Angenadelt - Eva Bennemann - E-Book

Angenadelt E-Book

Eva Bennemann

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Beschreibung

Die Rentnerin Inge zieht aus dem Erzgebirge zu ihrer Tochter nach Rhede im Westmünsterland. Als Inge gerade Anschluss in einer Handarbeitsgruppe der Kirchgemeinde gefunden hat, erwartet sie eine böse Überraschung. Eine der Damen wurde mit Inges Stricknadel erstochen. Gemeinsam mit ihren Freundinnen ermitteln sie. Eine unterhaltsame Mörderjagd des Miss-Marple-Clubs beginnt.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 – Donnerstag

Kapitel 2 – Freitag

Kapitel 3 – immer noch Freitag

Kapital 4 – Samstag

Kapitel 5 - Sonntag

Kapitel 6 – Montag

Kapitel 7 – Dienstag

Kapitel 8 - Mittwoch

Kapitel 9 – Donnerstag

Kapitel 10 – Freitag

Kapitel 11 – Samstag

Kapitel 12 – Sonntag

Kapitel 13 – immer noch Sonntag

Kapitel 14 – Sie erraten es: Sonntag

Kapitel 15 – endlich Montag

Kapitel 1 – Donnerstag

Hallo, ich will mich erst einmal vorstellen. Ich bin die Inge, eigentlich Ingeborg, aber wer mich so nennt, hat es bei mir vermasselt. Ich bin 66 Jahre alt, komme aus dem Erzgebirge, aus einem kleinen Dorf in der Nähe der schechischen Grenze und wohne seit ein paar Monaten im Münsterland. Nach dem Tod meines Mannes, dem Klaus, hatte mich mein Sohn Sven gefragt, ob ich nicht zu ihm nach Chemnitz ziehen möchte, jetzt da ich Rentnerin bin. Ganz ehrlich, hinterm Nischel – pardon, hinterm Karl-Marx-Kopf, wollte ich nicht wohnen, und die Peggy, seine Frau, mochte ich noch nie richtig leiden (hoffentlich liest sie das jetzt nicht). Dann hat mich die Anja, meine Tochter aus zweiter Ehe, gefragt, ob ich nicht zu ihr nach Rhede ziehen möchte. Sie war da gerade dabei, mit ihrem Mann Alex, nach einem Haus zu schauen. Sie war nämlich schwanger und die Wohnung wurde somit zu klein für drei. Also hab ich was beigesteuert, damit das Geld für ein Haus mit einer schönen, kleinen Einliegerwohnung reicht und habe mich voriges Jahr, im Herbst 2019, in den Westen aufgemacht.

Das war eine ganz schöne Umstellung in meinem Alter, dass könnt ihr mir glauben. Dieses Plattdeutsch hier und ich mit meinem Sächsisch. Stellt Euch vor, da bin ich beim Bäcker und die Verkäuferin sagt, ich solle doch die Tüte loslassen, die Brötchen sind noch heiß, und als ich vor Schreck die Tüte fallenlasse, gucken mich alle doof an. Tja, mittlerweile weiß ich, dass die Eingeborenen hier die Türen und Fenster los- und nicht aufmachen.

Tagsüber passe ich oft auf die kleine Emma auf, da meine Tochter schon wieder stundenweise im Büro arbeitet. Dann gehe ich mit ihr durch den Mehrgenerationenpark am Krankenhaus oder über den Friedhof, da ist es so schön ruhig. Aber man muss ganz schön aufpassen, ich sag euch, der Friedhof ist Rhedes bester Heiratsmarkt für die ältere Generation und mal ehrlich, ich habe zwei Männer unter die Erde gebracht, einen dritten will ich nicht mehr, ich weiß jetzt wie der Hase läuft, nee. Letzte Woche habe ich dort den Walther kennengelernt und ein Schwätzchen mit ihm gehalten – das wäre schon ein klasse Mann, ich schweife ab...

Wenn ich Lust habe, gehe ich auch zur Messe in die schöne St.-Gudula-Kirche und ab und an zu den Evangelen, allerdings nicht zu oft, sonst wollen die mich bestimmt gleich aufnehmen. Ein bisschen Kirche ist schon okay, aber ich komm ja auch der DDR, da hatten wir es nicht so mit dem Glauben.

