Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Alle Kurzgeschichten von Julia Schöning in einem Band - mit bislang unveröffentlichten Geschichten Julia Schöning ist eine so produktive Autorin, dass sie die Leserinnen nicht nur immer wieder mit neuen Romanen beglückt, sondern auch mit Kurzgeschichten. Mit frischem Elan hat sie sich hingesetzt und eine Menge neue Geschichten geschrieben, die wir nicht nur auf unserer Webseite, sondern in einem Buch würdigen wollen. Ein paar der alten Geschichten sind auch dabei, denn wir wollten gern eine vollständige Sammlung der Geschichten herausgeben. Erotisch, leidenschaftlich, liebevoll und oft voller Überraschungen - für das kleine Lesevergnügen zwischendurch.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 308
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Erotische Geschichten
© 2015édition el!es
www.elles.de [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-95609-151-3
Coverillustration: © Abstractus Designus – Fotolia.com
Ich drückte auf die Klingel. Endlich. Drei Versuche hatte ich benötigt, um es tatsächlich zu wagen.
Bereits während der Taxifahrt hatte ich mehrfach darüber nachgedacht, einfach wieder umzukehren. Es war eine vollkommen verrückte Idee gewesen herzukommen. Schließlich war ich doch mit hochrotem Kopf auf unsicheren Beinen ausgestiegen. Die Neugierde hatte gesiegt. Fürs Erste.
Jetzt stand ich vor dieser unscheinbaren Tür mitten in einem Gewerbegebiet. Heute Zutritt nur für Frauen stand auf dem Schild.
Während ich noch immer darauf wartete, dass jemand auf mein Klingeln reagierte und sich die Tür öffnete, schaute ich mich verstohlen um. Weit und breit war niemand zu sehen. Und selbst wenn ich wusste, dass die Wahrscheinlichkeit, hier jemand Bekanntes zu treffen, ungefähr so groß war wie ein Sechser im Lotto, hatte ich trotzdem ein mulmiges Gefühl. Ich hätte nicht gewusst, wie ich es erklären sollte.
Endlich ertönte der Türsummer und die Tür gab meinem Druck nach. Ich ging die steile Treppe hinauf in die erste Etage. Die Musik wurde lauter.
»Schön, dass du da bist«, wurde ich im Eingangsbereich von einer mir unbekannten Dame begrüßt. Sie trug eine schwarze Korsage, die weniger verdeckte als sie zeigte, und dazu einen schwarzen Minirock. Sie umarmte mich, als wären wir langjährige alte Bekannte.
Ich räusperte mich. »Ja . . . Äh . . . Hallo«, stammelte ich. Ich wischte meine feuchten Finger an meiner Jeans ab.
»Ich bin Felicitas«, stellte sich die Frau am Empfang nun vor. »Wie heißt du?«
»Mara.«
Felicitas fuhr mit ihrem Finger die Liste mit den angemeldeten Gästen entlang, bis sie mich fand. »Hier hab ich dich. Du bist das erste Mal hier, oder?«
Ich nickte. Ich wusste nicht, ob sie einfach alle Gäste kannte oder ob man mir meine Unsicherheit so deutlich ansah.
»Keine Sorge. Jeder fängt mal an.« Felicitas reichte mir einen Schlüssel. »Der ist für deinen Spind. Um die Ecke rechts ist die Umkleidekabine, dort kannst du dich zurechtmachen. Links geht es in den Partyraum. An der Bar steht Sekt bereit, du kannst aber auch alles andere trinken.«
Ich nickte abermals und nahm den Schlüssel entgegen. »Danke.« Das waren zu viele Informationen auf einmal für mein nervöses Hirn.
»Ich wünsche dir einen schönen Abend und eine aufregende Nacht. Wenn du Fragen hast, kannst du mich jederzeit ansprechen.« Felicitas zwinkerte mir zu.
War es einfach ein freundliches Zwinkern oder anzüglich? Ich war gerade nicht in der Lage, das zu unterscheiden.
»Und keine Angst«, fuhr Felicitas fort. »Die Frauen sind alle sehr nett. Keine wird dich beißen – es sei denn, du willst das.«
Sie lächelte mich an und schaffte es damit tatsächlich, mich etwas zu beruhigen. Auch wenn mich die Vorstellung, von einer fremden Frau gebissen zu werden, irritierte.
In der Umkleide war ich glücklicherweise allein. Ich atmete erst einmal tief durch, um meine Gedanken und die ersten Eindrücke zu sortieren. Jetzt stand ich also tatsächlich hier. Mitten in einem Swingerclub. Auf einer Party nur für Frauen.
Als meine beste Freundin Tanja mir vor ein paar Wochen von diesem Event erzählte, das sie angeblich zufällig im Internet aufgestöbert hatte, hatte ich sie noch ausgelacht. Erst recht, als sie vorschlug, dass ich doch dorthin gehen könnte. Die perfekte Gelegenheit, um mal wieder ein bisschen Spaß zu haben. Ganz unverbindlich, hatte sie mir erklärt. Ich hatte abgewiegelt, ihr erklärt, dass so etwas für mich auf keinen Fall in Frage kommen würde.
Doch irgendwie hatte ich diese Idee nicht wieder vergessen können, recherchierte selbst ein wenig. Den Namen und die Location hatte ich mir gemerkt. Und schließlich meldete ich mich an, an einem einsamen Samstagabend, nachdem ich mir zu Hause ordentlich Mut angetrunken hatte. Tanja erzählte ich nichts davon. Es sollte erst einmal mein Geheimnis bleiben, auch wenn es eine Begleitung vielleicht leichter gemacht hätte.
Ein Frauenpaar betrat kichernd die Umkleide. Schon jetzt konnten sie kaum die Finger voneinander lassen. Ich beneidete sie, um ihre Offenheit und Selbstverständlichkeit.
