Atlan 214: Im Reich der Sonnenpflanze - Marianne Sydow - E-Book

Atlan 214: Im Reich der Sonnenpflanze E-Book

Marianne Sydow

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Beschreibung

In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die - allen voran Imperator Orbanaschol III. - nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch die Einwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos, wo er inzwischen von Ischtar, der Goldenen Göttin, und seinen alten Kampfgefährten Fartuloon, Corpkor und Eiskralle gesucht wird. Zusammen mit Crysalgira, der arkonidischen Prinzessin, und Chapat, seinem neugeborenen Sohn, ist der Kristallprinz in die Nähe der Eisigen Sphäre gelangt. Er landet auf einer Sauerstoffwelt, um nach Möglichkeiten zu suchen, unbemerkt Yarden, die "Drehscheibe" zwischen Mikro- und Makrokosmos, zu betreten. Atlan weiß es noch nicht - aber ihr aller Leben ist in höchster Gefahr, denn sie befinden sich IM REICH DER SONNENPFLANZE ...

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Nr. 214

– ATLAN exklusiv Band 75 –

Im Reich der Sonnenpflanze

Die Fremden aus dem All sollen sterben – die Große Einheit verlangt ein Opfer

von Marianne Sydow

In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch die Einwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos, wo er inzwischen von Ischtar, der Goldenen Göttin, und seinen alten Kampfgefährten Fartuloon, Corpkor und Eiskralle gesucht wird.

Zusammen mit Crysalgira, der arkonidischen Prinzessin, und Chapat, seinem neugeborenen Sohn, ist der Kristallprinz in die Nähe der Eisigen Sphäre gelangt. Er landet auf einer Sauerstoffwelt, um nach Möglichkeiten zu suchen, unbemerkt Yarden, die »Drehscheibe« zwischen Mikro- und Makrokosmos, zu betreten.

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der Kristallprinz auf dem Weg nach Yarden.

Chapat – Atlans neugeborener Sohn.

Crysalgira – Die Prinzessin soll der »Großen Einheit« geopfert werden.

Otzo – Ein Paria unter den Kemarern.

Verro

1.

Die Situation war absurd. Oft genug fühlte ich mich versucht, mich kräftig zu kneifen, in der Hoffnung, der Traum möge dann in sich zusammenbrechen und mich in die Wirklichkeit entlassen.

Vor mir, auf einem weichen Lager, zappelte eine winzige, bronzehäutige Gestalt mit rotgoldenen Augen.

Winzig?

Ein wildes Lachen stieg mir in die Kehle.

Reiß dich zusammen!, befahl mein Extrahirn.

»Schon gut«, murmelte ich ernüchtert.

Chapat war tatsächlich winzig. Im Verhältnis zu dem Neugeborenen durfte ich mich als Riese fühlen. Daran änderte sich auch durch die Tatsache nichts, dass wir uns noch immer im Mikrokosmos aufhielten und sowohl Crysalgira als auch ich für die Bewohner unseres Heimatuniversums selbst durch das stärkste Mikroskop nicht sichtbar gemacht werden konnten.

»Wir müssen nach Yarden«, sagte ich zu meinem Sohn, und das war der zweite unwirkliche Aspekt. Denn mit einem Baby logische Diskussionen zu führen, noch dazu auf telepathischer Ebene, war durchaus nicht allgemein üblich.

»Es ist zu gefährlich«, vernahm ich die wispernde Stimme in meinen Gedanken. »Man wird euch gefangen nehmen. Du kennst den Plan der Tropoythers!«

O ja, den kannte ich nur zu genau! Ich sah Crysalgira an, die damit beschäftigt war, aus einigen Stoffresten eine Art Strampelsack für Chapat anzufertigen. Sie war eine arkonidische Prinzessin, hochintelligent, hervorragend geschult und – wie ich aus eigener Erfahrung wusste – nicht so leicht aus der Fassung zu bringen. Eine großartige Gefährtin für diese abenteuerliche Irrfahrt durch den Mikrokosmos. Als Schneiderin allerdings eignete sie sich weniger gut. Sie sah auf, und unsere Blicke begegneten sich. Sie lächelte schwach und konzentrierte sich dann wieder auf die Arbeit. Ein ärgerlicher Laut bewies mir, dass sie sich einmal mehr in den Finger gestochen hatte.