Wenn ich die beiden Kirchen vergleiche, finde ich die evangelische Kirche ist die gemütliche Wohnküche des Hauses. Ein bisschen abgewetzt, mit dem Charme der 70-er Jahre, aber gemütlich. Man trifft sich auch mal zum Essen und Trinken. Sogar ich hab schon ein- oder zweimal ein Schwätzchen mit Jesus am Kreuz gehalten. Die gotische St.-Gudula-Kirche ist dagegen die „Gute Stube“. Man geht automatisch ehrfürchtig rein, bemüht nichts dreckig oder unordentlich zu machen. Sie ist der unbestrittene Mittelpunkt von Rhede, alles andere ist schmückendes Beiwerk. Ich werd gleich ganz pathetisch, aber sie ist einfach wunderschön.

Ich freue mich immer auf den Handarbeitskreis in der Evangelische Gemeinde, wir sind 10 Damen, das ist immer ganz schön und man muss ja unter die Leute kommen. Da sind die Helga, die Gudula und die Käthe, Rheder Urgestein um die 80. Die Hanna, Marianne und die Irmgard aus Schlesien so Mitte 70. Die Patrizia ist bestimmt Ende 50, die geht nicht arbeiten, hat sie wohl nicht nötig und wahrscheinlich ist ihr langweilig. Die Franziska ist ungefähr genauso alt, ne ganz ruhige, nette Person, gebürtig aus Ostpreußen. Schließlich ich und die Frieda, die kommt aus dem Ruhrpott. Sie war meine erste richtige Freundin hier und meine Nachbarin, die hat mich mitgenommen. Als ich Frieda das erste mal sah, dachte ich, unsere Margot Honecker ist wieder auferstanden. Sie hat ihre Frisur und Haarfarbe (weiß mit violetten Stich), aber glücklicherweise in wahnsinnig lieb, nicht wie der lila Drache des Ostens. Wir stricken und häkeln zusammen, trinken Kaffee oder auch mal ein Gläschen Wein oder nen Eierlikör – dann wird’s immer ganz lustig, vor allem wenn diese Trantüte Patrizia nicht dabei ist.

Letztens hatte die Helga Geburtstag und hat uns eine Rheder Ampel mitgebracht. Wer es nicht kennt: das sind eigentlich 3 Flaschen Likör in einer und zwar Schlehe, Anis und Pfefferminz. Das trinkt man dann entweder von rot nach grün (Wer an dem Abend noch was vorhat) oder von grün nach rot (wenn man nach Hause will). Ich trink immer von grün nach rot, weil ich Pfefferminz nicht mag, da ist mir in meiner Jugend immer sooooo schlecht geworden... das führe ich hier bei euch nicht weiter aus, da schäm ich mich. Hach, ich bin das trinken ja nicht mehr so gewohnt, ich kann euch sagen, am nächsten Tag musste ich meine ganze Socke wieder aufmachen, so einen Quatsch hatte ich zusammengestrickt. Momentan habe ich einem Poncho für die Anja angenadelt, dafür hab ich mir extra neue, teure Nadeln bei Bitterhoff gekauft, die stricken fast von alleine.

Gestern hatten wir Handarbeitskreis, es war wieder ganz gemütlich. Über dieses komische Corona haben wir geredet, so ein neues Virus aus China, manche sagen, es wäre nur eine Grippe. Ich weiß nicht so recht, bis hierher kommt das ja eh nicht, aber ich schweife schon wieder ab. Auf jeden Fall gehe ich danach nach Hause und merke, dass ich doch tatsächlich eine von den guten Nadeln liegen gelassen habe. Da es schon dreiviertel zehn war, Moment nach westdeutscher Zeit viertel vor zehn, wollte ich sie erst am nächsten Tag holen.

