Auf die leise Weise - Anne Heintze - E-Book
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Auf die leise Weise E-Book

Anne Heintze

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Beschreibung

Leise glücklich leben Introvertierte haben keinen allzu leichten Stand in der Gesellschaft. Sie gelten pauschal als schüchtern und oft wird ihnen vorgeworfen, sie sollten lustiger sein, sich lauter und auffälliger geben, mehr Werbung für sich machen - eben so sein wie die Extrovertierten. Das aber funktioniert nicht. Es sind zwei ganz unterschiedliche Typen, und beide haben ihre Stärken. Als erfahrener Coach hilft Anne Heintze in ihrem neuen Buch den Introvertierten, ihre Eigenheit und ihr darin verborgenes Potenzial zu entdecken und zu nutzen. Es sind Qualitäten, die unsere Welt heute dringend braucht, wie Nachdenklichkeit, Besonnenheit, Feinsinnigkeit, Empathie, Durchhaltevermögen. Ruhige und zurückhaltende Menschen lernen sich die eigene Besonderheit als etwas Positives bewusst zu machen und dann mit Freude, Stolz und Kreativität ins Leben zu bringen. Zahlreiche Anregungen und alltagspraktische Übungen helfen dabei.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 170

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Mit einem Ja zu deiner »leisen Weise« findest du:

große Erleichterung: Ja, es ist wunderbar, introvertiert zu sein!

mehr Freude an deinem individuellen Wesen

das Glück, deine Gaben zu entdecken und zu leben

einen Ausweg aus der Schüchternheit

Handwerkszeug für Small Talk und öffentliches Auftreten

die Kraft, dir deine Lebenswünsche zu erfüllen

Vorwort

»Anne Heintze schreibt über Introvertiertheit und zurückhaltende, leise Menschen? Wie kann das sein? Ich habe sie bei Vorträgen erlebt und Interviews mit ihr gesehen. Da wirkt sie kein bisschen introvertiert. Wie kann sie über dieses Thema schreiben?«

Ja, ich rechne mit solchen Reaktionen, denn mein öffentliches Auftreten scheint sich nicht mit dem Bild eines introvertierten Menschen zu decken. Und damit sind wir schon beim Kern dessen, worum es mir in diesem Buch geht: Ich habe gelernt, mein introvertiertes Wesen zu achten, zu respektieren und mit ihm zu leben, ohne in einer Welt, die von und für extrovertierte Menschen gestaltet worden ist, unsichtbar zu sein. Aber ich war nicht immer so. Es war ein weiter Weg. Ich möchte dir von diesem Weg erzählen und dich ermutigen, deinen eigenen kraftvollen Umgang mit deiner Introvertiertheit zu finden.

Viele meiner Klienten sind introvertiert und ich fühle mich zutiefst wohl mit ihnen. Ich muss mich nicht verbiegen und dafür bin ich so dankbar, dass mir beim Tippen dieser Worte ein tiefer Atemzug voller Erleichterung entweicht. Die Erkenntnis, dass ich so bin und alle mir wichtigen Menschen ebenso sind, macht es mir heute wirklich leicht, meine Wesensart zu akzeptieren.

Introvertierte wissen, wie es sich anfühlt, in einer Welt zu leben, die für einen ganz anderen Menschentyp gemacht zu sein scheint. Unsere Gesellschaft wird von Extrovertierten bestimmt. Es geht darum, sich zu zeigen, lautstark für sich einzutreten und sich durchzusetzen. Introvertierten sind solche Dinge fremd. Das heißt aber nicht, dass sie nicht eine Menge zu geben hätten. All die feinen Gaben leiser Menschen gilt es endlich zu entdecken und für alle in der Welt nutzbar zu machen. Ich möchte dich einladen, herauszufinden, wie du als introvertierter Mensch auf deine stillere Weise glücklich und erfolgreich sein kannst. Je mehr von uns das tun, umso schneller werden wir sogar die Gesellschaft ändern. Einfach, indem wir gern und glücklich so sind, wie wir sind. Dieses Buch wird dich dabei unterstützen,