»Es wird uns schon etwas einfallen«, murmelte ich und meinte damit Chapat. »So leicht mache ich es den Varganen nicht!«

»Gute Vorsätze nützen nichts, solange es keine Mittel gibt, sie in die Tat umzusetzen.« Ich verzog unwillkürlich das Gesicht. Ausgerechnet mein Sohn, ein hilfloser Säugling, musste belehrende Sprüche von sich geben!

Er hat sogar recht, behauptete der Logiksektor herzlos.

»Aber es bleibt uns kein anderer Weg!«, fuhr ich auf, und damit meinte ich sowohl Chapat als auch das aktivierte Extrahirn. »Nur in der Eisigen Sphäre können wir uns die Mittel verschaffen, um endlich in den Makrokosmos zurückzukehren.«

Crysalgira kümmerte sich nicht darum, dass ich scheinbar Selbstgespräche hielt. Sie vermochte weder die Stimme meines Logiksektors zu hören, noch bestand eine telepathische Verbindung zwischen ihr und Chapat. Aber sie hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, Unterhaltungen dieser Art gelassen zu verfolgen.

»Das mag stimmen«, meinte Chapat. »Aber deshalb brauchst du nicht mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Wir müssen unseren Plan genau überdenken. Wenn wir einfach drauflosfliegen, geraten wir mit Sicherheit in eine Falle.«

»Mit Überlegungen allein kommen wir auch nicht weiter«, erwiderte ich ärgerlich. »Wir müssen eben schnell genug auf alles reagieren, was uns in Yarden begegnet. Du kennst den Kurs, den wir einschlagen müssen. Gib mir endlich die Daten!«

»Nein«, entgegnete Chapat erstaunlich energisch. Er wandte den Kopf zur Seite und sah mich an. Der Ausdruck in seinen Augen passte überhaupt nicht zu einem Baby.

»Warum nicht?«, wollte ich wissen.

»Weil es zu gefährlich für euch ist.«

»Du wiederholst dich!«

»Ich weiß«, gab Chapat gelassen zu. »Du wirst die Daten von mir erst dann bekommen, wenn wenigstens eine winzige Chance dafür besteht, dass das Unternehmen gelingt. Ich verlange nicht viel. Du sollst dir lediglich noch etwas Zeit lassen und alle Möglichkeiten ausschöpfen, die dir zur Verfügung stehen. Es gibt Räume an Bord, die du noch nicht einmal betreten hast. Wir brauchen Waffen, eine gute Ausrüstung und vieles andere. Vielleicht hat Karschkar sogar wichtige Unterlagen über die Eisige Sphäre hinterlassen.«

»Wir können während des Fluges danach suchen«, entgegnete ich ungeduldig.

»Nein!«, sagte Chapat schon wieder. »Je näher wir Yarden kommen, desto größer wird die Gefahr, varganischen Raumschiffen zu begegnen.«

»Die Tropoythers werden sich hüten, den Schutz der Eisigen Sphäre zu verlassen. Die Tejonther mit ihrer Kreuzzugsflotte sind im Anmarsch.«

»Die Flugroute ist genau festgelegt«, erklärte Chapat geduldig. »Und was die Varganen als ganzes Volk betrifft, hast du recht. Sie wagen sich selten hinaus. Aber es gibt auch bei ihnen Ausnahmen. Du brauchst nur an Magantilliken zu denken. In der Eisigen Sphäre weiß man längst, dass ihr geflohen seid, und man wird euch suchen. Ohne euch ist das stolze Volk der Varganen zum Aussterben verurteilt.«

Wieder hatte ich Mühe, den Lachreiz zu unterdrücken. Das hatte nichts damit zu tun, dass Crysalgira und ich den Varganen als Brutmaschinen für ihren Nachwuchs dienen sollten, sondern galt der Tatsache, dass Chapat über die Zusammenhänge genauestens informiert war. Ich stellte mir vor, wie Arkonidinnen edelster Abstammung darauf reagieren würden, wenn ein Neugeborenes ...

