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Elena flieht bis ans Ende der Welt. Atlas wartet auf das Ende der Welt. Und dann lernen sie sich kennen. Elena muss den Sommer bei der neuen Familie ihrer Tante verbringen, weil sie sonst nirgends hinkann. Kurz bevor sie dort ankommt, wirft sie ihr Handy weg und schneidet sich die langen Haare ab. Bei ihrer Tante lernt sie Atlas kennen, der jede Nacht stundenlang in der Dunkelheit verschwindet. Und seine kleine Schwester sagt, er habe die Schule angezündet. Elena möchte zu gern wissen, welches Geheimnis er verbirgt. Aber wie kann sie ihn aus der Reserve locken? Das letzte Mal, als sie versucht hat, jemandem zu helfen, ging das vollkommen schief. Doch nichts zu tun, kommt für sie auch nicht infrage. Erst als beide hinter das Geheimnis des jeweils anderen kommen, wird aus der skeptischen Distanz echte Freundschaft - und sogar ein bisschen mehr. »Elena, Atlas und das Ende der Welt gehört zu Anna Woltz' besten Büchern bisher. Eine vielschichtige und stark komponierte Geschichte, in der Themen unserer Zeit zusammenfließen, ohne dass es moralisierend wird.« Jaap Friso, Jaapleest.nl Das neue Buch der vielfach ausgezeichneten Autorin Anna Woltz – klug, warmherzig und mit viel Humor aus zwei Perspektiven erzählt
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Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann
Elena flieht bis ans Ende der Welt. Atlas wartet auf das Ende der Welt. Und dann lernen sie sich kennen.
Elena muss die Sommerferien bei der neuen Familie ihrer Tante verbringen, weil sie sonst nirgends hinkann. Kurz bevor sie dort ankommt, wirft sie ihr Handy weg und schneidet sich die langen Haare ab.
Bei ihrer Tante lernt sie Atlas kennen, der jede Nacht stundenlang in der Dunkelheit verschwindet. Und seine kleine Schwester sagt, er habe die Schule angezündet.
Elena möchte zu gern wissen, welches Geheimnis er verbirgt. Aber wie kann sie ihn aus der Reserve locken? Das letzte Mal, als sie versucht hat, jemandem zu helfen, ging das vollkommen schief. Doch nichts zu tun, kommt für sie auch nicht infrage.
Das neue Buch der vielfach ausgezeichneten Autorin Anna Woltz – klug, warmherzig und mit viel Humor aus zwei Perspektiven erzählt
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Vita
Bevor ich mein Handy wegwerfen kann, muss ich noch eine Sache erledigen.
Ich klappe das Tischchen aus, lehne mein Handy gerade gegen die Rückenlehne vor mir und hole die Schere aus meinem Rucksack. Im Abteil sitzen mindestens zwanzig andere, aber alle sind einzeln in Folie verpackt: Kopfhörer auf den Ohren, die Augen an den Displays festgeklebt.
Ich ziehe das Gummiband aus den Haaren und dunkelbraune Wellen fallen mir bis weit über die Schultern. Ich sehe mich auf dem Display, schalte die Kamera aber nicht ein. Noch einmal schaue ich: Das also war ich. So sah ich aus. Ich greife nach der ersten Strähne. Atme tief durch. Und dann fange ich an zu schneiden.
Es ist der erste Sonntag der Sommerferien und die Apokalypse hat noch immer nicht angefangen.
Oder vielleicht doch, ich habe jedenfalls noch nie so viel Nebel im Sommer gesehen. Ich reite durch eine Welt, die halb ausgelöscht ist, Kings Hufe hinterlassen ein gespenstisches Geräusch auf dem Asphalt.
Und dann sehe ich sie in der Ferne.
Sie steht auf dem verlassenen Bahnsteig neben einem gigantischen Rucksack.
Sonst ist da niemand, also weiß ich sicher, dass sie es ist.
Elena.
Im Kopf halte ich an.
Aber in Wirklichkeit reite ich weiter.
Das hier ist das Ende der Welt.
