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Dreißig Jahre Mauerfall. Ein Jubiläum, das korrekt durchgezogen zu sein wünscht. Mit Tränen, Blumen, Orden und Reden darüber, wie glücklich man sich schätzen könnte, dass die Mauer weg ist. Wenn sie denn wirklich weg wäre. Sie ist es offenkundig nicht so ganz. Warum sonst begehen wir den Jahrestag? In Wahrheit taucht Mauer immer wieder auf. Mal als Geist, mal als Steinzeichen und zum Karneval auch gerne verkleidet in Stacheldraht und Stahl; mal im Streit zwischen Nachbarn, dann wieder in Politikerreden, als Schattenspender für Verliebte, als Künstlerleinwand, als Flüchtlingswellenbrecherin. Eine Mauer kann verschwinden. Mauern an sich verschwinden nicht. Irgendeine Mauer liegt immer auf der Lauer.
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Seitenzahl: 50
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Im Gedenken an
Günter Kunert,
der Mauern zum Bröckeln dachte
Bei der Herstellung dieses Buches kamen keine echten Mauern zu Schaden.
Bei sachgemäßer Verwendung wird dieses Buch auch in Zukunft keine direkten Schäden an Mauern anrichten.
Für etwaige Mauern in Köpfen übernehmen wir keine Haftung.
Die Schmetterlinge auf dem Titelbild hat unser Grafiker gezeichnet. Echte lebende Tiere blieben von unserem Projekt verschont. Jedenfalls soweit es Verlag und Druck betrifft. Für den Umgang des Dichters mit Mücken und Flöhen können wir leider nicht garantieren. Die von ihm beschriebene Tiere habe er lediglich beobachtet, sie ansonsten jedoch ihren gemauerten Biotopen überlassen, sagt er. Wir hoffen das Beste.
Um auch sonst die Natur nicht über Gebühr zu strapazieren, entstand die Printausgabe dieses Buches im On-Demand-Verfahren: Dieses Exemplar wurde auf Bestellung gedruckt. Und auf zertifiziertem Papier. Sollte Ihnen ein Exemplar dieses Buches irgendwann in der Rabattbox ihres Discounters unter die Augen kommen, wären wir für eine Information dankbar. Um Rabatz machen zu können.
Die in diesem Buch versammelten stillen Worte stimmen einer Lautverlesung oder Versingung ausdrücklich zu. (Wir haben den Dichter einige davon tatsächlich vor sich hin summen hören.)
Unbedruckte Stellen stehen handschriftlicher Verschönerung und weiterführender, selbsterdachter Bereimung äußerst aufgeschlossen gegenüber.
Um Anteil nehmen zu können, werden wir uns über diesbezügliche Korrespondenzen und Bemusterung mit Beispielen unter:
mindestens wie Kleinkinder freuen. Falls Sie all diese Hinweise für albern halten, haben Sie völlig recht. Wir schreiben sie trotzdem. Man weiß ja nie.
Ihre Edition Versland und das
Mauerprojekt2019.de
Nichts ist so wie eine Mauer.
Eine Mauer steht dort, wo vorher noch keine stand. Insofern ist sie etwas Besonderes im Nichts, das sonst dort wäre, wo nun sie steht. Wer meint, das wäre nichts Besonderes, der irrt. Denn das Nichts, das sich vor der Mauer dort befand, entstand in unseren Tagen zumeist erst durch den Fall einer noch früher dort sich befunden habenden Mauer.
Mauern kommen und gehen.
Was bleibt sind die Beulen, die Mensch sich holt. Der eine, weil er mit dem Kopf hindurch und auf die andere Seite will, die er für die bessere hält. Die meisten Menschen aber, weil sie sich im Streit darum, welche Seite die bessere ist, nach jahrelangem Haareraufen gegenseitig die kahlgerupften Schädel einschlagen. Das ist kein schöner Anblick.
Manche Mauer erträgt ihn nicht und fällt aus Furcht oder Mitleid einfach in sich zusammen, bis nichts mehr übrigbleibt als ein Haufen Sand. In den steckt Mensch anschließend den Kopf und denkt über neue Mauern nach.
Das klingt jetzt alles ein wenig abstrakt. Doch so sind Mauerpläne immer. Was sie im Konkreten bewirken, ist nichts, worüber sich Mensch schon beim Ausklamüsern den Kopf zerbrechen würde. Denn das tut er hinterher sowieso.
Ebenfalls sowieso wird er der Mauer die Schuld geben, die doch gar nichts dafür kann, dass Menschens Vorhaben ständig ins Nichts führen. Wie gesagt: Nichts ist wie eine Mauer.
Dieses Buch hingegen ist keine Mauer.
