Asni - Nasrin Siege - E-Book

Asni E-Book

Nasrin Siege

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Beschreibung

Ein reicher Farmer, der im äthiopischen Hochland Drogen anbaut, begehrt das Mädchen Asni als Zweitfrau. Sie wehrt sich, doch ihr eigener Vater zwingt sie, die Schule aufzugeben und ins Dorf des Farmers zu gehen. Bald entscheidet sie sich, wegzulaufen, und flieht als Muslima verkleidet, nach Addis Abeba. Asni schuftet als Haushaltshilfe, läuft erneut weg und lebt schließlich mit anderen Kindern auf der Straße. Bis der Chat-Farmer ihre kleine Schwester als Zweitfrau fordert …

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Seitenzahl: 224

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

Über die Autorin

 

 

Nasrin Siege

ASNI

Roman

ULRIKE HELMER VERLAG

 

1

DieHändehatteernichtgefesselt. NurdieKnöchelundumdenBaucheindickesSeil. Erbindetsielos, hebtsievomPferdekarrenundschiebtsiezuderFrauinderTür. SicherdieMutterdeskleinenMädchens, dasanihrlehnt. EinwellenartigesZitterndurchfährtAsni. DieAugendesKindesgleitenaufihrwundesKnie.

»Weristdas?«, willdieFrauwissen.

»DasistAsni!« KassahunsFingerbohrensichinihrenNacken. »SiesolldirimHaushalthelfen.«

»Warumhattestdusiefestgebunden?«

»Fragnichtsoviel!« KassahundrängtsieinsHaus, drücktsieaufeineLiegeausKnüppelholzundKuhhautgeflechtundsetztsichdanndichtnebensie. HieristeswarmundderGeruchvonEssen, KuhdungundsaurerMilcherinnertAsnianGroßmutter.

SieschließtdieAugenundwünschtsichfortinGroßmutterskleineLehmhütte.

»Wasistpassiert?« GroßmutterhattedieHändeüberdenKopfzusammengeschlagen, alsAsniamspätenNachmittagmitderZiegevonderWeidegekommenwar. »WiesoblutestduamKnie?«

»EineSchlange. Ichbinvorihrweggelaufenundgestürzt!«

»WasfüreineSchlange?«

»SiewarschwarzmitrotenStreifenundungefährsooolang«, AsnibreiteteihreArmeaus. »UndihreZungegingimmerreinundraus!«

»DaswarkeineSchlange!« GroßmutterschautebesorgtundamSonntagdaraufbrachtesieihrEnkelkindnachdemGottesdienstzumPriester.

»DirdrohteineGefahr«, prophezeiteAbbaNoah, währendsichseineAugendurchsiehindurchzubohrenschienen. »AberhabkeineAngst. DasheiligeWasserunseresKlosterswirddichvordemBösenschützen!« ErtätschelteihrenArm, dannwandteersichanGroßmutter: »AnsiebenTagenbringesiehierher, bevordieSonneaufgeht! SiebenTagelang!«

AmnächstenMorgeninderFrühewurdeAsnivonderGroßmuttergeweckt, andieHandgenommenundnochimHalbschlafzurHöhlevonAbbaNoahgeführt, dieersichmitdreianderenMönchenteilte. DerAbbawartetebereitsvoreinemderEingängeaufsie. ErtrugeinenlangenschwarzenUmhangundaufseinemKopfeingelbesKäppchen. InderHandhielterdasgroßehölzerneKreuzseinerKirche. SiefolgtenihmbiszueinemanderenEingangundschlüpftenindieHöhle. Hierwaresdunkel, kaltundstill. NurdasGeräuschvonTropfen, dievonderDeckefielenundingroßenausgehöhltenSteinenaufgefangenwurden, warzuhören.

»Ziehdichaus!«, befahlderPriester.

AsnischütteltedenKopf. DerAbbawareinMannundsiewolltesichihmnichtnacktzeigen. Außerdemfrorsie.

DochGroßmutterzogihrkurzerhanddasKleidüberdenKopf. »DuwillstdochvondemBösengereinigtwerden, oder?« UndAsnigabnach.