Gesagt, getan: ich gehe heute morgen los, mit dem Fahrrad traue ich mich noch nicht so recht, bin ja zu Hause nie gefahren, und treffe an der Tür auf die Putzfrau. Na so ein Glück, sag ich mir noch – ich erzähle ihr alles und sie schließt uns die Tür auf. Wir gehen zusammen rein und wundern uns, weshalb unter der Tür ein roter Fleck durchgelaufen ist. De Mardina macht de Dier auf un uns hauds fei aus de Bandoffeln, su dod liecht de Batrizia auf'n Fußbodn. Oh Entschuldigung, wenn ich nervlich sehr angespannt bin, verfalle ich ins Erzgebirgische. Also nochmal: Die Martina macht die Tür auf und uns haut es glatt aus den Pantoffeln, so tot liegt die Patrizia auf dem Fußboden und zuckt nicht mehr. Mit einer Stricknadel im Hals und um sie rum eine große Blutlache, nix rote Farbe, echtes Blut! Vorsichtig, um nicht hinein zu tapsen, gehe ich näher ran. Ich muss mir das genau anschauen. Das ist meine Nadel, genau die hab ich gestern liegengelassen. Ich hab mich nämlich mal aus Versehen draufgesetzt und sie leicht verbogen. Jetzt steckt sie der Patrizia im Hals! Ich mochte sie ja nicht gut leiden, weil sie immer schlechten Sinn hatte, aber tot und noch dazu ermordet, weil die Nadel ihr ja nicht von allein in den Hals gefallen sein kann, nee das geht ja gar nicht, die Arme.

Und das hier im beschaulichen Rhede, da hätte ich auch nach Chemnitz ziehen können.

***

Kapitel 2 – Freitag

Wir stehen eine ganze Weile so da, total verdattert, bis Martina schließlich sagt: „Wej mutt de Putzen roopen!“.

„Hääh, du kannst jetzt doch nicht Putzen?“ sag ich.

„Wir müssen die Polizei rufen“ übersetzt sie mir.

Ja, natürlich, denk ich mir noch so, da hätte ich auch selber drauf kommen können. Wir holen also schnell das Telefon aus der Küche, nicht ohne einen riesigen Bogen um die mausetote Patrizia zu machen. Martina wählt und spricht mit den Bu.... der Polizei. Wir sollen nichts anfassen (ist doch klar, ließt man ja in jedem Krimi) und auf das Einsatzfahrzeug aus Bocholt warten, der Rettungswagen kommt auch gleich, sagen sie. Ich glaub ja nicht, dass der noch gebraucht wird, aber die werden schon wissen, was zu tun ist.

Es dauert höchstens eine viertel Stunde, da sind sie auch schon auf dem Kirchenvorplatz, mit Blaulicht und Tatütata. Ich muss euch sagen, jetzt werden mir die Beine noch weicher, aber die Beamten sind sehr nett und einer setzt sich erst einmal mit uns in den großen Kirchraum. Unsere Personalien werden aufgenommen und dann erzählen wir ihnen alles, was ich Euch auch schon erzählt habe. Der zweite Beamte kommt zu uns und teilt uns mit, dass es nach einem Gewaltverbrechen aussieht und sie die Kriminalpolizei aus Münster benachrichtigen.

Oh, aus Münster! Hoffentlich kommt der Herr Wilsberg! Ach nee, denk ich im selben Augenblick, der ist ja aus dem Fernsehen, und außerdem auch nur Privatdetektiv. Schade, den hätte ich gerne kennengelernt, dass ist so ein toller Mann. Der Polizist fragt noch, ob einer von uns weiß, wem die Stricknadel gehört. Das ist jetzt natürlich doof, ich sage ihnen aber sofort, dass das höchstwahrscheinlich meine Nadel ist.

Putzen darf die Martina natürlich nicht, sie gibt den Beamten aber die Nummer unserer Pfarrerin, der Frau Kleine-Vehne. Für alle, die nicht aus dem Münsterland kommen: dass ist ein ganz normaler Nachname hier, kein Doppelname, ich habe mich auch gewundert am Anfang. Bei uns in Sachsen heißt man Meyer, Müller, Schulze, aber hier ist das etwas komplizierter. Sie fragen uns, ob wir es nach Hause schaffen oder zu durcheinander sind. Hach, sind das nette Männer... Wir sagen, dass wir es allein schaffen und sie wollen alles mit der Frau Pfarrerin klären. Die Kollegen aus Münster kommen ganz sicher auf uns zu. Ja natürlich, ich hab ja auch das Mordinstrument noch mehrfach zu Hause! Nee, ist das gruselig. Und womit soll ich jetzt weiterstricken, mir fehlt eine Nadel! Nicht dass ich das im Moment könnte, ich zittere ja wie ein Blatt im böhmischen Wind (sagt man so bei uns), aber der Poncho muss ja fertig werden. Dann muss ich wohl nochmal zu Bitterhoff, aber heute nicht, dass bekomme ich nicht hin.