Chapat kannte meine Gedankengänge, ging jedoch stillschweigend darüber hinweg.

»Wir sollten landen«, teilte er mir mit. »Im freien Raum kann das Schiff zu leicht geortet werden. Auf einem Planeten sind wir einigermaßen sicher und können in aller Ruhe die nötigen Vorbereitungen treffen.«

Eine Vorahnung warnte mich. Bisher hatte ich im Mikrokosmos noch keinen Planeten gefunden, auf dem nicht unvorhergesehene und gefährliche Dinge auftauchten, die jeden Plan durcheinanderbrachten. Aber Chapats Entscheidung war gefallen, und auch wenn er körperlich klein und hilflos war, so verfügte er doch über einen sehr starken Willen. Das hatte ich schon auf Sogantvort festgestellt, als ich meinen Sohn vor dem Henker der Varganen zu retten versuchte. Ohne ihn, der damals noch ein winziger Embryo war, hätte ich die uralte Station der Versunkenen Welt wahrscheinlich niemals erreicht. Nur seine drängenden Gedankenimpulse hatten mich gezwungen, dieser Hölle aus Sturm und Sand zu trotzen und nicht aufzugeben.

»Also gut«, seufzte ich. »Wir werden uns einen passenden Planeten suchen.«

Crysalgira sah mich erstaunt an.

»Nur eine Zwischenlandung«, erklärte ich und teilte ihr dann den Inhalt des Gesprächs mit. Sie nickte gleichmütig, warf einen Blick auf die Uhr und stand auf. Sie beugte sich über Chapat, hob ihn hoch und trug ihn zu einem speziell für diese Zwecke hergerichteten Tisch. Chapat brüllte protestierend. Er mochte die nun folgende Prozedur überhaupt nicht. Crysalgira kümmerte sich nicht um sein Geschrei, sondern wickelte ihn mit erstaunlich geschickten Bewegungen aus den zurechtgeschnittenen Tüchern, die bis zu unserem Start der Varganin Karschkar als Bettwäsche gedient hatten.

Als der eindeutige Geruch vollgemachter Windeln sich ausbreitete, grinste ich unwillkürlich.

Chapat mochte ein noch so ungewöhnliches Baby sein – in dieser Hinsicht unterschied er sich in nichts von den Sprösslingen anderer Humanoiden.

*

Das Sonnensystem hatte mehrere Planeten. Die Ortungsgeräte des Doppelpyramidenschiffs entdeckten in Sekundenschnelle denjenigen unter ihnen, der noch am ehesten für uns geeignet war. Es gab eine dichte Atmosphäre mit genügend hohem Sauerstoffgehalt, ohne giftige Beimischungen, dafür aber von Feuchtigkeit gesättigt. Von dem eigentlichen Planeten war auf den Normalschirmen kaum etwas zu sehen. Seine Oberfläche verschwand unter einer dichten Wolkendecke, in der es starke Turbulenzen gab. Erst einige Filter zeigten uns, dass es da unten ausgedehnte Landflächen gab. Die Kontinente waren riesig und wurden nur durch seichte Meeresarme voneinander getrennt. Sie ähnelten aus dieser Höhe gewaltigen Eisschollen, die von zahlreichen Rissen durchzogen wurden.