Ich holte mein schwarzes Minikleid aus der Tasche. Es roch nach Leder. In meinem Kleiderschrank hatte ich nichts finden können, was mir für eine solche Party geeignet schien, deswegen war ich vor wenigen Tagen noch shoppen gewesen. In einer einschlägigen Boutique war ich fündig geworden. Auch jetzt erinnerte ich mich noch daran, wie ich mit tomatenrotem Gesicht bezahlt hatte.
Nachdem ich mich in das Kleid gezwängt hatte, betrat ich den abgedunkelten Partyraum. Bässe empfingen mich, die tief in meinen Bauch gingen und sich mit meinem mulmigen Gefühl mischten. Nur wenige Lampen spendeten ein rötliches Licht.
Auch wenn ich mit meiner Figur ein solches Kleid sicherlich gut tragen konnte, fühlte ich mich ungewohnt darin. Wahrscheinlich starrten mich alle an. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und ich merkte, dass kaum jemand von meinem Erscheinen Notiz genommen hatte.
In der hinteren Ecke entdeckte ich die Bar, von der Felicitas gesprochen hatte. Das war genau der richtige Anfang. Bemüht um ein selbstsicheres Auftreten ging ich durch den Raum. Schon nach diesen wenigen Schritten bemerkte ich die ungewohnt hohen Absätze der Schuhe an meinen Füßen.
An der Bar wurde ich direkt von der lächelnden Bedienung in Empfang genommen. »Einen Drink zur Auflockerung?« Sie zwinkerte mir zu.
»Gute Idee. Einen Gin Tonic, bitte.« Ich setzte mich auf den Barhocker und positionierte ihn so, dass ich das Treiben beobachten konnte.
Etwa dreißig Frauen waren bisher dort. Einige etwas älter, einige noch recht jung, manche schlank, manche etwas fülliger. Aber alle in durchaus sexy Outfits. Schwarz war dabei die eindeutig dominierende Farbe.
Die Barfrau stellte das Glas vor mir ab. »Möchtest du deinen Spindschlüssel hier deponieren?«
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich den Schlüssel wie einen Rettungsanker umklammerte. »Gern.« Ich reichte der Barfrau den Schlüssel.
»Bist wohl zum ersten Mal hier, oder?« Eine hochgewachsene Frau mit kurzen blonden Haaren stellte sich neben mich und lächelte mir zu.
Unweigerlich blieb mein Blick an ihrem üppigen Dekolletee hängen.
Ich nickte und nahm einen großen Schluck von meinem Gin Tonic.
»Du kannst dich gern an mich wenden, wenn du Fragen hast.« Sie strich ihren Rock glatt. Die Barfrau reichte ihr ein Glas Sekt. »Ich bin eine der Veranstalterinnen«, ergänzte die Blondine. »Dann komm erst mal richtig an.«
»Das mache ich«, versprach ich. Es schienen alle Frauen sehr nett zu sein und sich um die Neulinge zu kümmern, um ihnen die Hemmungen zu nehmen. Das war ein angenehmes Gefühl.
Nach und nach füllte sich die Party. Unter den Gästen waren einige Paare. Einige Grüppchen schienen sich schon länger zu kennen. Wahrscheinlich war die lesbische Swingerszene nicht allzu groß. Zu meiner Erleichterung waren jedoch auch viele Frauen allein hier. Jetzt musste ich es nur noch schaffen, meine Schüchternheit zu überwinden und mit ihnen ins Gespräch kommen. Auch wenn ich mir immer noch nicht sicher war, ob ich das überhaupt wollte.
Mittlerweile hatte ich meinen Gin Tonic ausgetrunken, also beschloss ich etwas zu essen. Irgendwie fühlte ich mich wohler, wenn ich etwas zu tun hatte, auch wenn ich vor lauter Aufregung eigentlich keinen großen Appetit hatte. Außerdem brauchte der Alkohol eine Grundlage, sonst war der Abend für mich schneller beendet, als er angefangen hätte.
Ich bediente mich am Büfett und setzte mich auf eine Couch an einer der Wände, von der ich mich beim Essen unauffällig umschauen und die Tanzfläche, auf der sich bereits einige Frauen freizügig zu der Musik im Dämmerlicht bewegten, beobachten konnte. Das hatte ich jedenfalls gedacht.
Denn kaum hatte ich mich auf dem roten Ledersofa niedergelassen, trat eine Frau zu mir. »Darf ich mich setzen?« Ihre Stimme war dunkel und sanft.
Allein dieser Klang reichte aus, um mir eine Gänsehaut den Rücken hinunterjagen zu lassen. »Natürlich.« Ich suchte ihren Blick, und als ich ihn fand, blieb ich wie gefesselt an ihren braunen Augen hängen. Tief und geheimnisvoll.
Die Fremde nahm dicht neben mir Platz. So eng, dass ich ihren Duft mit jedem Atemzug einsog. Orangenblüte und ein Hauch von Ingwer. »Ich habe dich noch nie hier gesehen.« Ihre langen schwarzen Haare trug sie hochgesteckt.
»Ich bin heute zum ersten Mal hier.« Ich tauchte ein Stückchen Baguette in die Bärlauchcreme. Langsam gewöhnte ich mich daran, mich als Anfängerin zu outen.
»Es freut mich, dass du den Weg hierher gefunden hast.« Sie lächelte mich an. »So schöne Frauen wie du sind hier viel zu selten.«
Ich wischte meine feuchten Hände an meinem Rock ab, so gut das bei Leder möglich war. Ich konnte nicht leugnen, dass mir die unbekannte Schöne gefiel. Wären wir einfach in einem Café gewesen, wäre es mir sicherlich nicht schwergefallen, mit ihr zu flirten. Aber in dieser ungewohnten Umgebung fühlte ich mich unsicher.
Die Barfrau, die zu uns gekommen war, rettete mich. »Ich dachte, du könntest noch einen Gin Tonic gebrauchen.« Sie stellte lächelnd ein Glas vor mir ab.
»Vielen Dank.« Ich nahm den Longdrink in die Hand und umklammerte das Glas, als könnte es mir Halt geben. Den brauchte ich dringend, denn ich hatte das Gefühl zu schwanken, auch wenn ich saß.
