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In Arbeitszeugnissen steckt meist mehr, als man auf den ersten Blick erahnt. Der Autor ist erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht und entschlüsselt kurz und prägnant die Codes der Zeugnissprache. Er zeigt, was zwischen den Zeilen steht und gibt Hinweise für strittige Fälle. So interpretieren Sie Bewerbungsunterlagen korrekt und können schnell über die Eignung des Kandidaten entscheiden. Dadurch gewinnen Sie Zeit und sparen Kosten bei der Personalauswahl. Inhalte: - Arbeitsrechtliche Grundlagen der verschiedenen Zeugnisformen - Sprachliche Codes und Techniken und deren Entschlüsselung - Über 30 Musterzeugnisse mit Analysehilfen - Topaktuelle Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung - Checkliste für den Aufbau eines qualifizierten Zeugnisses
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Seitenzahl: 159
Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
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Dr. Oliver FröhlichArbeitszeugnisse korrekt entschlüsseln1. Auflage 2016
© 2016, Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg [email protected]: Jutta Thyssen
Lektorat/Redaktion: Lektoratsbüro Peter Böke, Berlin Satz: Content Labs GmbH, Bad Krozingen Umschlag: RED GmbH, Krailling Druck: Schätzl Druck & Medien GmbH & Co. KG, Donauwörth
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Im Rahmen der Personalgewinnung gehen oft zahlreiche Bewerbungen ein, bei denen unverändert ein wichtiger Bestandteil die Arbeitszeugnisse sind, die vorherige Arbeitgeber den Bewerbern erteilt haben. Im Rahmen der gebotenen Vorauswahl bzw. Auswahl der Kandidaten müssen diese Zeugnisse gewürdigt werden und es geht darum zu verstehen, welche Botschaft das jeweilige Zeugnis enthält, was dessen Aussteller dem potenziellen neuen Arbeitgeber also wirklich[2] mitteilen will.
Aufgrund verschiedener Grundsätze und der hierzu ergangenen komplexen Rechtsprechung hat sich eine Zeugnissprache herausgebildet und es steckt in vielen Arbeitszeugnissen oftmals mehr, als man auf den ersten Blick erahnt. Vor allem Führungskräfte und Personaler müssen bei der Sichtung von Bewerbungsunterlagen schnell die Zeugnissprache interpretieren und entscheiden, ob der Kandidat geeignet ist.
Dieses Buch hilft dem Praktiker, Zeugnisse richtig zu lesen und sie zu verstehen, indem es nicht nur die Zeugnisgrundlagen darstellt, sondern vielmehr auch die einschlägigen Zeugniscodes erläutert und anhand zahlreicher praktischer Musterzeugnisse veranschaulicht und handhabbar macht. Es wendet sich damit an all diejenigen Personaler und Führungskräfte, zu deren Aufgaben auch die Personalbeschaffung bzw. das Recruiting zählen.
Das Buch vermittelt prägnant, was im Zeugnis zwischen den Zeilen steht, wie einzelne Aussagen zu lesen und welche Formulierungen aussagekräftig, sinnvoll und zeitgemäß sind. So geht das Interpretieren von Zeugnissen schneller von der Hand. Dadurch gewinnt man Zeit und spart Kosten.
RA Dr. Oliver Fröhlich, im September 2015
In der Praxis wird zwischen dem Zeugnis als Endzeugnis, das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilt wird, und dem Zwischenzeugnis, das eine Beurteilung bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis darstellt, unterschieden. Sowohl das Endzeugnis als auch das Zwischenzeugnis gibt es in der Form des einfachen Zeugnisses und des qualifizierten Zeugnisses. Zudem gibt es noch im Bereich der Berufsausbildung das einfache oder qualifizierte Ausbildungszeugnis, sowohl bei Beendigung der Berufsausbildung als auch als Zwischenzeugnis bei noch bestehendem Ausbildungsverhältnis.[3]
Seit dem 01.01.2003 ist das Zeugnisrecht einheitlich für alle Arbeitnehmer in § 109 GewO geregelt. Bis dahin war § 630 BGB die zentrale Vorschrift des Zeugnisrechts. § 630 BGB gilt heute nur noch für Dienstverträge mit Selbstständigen und für Anstellungsverträge mit Organen (Geschäftsführern, Vorstandsmitgliedern). Nach § 109 Abs. 1 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Die Norm gilt für alle Arbeitsverhältnisse. Voraussetzung für diesen Anspruch ist danach lediglich, dass ein Arbeitsverhältnis bestand und beendet wird. Eine bestimmte Dauer des Arbeitsverhältnisses (Wartefrist) ist ebenso wenig Voraussetzung wie eine bestimmte Betriebsgröße. Für den Anspruch des Arbeitnehmers kommt es auch nicht auf den Beendigungstatbestand oder auf die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des Arbeitsverhältnisses an. Dementsprechend besteht der Anspruch z. B. auch bei Arbeitnehmern, die wegen des Erreichens des gesetzlichen Rentenalters aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, oder auch bei Arbeitnehmern, die befristet oder geringfügig beschäftigt wurden.[4]
Das Zeugnis muss von Gesetzes wegen mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten. Das Zeugnis, das Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthält, ist gemäß der Legaldefinition des § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO das einfache Zeugnis. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstrecken. Wenn auf Verlangen des Arbeitgebers diese Angaben zu Leistung und Verhalten aufgenommen werden, handelt es sich um ein qualifiziertes Zeugnis.