Es hat viel mehr Seiten als nur ein Davor und ein Dahinter. Sie werden sich, hoffentlich, bei der Lektüre die Haare nicht raufen, sondern frohlocken.
Später dann könnte die Lektüre womöglich dazu führen, Ihnen die ein oder andere Beule zu ersparen, weil sie nun auf die Möglichkeit plötzlich auftauchender Mauern vorbereitet sind und sie umgehen können, statt sich daran ständig den Kopf zu zerbrechen.
Während ich das schreibe, bemerke ich, dass das Buch in diesem Falle für sie ein Davor und ein Dahinter entwickeln würde, was es einer Mauer doch wieder ähnlich macht.
Stets auf der Lauer liegt die Mauer.
Peter-Heimann-Schwarz
Edition Versland
LOB DES VERLIERENS
ANKUNFTSPERSPEKTIVE
LAUERMAUER
GEDENKEN
LEBENSLIED
RÜCKBLICK
HELDENREGIONEN
ÜBRIGENS
GELD
KURZBESUCH IM LAUGAND
RETTUNGSRING?
RÜCKWÄRTSLERNEN
GEWISSHEIT
GEDANKEN
PROST
ALBERT CAMUS
GROßVATERS REIM
NACH-BAU
SO SIEHTS AUS
MALZEIT
VERANSTALTUNG AM TAG DER INKLUSION
STILLE WASSER
AUSSCHLAG IST GEKOMMEN
LOB DES NICHTBRÜCKENTAGS
UND AUCH DER NOCH
LECKER!
ACH FREITAG
ALLES MAI
ALTER DICHTER
ACH G
ANSPRACHE
ARMEEAKADEMIE
12. DEZEMBER
FACEBOOKBILDER
IM ZOO
GESCHENK
HALBZEIT DREI
DANK AN DEN KOLLEGEN KEINER!
ZEITGEIST ODER SO
LAUFEN
LOBLIED AUF DEN BLAUEN EIMER
MORGENHAUT
OKTOBERBÄUME
OSTERGRUß
BOGEN
PF
REGENREH
SEPTEMBERSOMMER
TRAUMHAFT
TASCHENPACKEN
LOB DER DUMMHEIT
AN DER DENKWAND
HIMMELNOCHMAL SEPTEMBER!
IRGENDWIEWOWANNICH
ALTERNATIVEN
KISSENTRAININGSLAGER
AMTSSICHERUNG
AUSGEGENDERT
ERKLÄRVERSUCH
MAUERMÄRCHEN!
WAHLNACHTAG
ALLTAG
LAUBSEHER
LAUBSEHER II
ALTERNAIVE
DICHTER
MUT
ACH GOTT
JETZT
NACHRUF AUF POLITIKER
LÜGEN ENTSTEHEN
NUR MAL SO GESAGT
AUGTEMBERLIED
VERZWEIFLUNG
ÜBRIGENS
SCHNECKEN
SCHNECKENTEMPO
GRABSPRUCH
GEFÜHL
NATÜRLICH LEBST DU
OSTSEE IN NIZZA UND JANUAR
KUMMER, DER IN KAMMERN KOMMT
GLAUBEN
HABEN, SEIN UND GEBEN
FANGFRAGEN
LETZTES LIED
DANKE AN EIN L DAS FEHLT
ECHT JETZT?
REISE-APROPOS
NACHBARN
TIEFE OBERFLÄCHLICHKEITEN
Träumst Du noch vom Sieg?
Von Überlegenheit?
Wer Siege will, sucht Krieg.
Er findet Einsamkeit.
Verlierer spenden gemeinsam,
dem Sieger Mitleidsapplaus
und gehen, weit weniger einsam
als er, mit den Anderen nach Haus.
Dann rissen wir die Tür auf, fanden
den Durchgang zugemauert. Und
in winzigen Lettern standen,
an die Wand gesprüht, knallbunt,
als wär es nie anders gewesen,
die großen Worte noch:
„Freiheit“ und „Demokratie“;
uns sehr vertraut, hatten wir sie
vor dem Türaufreißen doch
so oft sehnsuchtsvoll gelesen
durch das Schlüsselloch.
Stets auf der Lauer
liegt die Mauer,
scheint nur vor sich hin zu dösen
wartet, lauscht, bis irgendwann
ein Politiker fragt: Kann
jemand die Probleme lösen?“
Irgendwer? Irgendwas?
Preis egal, Hauptsache, dass
es schnell geht. Und? Bewirbt wer sich?
Dann ist Mauer sofort wach,
springt auf und macht mächtig Krach:
Ich. Ich. Ich. Ich. Ich.
Zugverkehr und Autodröhnen
Friedhofsruhe, Zootierstöhnen
lässt sie elegant verschwinden,
sie kann Schulhöfe begrenzen
(wegen Drogendeals und Schwänzen)