Auf Befehl des Königs - Terri Brisbin - E-Book

Auf Befehl des Königs E-Book

Terri Brisbin

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Beschreibung

Marguerite d’Alençon, stolze Mätresse König Henrys, erlebt einen Albtraum. Der König ist ihrer überdrüssig und verheiratet sie mit seinem Gefolgsmann Lord Orrick of Silloth. Tief verletzt, wehrt sich Marguerite gegen die Zärtlichkeiten…

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Seitenzahl: 370

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Terri Brisbin

Auf Befehl des Königs

IMPRESSUM

HISTORICAL erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2005 by Theresa S. Brisbin Originaltitel: „The King’s Mistress“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICALBand 215 - 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG Hamburg Übersetzung: Traudi Perlinger

Abbildungen: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733760342

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:JULIA, BACCARA, BIANCA, ROMANA, TIFFANY, CORA CLASSICS

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Prolog

Grafschaft Anjou in Frankreich

November im Jahr des Herrn 1177

Der schwere Stoff des bodenlangen Gewandes bauschte sich raschelnd um ihre schlanken Beine, als Marguerite d'Alençon aufgebracht herumfuhr und den König in fassungslosem Entsetzen anstarrte.

"Sire! Ihr wollt mir doch nicht wirklich Eure Gunst entziehen."

"Ich bin Euch stets in Liebe zugetan, schöne Marguerite, auch jetzt, da Ihr mein Kind tragt. Aber eines muss Euch klar sein – der Titel und die Ehre der Königin an meiner Seite bleiben Euch verwehrt."

"Ihr haltet sie wie eine Gefangene, habt Euch ihre Macht und ihre Ländereien angeeignet. Es wäre Euch ein Leichtes, eine andere zur Gemahlin und Königin zu wählen."

Erst nachdem ihr die Worte entschlüpft waren, wurde ihr bewusst, wie gefährlich es war, den Unmut des Plantagenets herauszufordern. Nur darauf bedacht, ihre eigenen Ziele durchzusetzen, hatte sie ihre Grenzen überschritten. Indem sie ihre Gedanken laut aussprach, war sie entschieden zu weit gegangen.

"Es würde Euch wohl anstehen, nicht zu vergessen, dass Eleonores Ländereien bei unserer Vermählung rechtmäßig in den Besitz des Hauses Plantagenet übergingen und ich sie mit Fug und Recht wegen ihres schädlichen Einflusses auf meine Söhne unter Hausarrest stellen ließ. Es würde Euch weiterhin wohl anstehen, Euch nicht in die Angelegenheiten Eures Königs einzumischen."

Henry Plantagenet stand mit hoch erhobenem Haupt, gerötetem Gesicht und geballten Fäusten vor ihr, seine herrische Stimme hallte in dem weitläufigen Gemach wider. Der Zorn des Königs jagte Marguerite eisige Schauer über den Rücken. Sie wünschte sich, ihre unbedachten Äußerungen ungeschehen machen zu können.

"Sire, ich bitte um Vergebung für meine respektlose Rede. Aber ich erträume mir nichts sehnlicher, als Euch lieben zu dürfen, Euch Freude zu bereiten und zu dienen, das ist mein Begehr. Ich trage Euer Kind unter dem Herzen, und mein Herzenswunsch besteht darin, dieses Glück mit Euch zu teilen."

Doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, ihre Worte völlig zurückzunehmen. Zu sehr hatte sie, die fest davon überzeugt war, ihm einen Sohn zu gebären, sich erhofft, Königin zu werden. Schließlich entstammte sie einem alten französischen Adelsgeschlecht und war geeignet, den Platz an seiner Seite einzunehmen. Das Blut, das in ihren Adern floss, ließ sich bis zu Karl dem Großen zurückverfolgen.

Aber sie war auch klug und realistisch genug, um ihren Stolz zu mäßigen. Marguerite sank mit geneigtem Haupt in einen tiefen Hofknicks zu seinen Füßen und verharrte lange in dieser demütigen Haltung. Nach einer Weile hob sie seine Hand an ihre Lippen, hauchte einen ehrerbietigen Kuss darauf und berührte seinen Handrücken mit der Stirn.