Für das qualifizierte Zeugnis ist es erforderlich, dass das Arbeitsverhältnis auch tatsächlich in Vollzug gesetzt worden ist, da anderenfalls Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis schon gar nicht beschrieben und beurteilt werden können. Ein qualifiziertes Zeugnis ist denknotwendig nur sinnvoll, wenn die tatsächliche Tätigkeitsdauer eine Beurteilung des Verhaltens und der Leistung überhaupt ermöglicht, wobei nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln1 in einem kurzen Arbeitsverhältnis eine tatsächliche Arbeit des Arbeitnehmers von etwa sechs Wochen genügen soll. Da der Gesetzeswortlaut keine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses kennt, ist die Entscheidung zutreffend. In jeder Analyse des Arbeitszeugnisses sollte man sich vor diesem Hintergrund zunächst bewusst machen, welcher Zeitraum, also welche Dauer des Arbeitsverhältnisses, überhaupt Grundlage der Beurteilung geworden ist.
In § 109 Abs. 2 GewO[5] sind inhaltliche Anforderungen an das Arbeitszeugnis formuliert. Im ersten Satz finden sich durch die Aussage, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss, zwei Gebote, nämlich das Klarheitsgebot und das Verständlichkeitsgebot. In § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO sind Verbote geregelt. Das Zeugnis darf nämlich keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
Das Zeugnis ist für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers von großer Bedeutung,2 da es dem Arbeitnehmer als Unterlage für eine neue Bewerbung3 und gleichzeitig der Information des möglichen neuen Arbeitgebers dient.4 Zudem gibt das Arbeitszeugnis dem Arbeitnehmer selber Aufschluss, wie der Arbeitgeber seine Leistung und sein Sozialverhalten beurteilt. Aus diesen Zwecken bestimmt sich der notwendige Zeugnisinhalt.
Neben den gesetzlichen Bestimmungen finden sich auch Tarifvertragsnormen, die einen Zeugnisanspruch regeln, wie z. B. § 35 TVÖD und § 35 TVL, die den Gesetzesvorschriften nachgebildet sind.
Gemäß § 16 BBiG haben Ausbildende den Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein schriftliches Zeugnis auszustellen. Nach Beendigung der Berufsausbildung, aus welchem Grund auch immer, ist dem Auszubildenden ein Zeugnis auszustellen, und zwar selbst dann, wenn dieser es nicht ausdrücklich verlangt oder sogar darauf verzichtet. Ein Zeugnis ist selbst dann auszustellen, wenn der Auszubildende nach der Ausbildungszeit im Betrieb weiterbeschäftigt und in ein Arbeitsverhältnis übernommen wird. Gleichermaßen ist das Zeugnis auszustellen und zu erteilen, wenn das Ausbildungsverhältnis vorzeitig beendet wird. Nach § 25 BBiG[6] ist der Anspruch unabdingbar. Unter der Voraussetzung des § 16 Abs. 1 Satz 3 BBiG ist das Zeugnis auch vom Ausbilder zu unterschreiben, nämlich dann, wenn Ausbildende die Berufsausbildung nicht selbst durchgeführt haben.