ZitterndvorKälteundSchamknietesiesich, sowiederPriesteresihrbefahl. Dannschlugersie. WiederundwiederhieberihrdashölzerneKreuzaufdenKopf, begosssiedabeimitdemheiligenWasserausdemSteinnapfundsangWorteinderaltenBibelsprache, dieAsninichtverstand. NachdieserBehandlungbrachteGroßmuttersiezurückundschlosssienachAbbaNoahsAnweisung – »KeinTageslichtdarfihreHautberühren! SiebenTagelang!« – inderHütteein. WährenddieserZeitführtederNachbarssohnGroßmuttersZiegeaufdieWeide.

Asnilangweiltesich. InderHüttewaresdunkel. DieeinzigeAbwechslungwarenStimmenundGeräusche, dievondraußenzuihrdrangen, dasKitzelnderAmeisenundlangbeinigenSpinnen, derenWegeüberihreHautführten, unddasEssen, dasGroßmutterihrbrachte. SiewareingeschlosseninDunkelheitundesfielihrschwer, TagundNachtzuunterscheiden. SieversuchtedieTagezuzählen, freutesichvielzufrüh, dasiesichverzählthatte, aberdannwaresendlichsoweit! DerMorgendesachtenTages! DieSonneaufderHaut, dasLichtinihrenAugen, dasAufatmennachderFinsternisundEngeinderHütte. DerTag, andemAbbaNoaheinkleinesKreuzausSteinundeinLederbeutelchenaufeinBandfädelte.

»DiemusstduimmerumdenHalstragen«, sagteerunddrückteesihrindieHand. »IndemBeutelhabeichGottesWorteaufgeschrieben. ZusammenmitdemKreuzwerdensiedichinZukunftvordemBösenbewahren!«

AsnitastetnachdemBandundatmetauf, alsihreFingerdenBeutelunddasKreuzfinden. DerfensterlosedunkleRaumwirdvonzweiPetroleumlampenspärlichbeleuchtet. AufeinerMatratzeliegenKissen, DeckenundKleider, nebendemLagerstehteinkleinerHolztischmiteinerPlastikschüssel. AndergegenüberliegendenLehmwand, übereinemSchrank, hängtdasBildderMutterMaria, dieaufdasKindinihrenArmenschaut. ›Bitte!‹, flüstertAsniundsiekneiftdabeidieAugenzusammen, umdasLächelnMariassehenzukönnen: ›Holmichhierheraus!‹

»Wassagstdu?« KassahunfasstsieamKopf, drehtihrGesichtzusichundgrinstwiederso, dassseineBartspitzenhüpfen.

»Undwosollsieschlafen?« DieStimmederFrauklingtkratzigundrau. »HierhabenwirkeinenPlatzfürsie!«

»DannebenimKüchenhaus!«, donnertKassahun. AsnizucktzusammenundauchdieFrau, dieihm, ohnedasseresmerkt, einenbösenBlickzuwirft, dieStirnrunzeltundaufgebrachtschweigt.

»Heutebrauchstdunichtzuarbeiten«, schnurrterjetztwieeinKaterinAsnisOhr. »Heutesollstdubedientwerden, kleineBraut!« UndseinAtem, dernachAlkoholunddemSaftzerkauterChat­blätterstinkt, berührtihreHaut.

»WirhabenHunger!«, befiehlterlautderFrau. »WobleibtdasEssen?«

EinMädchen, etwasoaltwieAsniodervielleichtauchetwasälteralsdreizehn, bringtSchüssel, SeifeundKaraffeherbeiundwährendesihrWasserüberdieHändegießt, lächeltessieneugierigvonderSeitean. AsniweichtdemBlickaus, senktdenKopfundwäschtihrewundenHände, dievonderSeifebrennen.

»DasistFrehiwot«, KassahundrehtAsnisKopfzuihr. »MeineTochter!«

FrehiwotundihreMutterstelleneinenTellermitInjera-FladenundSchüsselnmitKichererbsenbrei, SpinatundFleischaufdenkleinenTisch. Kassahunstürztsichgierigdarauf, schlingtdasEsseninsichhinein.

