“
„Das ist natürlich paradiesisch schön“, fand die Tante. „Gibt es auch noch andere Tiere dort?“
„Na klar, unter anderem auch einen Streichelzoo“, wusste Nathan. „Und in dieses abgesperrte Gelände dürfen an manchen Tagen auch die jüngeren Kinder. Ich war auch schon dort. Aber ich bin nicht sicher, ob das den Tieren immer so gefällt. Ich möchte auch nicht ständig gestreichelt werden.“
„Sie wenden sich schon ab, wenn sie genug haben“, berichtete Claire. „Mir geben sie immer sehr deutlich zu verstehen, was sie wollen.“
Samantha sah ihre Nichte erstaunt an. „Die Tiere reden mit dir?“
„Sie sprechen nicht mit menschlichen Worten. Aber wenn man sich ein wenig bemüht, kann man ihre Zeichen verstehen. Ich habe damit keine Schwierigkeiten.“
Die junge Frau blickte die Kinder erfreut an. „Wie mir scheint, habt ihr alle besondere Begabungen. Nathan komponiert und wird von den Tasten angesprochen, du, Claire, kannst mit Tieren kommunizieren, und was kann euer Bruder? Kann er vielleicht spüren, was Menschen fühlen oder erkennen, was sie denken?“
„Das muss er dir selbst erzählen“, antwortete Claire mit einem geheimnisvollen Lächeln. „Aber mit deiner Vermutung liegst du völlig falsch. Damit hat seine Begabung gar nichts zu tun. Mama sagt immer, wir haben von unseren Eltern viel Sensibilität geerbt. Das kommt daher, weil sie beide mit dem Herzen Künstler sind. Und ich finde, das ist auch eine ganz praktische Angelegenheit.“
Samantha stutzte. „Praktisch? Wieso? Das verstehe ich nicht.“
Das Mädchen grinste. „Wenn wir allzu verrückt sind, ist das immer eine gute Ausrede für uns. Wir sagen, dass wir aus einer Künstlerfamilie stammen, und die kann man eben nicht in ein normales Klischee packen.“
Sie nahm sich einen Pfannkuchen, rollte ihn mit den Fingern zusammen und biss herzhaft hinein.
„Kalt schmecken die auch“, fügte sie kauend hinzu.
„Darfst du mir denn wenigstens verraten, was man sonst noch so alles in dem Paradies für Jugendliche anfangen kann?“ wandte sich Samantha ein Claire.
„Man kann so ziemlich alles machen, was man will“, erklärte das Mädchen. „Ich habe dort schon einiges ausprobiert. Wir tanzen sehr oft, hören Musik, nehmen an handwerklichen Kursen teil oder lernen Sprachen. Lena hat neulich ein Töpferkurs besucht, und ihre Schwester sieht dort jeden Abend in die Sterne. Es gibt da nämlich auch ein riesiges Teleskop, mit dem man dem Himmel näherkommen kann.“
„Das sind vielseitige Angebote“, fand die Tante. „Da wird es euch in den Ferien bestimmt nicht langweilig. Und das macht alles dieser Professor Simons?“
„Er hat eine ganze Menge Assistenten und Assistentinnen“, berichtete das Mädchen. „Er ist einfach wahnsinnig nett und wird von allen umschwärmt.“
„Ja, und weil ihn alle Mädchen so nett finden, wollten ihn Claire und ihre Freundin Lena schon mit Mama verkuppeln“, verriet Nathan.
„Aber da hat eure Mutter bestimmt auch noch ein Wörtchen mitzureden“, vermutete Samantha.