"Ich gehöre Euch, Henry", flüsterte sie ergeben. "Ich lebe nur dafür, Euch zu lieben und zu dienen."

Ihre Worte beschwichtigten das aufbrausende Temperament des Königs, sein Atem beruhigte sich, sein Unmut schwand. Er half ihr beim Aufstehen und führte sie zu einem Stuhl. Nachdem sie sich gesetzt hatte, begann er schweigend auf und ab zu wandern. Marguerite war dieses Verhalten nicht fremd. Jedes Mal, wenn er mit unangenehmen und unerwünschten Situationen konfrontiert wurde, reagierte er aufbrausend und barsch, fasste sich aber rasch und wurde wieder umgänglich und aufgeschlossen.

Seine in Ungnade gefallene Gemahlin Eleonore von Aquitanien völlig zu verstoßen, würde bedeuten, sich mit den Kirchenfürsten und dem Hochadel anzulegen. Henry hatte keinesfalls die Absicht, sich noch stärker in Auseinandersetzungen auf dem Kontinent und mit den Adeligen im eigenen Herrschaftsgebiet zu verstricken. Zwar hatte Eleonore von Aquitanien heimlich eine Revolte ihrer Söhne gegen ihren Vater Henry unterstützt, doch dem König lag daran, eine friedliche Lösung zu finden, um einerseits die Königin endgültig zu entmachten, ohne andererseits den Fehler ihres ersten Gemahls, Louis VII., König von Frankreich, zu begehen, der bei der Auflösung seiner Ehe mit ihr gezwungen gewesen war, seinen Landbesitz an Eleonore abzutreten.

Marguerite griff nach dem Kelch, um ihre trockene Kehle mit einem Schluck des süßen Weines anzufeuchten. Mit heimlichen Blicken folgte sie dem rastlosen Umhergehen des Königs und hatte bald den Eindruck, Henry beginne sich allmählich mit ihren Gedanken anzufreunden. Sie lehnte sich im hohen Stuhl zurück und wartete. Es wäre nicht ratsam gewesen, ihn jetzt in seinen Grübeleien zu stören. Sein langes Schweigen machte sie beklommen, doch dann hielt er endlich inne und wandte sich ihr zu.

"Vor einigen Jahren", begann der König, "unterstützte ich einen Mönch aus Sempringham in seinem Kampf gegen seine revoltierenden Laienbrüder, welche unbotmäßige Forderungen stellten." Marguerite konnte sich nicht denken, worauf er damit hinauswollte, wartete aber geduldig auf seine weitere Erklärung. "Heute erfreut sich dieser Orden, der unter meinem Patronat steht, eines regen Zulaufs. Eines dieser mittlerweile gegründeten Nonnenklöster, dem ein Laienstift angeschlossen ist, wäre der geeignete Ort, wo Ihr die Geburt Eures Kindes abwarten könnt."

Hatte er die Absicht, sie zu verstoßen?

"Hoheit, wollt Ihr mich etwa in ein Kloster verbannen?" Der Gedanke nahm ihr den Atem. "Ich will doch nur …"

"Ich verstehe, Marguerite", unterbrach er sie mit diesem unwiderstehlichen Lächeln, das sie bereits bei ihrer ersten Begegnung so sehr in Bann gezogen hatte. "Es ist besser, die Geburt des Kindes geheim zu halten, bevor weitere Entscheidungen zwischen uns getroffen werden."

Die Angst kroch ihr eiskalt den Rücken hinauf. Eine dunkle Ahnung warnte sie, dass er ihr die Worte im Mund umdrehte, um sie für seine eigenen Ziele zu nutzen. Der König pflegte selbstherrlich seine Interessen zu verfolgen, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Marguerite aber hätte ihre privilegierte Stellung bei Hofe nicht ohne ihre Beharrlichkeit und Durchsetzungskraft erreicht. Deshalb wagte sie erneut einen Vorstoß. Sie durfte nicht riskieren, dass er sie entließ, ohne ihr eine bindende Zusage zu geben.

"Und eine legale Verbindung, Sire? Wird es nach der Geburt eine Hochzeit geben?"