Meine bezaubernde Sitznachbarin hatte bereits ein Glas Sekt und prostete mir damit zu. »Ich heiße Leyla«, stellte sie sich vor.
Ich tat es ihr gleich. »Mara.«
»Du bist also zum ersten Mal in einem Club«, nahm Leyla das Gespräch wieder auf. »Hast du dich schon ein wenig umgesehen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Bisher nicht.« Ich spießte ein Stückchen Mozzarella auf meine Gabel.
»Was hältst du davon, wenn ich mich auch ein wenig stärke und wir uns dann gemeinsam etwas umsehen?« Sie hob vielsagend eine Augenbraue, und mir wurde zugleich heiß und kalt. »Ganz ohne Zwang und Hintergedanken natürlich.« Sie sah mir tief in die Augen, und für einen Moment stockte mein Herzschlag. »Nur umsehen.«
Ich brauchte gar nicht zu antworten. Leyla wusste auch so, dass ich mit ihr gehen würde. Dessen war ich mir sicher. Sie stand auf, um sich ebenfalls eine Kleinigkeit am Büfett zu holen.
Ich leerte mein Glas in einem Zug. Langsam merkte ich, wie der Alkohol seine Wirkung entfaltete. Ich sollte mich etwas zurückhalten, schließlich wollte ich diesen Abend nicht wie in einem Nebel erleben. Ich wollte ihn mit allen Sinnen genießen und mich hinterher an jede Kleinigkeit erinnern können.
»Die Auswahl war auch schon mal besser.« Leyla setzte sich wieder neben mich. »Aber wir wollen uns ja auch nicht mit Essen aufhalten. Es gibt einiges hier, was besser schmeckt.« Sie zwinkerte mir zu.
Der Saum ihres ohnehin schon sehr knappen Kleides war so hoch gerutscht, dass er ihre Oberschenkel fast in Gänze freigab. Die nackte Haut übte eine magische Wirkung auf mich aus. Am liebsten hätte ich meine Hand auf Leylas Schenkel gelegt, sie gestreichelt.
Ich war selbst überrascht davon, wie sehr mich die ganze Atmosphäre erotisierte. Sexy gekleidete Frauen, die sich küssten, sich streichelten. Das gedämpfte rote Licht, Kerzenschein, die Musik. Der Duft von Erregung, der überall in der Luft hing. Das alles machte mich an. Viel mehr, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Und ich war mir sicher, das, was sich in diesem Raum abspielte, war bei weitem erst der Anfang.
»Kommst du hier aus der Gegend?«, fragte Leyla, während sie entspannt aß.
Ich wäre gern ebenso gelassen gewesen wie sie, aber ich merkte bei jeder Bewegung, wie angespannt ich war. »Ja, ich wohne nur ein paar Kilometer außerhalb.«
Leyla beugte sich zum Essen etwas vor. »Komisch, dass wir uns noch nirgendwo über den Weg gelaufen sind, denn ich wohne auch nicht weit weg.«
»Du wärst mir sicherlich aufgefallen.« Noch während ich diese Worte sagte, glitt mein Blick unweigerlich zu ihren Brüsten, die von der Korsage ihres Kleides perfekt in Szene gesetzt wurden. Ich stellte mir vor, wie sich Leylas Haut unter meinen hungrigen Fingern anfühlen würde, wie ihre Brustwarzen schmecken würden, wenn ich an ihnen saugte, und wie sie sich unter meinen Zungenschlägen versteiften.
»Die meisten Frauen kommen von weiter weg. Eine reine Frauenparty ist leider immer noch die Ausnahme. Dabei genieße ich diesen Abend immer besonders.« Leyla fuhr mit ihrer Zunge über ihre Lippen, um ein paar Krümel zu beseitigen. »Auch wenn die meisten Frauen sehr schüchtern und zurückhaltend sind.« Auffordernd sah sie mich an. »Einfach nur Sex zu haben scheint für die meisten Frauen eine echte Herausforderung zu sein.«
»Na ja, ich finde die Vorstellung auch ungewohnt«, gestand ich. Es war gut, dass es hier so dunkel war, sonst hätte Leyla bemerkt, wie sich meine Wangen tief rot verfärbten. Ich sah wieder in ihre Augen. »Aber ich finde Frauen, die wissen, was sie wollen, unwahrscheinlich aufregend«, sagte ich, selbst überrascht von meinem plötzlichen Mut.
Leyla zog ihre Augenbrauen eine Spur in die Höhe und lächelte erneut. »Das fasse ich mal als Kompliment auf.«
Ich drehte meinen Körper ein wenig in ihre Richtung und ließ es zu, dass mein Rock die Innenseite meiner Oberschenkel enthüllte.
Leyla bemerkte es natürlich sofort, und ich fühlte ihren Blick auf meiner nackten Haut, die sofort zu prickeln begann. »Wenn du einmal in einem Club warst und es probiert hast, wirst du nicht mehr darauf verzichten können«, prophezeite sie. Sie stellte ihren Teller auf den Tisch, öffnete ihre Schenkel ein wenig, und ihr nacktes Bein berührte meines. Mir wurde ganz schummrig.
»Du hast also schon ein paar Erfahrungen gesammelt.« Es kostete mich unglaublich viel Konzentration, einen vollständigen Satz hervorzubringen.
Der sanfte Druck von Leylas Bein verstärkte sich. Ganz plötzlich hob sie ihren Arm und legte die Hand auf die Außenseite ihres Oberschenkels, so dass sie auch meinen Oberschenkel berührte. Beinah unschuldig schob sie mit ihren schlanken Fingern meinen Rock ein wenig weiter nach oben.
Mein Atem stockte. Es war alles wie in einem Traum.
»Die eine oder andere.« Während Leyla mir antwortete, drehte sie sich mir noch mehr zu.
Ich konnte nicht genug bekommen vom Anblick ihrer Brüste und merkte mit jeder Sekunde, die verging, dass ich mehr wollte. Viel mehr. Mehr, als ich jemals gedacht hätte.