»Warumisstdunicht?«, brummternacheinerWeile, kneiftAsnimitseinenfettigenFingernindieWange. »Issdoch! Issdoch!«

SieschütteltdenKopf, wendetsichvonihmab.

»Fre!«, brüllter. »BringsiezumKüchenhaus! Ichwillsienichtmehrsehen!«

Asnistehtsofortauf. DieFraugibtihrwortloseineWolldeckeundführtsienachdraußen.

LautesSchreienhatteAsnigeweckt. FrauenstimmenundJohlen. SiewarvonihremLageraufgesprungenundzuGroßmutter, dieinderoffenenTürstand, gelaufen. DasahsiedieFraudeseinzigenLadenbesitzersimDorfmitschweiß­über­strömtemGesichtaufeinMädcheneinschlagen. EswarTigist. SiehattenfrühereinpaarmalbeimZiegenhütenzusammengespielt, damalsmussteesetwasoaltgewesenseinwiesie, Asni, heute. TigiststammteauseinemanderenDorfundlebteimHaushaltderFrau, diesiejetztschlug. Niemandgriffein. AuchnichtGroßmutter. EinigeNachbarnklatschten, anderelachtenundmancheschautennurschweigendzu. AlsdieFrauendlichvonihrabließ, gingAsnizuTigist. Siewimmerte, ihrKleidwarzerrissen, BlutrannausihrerNase. GroßmutterbrachteeinenBechermitWasser, dasAsniihrlangsameinflößte. Tigisthusteteundspuckteeswiederaus. SpätererfuhrsievonGroßmutter, dassTigistdieZweitfraudesLadenbesitzersseiundseineersteFrausiedeshalbhassenwürde.

»KommjanichtaufdieIdeewegzulaufen!«, ruftKassahunihrmitvollemMundnach. »DadraußensindHyänen!«

FrenimmteinederPetroleumlampen, öffnetdieTürundnimmtAsniandieHand. DieNachtluftwehtkühlherein. ImmilchweißenMondlicht, dassichmitdemderPetroleumlampemischt, erkenntAsnidieUmrissederNachbarhütten. Siekönntejetztfortlaufen. Jetzt, woKassahunnichtmehrdaist. Frewürdesielaufenlassen. Ganzbestimmt. AberesistkaltunddunkelundsiehatAngstvordenHyänen. ›Morgen‹, versprichtsiesich. ›WenneshellistundwarmvonderSonne. Morgenlaufeichweg!‹

»IchhabekeineAngstvorHyänen!«, sagtsiestattdessenundgreiftdabeinachdemkleinenSteinkreuzunddemLederbeutelchenumihrenHals.

»Dassolltestduaber.« FredrücktihreHand. »DieschleichenoftnachtsumdieHäuser … neulichhabensieeinenMannausdemNachbardorfgefressen. DerhattezuvielHonigweingetrunkenundwaraufdemWegnachHause.« Währendsiefortfährt, führtsieAsnivorbeianLehmhütten, ausderenMauerritzenleiseStimmenundSchnarchendringenunddaslauteWeineneinesBabys; Hunde, denensieunterwegsbegegnen, begrüßensieschwanzwedelndundohneLärm.

»EuerKüchenhausliegtweitweg«, wundertAsnisichundFreantwortetmiteinemleisenLachen. SieöffneteineniedrigeLattentür, leuchtetindenKüchenraum, reichtihrdieWolldecke. »Hierbistdusicher … ichgehejetzt!«

SiehörteKassahunundVaterzu, wollte, dasssiewiederübersieredeten. Vatersolltesagen, dassdaseinIrrtumwar. Nein, sollteersagen. Siekanndichnichtheiraten.

DochdiebeidenMännerkautenChat, lachtenlautüberdieGeschichten, diesievonsichgaben, undschienensiedarübervergessenzuhaben.