selbstbewusst zu dir selbst und zu deiner leisen Art zu stehen,

eventuelle Schüchternheit oder Gehemmtheit abzulegen,

einen Weg zu finden, wie du beruflich zufrieden und erfolgreich wirst und deiner Bestimmung folgst,

deine Partnerschaft so zu leben, dass du dich völlig akzeptiert fühlst,

dir dein Leben so zu gestalten, dass es Platz für alle deine Wünsche, Sehnsüchte und Träume hat.

Du findest hier viele Informationen und Anregungen sowie einige praktische Übungen, die Kraft und Stärke in dein leises Leben bringen können. Das wird dir gelingen, wenn du – unbedingt schriftlich – mitmachst. Versprochen! Beschenk dich mit einem schönen Notizbuch, das dich beim Lesen begleitet und in das du dir Notizen machen kannst, wenn du dich dazu inspiriert fühlst.

Ich wünsche dir, dass auch du introvertiert glücklich und kraftvoll leben kannst. Herzlichst, deine

Dieses Buch widme ich meinem Vater, einem stark introvertierten Menschen.

Leise in einerlauten Welt

Wie sind Introvertierte? Was macht sie aus, die leisen Menschen? Ganz sicher haben sie mehr – und spannendere – Facetten, als die meisten meinen.

INTROVERTIERT,WAS BEDEUTET DAS?

Die Begriffe »Extroversion« und »Introversion« gehen auf den Psychoanalytiker Carl Gustav Jung zurück. Er prägte die Bezeichnungen im Jahr 1921, als er die Grundlage für die differenzielle Psychologie und tief greifende Persönlichkeitsanalysen legte, die bis heute Gültigkeit haben. Jung beschrieb die psychologischen Grundtypen eines Menschen wie folgt: Introvertiert ist der nach innen gekehrte Typus. Sein Fokus liegt auf der Bewegung nach innen. Das Gegenteil, der Extra- oder Extrovertierte ist der nach außen gekehrte Typus.

Der eine Mensch geht gern in sich hinein, der andere gern aus sich heraus. Unter Extroversion wird auch die Eigenschaft verstanden, eine Vorliebe für direkte Erlebnisse mit Dingen und anderen Menschen zu besitzen. Wenn du extrovertiert bist, erlebst du also jede äußere Erfahrung sehr bewusst und genießt sie. Wenn du introvertiert bist, dann bevorzugst du die innere Welt der Gedanken und Empfindungen. Informationen werden ausführlicher verarbeitet und tiefer gehend interpretiert als bei den typischen Extrovertierten. Nicht dem Erlebnis selbst, sondern vielmehr der Bedeutung der Erlebnisse um dich herum weist du einen hohen Wert zu. Deine Handlungen richtest du ebenfalls danach aus, welchen Wert sie für dein Innenleben haben.

Extro- oder extravertiert?

Wie heißt es richtig? Im Duden werden beide Begriffe gleichgesetzt, ihre Bedeutung ist identisch, sie sind somit austauschbar. Ursprünglich stammt das Wort »Extraversion« aus der differenziellen Psychologie. Im wissenschaftlichen Kontext wird darum »extravertiert« verwendet und lange Zeit stand auch nur diese Variante im Duden. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist aber »extravertiert« als Gegenteil von »introvertiert« mittlerweile zugunsten von »extrovertiert« verdrängt worden. Daher verwende ich diesen Begriff hier im Buch.