Henry trat zu ihr, nahm sie bei den Armen und zog sie unsanft auf die Füße. Bei seiner stürmischen Umarmung entglitt der Kelch ihren Händen und fiel klirrend zu Boden. Der König küsste sie leidenschaftlich und besitzergreifend, wie so oft in ihrer glutvollen Liebesbeziehung. Er kostete innig von ihren Lippen, und sie spürte, wie ihr Widerstand schmolz und sie sich seinen Wünschen beugen würde. Als sie sich atemlos an ihn klammerte, löste er sich von ihr und sah sie mit seinen durchdringenden machtbesessenen Augen lächelnd an.

"Seid unbesorgt, meine schöne Marguerite, es wird eine legale Verbindung geben."

1. Kapitel

Abbeytown

Silloth-on-Solway, England

Im Jahr des Herrn 1178

"Mylord!"

Auf dem Weg zu seinem Pferd drehte Orrick sich nach der kraftvollen Stimme des Mönchs um, dessen hoch gewachsene, breitschultrige Gestalt sich mit weit ausholenden Schritten näherte. Brachte er eine Botschaft?

"Bruder David? Gibt es noch etwas?"

Er kannte die meisten Klosterbrüder mit Namen, da er die Abtei seit frühester Kindheit häufig besucht hatte, anfangs mit seinem Vater und später allein. Bruder David war vor vierzehn Jahren in den Orden eingetreten. Mittlerweile unterstand ihm die Aufsicht über die große Anzahl der Schreiber in der Abtei.

"Der hochwürdige Herr Abt bittet noch um eine kurze Unterredung und erwartet Euch in seiner Studierstube."

Orrick klemmte sich den Helm unter den Arm, nickte seinen Männern zu und folgte Bruder David durch den Wandelgang des Klosters. Es musste sich um eine wichtige Angelegenheit handeln, sonst hätte der Abt ihn nicht noch einmal rufen lassen. Wenig später stand er dem Gottesmann gegenüber.

"Tretet ein, Mylord. Jemand möchte Euch sprechen, und ich halte ein Gespräch unter vier Augen für angebracht."

Orrick bückte sich beim Eintreten unter dem niedrigen Türsturz. Ein Kurier des Königs, der die Insignien des Hauses Plantagenet trug, stand vor dem Schreibtisch des Abts, auf dem sich Schriftrollen und Bücher stapelten. Der Klostervorsteher zog sich schweigend zurück und schloss die Tür leise hinter sich.

"Mylord", begann der Gesandte mit einer höflichen Verbeugung. "Abt Godfrey will uns beiden eine unnötige Reise ersparen. Dies schickt Euch der König."

Orrick zögerte einen Moment, die Pergamentrolle mit dem königlichen Siegel entgegenzunehmen, die der Bote ihm reichte. Da er keinen Brief des Königs erwartete, der sich zurzeit im französischen Anjou aufhielt, ahnte er nicht, welche Kunde das Pergament enthalten mochte. Aus einem unerfindlichen Grund wollte er es auch nicht wissen.

Zögernd streifte er den Kettenhandschuh ab, griff nach dem Schreiben und entband damit den Gesandten seiner Pflicht. Er brach das Siegel, trat ein paar Schritte beiseite, entrollte das Schriftstück und überflog den Inhalt. Als er den Sinn des Schreibens begriff, stockte ihm der Atem.

König Henry beabsichtigte, ihn und seinen verstorbenen Vater für ihre treuen Dienste an der Krone zu belohnen mit einer Frau, nein, einer Gemahlin, die Orricks Rang angemessen war; eine Dame, die hoch in der Wertschätzung und Achtung des Königs stand. Des Weiteren sah der König vor, seinen zuverlässigen Vasallen mit Zuwendungen in Gold, Ländereien und einem zusätzlichen Adelstitel zu ehren.

Orrick schluckte gegen den Knoten an, der ihm die Kehle zuschnürte. Sein Vater war kein Narr gewesen, ebenso wenig wie er einer war. Orrick wusste klar und deutlich: Er sollte gekauft werden. Und der Preis, den der König bezahlte, war sehr hoch, Besorgnis erregend hoch. Wenn Henry sich in die Privatangelegenheiten seiner Getreuen einmischte, bestand Grund zur Sorge. Noch dazu, wenn es einen Gefolgsmann betraf, der in einer abgelegenen Gegend von England lebte, und diese Einmischung ihm eine Braut namens Marguerite d'Alençon bescherte.