»IrgendwannhatunserVaterbeschlossen, mitderganzenFamilieindieNähevomDonnerstagsmarktumzusiedeln«, erzählteKassahun. »Dashabenwirdannauchgetan. DerName, denwirunseremDorfgegebenhaben, ist ›HamusGebeya‹, Donnerstagsmarkt.« ErsaßmitgekreuztenBeinenaufdemkleinenTeppich. ImRückenKissen, vorihmaufeinemTabletteinegroßeFlascheCoca-Cola, zweihalbvolleGläserundeinriesigerHaufenChat.

»Daswarschlau!« VaterlagmithalbgeschlossenenAugenlangausgestrecktaufderSeite, eineWangedickgequollenvomChat. Errichtetesichetwasauf, nahmeinenSchluckCola, gabeinlautesSchlürfgeräuschvonsich, legtesichwiederhin, lachteundausseinerStimmeklangBewunderung: »SeitdemhabtihresamDonnerstagnichtweitzumMarkt.«

»Dusagstes! WirhabendirektdanebenunsereHäusergebautundFelderangelegt. UnddannhatteichdiebesteIdeemeinesLebens! ›LasstunsChatanbauen!‹, habichgesagt. ›DerBodenistgenaurichtigdafür!‹ ErstwolltenmeinVaterundmeineBrüdernichtsdavonhörenundhabenweiterGemüseundGetreideangepflanzt. DieEinnahmenausmeinererstenErntehabensiedannüberzeugt. Seitdemsindallemitdabei – bisaufunserenjüngstenBruder, derPriesterist.«

»Dubistwirklichschlau!« Vatersetztesichauf, klopfteseinemneuenFreundanerkennendaufdieSchulterundlegtesicheinneuesBündelBlätteraufdenSchoß. »DeinChatistaberauchbesondersgut!«

»SogardieHändlerausAddisreißensichdrum!«, prahlteKassahun.

AsnisAugengewöhnensichnurlangsamandieDunkelheit. EsdauerteineWeile, bissieimfahlenLichtdesMondes, dasdurchdieHolzlattendringt, eineHennemitihrenKükenundeinekleineKatzenebendernochwarmenKochstelleentdeckt. SiewickeltsichindieWolldeckeundlegtsichzudemKätzchen, dassichsofortschnurrendansieschmiegt. Sieistmüde, hungrigundihrKopftutweh. ›Morgenwerdeichweglaufen. Nichtjetzt … wegenderHyänen‹, redetsiesichzu. BisnachDessiehineinkommensievondenumliegendenBergen, fressenAbfälle, aberauchStraßenhundeoderkrankealtePferdeundEsel, dievonihrenBesitzernfreigelassenwerden, wennsienichtmehrfürdieArbeittaugen. ManchmalsogarMenschen, wiedasKindderObdachlosenvoreinpaarMonaten. BeiderErinnerunganihregellendenSchreiemitteninderNachtläuftesAsnieiskaltüberdenRücken. SiegreiftnachdemAmulett, streichtmitdenFingernüberdenkühlenSteindesKreuzesunddenhartenwarmenLederbeutelmitdenWortenGottes.

Unruhigwirftsiesichhinundher, merktnicht, dassdasKätzchenleisefaucht. ›DumusstVaterfinden!‹, hörtsiedieStimmederMutter. Siesiehtsichhierhinunddorthinlaufen. DieGerüche, derLärm, dievielenMenschen, derrissige, ausgedorrteBodenunterihrennacktenSohlenundMuttersWortespielenKarussellinihremKopf. IhreFüßetragensiefortundgleichzeitigkommtsienichtvomFleck. Siesiehtsich, wiesiesichdurchdasGewühlvonMenschen, ZiegenundSchafenkämpft. VaterarbeitetschonseitheutefrühhieraufdemMarkt. JetztistesMittag. Erhatbestimmtschonetwasverdient. Dassollerihrgeben. FürdenArzt. ›DumusstVaterfinden!‹, hörtsiewiederMuttersStimme.

Lachen! ErschrockensetztAsnisichauf. ReibtdieAugen. Erinnertsich: EsistNacht. SieistweitwegvonzuHause. DraußensindHyänen. Sielachen. SieistimKüchenhausvonKassahun. EinKätzchendrängtsichansie. EshatAngst.