Bist du introvertiert, dann bevorzugst du eher ruhige Umgebungen, machst beispielsweise einen entspannten Spaziergang durch den Wald oder setzt dich in eine Bibliothek. Große Menschenansammlungen bereiten dir Unbehagen, sodass du überfüllte Partys oder Clubs lieber meidest. Am wohlsten fühlst du dich entweder allein, mit der Familie oder im engsten Freundeskreis. Gern verbringst du Zeit mit deinem Partner oder in einer kleinen Freundesgruppe. Ein gemütlicher Abend mit vier bis sechs Freunden bereitet dir ebenso Freude wie ein entspannter Feierabend zu Hause allein in deiner Wohnung.

WAS SAGT DIE WELT DAZU?

Kein Wunder, dass introvertierte Menschen häufig still und zurückhaltend wirken. Sie agieren überlegt und nehmen oftmals die Rolle eines passiven Beobachters ein. In der heutigen Gesellschaft aber sind andere Werte auf den vorderen Plätzen der So-bist-du-richtig-Skala. Da kommt es vor allem darauf an, sich gut zu verkaufen. Aus diesem Grund werden einem Menschen, der sich gut darzustellen weiß, bessere Chancen zugesprochen. Das kennst du vielleicht und hast es selbst schon erlebt: Introvertierten wird eher eine Rolle als Außenseiter zugeschrieben. Aber stimmt das wirklich?

25 PROZENT SIND KEINE KLEINE GRUPPE

Die Fachliteratur gibt an, dass ungefähr ein Viertel der Menschheit introvertiert ist. Dabei unterscheiden sich die Angaben von Autor zu Autor, da sich genaue Zahlen kaum eruieren lassen. Auf jeden Fall ist klar: Die Introvertierten sind keine Minderheit.

INTROVERTIERTE PASSEN NICHT INS KLISCHEE

Wie Introvertierte wahrgenommen werden, kann ganz unterschiedlich sein. Bei manchen treffen typische Merkmale zu, bei anderen nicht. Deswegen werden Introvertierte von ihrer Umgebung oft gar nicht als solche gesehen. Man sagt zum Beispiel oft, dass sie nicht gern reden. Das scheint logisch, ist es aber nicht. Introvertierte Menschen reden in der Regel nämlich nur, wenn sie etwas zu sagen haben. Small Talk ist ihnen eher unangenehm, deshalb meiden sie ihn. Wenn allerdings ein Thema zur Sprache kommt, das dem Betreffenden liegt, hört er oft nicht mehr mit dem Reden auf. Auch ich kann dann reden wie ein Wasserfall. Keiner käme in so einer Situation darauf, es mit einer Introvertierten zu tun zu haben. Intros sind einfach weder alle über einen Kamm zu scheren, noch entsprechen sie gängigen Vorurteilen.

Ein historisches Beispiel

Als ich Kind war, sprach mein Vater oft über Mark Aurel und sein Werk »Selbstbetrachtungen«. Es war das erste philosophische Buch, das ich las. Es hat mich ebenso geprägt wie mein leiser Vater. Mark Aurel lebte von 121 bis 180 und war fast zwanzig Jahre lang römischer Kaiser und Feldherr. Sein letztes Lebensjahrzehnt verbrachte er vorwiegend auf Feldzügen, also in Grenzsituationen, die ihn tiefer über Leben und Sterben nachdenken ließen. So schrieb er seine Selbstgespräche in diesen letzten Jahren seines Lebens auf. Er thematisierte die Besinnung auf das richtige Handeln, das gute Leben, Grundfragen der menschlichen Existenz. Sein Werk dokumentiert das Bemühen des Herrschers, sein Leben verantwortungsvoll und gemäß der Natur des Menschen zu gestalten. Es zeugt von großer Weisheit und, wie mir scheint, von dem introvertierten Wesen seines Verfassers. Weil er mich so beeindruckt hat, habe ich mich entschieden, alle Zitate in diesem Buch von Mark Aurel zu borgen.

SCHAU NACH INNENBist du introvertiert?