»Ich glaube, es ist Zeit für eine kleine Erkundungstour.« Leyla griff meine Hand. Ganz selbstverständlich.
Ein Stromschlag durchfuhr mich. Starkstrom. Und ich war froh, dass ich ihn überlebte.
Ich ließ mich von Leyla mitziehen. In diesem Moment wäre ich ihr überallhin gefolgt. Willenlos.
Wir traten durch einen Durchgang, und sofort fiel mein Blick auf drei Frauen, die engumschlungen, küssend und streichelnd auf einer großen runden Matratze lagen, offenbar unbeeindruckt von den Frauen, die um sie herum standen oder liefen.
An den rotgestrichenen Wänden waren Spiegel angebracht. Es war noch etwas dunkler als in dem Partyraum, aber hell genug, um etwas zu erkennen. Die Musik war nur noch leise zu hören und wurde von den lustvollen Lauten der Frauen übertönt.
Leyla schob mich weiter in den nächsten Raum, aus dem unverkennbares Stöhnen drang. In mir machte sich eine Mischung aus Neugierde und Scham breit. Wollte ich wirklich anderen Frauen beim Sex zusehen? Aber ich konnte nicht abstreiten, dass mich der Anblick erregte, dass mich die genussvollen Geräusche feucht werden ließen. Und noch dazu Leylas Gegenwart.
In dem Raum gab es mehrere Liegeflächen auf dem Boden, auf denen sich bereits einige Frauen vergnügten. Dazu stand an der Wand ein Andreaskreuz, daneben eine Sammlung diverser Schlaginstrumente.
Ich fuhr mit meinen Fingern das Holz entlang. Bisher hatte ich mich immer für erfahren und aufgeschlossen gehalten. Aber heute kam ich mir vor, als sei ich bisher sehr unschuldig gewesen. Es gab noch jede Menge zu entdecken.
»Gefällt dir das?« Leylas Lippen waren ganz dicht an meinem Ohr.
Überrascht zuckte ich zusammen und zog meine Hand von dem unbekannten Folterinstrument zurück, das ich soeben erkundet hatte. »Ich weiß nicht«, gestand ich ehrlich. »Ich habe keine Erfahrung damit.«
»Das ist für den Anfang vielleicht auch etwas zu viel.« Leyla küsste mich zärtlich auf die Wange. »Möchtest du ein wenig zuschauen?«, flüsterte sie.
Mein Herz raste. Ich nickte. Und wie ich das wollte.
Leyla nahm mich wieder an die Hand, und gemeinsam gingen wir zu einem freien Sofa, das genau so stand, dass man die Liege-flächen beobachten konnte. Leyla legte eines der ausliegenden sauberen Handtücher darauf und wir setzten uns. Sie war so dicht neben mir, dass meine Haut brannte. Ihre Hand lag auf meinem Oberschenkel. Ihre Finger zeichneten kleine Kreise auf meiner Haut.
Nur wenige Meter vor uns verwöhnte gerade eine attraktive Blondine eine andere Frau mit ihren Fingern, und beide schienen es sehr zu genießen.
Leylas Finger ertasteten unterdessen die Innenseite meiner Oberschenkel. Alles in mir prickelte. Unter ihrer Berührung öffneten sich meine Beine so weit, dass mein Rock meinen Slip enthüllte, falls man das beinah durchsichtige Stückchen Stoff überhaupt so nennen konnte. Er musste längst feucht glänzen.
Leyla entging das nicht, und ihre Hand wanderte ein wenig weiter nach oben, hielt aber unmittelbar vor meinen noch verdeckten Schamlippen an.
Ich schnappte nach Luft. Die ganze Zeit waren meine Augen auf die beiden Frauen vor uns gerichtet. Inzwischen war ich schon so erregt, dass es mir fast peinlich war.
»Alles okay bei dir?«, hauchte Leyla in mein Ohr.
Ich nickte schwach.
»Soll ich weitermachen?«
Wieder nickte ich. »Ja, bitte.«
Ich wollte auf keinen Fall, dass Leyla aufhörte. Meine Klitoris pochte lustvoll wie wohl noch nie in meinem Leben zuvor. Jedenfalls konnte ich mich nicht daran erinnern, jemals etwas Ähnliches wie diese Intensität gefühlt zu haben. Vor lauter Sinneseindrücken wusste ich nicht wohin mit meiner Erregung.
Leylas Finger schoben den Stoff meines Slips zur Seite. Ich zog scharf die Luft ein. Ihre Finger öffneten leicht meine Schamlippen, fuhren durch meine Nässe, verteilten sie.
Mein Stöhnen mischte sich mit dem Stöhnen der anderen Frauen.
Leyla streichelte mit leichtem Druck über meinen geschwollenen Kitzler.
Nun suchte auch meine Hand Leylas Mitte. Ich schob ihr Kleid über ihre Oberschenkel. Auffordernd öffnete Leyla ihre Beine für mich. Sie trug nichts darunter. Ohne Umschweife fanden meine Finger ihr Lustzentrum. Sie schob ihre Hüfte auf dem Sitz weiter nach vorn hin zu meiner Hand, während ihre Finger in mich glitten.
Mein Blick fiel auf die Blondine vor uns, die mich genau in diesem Augenblick auch ansah. Wir schauten uns tief in die Augen, während sie ihre Finger tief in ihre Geliebte stieß und Leyla mich reizte.
Es war einfach unglaublich. Intensiv. Aufregend. Anders.
Leylas Finger spielten unaufhörlich mit meiner Klitoris, während sich meine Finger immer schneller und schneller in ihr bewegten und ich gleichzeitig dem fremden Paar beim Kommen zusah.
Plötzlich hörte Leyla auf. Sie drehte sich zu mir und setzte sich auf meinen Schoß. Ihr Körper presste sich gegen meinen. Und dann küssten wir uns, erst zärtlich, dann immer leidenschaftlicher. Unsere Zungen tanzten miteinander, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.
