An die Redaktion des »Svenska Dagbladet«, Stockholm - Thomas Mann - E-Book

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Thomas Mann

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Beschreibung

In diesem Beitrag Thomas Manns wird besonders deutlich, welch intellektuelle und abstrakte Sichtweise er auf den Krieg hatte – sein von den ganz konkreten Gräueln der Schlachtfelder meilenweit entferntes Bild einer heraufbeschworenen Synthese von Geist und Macht, die sich in einem Sieg Deutschlands verwirklichen werde, entsprang einem Konzept, das seit Jahrhunderten populär war und Vertretern entsprechender Positionen als stete Rechtfertigung der angeblich hehren deutschen Motive im Kriege diente. Nicht nur für Mann stellte ein starkes Deutschland einen unverzichtbaren Teil des integrierten Europas dar, namentlich: »Deutschlands Selbstbehauptung und Selbsterfüllung, das ist der Friede.« Entsprechend patriotisch äußerte er sich zu einer Rundfrage des Svenska Dagbladet, wo man sich im Frühjahr 1915 damit beschäftigte, wie die wissenschaftlichen und künstlerischen Beziehungen zwischen den noch verfeindeten Ländern nach Kriegsende wiederhergestellt werden könnten. Sein Antwortschreiben wurde zunächst am 11. Mai 1915 auf Schwedisch und anschließend in der Juni-Ausgabe der Neuen Rundschau auf Deutsch veröffentlicht und gehört zu denjenigen Texten, von denen Mann sich inhaltlich später entschieden distanzieren sollte.

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Seitenzahl: 19

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Thomas Mann

An die Redaktion des »Svenska Dagbladet«, Stockholm

Essay/s

Fischer e-books

In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk

{123}An die Redaktion des »Svenska Dagbladet«, Stockholm

Ich komme spät dazu, Ihre Rundfrage zu beantworten, – sie lag mir nicht recht, brannte mir nicht sonderlich auf den Nägeln: erstens, weil, wie ich mich keinen Augenblick zu bekennen schäme, mein Fragen und Denken jetzt dem Schicksal meines Landes, dem schweren Kampfe Deutschlands um sein Erdenrecht, gehört, und zweitens, weil ich die Tatsache, daß die Chemieprofessoren sich von wegen der Politik persönlich überwerfen, für geistig vollkommen belanglos halte. Ich werde am Schlusse sagen, warum. Vorderhand lassen Sie mich zur Entschuldigung meiner Lauheit bemerken, daß wir Deutschen uns von der Verpflichtung, der Solidarität des Menschengeschlechtes schwärmerisch eingedenk zu sein, für den Augenblick wohl einigermaßen entbunden fühlen dürfen. Sie sorgen sich um die Einhelligkeit Europas? Aber Europa ist ja einig, – viel mehr noch, die Welt ist einig (oder war es doch während der ersten Monate nach Einbruch der Katastrophe): und zwar gegen Deutschland. Was dieses Volk – reden wir mit ganz ruhiger Stimme! – was dieses Volk sich seit Kriegsbeginn hat sagen und antun lassen müssen, das war … ein wenig weitgehend, es war danach angetan, selbst das national unzuverlässigste Einzelwesen zu nationaler Parteinahme zu erregen. Ich zeige Ihnen ein Bildchen. Ein Senegalneger, der deutsche Gefangene bewacht, ein Tier mit Lippen so dick wie Kissen, führt seine graue Pfote die Kehle entlang und gurgelt: »Man sollte sie hinmachen. Es sind Barbaren.« Nun? Ich hoffe, mein Bildchen gefällt Ihnen? Aber vielleicht werden Sie es verstehen, wenn wir Deutschen das »Menschengeschlecht« eine Zeitlang im Bilde dieses seines angenehmen Beauftragten erblicken.

{124}Kurz, was ist es mit Deutschland? Welches sind seine Verbrechen? – Es hat, heißt es, den Krieg gewollt und angefangen. Und es hat auch sonst barbarische Grundsätze an den Tag gelegt. – Darf ich darauf noch heute zwei einfache Worte erwidern?