Auch beim Ausbildungszeugnis wird zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Ausbildungszeugnis unterschieden, wobei auch im einfachen Ausbildungszeugnis ein wertender Teil enthalten ist. Dieses muss nämlich nicht nur Angaben über Art und Dauer des Ausbildungsverhältnisses, sondern auch über das Ziel der Berufsausbildung sowie über die erworbenen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten des Auszubildenden enthalten. Hier erfolgt quasi ein Soll-Ist-Vergleich. Das qualifizierte Ausbildungszeugnis, das auch Angaben über Verhalten und Leistung enthält, ist wiederum nur auf Verlangen Auszubildender zu erteilen. Ein Ausbildungszwischenzeugnis kann verlangt werden, wenn der Auszubildende gekündigt hat und sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) oder wenn er die Zwischenprüfung abgelegt hat (§ 48 BBiG).
Das Zwischenzeugnis ist im Unterschied zum Endzeugnis eine Bewertung des Arbeitnehmers bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis. Ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis ist gesetzlich nicht geregelt. Teils finden sich Anspruchsgrundlagen in Tarifverträgen, z. B. in § 35 Abs. 2 TVöD[7], wonach ein Zwischenzeugnis auch während des Arbeitsverhältnisses aus triftigen Gründen verlangt werden kann. Nach der Rechtsprechung soll auch unabhängig von einer tarifvertraglichen Anspruchsgrundlage ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis gestützt auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und begrenzt durch die Treuepflicht des Arbeitnehmers immer dann gegeben sein, wenn ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers besteht, also in einem anlassbezogenen Ausnahmefall und als arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Beispiele, in denen ein triftiger Grund bzw. ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Zwischenzeugnisses besteht, sind etwa die nachfolgenden Konstellationen:
dem Arbeitnehmer ist eine Kündigung in Aussicht gestellt worden
das befristete Arbeitsverhältnis wird alsbald (Faustformel: in drei Monaten) ablaufen
Vorgesetztenwechsel
Versetzung, Beförderung
längere Unterbrechung (z. B. Elternzeit)
zur Vorlage bei Behörden und Gerichten
für Fortbildungskurse oder den Besuch einer Fach- oder Hochschule
bevorstehender Betriebsübergang
Freistellung als Betriebs- oder Personalratsmitglied
Hat der Arbeitgeber ein Zwischenzeugnis erteilt, ist er regelmäßig an den Inhalt des Zwischenzeugnisses gebunden, wenn er ein Endzeugnis erteilt (Bindungswirkung).5 Dies gilt auch dann, wenn ein Betriebsveräußerer das Zwischenzeugnis vor einem Betriebsübergang erteilt hat und der Arbeitnehmer das Endzeugnis nun vom Betriebserwerber verlangt.6[8] Diese Bindungswirkung ist umso stärker, je näher der Zeitpunkt der Erteilung des Zwischenzeugnisses auch in Relation zu der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses an dem Beendigungszeitpunkt liegt. Die Bindung folgt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben und beruht auch darauf, dass das Zeugnis Wissenserklärungen des Arbeitgebers über die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers enthält, von denen der Arbeitgeber nur abrücken darf, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen.7
Für das Zwischenzeugnis gelten im Übrigen dieselben Grundsätze wie für ein Zeugnis, das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgestellt wird. Der Unterschied in der Formulierung liegt im Wesentlichen in der Zeitform, da das Arbeitsverhältnis eben noch besteht und noch nicht beendet wurde.
Im Rahmen der Zeugnisanalyse ist dementsprechend bei einem Zwischenzeugnis auch darauf zu achten, dass die jeweilige Zeitform zu dem (angeblich) noch bestehenden Arbeitsverhältnis passt. Im Zwischenzeugnis wird typischerweise im Präsens formuliert, wobei z. B. bei einer Versetzung hinsichtlich der vorherigen Aufgaben auch im Perfekt formuliert werden kann. Teils finden sich aber in der Praxis auch Zwischenzeugnisses, in denen bereits das Präteritum auftaucht, was typischerweise ein Zeichen dafür ist, dass (selbst wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet sein sollte) der Arbeitnehmer faktisch schon gar nicht mehr tätig ist.[9]
Aus Sinn und Zweck des Zeugnisses ergibt sich als oberster Grundsatz, dass das Zeugnis wahr sein muss. Diesem Wahrheitsgrundsatz, der in einem Spannungsverhältnis zu dem Wohlwollensgrundsatz (vgl. Kapitel 1.4.2) steht, gebührt im Zweifel gegenüber dem Wohlwollensgrundsatz der Vorrang. Das Zeugnis muss nämlich nur im Rahmen der Wahrheit verständig und wohlwollend formuliert sein. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, dass ein vom Arbeitgeber auszustellendes qualifiziertes Zeugnis in erster Linie wahr sein muss.