Im Folgenden findest du einige Aussagen, die für eine introvertierte Persönlichkeit sprechen. Es müssen nicht alle Punkte auf dich zutreffen, aber du solltest dich bei mehr als der Hälfte angesprochen fühlen. Je mehr Punkte du bejahst, desto stärker ausgeprägt ist deine Introversion.

1. Du brauchst regelmäßig Zeiten der Ruhe zum Auftanken.

2. Auf andere Menschen wirkst du eher schüchtern und zurückhaltend.

3. Du sprichst ungern über Gefühle. Probleme klärst du am liebsten mit dir selbst oder dem Partner. Oft fällt es dir schwer, dich zu öffnen.

4. Du benötigst nicht viele Freunde, um glücklich zu sein. Es ist dir wichtiger, enge und gute Freunde zu haben, als möglichst viele Leute zu kennen.

5. Du bist gern für dich allein und kannst dich auch über längere Zeit selbst beschäftigen. Du genießt das, es gibt dir Kraft und Kreativität.

6. Über Belanglosigkeiten musst du nicht sprechen.

7. Es fällt dir schwer, neue Freundschaften zu schließen.

8. Du überlegst gründlich, bevor du dich zu einer Aktivität entschließt. Deine Handlungen sind wohlüberlegt und gut durchdacht.

9. Du arbeitest gern in Eigenregie und unabhängig von anderen.

10. Bei zu viel Hektik und Trubel fühlst du dich nicht wohl. Du ziehst ruhige und geordnete Umgebungen vor.

11. Auf Feiern stehst du nicht gern im Mittelpunkt und bleibst eher passiv.

12. Du magst dein Leben geordnet und planst gern.

13. Du liest gern und bildest dich aus einem inneren Antrieb heraus fort.

14. Du giltst als guter Zuhörer, deine Ratschläge werden geschätzt.

15. Du analysierst dein Verhalten häufig und strebst danach, es immer so zu verändern, dass es dir gut geht.

»Es gibt für den Menschen keine geräuschlosere und ungestörtere Zufluchtsstätte als seine eigene Seele.«

MARK AUREL

MEIN WEG ZU MIR SELBST

Ich möchte dir gern ein paar Beispiele aus meiner Erfahrung mit dem Stärker-nach-innen-Leben erzählen. Als ich etwa zwanzig war, sollte ich einem Handwerker eine Reklamation nahebringen. Er hatte Rechnungen geschrieben, ohne die vereinbarten Arbeiten beendet zu haben. Mein damaliger Mann bat mich, ihn anzurufen und auf die fehlenden Leistungen hinzuweisen, denn erst wenn die abgeschlossen wären, könnten wir das Geld überweisen. Und was passierte? Ich saß tagelang vor dem Telefon und überlegte, was ich sagen sollte. Was kann ich tun, wenn er ruppig wird? Wie könnte ich auf Einwände reagieren? Ich spielte das alles endlos durch. Immer wenn mein Mann abends fragte, wie es in der Sache steht, sagte ich, ich mach das morgen. Tagelang, bis ich mich endlich traute, dort anzurufen. Es war dann gar nicht so schwer, wie ich befürchtet hatte. Das ist es nie!

Mein kurzes berufliches Intermezzo als Fotomodell vor der Kamera und auf ein paar Laufstegen dauerte nur ein halbes Jahr. Warum wohl? Ich zog es vor, hinter den Kulissen zu arbeiten anstatt im Rampenlicht. So wechselte ich in eine Modeagentur, in der ich dann einige Jahre arbeitete, ohne mit meiner leisen Weise besonders konfrontiert zu sein. Doch einige Jahre später hatte ich Vorträge zu halten und ich wollte Seminare leiten. Das fiel mir schwer. Richtig schwer! Meine Kleidung suchte ich zu solchen Anlässen so aus, dass mein Hals bedeckt war, denn ich hatte dort immer weithin sichtbare hektische rote Flecken. Der Stress vor der Öffentlichkeit hatte mich fest im Griff. Rollkragenpullover und Schals waren meine Verbündeten. Ich habe heute noch eine große Kollektion davon, auch wenn ich sie nicht mehr brauche.