Der Bote erkundigte sich höflich, ob er auf Antwort warten solle, worauf Orrick den Kopf schüttelte. "Ich beabsichtige, dem König mit meinem persönlichen Erscheinen bei Hofe die Antwort zu geben, Sir."

"Sehr wohl. Ich unterrichte den König von Eurer Bereitschaft, Mylord."

Der Kurier betonte seine Worte beinahe wie eine Frage. Die Absicht des Herrschers, eine Edeldame seiner Gunst mit einem seiner Lehnsmänner zu verheiraten, war offenbar bei Hofe kein Geheimnis, da selbst der Abgesandte den Inhalt des Schreibens zu kennen schien. Offenbar hatte dieser gewisse Zweifel gehegt, ob Orrick seine Zustimmung geben würde. Um keine Frage offen zu lassen, räumte er die unausgesprochenen Zweifel des Boten aus.

"Ich bin ein treuer Gefolgsmann des Königs, Sir. Mein Leben ist seinen Diensten gewidmet."

Mit einer Verneigung verließ der Gesandte den Raum. Orrick wartete auf die Rückkehr des Abts und zögerte nicht, dem frommen Mann, dessen Rat ihm stets wertvoll war, den Entschluss des Königs zu eröffnen, der sein Leben von Grund auf verändern würde.

"Ich muss auf Geheiß des Königs heiraten."

"Heiraten, Mylord? Hat der König Euch mitgeteilt, wen Ihr heiraten sollt?"

Orrick wusste wie jeder andere Edle im Lande, dass der Ehevertrag aufgrund seiner Auswirkungen mehr zählte als die Personen, welche davon betroffen waren. Er nickte. "Lady Marguerite d'Alençon."

"Kennt Ihr die Dame?", fragte Godfrey mit einem Blick auf das Schriftstück, das Orrick ihm bereitwillig reichte. Der Mönch studierte es eingehend in der Befürchtung, seinem Schützling sei möglicherweise ein wichtiges Detail entgangen. "Marguerite d'Alençon … der Name kommt mir irgendwie vertraut vor. Vielleicht weiß Eure Frau Mutter etwas über die Dame?"

"Wenn sie an Henrys Hof lebt, kennt meine Mutter ihren Namen und ihren Hintergrund, daran zweifle ich nicht."

"Ja, richtig, Mylord. Eure Frau Mutter zeigt seit jeher großes Interesse an allen Belangen des Königs und seiner Umgebung. Würde sie ihr Augenmerk weniger profanen Dingen zuwenden, könnte ihre Seele an Einsicht und Weisheit gewinnen."

Orrick wusste, wie sehr Godfrey das Faible seiner Mutter für Klatsch und Intrigen missbilligte. Bedauerlicherweise hatten die vielen Jahre der Trennung von ihrer Verwandtschaft und ihren Freundinnen in der Normandie ihren Drang, Neuigkeiten über das Leben bei Hofe zu erfahren, nicht geschmälert. In diesem Fall könnten die Verbindungen seiner Mutter Orrick allerdings nützlich sein, um zu beurteilen, ob dieses unerwartete und großmütige Geschenk seines Königs eine Belohnung oder eine Bestrafung darstellte.

"Ich werde mit meiner Mutter über ihre Schwäche für Hofklatsch sprechen, Godfrey", sagte Orrick, rollte das Pergament zusammen und steckte es in die Tunika, die er unter dem Kettenhemd trug.

Godfrey schlug ihm mit einem gutmütigen Lachen auf die Schulter. "Ihr werdet sie zunächst danach fragen, was Ihr wissen wollt, bevor Ihr sie wegen ihrer Schwäche zur Rede stellt, nehme ich an, Mylord."

"Ihr kennt mich gut, Godfrey", entgegnete Orrick schmunzelnd. "Es könnte immerhin wichtig für mich sein, Näheres über die mir zugedachte Braut zu erfahren. Schließlich geht es um meine Zukunft. Es ist mein gutes Recht, Erkundigungen über sie anzustellen, ehe ich dem Ruf des Königs folge und die Ehefrau nehme, die er mir anbietet."