EndlichfandsieVaterundwarteteungeduldigseineUnterhaltungmitdemihnüberragendenMannab, derinseinemglänzendenblauenAnzug, denschwarzenLackschuhenundderdunklenSonnenbrilleaufderNaseziemlichreichaussah. ErhatteeinenSchnurrbartundalserdieBrilleabnahm, sievonobenbisuntenmiteinembreitenGrinsenmusterte, hüpftenseineBartspitzen.

»DasistmeineTochter!« JetztbeachteteauchVatersie. »Waswillstdu?«, knurrteersiean.

»Betiistkrank … siehustetdieganzeZeit!« SiewichdemBlickdesFremdenaus. »Mamafragt, obduetwasGeldhast … fürdenArzt!«

IhrVaterrunzeltedieStirn. »Sagihr, dassichnachherwasvorbeibringe!«

Sienickte, drehtesichweg, wolltefort, dapacktederFremdesieanderSchulter, zogsiezusich, streichelteihrüberdieWangeundsagte: »DubisteinsehrhübschesMädchen.«

SiemochteseineStimmenicht, auchnichtseineAugenundschongarnichtseineFingeraufihrerHaut. MiteinerheftigenBewegungdrehtesiesichvonihmweg.

»Nichtsoeilig!« Ergrinste, hieltsieamArmzurück, holtelangsameinenBündelGeldscheineausderHosentasche, zähltezweihundertBirrabundgabsieihr. »Hier! DasreichtfürdenDoktor, dieMedizinundnochwaszumEssen.« AlserihrverblüfftesGesichtsah, lachteerschallend. »Nimm! Nimm!« SieschautezumVaterundalsdernickte, schlossensichihreFingerzögerndumdieScheine. »UndsagdeinerMutter, dasssiewasGuteskochensoll!«, sagtederFremde. »Ichkommeeuchheutenämlichbesuchen, nichtwahr, meinFreund?« DabeischlugerihremVateraufdenRücken, mitwieherndemLachen, begleitetvomgroteskenTanzseinerBartspitzen.

»Ja, dubistwillkommeninmeinemHaus! Danke!«, stammelteVater. Erklangüberraschtundetwasatemlos. »UnddankefürdeineHilfe! Gottwirdesdirlohnen!«

»LassGottausdemSpiel«, grinstederMann, währendseineBartspitzenweitertanzten. »DieBelohnungholeichmirvondir …«

Grins! Hüpf!

AsniliefnachHauseundalssieMuttervondemgroßzügigenFremdenerzählte, klatschtediesevorFreudeindieHändeunddanktederJungfrauMaria, ihrerLieblingsheiligen, fürdengutenSamariter. VondemGeldbezahltesiedenArzt, denHustensaftfürBeti, kauftedannfürdasAbendessenundinErwartungdesBesuchsFleischein, dassieschonlangenichtmehrgehabthatten, dazuTomaten, Zwiebeln, GewürzeundeinBündelGrasfürdieKaffee-Zeremonie.

AlsVateramAbendmitseinemneuenFreundnachHausekam, begrüßteMutterihnmitvielenSegenswünschenundbedanktesichbeiihmfürseinefreundlicheHilfe. »DemKindgehtesschonbesser!«, sagtesieundwolltedieHändedesfremdenMannesküssen. »GottmögedichfürdeineWohltatenbelohnen!«

DochmiteinerwegwerfendenBewegung – sowiemanlästigeFliegenvertreibt – verscheuchteKassahunsie.

DieMännerzogensichdieverstaubtenSchuheausundsetztensichaufeinLagerausKissen, dasihnendieMutterundAsniraschindemeinzigenZimmer, dassiebewohnten, bereiteten. »BringunsdasEssen, Frau!«, befahlVater.

KassahunlegtemehrereinBananenblättereingebundeneChatbündelaufdenBoden, danebendiegroßeFlascheCoca-Cola, diedieMännertrinkenwürden, währendsiedasKrautkauten. Vaterlachte, freutesichundwarsogutgelauntwieschonlangenichtmehr. AlsAsniihneneineKaraffeWasser, dieSchüsselundSeifezumHändewaschenbrachte, schauteKassahunsieanwievorhinaufdemMarkt. Grins! Hüpf! Grins! Hüpf! UndAsnispürtewiederdenDrang, sichseinemBlickzuentziehenundfortzulaufen.