Ich stehe auf einem schmalen Bahnsteig und ohne Handy kann ich nichts machen, als mich umzusehen. Lange Sonnenstrahlen durchschneiden den Nebel, ich höre den Zug noch in den Gleisen sirren, die feuchte Luft fühlt sich in meinen kurzen Haaren neu und kalt an.
Ich versuche nicht daran zu denken, wie kurz sie sind. Vorsichtig taste ich mit der Hand danach, aber lasse es sofort wieder bleiben. OMG. Die Büschel stehen kreuz und quer zu allen Seiten ab.
Und dann höre ich ganz in der Ferne ein Pferd.
Mucksmäuschenstill warte ich ab. Alles fühlt sich super-echt und gleichzeitig super-unecht an. Ich meine: So was sieht man normalerweise doch nur im Film?
Das Geräusch von Pferdehufen kommt immer näher und ich bereue jetzt schon, dass mein Handy im Abfalleimer vom Zug liegt. Mit Handy würde ich zwei Dinge tun: die Nummer der Polizei hier in der Gegend raussuchen und ungefähr hundert Fotos machen.
Nun sieh sich das mal einer an.
Das Pferd hat dieselbe Farbe wie der Nebel. Es sieht aus, als würde sich seine Mähne kilometerweit über den Weiden ausfächern. Seine Hufe klackern hohl auf dem Fahrradweg und auf seinem Rücken sitzt ein Junge, der nicht zu mir schaut. Kerzengerade sitzt er da. Er trägt eine schwarze Mütze, eine Tarnhose und ein verwaschenes T-Shirt. Ich sehe seine nackten Arme und sofort spüre ich die Spannung in seinen Muskeln.
Atemlos warte ich ab, bis er schaut, weil sie das immer machen. Aber das passiert nicht. Er reitet einfach weiter durch den dichten Nebel und ein Schauder läuft mir über den Rücken.
Was jetzt?
Die Welt ist für Menschen mit Empfang gemacht. Und ich dachte, ich könnte mein Handy einfach wegwerfen, weil meine Tante mich abholen würde.
Aber sie ist nicht da.
Natürlich will ich niemanden was fragen, der auf einem weißen Pferd glatt an mir vorbeireitet, aber ich kann ja wohl kaum den ganzen Tag hier stehen bleiben. Und Google Maps fällt auch nicht plötzlich vom Himmel und wird in mein Gehirn heruntergeladen.
»Hey«, rufe ich laut. »Du da, auf dem Pferd! Kann ich mir dein Handy mal kurz ausleihen?«
Er ist schon ein gutes Stück weiter. Der Nebel hat ihn fast verschluckt und trotzdem sehe ich, dass ein Ruck durch seinen Körper fährt. Das Pferd bleibt stehen. Fünf Sekunden lang peitscht sein Schweif schweigend hin und her und dann prescht das Tier wild los.
Nicht zu mir, sondern von mir weg.
»Im Ernst jetzt?« Meine Stimme hallt über die Weiden, ein grauer Vogel mit ausgefransten Federn fliegt auf. Ich will noch mehr rufen, aber der Junge ist verschwunden.
Braucht man ein einziges Mal im Leben einen Prinzen, galoppiert er einfach so schnell er nur kann in die andere Richtung.
Im Winter sollte ich notieren, an welchen Tagen der Schmerz da war, sagte der Arzt. Damit habe ich bald wieder aufgehört, weil meine Liste ein einziges Chaos war.
Der Schmerz war da:
– als ich den Schlüssel gefunden habe
– als ich siebzehn Stunden hintereinander vor meinem Laptop gesessen habe
– als ich gejoggt bin, bis ich mich übergeben musste
– als ich den Vorrat nicht überprüft habe
– als meine Gasmaske geliefert wurde
– als mein Vater gesagt hat, dass es Schmerzen nur im Kopf gibt
– als …
Ich ziehe an den Zügeln und alles steht still.
Der Schmerz ist wieder da und dieses Mal weiß ich genau, warum.
Ich muss zurück zu Elena.
Langsam wende ich King.
Ich versuche mir zu überlegen, was ich gleich sagen werde. Wie erkläre ich es, ohne dass sie denkt, ich sei verrückt?