Ich wählte ein Hochplateau als Landeplatz aus. Es wurde von allen Seiten durch tiefe Schluchten begrenzt. Einer dieser Abgründe verbreiterte sich nach Süden hin zu einem großen, von steilen Felswänden umschlossenen Tal.

»Das wäre ein besserer Ort für die Landung«, machte Crysalgira mich auf diesen Talkessel aufmerksam. »Oben auf dem Plateau dürfte der Sturm gefährliche Ausnahme annehmen.«

»Dem Schiff kann selbst der stärkste Orkan nichts anhaben«, wehrte ich ab.

Sie nickte und wandte sich wieder den Instrumenten zu, die uns verraten sollten, was uns auf diesem Sturmplaneten erwartete. Wir planten zwar keinen langen Aufenthalt, aber es konnte nie schaden, ein paar Dinge mehr zu wissen, als auf den ersten Blick notwendig war. Ich ließ das Schiff langsam sinken und konzentrierte mich voll auf meine Aufgabe als Pilot. Chapat, der jetzt schlief, hatte mir zuvor alles mitgeteilt, was er über diesen Schiffstyp wusste. Ich wusste jedoch zu genau, dass mir noch eine Menge Übung fehlte, um die Doppelpyramide völlig zu beherrschen. Eine Landung in dem engen, tiefen Tal traute ich mir noch nicht zu.

Das Schiff setzte in der Nähe des Abbruchs auf. Ein einziger Blick auf die Bildschirme machte mir bereits deutlich, dass mit diesem Planeten nicht zu spaßen war. Die Oberfläche des Plateaus war keineswegs so glatt, wie ich angenommen hatte. Der Sturm hatte gemeinsam mit dem offensichtlich sehr häufig fallenden Regen die weicheren Gesteinsadern ausgewaschen. Abenteuerlich spitze Zacken und Grate aus härterem Fels waren übriggeblieben. Diese Erhebungen hoben sich in allen Schattierungen zwischen Purpur und Violett von den gelblichgrauen Wolken ab, die den Blick in das Tal verdeckten. Dunkle Schatten jagten vorüber.

»Hier ist das Ergebnis der Analyse«, sagte Crysalgira neben mir. »Die Luft ist einwandfrei, gefährliche Kleinlebewesen wurden nicht gefunden. Es gibt auf diesem Kontinent keine größeren Metallvorkommen. In den Tälern reiches Pflanzenleben, aber allem Anschein nach keine Intelligenzen.«

»Und diese dunklen Dinger?«, fragte ich und deutete auf den Bildschirm.

»Pollen«, erklärte die Arkonidin. »Zusammenballungen sehr großer Samenzellen. Sie dürften von den Pflanzen in den Tälern stammen.«

Ich sah, wie eines der schattenhaft erkennbaren Objekte gegen eine Felszacke prallte, und stellte die Vergrößerung nach. Schweigend betrachteten wir das Bild. Das unregelmäßige Gebilde zerbrach unter der Wucht des Anpralls. Eine große Zahl orangefarbener Kugeln mit roten Punkten, dicht besetzt mit grellblauen Zacken, kollerte zu Boden. Sie mussten relativ leicht sein, denn der Wind trug sie schnell wieder davon.

»Ungefähr einen halben Meter groß«, murmelte Crysalgira neben mir. »Hast du die Widerhaken gesehen?«

»Wir werden diesen Gebilden aus dem Wege gehen«, nickte ich. »Falls wir überhaupt nach draußen gehen.«

Sie zuckte die Achseln und wandte sich ab.

»Sind wir bereits gelandet?«, fragte eine wispernde Stimme in meinem Gehirn.

»Chapat ist aufgewacht«, informierte ich Crysalgira.

»Sie soll mich in Ruhe lassen!«, schimpfte der Kleine telepathisch. »Ich habe keinen Hunger, und meine Windeln sind auch noch trocken!«

Ich grinste und gab Crysalgira einen Wink. Sie blieb vor dem Lager stehen und blickte Chapat etwas hilflos an.