DieMutterentschuldigtesichfürdasbescheideneMahl, dasmitdemLammfleischimEintopfüberhauptnichtbescheidenwar. NachdemEssennahmKassahuneinChatbündelhochunderundVaterstopftensichdasGrünzeuginihreMünder, schlucktenmitGenussdenSaftderzerkautenBlätter, diesieinihrenBackensammelten. Dabeiwurdensieimmerlauter, erzähltensichWitze, alberten, lachtenundgebärdetensichwiekleineJungen, dieStreicheausheckten. SowieAsnidasschonimmervonVatersChatabendenkannte.

MutterstellteetwasvondemGericht, dasdieMännerhattenzurückgehenlassen, fürMaruaufdieSeite. »VielleichtkommteuerBruderjaheute«, sagtesie. DenRestteiltesiezwischenAsni, Betiundsichselbstauf.

»WobleibtunserKaffee?«, riefderVaterplötzlich.

»DieKleinesolldenmachen!« KassahunzeigtemitdemFingeraufAsni, dieflehendzurMutterschaute. DochdiescheuchtesiemiteinemHandzeichenauf. SosetztesichAsniaufdasKissenineinerEckedesRaumes, wosieüblicherweisedenKaffeefürGästezubereiteten. MutterstreuteGrasumundunterdasTischchenmitdenkleinenTassen, brachteihrdiebeidenbereitsglimmendenFeueröfchen, einePfannemitgrünenKaffeebohnen, dieKanneausTon, dazualsKnabbereiengeröstetesGetreide, NüsseundKichererbsen.

AsnispürteKassahunsBlickeaufihremKörperkleben. Siewollteweg, hinaus, fortvondiesemMann.

AlsdieMuttersieanstieß, fuhrsiezusammen, dennfürAugenblickehattesiesichvomKaffeeduftunddemRauchderRäucherhölzerausdemRaumtragenlassen. NunabernahmsiedasPfännchenmitdenfrischgeröstetenBohnenundgingdamit, dertraditionellenZeremonieentsprechend, zudenMännern. KassahunschlucktedenSaftderChat-Blätterhinunter, griffnachAsnisHandgelenkundwährendersichmitderanderenHanddenausderPfanneaufsteigendenaromatischenRauchindieNasewedelte, versuchteerihrenBlickzufangen. Sieschafftees, ihnnichtanzuschauen, dochnochlangedanachspürtesiedenDruckseinerFinger.

»SeieinbisschenfreundlicherzuunseremGast!« DieMutterschubstesieleichtindenRückenundreichteihrdieSchüsselmitderKnabbermischung. »Bieteesihman!«

SiehieltihmdieSchüsselhin. Diesmalfassteersienichtan, nahmauchnichtsausderSchale, undwiederwichsieseinemBlickaus.

»Werbistdu?«, schimpftdiealteFrau. »WashastduinmeinerKüchezusuchen?« SiegräbtihreknochigenFingerinAsnisArme. IhreAugenfunkelnböseausdemfaltigenGesicht. VielleichtistsieeineHexe? Asniversuchtsievergeblichvonsichzustoßen.

»Washastduda?« DieAltedeutetmitdemKopfaufAsnisdreckiges, blutverkrustetesKnie. DabeikneiftsiedieAugenzusammenundhatnochmehrFaltenimGesichtalsgeradeeben. AsniversuchtsichausdemGriffzubefreien, dochdieAlteziehtsiemühelosnachdraußenundzueinemHaus, dasmittenaufdemDorfplatzsteht. EsistausLehmgebaut, größeralsdieumliegendenHäuserundguterreichbarfürderenBewohner. PlötzlichbegreiftAsni. »WirBrüderhabenfürunsereElterndasgrößteHausgebaut«, hörtsieKassahunihremVatererzählen. »InderMitteunseresDorfes.«

DieAlteistKassahunsMutter! FresGroßmutter! FrehatsieletzteNachtzuihrundnichtinsKüchenhausihrerElterngebracht!