„Wir haben ein Wörtchen mitzureden“, entrüstete sich der Junge. „Bobby und ich, wir möchten das nämlich überhaupt nicht.“
Die Augenbrauen seiner Tante hoben sich. „Und warum nicht?“
„Bobby und ich, wir wissen, dass Mama unseren Papa noch genau so sehr liebt wie damals, als er noch lebte. Einige dumme Leute sagen zwar, sie habe jetzt lange genug getrauert. Aber das ist nicht wahr. Sie spricht doch noch jeden Tag mit seinem Bild. Sie will überhaupt keinen anderen Mann.“
„Das ist einfach nur, weil es ihr nicht gut geht“, behauptete Claire. „Aber deswegen ist sie ja jetzt in der Kur. Und wenn sie zurückkommt, geht es ihr bestimmt viel, viel besser. Und ihr beide, du und Bobby, ihr seid einfach nur eifersüchtig.“
Der kleine Bruder protestierte. „Das ist doch Quatsch! Wieso sollten wir dann eifersüchtig sein?!“
„Ihr wollt einfach keinen anderen Mann hier im Haus“, teilte ihm die Schwester ihre Meinung mit. „Ihr wollt die Mama für euch ganz allein besitzen, damit sie euch weiter so verwöhnt wie in den letzten Jahren Und ihr selbst wollt auch einfach nicht zulassen, dass ein anderer Mann Papas Platz einnimmt.“
Nathan warf ihr einen bösen Blick zu. „Das kann auch keiner. Papa wird auch immer seinen Platz bei uns haben, obwohl er im Himmel ist. Und wenn sich Mama eines Tages doch mal einen Freund holen will, dann soll sie ihn sich selbst aussuchen. Dieser Professor Simons ist überhaupt nichts für sie. Alle erzählen, dass er ein typischer Casanova ist.“
„Kennst du ihn denn auch?“ wandte sich Samantha an ihren Neffen.
Er nickte eifrig. „Natürlich kenne ich ihn. „Der Verein dort veranstaltet auch häufig große Feste zu Weihnachten oder auch im Sommer. Da habe ich ihn schon oft begrüßt und auch sehr gut beobachten können, wie er sich verhält. Und Mama kennt ihn selbstverständlich auch. Aber sie ist schlau, und hält einen großen Abstand. Ich denke, sie hat längst erkannt, was er für ein Typ ist.“
Seine Tante verkniff sich ein Lächeln. „Was für ein Typ ist er denn? Kannst du das näher beschreiben?“
„Es gefällt ihm, dass ihn viele junge Mädchen anhimmeln. Und sie alle finden, dass er gut aussieht. Das ist natürlich Geschmackssache. Ich finde, dass seine Nase viel zu groß ist und gar nicht in sein Gesicht passt. Claire sagt, dass er schöne Augen hat, aber ich denke, dass er manchmal ganz schön aufdringlich in die Gegend guckt. Er ist kein zurückhaltender und bescheidener Mensch. Also gar nicht, wie man sich sonst einen Professor vorstellt, sondern eher wie einer, dem es gefällt, wenn ihn alle bewundern.“
„Na und? Unser Vater war auch keine graue Maus“, erinnerte sich Claire. „Er konnte sehr charmant sein, und immer hat das Mama auch nicht gefallen. Männer mit solch einer Ausstrahlung haben es ganz schwer, treu zu sein.“
„Hat er denn Interesse an Amy?“ fragte Samantha. „Ich meine, hat Professor Simons Interesse an eurer Mutter?“
„Wenn man einmal davon absieht, dass uns Mama schon ziemlich alt erscheint, weil wir noch jung sind, so sieht sie doch ganz passabel aus. Ich bin sicher, dass sie ihm gefällt. Sie haben sich schon einige Male am Tag der offenen Tür nett unterhalten. Ist das nicht ein guter Ansatz?“
„Ja, es gut, wenn man sich erst einmal näher kennenlernt, und dabei Zeit hat, seine Gefühle zu prüfen. Wie steht deine Mama zu ihm?“
Claire stöhnte. „Ja, im Moment ist das noch ein Problem. Sie sagt immer, Papa sei ihre große Liebe gewesen, und sie würde sich niemals mehr für einen anderen Mann interessieren. Aber sie kann sich doch nicht ständig nur mit einem Bild unterhalten.“
„Vielleicht muss man ihr einfach Zeit geben. Ich war jetzt eine ganze Weile nicht mehr hier. Brasilien hat mich eine ganze Weile festgehalten.“ Die junge Frau presste die Lippen fest zusammen.