Kurz neben dem Bahnsteig halte ich an, und dann schaue ich zum ersten Mal richtig zu ihr.
Fakt ist: Das hätte ich besser nicht tun sollen. In der Schule schaue ich nie zu Mädchen, und Mädchen schauen nicht zu mir. Das ist für alle entspannter.
»Weißt du, wo der Waldweg ist?«, fragt Elena. Ein vollkommen normaler Satz, aber aus ihrem Mund klingt er wie: Es ist mir echt völlig egal, aber wenn du wahnsinnig viel Lust hast, mir zu sagen, wo der Waldweg ist, dann muss das eben sein …
Ich nicke.
»Echt?«, fragt sie erstaunt. »Du weißt das, ohne auf dein Handy zu schauen?«
Ich nicke wieder. Ihre Augen haben die Farbe von Bucheckern, sie hat eine eigensinnige Nase und sehr kurze Haare, die in alle Richtungen abstehen.
»Und verrätst du mir auch, wo der Waldweg ist?« Sie schultert ihren Rucksack. »Meine Tante sollte mich abholen, aber sie ist nicht gekommen. Und mein Handy ist weg, also habe ich ihre Nummer nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch an diesen Waldweg, weil ich das so cute fand. Ich meine: Kommt man einmal im Leben raus aus der Stadt, und dann heißt es da sofort Waldweg. Verstehst du?«
Ich starre sie an.
Allmählich wird mir klar, warum sie so mit mir spricht.
Sie hat nicht die geringste Ahnung, wer ich bin.
Okay. Sieht so aus, als bräuchte ich die Polizei jetzt doch nicht. Dieser nervöse Junge wirkt extrem ungefährlich und er weiß, wo der Waldweg ist.
»Hinter der kleinen Brücke gehst du nach links«, sagt er. »Der Kurve folgen, dann die Erste rechts und nach ungefähr …«
Er spricht schnell und artikuliert total undeutlich. Unglaublich, dass es heutzutage noch immer Leute gibt, die sich dermaßen schlecht präsentieren. Ich könnte ihm eigentlich ein paar Tipps …
In dem Moment, als ich das denke, will ich mir die Hand vor den Mund schlagen. Ein kühler Wind bläst mir die letzten losen Haare aus dem Nacken. Offenbar vergisst mein blödsinniges Gehirn die neusten Updates immer wieder.
Newsflash: Ein paar Kinder mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Ich habe meinen Account nicht mehr.
Sogar mein Handy ist weg.
Ich will hier nicht sein, aber es war ein Notfall. Es gab niemand anderen, der mich einen Monat lang haben wollte. Also stehe ich jetzt hier. Auf einem Bahnsteig am Ende der Welt, mit einem Jungen, der aus dem letzten Jahrhundert weggelaufen zu sein scheint.
»… und dann kannst du die Abkürzung nehmen«, murmelt er undeutlich, »denn damit sparst du acht Minuten. Also nach den drei Pappeln …«
»Stopp!«, rufe ich.
Sofort verstummt er.
»Ich bin noch bei der kleinen Brücke«, sage ich. »Dahinter nach links, und dann weiß ich es nicht mehr. Und wenn ich was mit Pappeln machen soll, geht das ganz sicher schief.«
»Magst du Pappeln nicht?« Er klingt erstaunt.
»Sind das Bäume?«, frage ich sicherheitshalber.
Er nickt ernst und ich zucke mit den Schultern.
»Bäume sind okay. Aber äh …« Ich stelle meinen Rucksack wieder ab. »Das funktioniert nicht. Ich finde diesen Waldweg niemals. Und meine Tante muss sich doch irgendwann daran erinnern, dass ich zu Besuch kommen sollte.«
Er sagt nichts mehr und ich sehe, wie er nachdenkt. Im Ernst, hat ihm das niemand erklärt? Wenn du älter bist als zwölf, musst du schauen, als sei dein ganzes Gesicht voller Botox – das weiß doch jeder?
Aber dem Jungen kann ich ansehen, dass er etwas fühlt. Sogar aus der Entfernung sehe ich, wie er nachdenkt und zweifelt. Das ist wirklich sonderbar.