Godfreys weise hohe Stirn legte sich in Sorgenfalten. "Orrick, lasst Euch von der blumigen Sprache, mit der Henry die Schönheit dieser Frau preist, nicht beirren. Er befiehlt Euch, sie zu heiraten – und zwar ohne Verzug."

Auch Orrick war ernst geworden. "Das ist mir keineswegs entgangen, Godfrey. Ich bin mir über die Absicht des Königs völlig im Klaren."

"Dann geht mit Gott, Mylord. Ich werde Euch und Lady Marguerite in meine Gebete einschließen, bis Ihr unversehrt wieder in die Heimat zurückgekehrt seid."

Nachdem Orrick dem Abt herzlich die Hand geschüttelt und seinen Segen erhalten hatte, verließ er das Kloster, schwang sich aufs Pferd und gab seinen Leuten das Zeichen zum Aufbruch.

Unter normalen Bedingungen dauerte der Ritt zwei Tage. Doch diesmal drängte es Orrick, seine Burg so rasch wie möglich zu erreichen, damit er Vorbereitungen für eine lange Reise über den Ärmelkanal an den Hof des Königs treffen konnte, um seine Braut kennen zu lernen. Er forderte Pferden und Reitern das Äußerste ab.

Vorderhand galt es, seine Mutter von der überraschenden Entwicklung zu unterrichten und ihr andere Gemächer in der Burg zuzuweisen. Seine Braut würde anfangs gewisse Anleitungen brauchen, um sich mit der Wirtschaftsführung vertraut zu machen, wobei Orrick befürchtete, dass seine Mutter, die mehr als dreißig Jahre die Aufsicht über das Gesinde und das Leben auf der Burg geführt hatte, sich ihre Vorrangstellung nicht ohne Weiteres aus den Händen nehmen lassen würde. Doch mit der Zeit würden diese Schwierigkeiten ausgeräumt werden. Zunächst einmal musste er seine Braut heimführen.

Die Reise schien ihm wie im Flug zu vergehen, während seine Gedanken mit der Frau beschäftigt waren, die bald seine Gemahlin und die Mutter seiner Kinder und Erben sein würde. Orrick war kein unerfahrener Mann, kein Grünschnabel, der keine Ahnung hatte, was auf ihn zukam. Er trug sich seit einiger Zeit mit dem Gedanken an eine Heirat, aber stets war irgendetwas dazwischengekommen. Nun hatte der König ihm die Entscheidung aus der Hand genommen und ihn schlicht und einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.

Von Unruhe erfüllt ritt er an der Spitze seiner Soldaten in den Hof von Silloth Castle und sprang am Fuß der Steintreppe zur großen Halle aus dem Sattel. Er war noch keine drei Stufen hinaufgeeilt, da empfing ihn die entrüstete Stimme seiner Mutter, die jede Hoffnung, der Befehl des Königs könne problemlos ausgeführt werden, im Keim erstickte.

Lady Constance rauschte heran, gefolgt von ihren Gesellschaftsdamen und Zofen, und baute sich vor ihrem Sohn auf. Ihr erhitztes Gesicht und ihre Atemlosigkeit waren deutliche Zeichen ihres inneren Aufruhrs. Aber warum war sie so aufgebracht?

Ein flaues Gefühl breitete sich in Orricks Magengrube aus, als Lady Constance ihm mit einigen Schriftstücken vor der Nase herumwedelte. Ohne ihre Stimme zu dämpfen, schleuderte sie ihm ihre besorgten Worte ins Gesicht.

"Schwöre mir, dass du Marguerite d'Alençon nicht heiraten wirst!"

Woher wusste sie Bescheid? Er und sein Gefolge waren soeben erst nach einem anstrengenden Ritt aus Abbeytown eingetroffen. Der Bote des Königs hatte ihn dort erreicht, ohne zuvor nach Silloth zu reiten. Wer hatte ihr die Neuigkeiten hinterbracht?

"Mutter, der König befiehlt mir diese Heirat. Ich werde seinem Ruf folgen und bringe meine Braut nach Silloth. Woher kennst du eigentlich ihren Namen?"