Das Mädchen nickte verständnisvoll. „Ach ja, ich weiß. Mama hat mir davon erzählt. Da war dieser Portugiese aus Brasilien, der dich als Gesellschafterin für seine Tochter engagiert hatte. Warum habt ihr euch getrennt?“
„Eigentlich könnte ich sagen: Er hatte zu viel Geld. Aber das trifft die Sache eben nur teilweise. Er ist schon der Mensch, der glaubt, mit Geld alles kaufen zu können, sogar Freundschaften. Aber was mich definitiv gestört hat, war, dass er mir alles vorschreiben wollte, was ich zu tun habe. Er kaufte mir alles, er schenkte mir alles, aber dafür sollte ich eben auch alles tun, was er wollte. Und das ist einfach nicht mein Leben.“
Claire überlegte. „Ich glaube, einige Frauen wären schon auf seinen Vorschlag eingegangen. Schöne Kleider, viel Schmuck, ein tolles Auto, in der ganzen Welt herumreisen, das ist für viele eine verlockende Aussicht. Hatte er nicht sogar eine Yacht?“
Samantha nickte. „Ja, er hatte eine Yacht, die ein ganzes Vermögen wert ist. Wir sind mal damit drei Wochen im Mittelmeer geschippert. Das Meer kann wunderschön sein. Aber danach ist es mir langweilig geworden.“
Das Mädchen lächelte. „Du hast es gut, du kannst deine Arbeit überall mit hinnehmen. Als Lektorin ist man nicht auf einen bestimmten Ort angewiesen.“
Die Tante reichte ihr noch einmal den Pfannkuchenteller und stimmte ihr zu. „Ja, das ist praktisch. Aber auch das gefiel Carlos nicht. Er wollte einfach, dass ich gar nichts tue und immer nur seine Begleitperson spiele.“
„Und was ist dann passiert?“ erkundigte sich Claire.
„Ich habe ihm gesagt, dass ich so nicht leben kann. Dabei habe ich ihm alles sehr ausführlich erklärt, aber er hat mir kaum zugehört und nur gemeint, dass wir uns dann trennen müssten, wenn ich nicht bereit sei, sein Leben mit ihm zu führen. Tja, dann habe ich meine Koffer gepackt.“
Das Mädchen riss die Augen auf. „Und er? Was hat er gemacht?“
„Er ist mir dann noch einmal hinterhergelaufen und hat mich gebeten, alles noch einmal zu überdenken. Eine Frist hat er mir dann gesetzt, eine Frist, in der er auf mich warten will.“
Claire hielt den Atem an. „Und? Läuft die Frist noch?“
Samantha nickte. „Ja, noch genau vier Wochen. Aber ich wüsste nicht, warum ich meine Meinung ändern sollte.“
Nathan mischte sich ein. „Du könntest diesen Mann heiraten, und dann mit seinem Geld ganz viel Gutes tun und vielen hungernden Menschen in Afrika und anderen Erdteilen helfen. Viel Geld kann eine gute Sache sein.“
Die Tante lächelte. „Ja, in gewissen Fällen schon. Aber er gibt sein Geld nur dort aus, wo er das für richtig hält. Ich hätte keine Möglichkeit, mit seinem Geld armen Menschen etwas Gutes zu tun. Ich habe tatsächlich schon mit der ganzen Geschichte abgeschlossen.“
Claire staunte. „Aber du warst doch sicher mal in ihn verliebt. Kann man denn damit einfach so abschließen?“
Samantha seufzte. „Abschied ist immer schwer. Natürlich hat Carlos einige liebenswerte Eigenschaften. Aber ich habe erst nach und nach gemerkt, wie oberflächlich er ist. Und damit komme ich auf Dauer nicht zurecht.“
„Wünschst du dir jetzt einen neuen Freund?“ fragte Nathan und sah die Tante treuherzig an.