»Ich begleite dich ein Stück«, sagt er plötzlich.
»Echt?«, frage ich. »Bis nach diesen komplizierten Bäumen?«
»Na ja …« Seine Wangen färben sich rot. »Es ist der Waldweg, weißt du. Das stehen lauter äh … komplizierte Bäume. Grobe Kiefern und Eichen und Lärchen und Birken und …«
»Ich komm ja schon!«, rufe ich schnell.
Ich habe einen Plan. Es ist ein ungewöhnlicher Plan, das gebe ich sofort zu, aber er hat einen riesigen Vorteil: Wenn er funktioniert, erfährt Elena nie, wer ich bin.
Der Plan geht so: Ich überlebe die nächsten vier Wochen allein in der Wildnis. Erst bringe ich Elena bis zu den Pappeln, sonst spüre ich beim Survival die ganze Zeit den Schmerz, weil ich sie ohne Handy auf einem einsamen Bahnsteig zurückgelassen habe. Aber nach den Pappeln verschwinde ich und dann sehen sie mich erst wieder, wenn Elena aus dem Haus ist.
Während sie vom Bahnsteig geht, lasse ich mich schnell von King gleiten.
»Soll ich deinen Rucksack tragen?«, biete ich höflich an.
Sie zieht die Augenbrauen hoch. »Glaubst du, du bist stärker als ich?«
Sie stellt sich mir gegenüber und ist nur ein paar Zentimeter kleiner als ich. Die Büschel auf ihrem Kopf sehen aus wie die dunkelbraunen Puschel, die Eichhörnchen an den Ohren haben. Man sollte meinen, dass Eichhörnchenfell bei einem Menschen komisch aussieht. Aber bei Elena sieht es nicht komisch aus.
Im Kopf probiere ich fünf verschiedene Antworten auf ihre Frage aus, aber keine passt.
Also sage ich nichts und gehe einfach los. Mit einem weißen Pferd und Armmuskeln zum Tragen. Aber ohne Rucksack.
Zehn Schritte lang sagt sie nichts und ich kann an die lebensnotwendigen Sachen denken, die ich für meinen Monat in der freien Natur brauche: Wasserfilter, Solar-Powerbank, Segeltuch …
Und dann ruft sie plötzlich: »Schwarz-weiße Kühe? Im Ernst?«
Ich warte ab.
»Wie viel Mühe geben die sich hier denn, um klarzumachen, dass wir auf dem platten Land sind?«
Ich starre sie an. »Wir sind hier auf dem platten Land.«
Sie fängt an zu lachen. »Sieht ganz danach aus, was?«
Ich hoffe, sie hört jetzt wirklich auf zu reden, weil mir von all ihren Fragen, die überhaupt keine Fragen sind, ganz schwindlig wird. Aber sie hört nicht auf.
»Weißt du, ich muss plötzlich daran denken, dass du meine Tante ja vielleicht kennst …« Sie zeigt auf die nebligen Weiden um uns herum. »Wie viele Leute werden hier schon wohnen? Vielleicht gehst du mit meinen Cousins zur Schule!«
Ich laufe weiter und tue, als wäre alles in Ordnung, aber plötzlich blinken alle Alarmlampen.
Kann ich sie irgendwie ablenken? Etwas Interessantes über Euter oder Zichorien oder die Rauchschwalbe erzählen?
»Ich habe zwar Cousins gesagt«, fährt Elena fort, »aber eigentlich sind wir gar nicht verwandt. Es sind die Stiefkinder meiner Tante und ich habe sie noch nie gesehen. Ganz schön verrückt, oder?«
Ich ziehe mir die Mütze so weit über die Augen, dass die halbe Welt schwarz wird.
»Also, das ist nämlich so«, erklärt Elena. »Meine Tante Maud hat einen neuen Freund, der schon Kinder hatte, als sie ihn kennenlernte. Sie wohnen jetzt seit fast einem Jahr zusammen, aber ich habe meinen neuen Onkel und meine Stiefcousins noch immer nicht kennengelernt …«
Ich höre auf, über Euter nachzudenken.