Verwirrung, Zorn und Enttäuschung kämpften in ihren Gesichtszügen. Sie wandte sich ratlos an ihre Damen, ohne den Rückhalt zu finden, den sie suchte. Orrick dachte an Abt Godfrey, der seinem Missfallen darüber Ausdruck verliehen hatte, dass Lady Constance unnötig viel Zeit mit Klatsch und Tratsch verschwendete. Würde es seiner neuen Gemahlin gelingen, sie von derlei seichter Unterhaltung abzulenken?

"Du kannst diese Frau nicht ehelichen."

Mit dieser Anmaßung ging sie entschieden zu weit. Genau aus diesem Grund hätte er eine Heirat nicht so lange hinauszögern dürfen. Es war höchste Zeit, dass seine Mutter lernte, sich mit einer untergeordneten Stellung in seinem Haushalt zufrieden zu geben, sobald eine Ehefrau die häuslichen Geschicke lenkte. Aber ihre tiefe Trauer um den frühen Tod seines Vaters hatte ihn zu nachsichtig mit ihr gemacht, zumal er von ihren Fähigkeiten in der Wirtschaftsführung profitierte. Jetzt war die Zeit gekommen, diesen Zustand zu ändern, und seine zukünftige Gemahlin würde das unter seiner Anleitung bewerkstelligen.

"Der König hat mir Marguerite d'Alençon als Gattin zugedacht, wovon du offenbar bereits unterrichtet bist. Er erweist sich mit dieser Auszeichnung erneut als großzügig …" Orrick beendete den Satz nicht, da ihn bei dem Gedanken an die zugesagte hohe Geldsumme ein unangenehmes Gefühl beschlich. Herrgott nochmal! Seine Mutter kannte offensichtlich das Motiv dieses königlichen Erlasses, aber Orrick scheute sich, sie danach zu fragen. Dennoch drängte es ihn zu erfahren, was ihn vom König erwartete. "Nenne mir endlich den Grund deiner Einwände. Ich will über alles informiert werden."

Orrick machte sich auf das, was seine Mutter ihm eröffnen würde, gefasst, holte tief Atem und blickte ihr unverwandt ins Gesicht.

Ohne sich um die Umstehenden zu kümmern, erklärte Lady Constance mit lauter Stimme: "Der König ist zwar für seine Großzügigkeit berühmt, mit dieser Entscheidung erweist er dir indes keinen Gefallen. Er bezahlt dir eine hohe Summe Gold, um seine Mätresse loszuwerden. Marguerite d'Alençon ist die Hure des Königs."

Die Geliebte des Königs?

Die Worte seiner Mutter hallten in seinem Kopf wider, während er an ihr vorbei stürmte und Zuflucht in seinen Gemächern suchte. Orrick wollte allein sein, um sich darüber klar zu werden, ob er riskieren durfte, diesen Befehl des Königs zu verweigern.

Nun wusste er endlich, dass er für etwas bestraft werden sollte, für eine Verfehlung, die entweder er oder sein Vater verschuldet hatte. Welchen anderen Beweggrund könnte der König sonst haben, seinen getreuen Vasallen auf diese unerhörte Weise zu demütigen?

2. Kapitel

"Henry wird mir das nicht antun. Du irrst dich, Johanna", widersprach Marguerite hitzig. "Er liebt mich."

Aber die Worte klangen selbst in ihren Ohren wenig überzeugend. Sie drehte ihrer Gesellschafterin den Rücken zu und betrachtete das kostbare Kleid, welches auf dem Bett ausgebreitet lag. Es konnte nicht sein. Es durfte einfach nicht wahr sein, dass Henry sie einem anderen als Gemahlin versprochen hatte.

"Du kennst ihn besser als jede andere, Marguerite", entgegnete Johanna beschwichtigend. "Wenn du sagst, er holt dich zurück, bevor die Hochzeit stattfindet, so glaube ich dir."

In plötzlich aufwallendem Jähzorn packte Marguerite das Kleid, riss es in der Mitte entzwei, so dass Perlen und Edelsteine der kostbaren Stickerei durchs Zimmer flogen und klirrend über die Steinfliesen kullerten. Bevor sie in ihrer Zerstörungswut fortfahren konnte, gebot ihr eine barsche Männerstimme Einhalt.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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