In diesem Moment wusste ich, dass es mit Leyla etwas ganz Besonderes war. Es war mehr als nur Sex. In diesem Kuss lag so viel Gefühl. Das konnte nach dieser Nacht nicht vorbei sein.
»Du bist wundervoll«, hauchte Leyla mir zu, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
Ihre Brüste drückten sich gegen meine und unsere Schenkel schlangen sich umeinander. Unsere Hände erkundeten gegenseitig unsere Körper. Mit jeder Berührung hinterließ Leyla ein Kribbeln auf meiner Haut.
Und gerade als ich dachte, dass ich so ewig weitermachen könnte, löste sich Leyla von mir, ihre Haare zerzaust, Leidenschaft in ihren Augen, ihre Haut gerötet und ihre Lippen leicht geschwollen von unseren Küssen. Sie sah umwerfend aus, ganz bezaubernd.
»Warum hörst du auf?«, fragte ich sie ein wenig ängstlich. Ich wollte nicht, dass dieser Abend so endete.
»Lass uns irgendwo hingehen, wo wir allein sind.« Leyla küsste mich noch einmal kurz. »Es gibt auch abschließbare Räume.«
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Leyla, die so selbstsicher in dieser Atmosphäre gewirkt hatte, den Wunsch nach etwas mehr Intimität äußerte, aber ich folgte ihr in einen kleinen Raum. Fast war ich etwas enttäuscht darüber, dass uns niemand beobachten und dass ich niemandem zusehen konnte. Ich hatte keine Ahnung gehabt, wie sehr mich das anmachte.
Zeit, weiter darüber nachzudenken oder mich umzusehen, hatte ich nicht. Leyla drückte mich gegen die kalte Wand, und ohne ein weiteres Wort zog sie mir mein Top über den Kopf. Sie senkte ihre Lippen sofort gierig auf meine Brüste, küsste sie abwechselnd, leckte über meine Brustwarzen. Sie brachte mich völlig um den Verstand.
Dann fand ihr Mund wieder meine Lippen und wir küssten uns, leidenschaftlich, mit verlangenden Zungen.
Schnell fielen die letzten Kleidungsstücke zu Boden und wir glitten nackt auf das Bett, das mitten im Raum stand. Endlich konnte auch ich Leylas Brüste küssen und streicheln. Und das tat ich. Ausgiebig. Lange. Leyla lag unter mir, ihr Oberkörper bäumte sich meinen Berührungen entgegen.
Es war mit völlig egal, ob uns jemand hörte.
»Ich will dich in mir spüren.« Leyla sah mich an. »Ganz.« In ihren Augen lag ein Flackern.
Im ersten Moment wusste ich nicht, ob ich sie richtig verstanden hatte.
Sie schien mein Zögern zu bemerkten. »Wenn du möchtest. Und keine Angst, du tust mir nicht weh.«
Ich rutschte zwischen Leylas weit geöffnete Schenkel und sog den Duft ihrer Erregung tief in mich ein. Meine ersten beiden Finger glitten mühelos in sie, so feucht und weit war sie. Vorsichtig nahm ich einen weiteren Finger dazu.
Leyla stöhnte tief.
»Alles okay?«, fragte ich.
»Ja, mach weiter. Das ist perfekt.« Ihre Gesichtszüge waren ganz entspannt.
Langsam folgte der Rest meiner Hand, bis Leyla ganz ausgefüllt war. Ganz behutsam bewegte ich mich, und mit jedem Stoß kam Leyla dem Höhepunkt näher. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Alle Muskeln in Leylas Unterleib spannten sich an. Und dann explodierte alle Erregung.
Ich habe keine Ahnung, wie lange wir uns liebten. Ich weiß nur, dass wir nicht genug voneinander bekommen konnten. Schnell und intensiv, dann wieder langsam und zärtlich. Niemals zuvor hatte ich etwas Ähnliches erlebt.
Irgendwann verließen wir erschöpft, aber glücklich unser Privatgemach.
Der Club war deutlich leerer geworden, nur noch wenige Frauen saßen an der Bar oder tanzten engumschlungen.
Leyla küsste mich auf die Stirn. »Vielleicht sollten wir uns noch ein wenig erfrischen.« Sie zwinkerte mir zu und strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr. »Eine Dusche würde mir nicht schaden.«
Nach einer ausgiebigen Dusche setzten wir uns an die Bar und plauderte noch eine ganze Weile bei zwei weiteren Gin Tonics. Dass wir mittlerweile fast die einzigen Gäste waren, störte uns nicht.
Ich hatte das Gefühl, Leyla schon ewig zu kennen, ihr ganz vertraut zu sein. Es war einfach schön.
»Ich bin ziemlich müde«, erklärte ich irgendwann, nachdem ich das Gähnen nicht mehr länger unterdrücken konnte. Meine Augen fielen beinah zu. Mittlerweile war es wahrscheinlich draußen schon am Dämmern.
»Dann lass uns gehen.« In Leylas Blick lag so viel Wärme.
Es war sicherlich nicht meine letzte Party dieser Art. Es gab noch so viel zu entdecken, ausprobieren. Aber beim nächsten Mal würde ich nicht allein sein.
Leyla drückte beim Verlassen des Clubs meine Hand und lächelte mich an. »Es war eine wundervolle Nacht. Und ich hoffe, dass es nicht unsere letzte war.«
»Nein«, versicherte ich ihr. »Es war nur das erste Mal. Der Anfang.«
Weihnachtsmusik schallte Inga entgegen, als sie das Café betrat. Sie konnte es nicht mehr hören, brauchte dringend eine Pause.
Sie reihte sich in die lange Schlange ein und stellte die schweren Tragetaschen ab. Ihre Arme schmerzten. In ihren Händen hatten sich trotz der Handschuhe Furchen gebildet.
Inga atmete einmal tief durch. Sie war selbst schuld. Einen Tag vor Heiligabend war es keine gute Idee, noch in der Stadt Geschenke kaufen zu gehen. Das zerstörte auch den letzten Rest Weihnachtsstimmung. Hätte sie nicht bis zur letzten Sekunde gewartet, säße sie jetzt wahrscheinlich gemütlich mit einer leckeren Tasse Kaffee zu Hause und nicht in einem überhitzten, übervollen Café. Inga öffnete ihren Mantel und nahm den Schal ab.