»Ist es dir denn völlig egal, dass du neue Verwandte hast?«, frage ich, während ich weiter stur geradeaus blicke.
»Überhaupt nicht! Aber es ging alles völlig schief. Als Maud diesen Mann gerade erst kennengelernt hatte, telefonierte sie ständig mit meiner Mutter, um sich mit ihr zu beraten. Aber alles, was sie über ihn erzählte, klang so wahnsinnig creepy …«
»Creepy?«
»Ja, stell dir das nur mal vor! Sie haben sich übers Internet kennengelernt, aber nicht ganz normal über eine Dating Site oder so. Maud hatte online einen Baummarder gekauft, aus Holz. Bloß konnte der leider nicht verschickt werden, also hat sie ihn selbst abgeholt. Und rate mal bei wem?«
»Na ja, ich vermute …«
»Bei diesem creepy Typen! Er hatte das Vieh selbst aus einem Baumstamm geschnitzt – oder was weiß ich, gehackt oder gesägt oder so. Aber er hatte ihn überhaupt nicht ins Internet gestellt, das hatten seine Kinder heimlich gemacht. Um Geld zu verdienen. Also wurde dieser Mann total wütend, als Maud plötzlich vor seiner Tür stand, er wollte seinen selbst gemachten Baummarder absolut nicht verkaufen, sein Haus war die reinste Müllhalde und er hat sogar versucht, Maud mit einer Säge zu verjagen. Und trotzdem hat sie sich in ihn verliebt!«
Elena schüttelt den Kopf und seufzt schwer. »Meine Mutter musste sie einfach vor diesem Kerl warnen. Aber da ist Maud unglaublich wütend geworden und jetzt schickt sie nur ab und zu noch mal ein Foto. Noch immer nicht zerstückelt worden schreibt sie dann darunter.«
»Das schickt Maud?« Ich räuspere mich. »Dass sie noch immer nicht zerstückelt wurde?«
»Ja. Supercreepy, oder etwa nicht?«
Ich sage nichts mehr, meine Hände zittern. Ich weiß, dass ich jetzt eine Atemübung machen müsste, aber wie stellen sich die Ärzte das eigentlich vor? Soll ich mich hier auf den Boden setzen, die Augen schließen und vier Sekunden langsam durch die Nase einatmen, den Atem sieben Sekunden anhalten und danach acht Sekunden lang durch den Mund ausatmen?
Zum Teufel damit.
Keine Sekunde will ich länger neben Elena gehen. Bis gerade kam sie mir gar nicht so übel vor, mit ihren eigensinnigen Eichhörnchenpuscheln. Aber sie ist genau wie der Rest. Ich weiß, dass meine gesamte Klasse das Gleiche denkt: so eine supercreepy Familie, da am Waldweg …
»Aber jetzt weiß ich noch immer nicht, ob du meine Cousins kennst«, sagt Elena. Sie sieht mich an. »Wie alt bist du?«
»Vierzehn.«
»Echt? Einer meiner Cousins ist genauso alt! Und der andere ist elf. Dann kennst du sie ganz bestimmt. Sie heißen Atlas und Kennedy. Hast du jemals solche idiotischen Namen gehört?«
Der Schmerz hämmert mir durch den Bauch.
Idiotische Namen?
Ich denke an unser großes Fotoalbum. Wir schauen es uns nie mehr alle zusammen an. Aber manchmal, mitten in der Nacht, schleiche ich mich mit meiner Taschenlampe hin und sehe mir die Fotos an, von denen ich jeden Millimeter kenne.
Meine lachende Mutter mit mir in den Armen. Das Mützchen auf meinem Kopf ist babyblau. Daneben meine eingeklebte Geburtsanzeige.
Unsere Zukunft für immer mit dir.
Wir sind unendlich glücklich über die Geburt von …
»Atlas!«
In meinem Kopf schrillt ein Alarm und im selben Moment hält unser schlammiger Jeep dicht neben mir.
»Atlas und Elena!«, ruft Maud durch das heruntergekurbelte Fenster. »Wo um Himmels willen bleibt ihr? … Ich dachte schon, ihr wärt zerstückelt worden!«