DieAlteführtsieineineEckedesRaumesunddrücktsieaufeineBastmatte. UnterhalbeinesschmalenFensters, imhereinfallendenSonnenlicht, liegeneinejungeFrauundeinschlafendesKindaufeinerMatratze. »Fantaye, setzWasserauf!«, befiehltKassahunsMutter. VorsichtigrolltdieFrausichzurSeiteundstehtleiseauf. »Weristdas?«, flüstertsie.

»Weißnicht. HabsieinmeinerKüchegefunden …«

DieFrauholtauseinerdunklenEckedesRaumeseinegroßegelbePlastikwanne, gehtnachdraußenundkommtnacheinerWeilemiteinemKesselheißenWasserszurück, dassieindieWannegießt.

»Mama!«, weintdaskleineMädchen.

»Ichbingleichbeidir!« DieMutterläuftwiederhinausunddieAltesetztsichzudemKind. »Emama«, wendetessichansie. »Weristdas?«

»Daswirdsieunsgleicherzählen«, sagtdievondemMädchenalsGroßmutterangesprocheneAlte. »Warteeinbisschen«, dabeilegtsiedieArmeumdasKind.

FantayegehtnocheinpaarMalrausundrein, fülltdieWannemitWasser, holtdannausdemKleiderhaufennebenihremLagereinStückStoffundauseinemPappkartoneineSeife.

»Dukannstdichjetztausziehen«, sagtsiezuAsni. DaskleineMädchenlöstsichausEmamasArmen, kommtdazuundschautAsnimitgroßenAugenan. AsnibeißtsichaufdieLippen. SchütteltdenKopf. »Machschon!« DieFrauhocktsichhin. »Wirtundirnichts!«

AsnisitztindergroßengelbenPlastikwanne. ZweifremdeFrauenwaschensieundeinkleinesMädchenbespritztsiemitWasser. AlsFantayeihrwundesKnieberührt, stöhntsieauf. »Schschsch … dastutbaldnichtmehrweh«, beruhigtdieAltesie. »Warte, bisichdireineSalbedraufgetanhabe.« AsnischließtdieAugen, spürtdaswarmeWasseraufderHautundatmetdenfrischenDuftderSeifeein. Sieistschonlangenichtmehrsogebadetworden. WieeinKind.

EmamaundFantayeinspizierenihrenKörper, sprechenübersie.

»SiehatnochkeinenBusen.«

›Ichbinnichttaub!‹

»SiehatnochkeineHaarezwischendenBeinen.«

›Hörtaufdamit!‹

»Sieistorthodoxbeschnitten!«

AsnihältsichdieOhrenzu, brichtinTränenaus, zittertamganzenKörper. Ihristkaltundheißzugleich. Siemöchtewegvonhier. »Istschongut«, EmamawischtmitderHandüberihrtränennassesGesicht, währendFantayeihrrascheinHandtuchumdieSchulternlegt. »Undwerhatdichhierhergebracht?«, willEmamawissen.

WährendsiedieKaffeebohnenzerstampfte, überbrühteundinderKanneziehenließ, kauteerwieeinalterZiegenbockChat­blätter, lachtelautmeckerndüberVatersWitzeundließsiedabeikaumausdenAugen. AlssiedenfertigenKaffeeinzweikleinenTassenservierte, zwinkerteerihrzu, nahmseinTässchen, schlürfteeinenSchluck, lecktesichdieLippenundsagte: »Ichwilldichheiraten!«

AsniließfastdasTablettfallen. IhrVaterlachteschallend, alshätteKassahuneinenWitzgemacht.

»DasistkeinScherz, hörstdu?«, knurrteKassahun. »DasistmeinErnst!«

»Abersieistnochvielzujung«, widersprachderVater.