Es ging nur langsam voran. Aber so blieb ihr wenigstens genügend Zeit, die Auslage zu studieren. Sie begutachtete die Kuchenstücke und Torten. Der Espresso-Brownie ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er sah köstlich aus. Mit einer feinen Schokoladenglasur überzogen. Genau das Richtige, um wieder zu Kräften zu kommen.
Plötzlich griff eine Hand nach dem Kuchenteilchen.
»Nein!«, fuhr Inga lautstark dazwischen.
Die Verkäuferin hielt in ihrer Bewegung inne und sah Inga irritiert an.
Erschrocken über ihren Ausruf schlug Inga die Hand vor den Mund.
Die Frau vor ihr drehte sich zu Inga um.
Inga starrte geradewegs in die braunen Augen ihrer Professorin. Das Blut schoss ihr ins Gesicht. »Äh . . . Frau Professor Kirchoff . . .«, stammelte sie. Ihr wurde noch heißer. Das musste ein Traum sein. Aber Inga konnte in diesem Moment nicht entscheiden, ob es ein angenehmer Traum oder ein Alptraum war.
»Inga, das ist aber eine Überraschung, Sie zu sehen.« Prof. Kirchoff schenkte Inga ihr umwerfendes Lächeln.
Eine Überraschung. Das konnte man wohl so sagen. Ingas Finger wurden feucht. Ausgerechnet die attraktivste ihrer Hochschullehrerinnen stand mit einem Mal vor ihr. Die Frau mit den faszinierendsten dunklen Augen, die Inga je gesehen hatte. Die Frau, die ihr in jeder Vorlesung und in jedem Seminar die Luft geraubt hatte.
Professorin Kirchoff deutete auf den Brownie, den die verwirrte Verkäuferin noch immer in der Hand hielt. »Stimmt damit etwas nicht?« Sie hob eine Augenbraue hoch.
»Also . . . ähm . . .«, Inga suchte nach den richtigen Worten, »nein, es ist alles bestens.« Sie seufzte. Ihre Professorin musste sie für völlig beschränkt halten.
»Verstehe.« Prof. Kirchoff zog die Stirn kraus. »Aber es ist der letzte, und Sie wollten ihn haben«, mutmaßte sie grinsend.
Inga nickte schwach.
»Entschuldigen Sie, andere möchten auch noch etwas bestellen«, mischte sich der Mann hinter Inga in das Gespräch ein. »Könnten Sie die Güte haben, sich etwas zu beeilen?« Er zog bedrohlich die Augenbrauen zusammen.
»So, wie Sie aussehen, werden Sie nicht so schnell verhungern.« Prof. Kirchoffs Augen funkelten den leicht übergewichtigen Mann an. »Eine Minute ohne Kuchen werden Sie überleben.« Der Mann setzte an, etwas zu erwidern, aber die Professorin wandte sich wieder Inga zu. »Wir könnten ihn teilen«, bot sie an. »Sagen Sie mir nur noch, was Sie trinken möchten.« Noch immer grinste sie breit.
»Ich weiß nicht . . .«, zögerte Inga. Das konnte sie nicht annehmen. Auf gar keinen Fall. Das ging zu weit.
»Ach, kommen Sie schon. So sehnsüchtig, wie Sie diesen Brownie ansehen, kann ich ihn unmöglich allein essen.« Ihr Blick fixierte Inga. »Außerdem macht gemeinsam Kaffeetrinken ohnehin viel mehr Spaß. Also, was darf ich Ihnen bestellen?«
»Cappuccino.« Ingas Stimme war nur ein Flüstern. Hatte sie wirklich gerade die Einladung ihrer Professorin angenommen?
»Gut.« Frau Professor Kirchoff drehte sich wieder zur Verkäuferin. »Dann nehme ich zwei Cappuccino und diesen Brownie. Bitte mit zwei Gabeln.«
Wenig später balancierte die Professorin gekonnt ein Tablett durch das enge Café, bis sie einen leeren Tisch erreicht hatte. Sie stellte die Tassen und den Teller ab und legte damit fest, dass Inga ihr gegenüber in einem Sessel Platz nehmen sollte. Dann zog sie ihren Mantel aus.
Inga konnte nicht anders, als jede Bewegung genau zu verfolgen. Prof. Kirchoff trug wie meistens ein dunkles Kostüm, das ihre schlanke, trainierte Figur bestens zur Geltung brachte. Inga schluckte.
»Setz dich doch.«
Die Stimme ihrer Professorin holte Inga wieder in die Realität zurück. Peinlich berührt senkte sie ihren Blick zu Boden. Hoffentlich hatte Prof. Kirchoff ihren bewundernden Blick nicht bemerkt. Inga zog ebenfalls ihre Jacke aus und setzte sich auf den äußeren Rand des Sessels, den Rücken kerzengerade. »Vielen Dank für die Einladung.« Sie kaute auf ihrer Unterlippe. »Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Sie müssen Ihren Brownie nicht mit mir teilen.«
Prof. Kirchoff legte ihre Hand auf Ingas. »Ich weiß.«
Inga erstarrte. Ihr wurde heiß und kalt.
»Und noch etwas.« Die Stimme ihrer Professorin klang dunkel und samtig. »Nenn mich bitte einfach Alexandra. Sonst wird dieses Kaffeetrinken peinlich.«
Inga nickte. »Natürlich. Wenn Sie möchten.«
»Wenn du möchtest«, korrigierte Alexandra sie mit einem Augenzwinkern.
»Äh . . . ja . . . Wenn du möchtest.« Ingas Hand brannte unter der Berührung ihrer Professorin.
Als hätte Alexandra das gespürt, zog sie ihre Hand wieder zurück und legte sie in ihren Schoß, als wäre nichts gewesen. Sie reichte Inga eine Gabel. Dann begann sie, selbst von dem Brownie zu essen. »Ich liebe Schokolade«, gestand sie.