»Was macht man nur mit so einem Kind?«, fragte sie mich. »Ein Baby hat den Mund zu halten, es sei denn, es brüllt.«

»Er sagt ja auch keinen Ton«, gab ich trocken zurück. »Mach dir keine Sorgen, er hat mir lange vor seiner Geburt erklärt, er würde die Gabe der Telepathie schnell verlieren. Dann wird er sich ganz normal verhalten.«

»Normal?«, erkundigte Chapat sich empört.

»Geburt?«, ächzte Crysalgira genau im selben Augenblick.

Ich lachte Tränen. Selbst das Extrahirn konnte mir mit seinen Kommentaren in dieser Situation nicht den Spaß verderben.

»Kommen wir zur Sache«, murmelte ich schließlich. »Was weißt du also über die Eisige Sphäre?«

»Es ist sehr wenig«, gab Chapat bedrückt zu. »Ich konnte mich schließlich nicht gründlich umsehen. Ich befand mich in einem sehr großen und hellen Raum. Das heißt, ich weiß nicht einmal, ob es sich um einen Raum im üblichen Sinn handelte, denn ich konnte seine obere Begrenzung nicht sehen. Es gab dort nur Licht, sehr viel Licht. Und dann nahm ich die Stimmen und Gedanken vieler Varganen auf, aber sie beschäftigten sich niemals direkt mit der Umgebung dieses Raumes. Vielleicht gab es so etwas gar nicht. Außerdem fiel es mir immer schwerer, ihre Gedanken überhaupt zu empfangen. Es war, als entfernten sie sich jeden Tag weiter von mir. Dann kam eines Tages Karschkar, nahm mich samt dem Behälter mit und brachte mich weg.«

»Sie hat die Grenze nach Yarden überflogen«, sagte ich nachdenklich. »Gab es dabei einen Aufenthalt? Eine Kontrolle?«

»Ich weiß es nicht. Wenn, dann habe ich nichts davon bemerkt. Sie sorgte dafür, dass ich fest schlief. Ein telepathischer Hilferuf hätte die ganze Eisige Sphäre in Aufruhr versetzt.«

»Woher kommt eigentlich diese merkwürdige Bezeichnung?«, fragte ich weiter. »Eisige Sphäre – das klingt, als wäre es sehr kalt dort.«

»Auch darauf kann ich dir leider nicht antworten«, wisperte die Gedankenstimme bedauernd. »In meinem Überlebensbehälter blieb die Temperatur stets konstant. Wie es außerhalb der Glaswände war, kann ich nicht beurteilen.«

Ich verkniff mir eine bissige Bemerkung. Es hatte keinen Sinn, Chapat Vorwürfe zu machen. Mein Sohn gab sich redliche Mühe, mir zu helfen. Ich stellte viele Fragen, denn jede winzige Einzelheit konnte von Bedeutung sein. Mein Extrahirn verarbeitete die Daten, und wenn es auch jetzt keine konkreten Rückschlüsse daraus zu ziehen vermochte, so würde es mir doch später, wenn wir den entsprechenden Situationen gegenüberstanden, wertvolle Ratschläge geben können. Die Zeit verging schnell. Chapat verkündete nach einiger Zeit, dass er Hunger hatte. Crysalgira schlief, und so versorgte ich selbst das Baby. Kaum war der Junge satt, da schlief er ebenfalls ein. Die lange Unterhaltung hatte an seinen Kräften gezehrt, und er brauchte dringend eine Ruhepause. Auch ich begab mich zu meinem Lager.