Auch der Gesetzesentwurf zu § 109 GewO spricht von einem schutzwürdigen Interesse der einstellenden Arbeitgeber an einer möglichst wahrheitsgemäßen Unterrichtung über die fachlichen und persönlichen Qualifikationen.8 Bei der Wahrheitspflicht handelt es sich um den bestimmenden Grundsatz des Zeugnisrechts. Sie umfasst alle Fragen des Zeugnisrechts. Insbesondere wird auch der Wohlwollensgrundsatz, wonach das Fortkommen des Arbeitnehmers durch den Zeugnisinhalt nicht unnötig erschwert werden darf, durch die Wahrheitspflicht begrenzt.
Ein Zeugnis muss nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.
Daraus folgt nicht, dass negative Aussagen stets zu unterbleiben haben. Ungünstige Tatsachen, nicht hingegen bloße Verdächtigungen, können Erwähnung finden, wenn und soweit sie für die Gesamtbewertung des Arbeitnehmers charakteristisch sind. Der Wahrheitsgrundsatz folgt aus dem Zweck des Zeugnisses, nämlich sowohl für den Arbeitnehmer als Unterlage für seine Bewerbung als auch für einen möglichen neuen Arbeitgeber zu dessen Information zu dienen. Würde der Arbeitnehmer wahrheitswidrig unterbewertet, wären seine Interessen gefährdet, während bei einer wahrheitswidrigen Überbewertung das Informationsinteresse des möglichen neuen Arbeitgebers beeinträchtigt wäre.[10]
Aus der Wahrheitspflicht folgt allerdings nicht, dass quasi alles im Zeugnis erwähnt wird, sondern nur, dass angesprochen wird, was für den Arbeitnehmer und das Arbeitsverhältnis kennzeichnend und charakteristisch war. Zum Wahrheitsgrundsatz zählt auch der Vollständigkeitsgrundsatz. Denn was unvollständig ist, ist auch nicht wahr.
Das Zeugnis muss alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung und für potenzielle neue Arbeitgeber von Interesse sind.
Überdies ist, wie schon aus dem Gesetzeswortlaut (§ 109 Abs. 2 Satz 1 GewO) folgt, im Rahmen der Wahrheit auch die Klarheit (der Klarheitsgrundsatz) zu beachten. Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber, der zudem einen Beurteilungsspielraum hat, aber dann frei in der Wahl seiner Formulierungen.
Das Zeugnis muss von verständigem Wohlwollen für den Arbeitnehmer getragen sein und darf sein weiteres berufliches Fortkommen nicht unnötig erschweren.9[11] Der Wohlwollensgrundsatz bedeutet allerdings nicht, dass der Arbeitnehmer per se besser zu beurteilen ist, als er dies aufgrund seiner tatsächlichen Leistung und seines tatsächlichen Verhaltens eigentlich verdient hätte. Wie vorstehend erwähnt, hat der Wahrheitsgrundsatz Vorrang und begrenzt das Wohlwollen.
Das Zeugnis darf keine unrichtigen Tatsachen enthalten und auch Auslassungen, wo Aussagen erwartet werden, sind unzulässig. Im Übrigen ist das Zeugnis schonend und zurückhaltend zu formulieren. Eine bekannte Ausprägung dieses Wohlwollensgrundsatzes ist z. B. die zusammenfassende Leistungsbeurteilung nach der sogenannten Zufriedenheitsskala, bei der unterschiedliche Zufriedenheitsstufen genannt werden, jedoch nicht von „Unzufriedenheit“ gesprochen wird.
Der Wohlwollensgrundsatz ist allerdings nicht geeignet, über die in § 109 GewO vom Gesetzgeber festgelegten Ansprüche bezüglich des Inhalts von Zeugnissen (Art und Dauer der Tätigkeit, auf Verlangen Leistung und Verhalten) hinaus weitere Ansprüche von Arbeitnehmern zu begründen. Das Zeugnis muss nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein. Der Wohlwollensgrundsatz führt auch nicht dazu, sich der konfliktscheuen Tendenz zu immer besseren Zeugnisnoten und zur Erteilung von Gefälligkeitszeugnissen anschließen zu müssen. Der Anspruch eines Arbeitnehmers zielt auf ein wahrheitsgemäßes Zeugnis ab, das wohlwollend formuliert werden muss, nicht jedoch darauf, dass es das Wohlwollen gebietet, die vielleicht weniger erfreuliche Wahrheit über seine Tätigkeit und seine Leistung im Arbeitsverhältnis zu verschleiern und wahrheitswidrig den Arbeitnehmer besser zu bewerten, als es seine Leistung rechtfertigt.[12]
1LAG Köln vom 30.03.2001 – 4 Sa 1485/00.