Inga nickte. »Ich auch. Ich kann niemals widerstehen.« Sie entspannte sich etwas und nahm ein Stückchen in den Mund. Es schmeckte köstlich.
»Geht mir genauso. Da kann ich ja froh sein, dass ich vor dir in der Reihe stand.« Alexandras braune Augen ruhten auf Inga.
»Ich hätte natürlich auch mit dir geteilt.« Inga hielt dem Blick stand.
»Aber nur, wenn ich einen ebenso herzzerreißenden Schrei losgelassen hätte wie du.« Alexandra lachte.
Inga wäre am liebsten im Erdboden versunken.
»Das muss dir nicht peinlich sein. Ich mag Frauen, die wissen, was sie wollen, und das auch sagen.« Alexandra schlug ihre Beine übereinander und lehnte sich in ihrem Sessel zurück.
Flirtete ihre Professorin gerade mit ihr? Wie oft hatte sich Inga eine ähnliche Situation in ihren Gedanken ausgemalt. Darin war sie immer selbstbewusst und offensiv gewesen. Aber jetzt war daran nicht zu denken. Ihr Herz schlug laut in ihrer Brust, und Inga hatte das Gefühl, keinen vernünftigen Satz zustande zu bringen.
»Du bist mir schon ein paarmal in meinen Seminaren aufgefallen«, fuhr Alexandra fort. »Schade, dass du dieses Semester keine Veranstaltung bei mir belegst.«
Inga räusperte sich. »Weißt du . . .« Jetzt oder nie. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden, aber sie wollte genauso selbstsicher sein wie in ihrer Phantasie. Sie nahm all ihren Mut zusammen. »Wenn du vorn stehst, kann ich mich einfach nicht auf den Inhalt konzentrieren. Und in Hinblick auf meinen Abschluss sollte ich mich nicht nur für die Professorin interessieren.«
Ihre Blicke trafen sich erneut und hielten sich fest. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen. Inga kämpfte gegen den Kloß in ihrem Hals an. Hatte sie das gerade wirklich getan? Hatte sie Alexandra gesagt, dass sie Interesse an ihr hatte, und zwar weit über das Fachliche hinaus?
Alexandra beugte sich vor und nahm ihre Tasse in die Hand. Ihre Augen verdunkelten sich. »Dann ist es vielleicht wirklich besser, dass du dir andere Seminare suchst.« Alexandras Stimme klang mit einem Mal kühl. Sie nippte an ihrem Kaffee. »Das ist keine gute Idee.«
Ingas Kehle fühlte sich rau und trocken an. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Hatte sie Alexandras Flirtversuche falsch gedeutet? »Was ist keine gute Idee?«
»Du bist meine Studentin, ich bin deine Professorin. Dabei sollte es bleiben.«
Inga verschränkte ihre Hände ineinander. »Wahrscheinlich.«
»Außerdem, ich bin nicht der Typ für etwas Langfristiges.« Alexandra sah Inga eindringlich an. »Und ich wette, du bist auf der Suche nach mehr.«
Inga starrte auf die Tischplatte und studierte die Kuchenkrümel. Sie wusste nicht, was sie erwidern sollte.
»Ich habe recht, nicht wahr?« Alexandra seufzte. »Bitte guck nicht so traurig. Ich will dich nur nicht verletzen.« Sie zögerte einen Moment. »Weißt du, ich hasse es, morgens nicht allein aufzuwachen, und wenn ich nicht in Ruhe mein Frühstück genießen kann, werde ich unausstehlich.« Sie lächelte. Aber Inga war nach allem anderen außer Lachen zumute. »Wie läuft es denn an der Uni?«, wechselte Alexandra wie beiläufig das Thema.
»Na ja . . . Ganz gut«, stammelte Inga. Sie spürte einen Stich in ihrer Brust. Jetzt hatte sie sich endlich getraut, und dann so eine Zurückweisung.
»Ich halte dich für eine sehr intelligente Studentin.« Alexandras Augen funkelten Inga an. »Und für eine gutaussehende noch dazu.« Sie räusperte sich. »Ich bin mir sicher, dass du deinen Weg finden wirst.«
»Danke. Ich hoffe, dass du recht hast.«
»Glaube mir, ich habe schon viele Studenten kennengelernt, aber nur ganz wenige hatten so viel Potenzial wie du. Weißt du schon, in welche Richtung du später gehen möchtest?«
Inga schüttelte den Kopf. »Noch nicht genau.«
»Du solltest in der Wissenschaft bleiben. Du könntest etwas erreichen.«
Inga zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht genau.«
»Komm doch nach den Feiertagen mal bei mir vorbei, ich könnte für dich sicherlich einen Job als wissenschaftliche Hilfskraft organisieren. Als Einstieg.« Alexandra faltete ihre Hände. »Verschwende dein Talent nicht.«
Erst lockte Alexandra sie an, dann stieß sie sie wieder zurück. Und jetzt lockte sie sie wieder in ihre Nähe? Inga wusste nicht, was sie davon halten sollte. »Ich überlege es mir«, sagte sie schließlich.
»Mach das.« Alexandra lächelte Inga an. »Hast du Pläne für die Weihnachtstage?«
»Eigentlich wollte ich in den Weihnachtsferien an einer Hausarbeit schreiben«, erklärte Inga.
»Aber?« Alexandra strich eine dunkelbraune Haarsträhne aus der Stirn.
»Ich brauche dafür noch ein Buch. In der Bibliothek war es ausgeliehen, und ich weiß nicht, wo ich es so kurzfristig sonst noch herbekommen soll.« Inga zuckte mit den Schultern. »Dann habe ich die Weihnachtszeit über eben frei. Auch nicht das Schlechteste.«
»Welches Buch suchst du denn?«
Inga nannte Autor und Titel des Fachbuches.