»Denkdochmalnach«, hörteAsniKassahunsagen. »Dubistarmundichbinreich! IchkannfürsiesorgenundduhasteinhungrigesMaulweniger. Außerdemkannstdudichimmeraufmichverlassen, weilichjadanndeinSchwiegersohnseinwerde. UnddieKuh, dieichdiralsBrautpreisfürsiegebe, kannstdufürvielGeldverkaufen.«

»Aberdubistschonverheiratet! SeitwannerlaubtunsdieKirche, mehrereFrauenzuhaben?«

»IchwerddasdochderKirchenichtaufdieNasebinden! IchmachdassowieandereMännerauch: SiewirdmeineheimlicheZweitfrausein!« Kassahungrinste. »Undichversprechedir, dassichsieerstanfasse, wennsieeinerichtigeFrauist.« DabeihoberbeideHändewiezumSchwurnachoben.

»AberwenndiePriesterdavonerfahren?« VaterschütteltewiederdenKopfundAsniflehteihninnerlichan, KassahunsAntragabzulehnen. SiewolltekeineheimlicheZweit­frausein! Siewollteheiraten, ja, abererstvielspäterundwennsieschonlangenichtmehrzurSchuleging. MiteinemHochzeitskleidundmitdemSegenderKircheundsiewollteauchnichtsoeinenaltenMannwiediesen!

»DaslassmeineSorgesein.« KassahunbewegteungeduldigdieoffenausgestreckteHandundalsVatermiteinemlautenKnallinsieeinschlug, zuckteAsnizusammen.

»DeinGlück.« KassahunzwinkerteAsnizu. »Sonstmüssteichdichentführen!«

»DaswarennochZeiten«, gluckstederVater. »EinMädchendurchEntführungheiraten! Dasgehtjaleidernichtmehr … istinzwischenverboten.«

»Waswillstdudamitsagen!« Kassahunfunkelteihnan. »Willstdumiretwadrohen?«

»Nein, nein. Ichhabedirjaschongesagt, dassdusiehabenkannst … Dumusstsienichtmehrentführen!« UndwiederlachtederVaterundhobbeschwichtigenddieHände. »Siegehörtdir!«

»Dugefällstmir, kleineAsni«, flüsterteKassahunihrzumAbschiedinsOhrundseinChatatemdrehteihrdenMagenum.

»IchbindochnocheinKind!« AsniverkrochsichinMamasArme. »Bitte, sagVater, dassichihnnichtheiratenkann!«

»Daswerdeich.« Mutterwiegtesie, strichihrübersHaarundAsnischlossdieAugen, wolltefürimmersoinihrenArmenliegen.

AlsMaruamspätenAbenddavonerfuhr, schüttelteihrBrudernurdenKopfundschimpfteleisevorsichhin. »Hilfmir!«, flehtesieihnan, underversprachmitdemVaterzusprechen.

AlseskeinChatmehrgab, warendieMännerweggegangenundkamenmitteninderNachtbetrunkenzurück. AsnihattehellwachnebenMutterundBetiaufihremgemeinsamenLagergelegen.

»Ichwillnichtheiraten!«, erklärtesiedemVateramnächstenAbend, nachdemerseinenRauschausgeschlafenhatteundbeimAnbruchderDunkelheitendlichaufgestandenwar.

»Wiesoheiraten?« ErschautesieverwundertausrotgerändertenAugenan, strichsichüberdasverquolleneGesicht. Siedachteschon, dasserundauchKassahunesvergessenhätten, dassallesnureinböserTraumgewesenwar, undatmeteerleichtertauf. »Stimmt«, murmeltedaderVater. »KassahunwirdmeinSchwiegersohn …« ErschobsieunsanftzurSeiteundgingnachdraußenzurToilette.

»AbersieistdochnocheinKind!«, versuchteMaruihnumzustimmen. »LasssienocheineWeilebeiuns.« DochVaterließnichtmitsichreden.

»ErwilldichalsozuseinerheimlichenZweitfraumachen!« Ema­maschütteltdenKopf. »WiederVater, soderSohn«, knurrtsie. »Haterdichetwaberührt?«

»Geküssthatermich«, flüstertAsni.

FrauSamrawitundFrauHiwot, ihrenächstenNachbarinnen, diezumFesteingeladenwaren, tanztenausgelassenumAsniherumundsangenHochzeitslieder. SiefreutensichaufdasFleisch