2Bundestagdrucksache 14/8.796, S. 25.
3BAG vom 21.06.2005 – 9 AZR 152/04.
4BAG vom 21.06.2005 – 9 AZR 352/04.
5BAG vom 16.10.2007 – 9 AZR 248/07.
6BAG vom 16.10.2007 – 9 AZR 248/07.
7BAG vom 21.07.2005 – 9 AZR 352/04.
8BT-Drucks. 14/8796, S. 25.
9Schon BAG vom 08.02.1972 – 1 AZR 189/71.
Gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO ist es verboten, dass das Zeugnis Merkmale oder Formulierungen enthält, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
In der Praxis haben sich Formulierungstechniken herausgebildet, die, wenn man sie kennt und versteht, genau die aus ihrem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer treffen, mithin grundsätzlich keine unzulässigen Geheimzeichen sind. Werden solche Formulierungstechniken („Zeugniscodes“) eingesetzt, muss sich der Zeugnisaussteller für einen etwaigen Zeugnisberichtigungsrechtsstreit darüber klar sein, dass die sich aus der Formulierung ergebende Bedeutung seiner Aussagen der Wahrheit entsprechen muss. Zudem gibt es aber auch Codes, bei denen der Zeugnisaussteller davon ausgehen muss, dass der Arbeitnehmer mit einer sogenannten Zeugnisberichtigungsklage, mit der er eine bestimmte Formulierung angreift, Aussicht auf Erfolg hat. Gleichwohl finden sich bei Bewerbungen von Arbeitnehmern immer wieder auch Arbeitszeugnisse, die sogar solche Zeugniscodes noch beinhalten.[13]
In zahlreichen Publikationen und Entscheidungen zum Zeugnisrecht bzw. zur Zeugnissprache wird über Geheimcodes geschrieben und spekuliert, wobei Geheimcodes im wahrsten Sinne des Wortes wohl nicht gegeben sind und auch gar nicht praktikabel wären. Würde der Zeugnisaussteller nämlich verschlüsselt schreiben, dann müsste der Zeugnisleser (der potenzielle neue Arbeitgeber, bei dem der beurteilte Arbeitnehmer sich bewirbt) über den Dechiffrierungscode verfügen. Das Arbeitszeugnis wird aber dem Arbeitnehmer erteilt, demgegenüber ein etwaiger Geheimcode gerade geheim bleiben sollte. Bei wem der Arbeitnehmer sich sodann mithilfe des ihm erteilten Arbeitszeugnisses bewirbt, ist jedoch seine Sache und dem bisherigen Arbeitgeber als Zeugnisaussteller schon gar nicht bekannt, weshalb dieser überhaupt nicht in der Lage ist, seinen „Dechiffrierungscode“ dem interessierten Zeugnisleser zur Verfügung zu stellen. Der Geheimcode des Zeugnisausstellers wäre dann so geheim, dass er quasi nicht zu knacken ist. Gäbe es demgegenüber einen quasi allgemeingültigen und offiziellen Geheimcode, könnte man keinesfalls davon ausgehen, dass dieser noch geheim ist.
Demgegenüber ist besser und richtigerweise von Formulierungstechniken zu sprechen, die in der Praxis bekannt und etabliert sind, ohne dass diese stets unzulässige Geheimcodes wären. Sie wirken quasi nur für denjenigen als „geheim“, der mit den üblichen Formulierungstechniken nicht vertraut ist.[14]
Die Abfassung des Zeugnisses hinsichtlich Wortwahl und Satzbau liegt grundsätzlich im Ermessen des Arbeitgebers (Formulierungsfreiheit), der sich an den Grundsätzen der Zeugniswahrheit und der wohlwollenden Beurteilung zu orientieren hat. Hinsichtlich des Zeugnisaufbaus und der äußeren Form des qualifizierten Zeugnisses ist eine Grundstruktur etabliert und bei jeglichem Abweichen hiervon ein Störgefühl begründet und daher Misstrauen geboten.
Der grundsätzliche Aufbau eines qualifizierten Arbeitszeugnisses gestaltet sich wie folgt:
Typischerweise endet sowohl der leistungsbeurteilende Block als auch der verhaltensbeurteilende Block des Arbeitszeugnisses in einer zusammenfassenden Beurteilung von Leistung und Verhalten, für die sich in der Praxis jeweils eine Notenskala etabliert hat.