Alexandra leerte ihre Tasse. »Ja, das kenne ich.« Sie legte einen Finger an ihr Kinn. »Hast du es schon mal bei Schneider versucht?«
Inga runzelte die Stirn. »Schneider?«
»Eine kleine Fachbuchhandlung. Eigentlich führen sie vor allem juristische und medizinische Fachliteratur, aber sie haben auch eine relativ große Abteilung mit Büchern aus der Wirtschaftswissenschaft.« Alexandra strich den Kragen ihrer roten Bluse glatt. »Oft bieten sie einem die Möglichkeit, ein Buch für ein paar Tage mit nach Hause zu nehmen, um es zu testen.«
Inga bemerkte, wie sich ihre Wangen röteten. »Davon habe ich ehrlich gesagt noch nie etwas gehört.«
Alexandra zwinkerte ihr zu. »Ein Geheimtipp.«
»Und wo finde ich den Laden?«
»Weißt du was? Wenn du möchtest, fahre ich dich hin.«
»Also . . . ich . . . äh . . .«
»Ich könnte ohnehin auch mal wieder etwas stöbern. Und die Buchhandlung liegt ziemlich weit außerhalb.« Alexandra stand auf und griff nach ihrem Mantel. »Komm.« Ihr Ton ließ keine Widerrede zu.
Neben ihrer deutlich größeren Professorin verließ Inga das Café. Ein Hauch von Alexandras Parfüms wehte zu ihr herüber. Inga atmete den wohlbekannten Duft tief ein. Wie oft hatte sie in der ersten Reihe gesessen und davon geträumt, Alexandra so nahe zu kommen.
Eine Hand streifte Ingas Arm. »Wir müssen hier entlang, mein Auto steht im Parkhaus.«
Ingas Körper kribbelte angenehm. Sie folgte Alexandra.
»Was hältst du von einer Türe gebrannter Mandeln? Die sind das Beste am ganzen Weihnachtsmarkt.« Alexandra hielt an einer kleinen Bude an. Es roch süßlich. »Und diese hier sind die allerbesten.« Sie grinste. »Jahrelange Erfahrung.«
Inga nickte. »Gern.«
Alexandra kaufte eine Tüte und hielt sie Inga unter die Nase. »Probier«, forderte sie.
Inga griff in die Tüte, zog ein paar klebrige Mandeln heraus und ließ sie in ihrem Mund verschwinden. »Wirklich ausgezeichnet. Du hast nicht zu viel versprochen.«
Sie schlenderten weiter.
»Und wie feierst du Weihnachten?«, fragte Alexandra nach einer Weile.
»Ich habe eine ziemlich große Familie. Normalerweise kommen Heiligabend alle zum Essen zu uns. Und an den Feiertagen besuchen wir dann abwechselnd meine Großeltern.« Inga zuckte mit den Schultern. »Und wenn dazwischen noch Zeit bleibt, treffe ich mich abends mit Freunden.«
»Das hört sich eher nach Stress als nach Entspannung an«, sagte Alexandra.
»Ein bisschen vielleicht. Aber eigentlich macht es auch Spaß.« Ingas Finger suchten die Tüte mit den Mandeln und stießen unterwegs mit Alexandras Hand zusammen. Reflexartig zog Inga ihre Finger zurück. Sie hielt kurz die Luft an.
Alexandra legte eine Hand auf Ingas Schulter. »Du musst keine Angst vor mir haben.« Sie beugte sich noch ein wenig enger in Ingas Richtung. Ihre langen Haare kitzelten Ingas Wange.
Inga schluckte. »Habe ich nicht.« Es zog gewaltig in ihrem Bauch. »Was machst du denn Weihnachten?«, versuchte sie abzulenken.
Alexandra machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hoffen, dass die Zeit schnell vorbeigeht. Die Vorweihnachtszeit und die Weihnachtsfeiertage sind eine äußert ineffiziente Zeit. Nicht nur, dass ich dazu verdammt bin, nicht zu arbeiten, meine Mitarbeiter sind alle fürchterlich langsam. Jeder ist mit den Gedanken schon am Jahresende und in den Ferien.« Eine tiefe Falte bildete sich auf ihrer Stirn. »Und wenn ich dann mal etwas lauter werde oder ungehalten, bin ich sofort eine Zicke. Alle erwarten ständig, mit Samthandschuhen angefasst zu werden, nur weil Weihnachten ist.« Sie verdrehte die Augen.
Inga konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
»Was ist denn daran so lustig?«
»Du hast nicht viel Sinn für Weihnachten, oder?«
»Für mich ist das eine reine Zeitverschwendung. Überall steht die Arbeit still. Ich komme nicht voran«, erklärte Alexandra. Mittlerweile waren sie am Parkhaus angekommen. Alexandra hielt Inga die Tür auf. »Komm.« Sie bezahlte die Parkgebühr, dann führte sie Inga zu ihrem Auto.
Ein anerkennender Pfiff kam Inga über die Lippen. »Nicht schlecht, schickes Auto«, kommentierte sie den SUV.
»Mir gefällt er auch.« Alexandras Hand glitt liebevoll über den schwarzen Lack. Sie betätigte die Fernbedienung. »Steig ein.«
Inga setzte sich auf den geräumigen Beifahrersitz. Das Auto roch nach einer betörenden Mischung aus Alexandra und Leder. Für einen kurzen Moment gestattete sie sich, die Augen zu schließen und von Alexandras Berührungen zu träumen. Ein angenehmer Schauer lief ihren Rücken hinunter.
Alexandra startete den Motor. Schweigend fuhr sie los.
Inga sah zu Alexandra herüber, die sich auf die Straße konzentrierte. Sie betrachtete das Profil ihrer Professorin. Die schmale Nase, die hohen Wangenknochen. Und dann diese Augen.
Inga seufzte schwer. Sie konnte Alexandra überhaupt nicht einschätzen. Manchmal wirkte sie so unnahbar und distanziert, und dann wiederum war sie das genaue Gegenteil. Sie zog Inga in ihren Bann, und die konnte sich nicht dagegen wehren.
»Da ist es«, beendete Alexandra Ingas Grübelei. Sie parkte den Wagen gekonnt in einer engen Parklücke.