Wir hatten viel Platz an Bord, dennoch waren wir in der Zentrale geblieben. Erstens war es praktisch, denn auf diese Weise waren wir im Alarmfall sofort an Ort und Stelle. Zweitens war uns diese Doppelpyramide ein bisschen unheimlich. Ich hatte manchmal das unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden. Es war niemand außer uns an Bord, trotzdem fühlten wir uns unsicher. Wenn es in den Wänden knackte und knisterte, Schalter sich unter dem Einfluss der Automatik bewegten oder zusätzliche Belüftungsanlagen mit vernehmbarem Summen zu arbeiten begannen, konnte es passieren, dass einer von uns plötzlich zusammenzuckte.

Irgendwann wurde ich für einen Augenblick wach. Ich schlug träge die Augen auf, sah Crysalgira, die sich über Chapat beugte, und fing die ärgerlichen Impulse des Jungen auf. Es war alles in Ordnung. Auf den Bildschirmen trieben die Wolken über die zerrissene Felsfläche, und die Lautsprecher der Außenmikrophone übertrugen das Prasseln der Regentropfen, die gegen die Außenhülle schlugen. Ich schlief wieder ein. Als Chapats wildes Gebrüll mich aus meinen Träumen riss, hatte ich keine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen vergangen war.

Hastig sprang ich auf. Ich sah mich nach Crysalgira um, entdeckte sie jedoch nirgends. Nur Chapat war da. Er zappelte und schrie, sein Gesicht war dunkelrot, und als ich beruhigend auf ihn einsprach, reagierte er überhaupt nicht.

Hilflos stand ich neben dem kleinen Bett. Ich hatte vorher wenig genug mit Kleinkindern zu tun gehabt, und Chapat sah so zerbrechlich aus, dass ich ihn kaum anzufassen wagte. Was tun in einer solchen Situation?

Ich versuchte ihn hochzuheben, denn ich hatte beobachtet, wie man Babys einfach dadurch beruhigte, dass man sie in den Armen wiegte. Aber Chapat schien keine Lust zu haben, sich mit mir abzugeben. Seine winzigen Hände patschten abwehrend gegen meine Arme, seine Füße stießen mit erstaunlicher Kraft nach mir. Als ich es anders versuchte und ihm besänftigend das Köpfchen streicheln wollte, hielt er für einen Augenblick im Brüllen inne. Ich dachte schon, ich hätte es geschafft, aber da ruckte der Kopf des kleinen Kerlchens herum und gleich darauf biss er mich mit seinen winzigen, zahnlosen Kiefern in den Daumen.

Erschrocken zog ich die Hand zurück. Es hatte natürlich nicht weh getan, dazu waren Chapats Kräfte noch zu gering. Aber die moralische Wirkung war ungeheuer. Verdattert sah ich den Kleinen an.

Das Gebrüll wurde immer wilder und nahm einen hysterischen Unterton an. Ich sprach auf Chapat ein, in der Hoffnung, er würde mich verstehen und mir einen Hinweis darauf geben, was ihm fehlte. Aber er hatte die Verbindung zu mir restlos abgebrochen.

Endlich, als er sich heiser geschrien hatte, wurde er etwas ruhiger.

»Was ist los, Chapat?«, fragte ich – ich weiß nicht, zum wievielten Male.

Er schlug übergangslos die Augen auf, die er zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen hatte, starrte mich verständnislos an und entspannte sich dann zusehends. Der verkrampfte Körper nahm eine normale Haltung an, die unnatürliche Röte in seinem Gesicht verschwand.

»Ischtar hat nach mir gerufen!«, wisperten seine Gedanken matt.

Ich fuhr zusammen. Ischtar! Das bedeutete Hilfe, vielleicht die Rettung. Sie musste auch wissen, wo Fartuloon war, und hatte ich erst einmal eine Verbindung zu dem alten Bauchaufschneider ...

Du bist im Mikrokosmos.

Die lakonische Bemerkung des Logiksektors brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück.

»Du musst dich geirrt haben«, sagte ich zu meinem Sohn. »Ischtar kann gar nicht in der Nähe sein. Wie sollte sie in den Mikrokosmos gelangt sein?«