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Nebst bislang noch unveröffentlichten Portraitfotographien aus dem Nachlass enthält dieser bibliophile Band sämtliche Gedichte Maria Lazars, die die Autorin über ihren Tod hinaus für die Nachwelt bewahren wollte. Die bislang unveröffentlicht gebliebenen Gedichte weisen Lazar als Dichterin von Rang aus. Ihre Themen und Motive – ja ihre unverwechselbare Sprachmelodie – führen den „unbekannten Leser“ direkt ins Zentrum des Lebens und des Werks einer Autorin, die in ihrem hellsichtig-mahnenden Gestus vergeblich ihresgleichen sucht in der österreichischen Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Ihr Werk harrt weitgehend noch der Entdeckung…“ – MARGARETE AFFENZELLER, DER STANDARD
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Seitenzahl: 29
Maria Lazar
An meinenunbekannten Leser
Gedichte & Photographien
Erstmals aus dem Nachlass herausgegebenund mit einem Nachwort versehenvon Albert C. Eibl
Ein Großteil der in den letzten Monaten ihres Lebens verfassten Gedichte Maria Lazars sind noch nie veröffentlicht worden. Auf Grundlage der in der Österreichischen Exilbibliothek im Literaturhaus Wien aufbewahrten Originaltyposkripte werden sie hier erstmals — zusammen mit ebenfalls bislang unveröffentlicht gebliebenen Privatphotographien der Autorin — aus dem Nachlass herausgegeben.
2024
Das vergessene Buch | www.dvb-verlag.at
Copyright © by DVB Verlag GmbH, Wien
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlaggestaltung: Lukas Spreitzer, Wien, unterVerwendung eines Portraitfotos der Autorin aus demNachlass
ISBN 978-3-903244-35-1
Ich kenne dich nicht und ich werde dich nie
kennen lernen.
Aber in fernenverregneten Tagenliegt mein Buch vor dir aufgeschlagen.
Es ist irgendwie an dich gekommen,du hast es so nebenbei nur genommenvon irgend einem verstaubten Regaloder irgendwer hat es einmalso nebenbei nur vor dir erwähntund du hast es von ihm entlehnt.
Nun liegt es vor dir, du liest darin,du hörst gar nicht auf, so reißt es dich hin,denn die Welt, die ich da gebaut,die hast du ja als Kind schon geschaut,du hast ihre Felder und Straßen gekannt,nur dass du sie nicht beim Namen genannt,
du hast ihren Duft, ihre Wärme gerochen,nur dass du es selber nicht ausgesprochen,und was mich erregte, was ich empfunden,bewegte auch dich in einsamen Stundenund der Satz, den wir beide am meisten
lieben,
den hättest beinahe du selber geschrieben.
Ich kenne dich nicht und ich werde dich nie
kennen lernen.
Aber in fernenverregneten Tagenliegt mein Buch vor dir aufgeschlagen.
Ich bin nicht umsonst auf Erden gewesen,wenn nur einer wie du es für sich gelesen,und ich brauche nicht länger zu träumenvon fernen strahlenden Sternenräumen,
mir genügt deiner Lampe Schimmerim stillen Zimmer.Auf springt mein Wort dort aus klingender
Saat -
Sei mir bedankt mein unbekannter Leser,sei mir bedankt mein Kamerad.
Über den Turm, wo die Schwalben
schweben,
eherne Glockentöne sich heben,während unten auf der moosigen ErdePferde weiden, schwere braune Pferde.
Hitze sprengt das Holz im Dachgeschossund der See liegt blau und regungslos,nur ein Duft vom Geißblattblütenstengelatmet leise unterm Brunnenschwengel.
Äpfel reifen sacht im Blättergrün,hinter Stauden Feuerlilien blühenund ein Haus steht stumm und ganz für sich
allein,
keiner geht hinaus und keiner geht hinein.
Sommer, Sommer, breit und trächtig,tatenlos und sinnlos mächtig -abgeschoben an des Lebens Randseh im Traum ich nur das schöne Land.
In einem Klostergarten möcht ich sein.Von kalkigen Mauern blendet weiß das Licht,die Tulpen stehen kerzengrad und dicht,es schimmert blank und frisch gewaschen reinder Kies auf schmalen Wegen,Stein für Stein.Gedankenstilleverbindet sich der Erde heißem Segen.
In solchem Klostergarten möcht ich seinund mich auf seinen sanften Rasen legenvereinsamt und versonnen …
vorüber gleiten an der Mauergleich Schatten einer längst vergessenen Trauerdie dunklen Nonnen.
Auf staubigem Wege tanzen Sonnenflecken,die schlanken Bäume hoch zum Himmel reckenihr leuchtend Grünund durch die schimmernd warme Luftzieht so ein leiser heller Duftvom ersten Blühn.
Und mir entgegen kommen ein paar Knabenvon totem Holz am Rücken habensie graue Last,sie gehen durch das Meer von Frühlingslichternmit müden abgewendeten Gesichternund denken nur an Rast.
Ich habe sie schon oft und oft gesehen