Meine ersten Interviews vor einer Kamera bescherten mir in den Tagen vor dem Termin schlaflose Nächte. Was für ein Glück, wenn Maskenbildner und Visagisten ihr Handwerk beherrschen: Man konnte so den Angstschweiß auf meiner Stirn nicht sehen.

WOHER KOMMT’S?

Meine Familie ist eine Herde von introvertierten Menschen. Finde ich Ausnahmen, wenn ich über sie nachdenke? Nein, da kann ich lange suchen. Meine Eltern hatten und haben nur sehr wenige nahe Menschen in ihrer Umgebung. Sie leben ihre Liebe zur Literatur und zur Musik, sie haben keinen allzu engen Freundeskreis und keine zahllosen weiteren Bekannten, zu denen sie Kontakt pflegen. Niemand in meiner ganzen Herkunftsfamilie ist Mitglied in einem Verein. Keiner pflegt Hobbys oder Interessen, die Mannschaften oder Teams erfordern. Niemand war oder ist Unternehmer, sonst müssten ja Mitarbeiter geführt werden. Keiner trat je an die Öffentlichkeit und wurde wirklich sichtbar. Das war die Umgebung, in der ich aufwuchs.

Entsprechend suchte ich mir meine Interessenfelder, zum Beispiel im Sport. Zuerst war ich Schwimmerin, dann Reiterin. Später zog mich das Golfspielen an. Bei all dem hat mich fasziniert, dass ich immer selbst mein schärfster Gegner war. Kein anderer Mensch war da und ich musste bei keinem dieser Hobbys intensiv reden oder mich abstimmen. Und so wählte ich auch meine vielfältigen Arbeitsgebiete.

Ich bin heute froh, dass ich mir mein Leben so gestaltet habe, dass es perfekt auf mein Wesen abgestimmt ist. Warum passt es so gut zu mir, Blogs und Bücher zu schreiben? Weil ich dabei an meinem Schreibtisch in einer friedlichen, stillen Umgebung sitzen und meine Gedanken formulieren kann. Ja, ich brauche auch Gesprächspartner und ich habe sie in meinem Leben. Sehr wenige und sehr enge. Und wenn ich jetzt so über meine Freunde und mir nahe Menschen nachdenke: Viele von ihnen sind introvertierte Persönlichkeiten. Auch meine Lebens- und Liebespartner waren so. Das habe ich mir ausgesucht. Keiner von ihnen würde mich ändern wollen, keiner verurteilt meine Rückzugstendenzen in meine inneren Welten. Alle nehmen mich so, wie ich bin. Und das funktioniert auch umgekehrt.

Da fällt mir ein: Auch die Tiere meines Lebens waren sehr speziell. Egal ob Pferde, Hunde oder Katzen: Alle waren irgendwie anders, wenig kommunikativ, selbstgenügsam. Sie unterschieden sich deutlich von ihren Artgenossen. Und sie passten zu mir.

Wenn es einmal mit meinem Leben zu Ende geht, werde ich ganz sicher nicht in einem Seniorenheim beim gemeinschaftlichen Nachmittagskaffee aller Insassen glücklich sein. Da werde ich andere Lösungen finden. Das wissen auch meine Kinder und sie verstehen mich.

SCHAU NACH INNENWie war es in deiner Familie?

Denk einmal zurück: Wie war es in deiner Kindheit? Warst du von anderen stilleren Menschen umgeben, denen du dich verwandt fühlen konntest? Oder warst du mit deiner leisen Art allein auf weiter Flur? Umgeben von temperamentvolleren Menschen, die sich über deine unauffälligere Wesensart nur kopfschüttelnd wunderten?

NUR DEN LAUTENGEHÖRT DIE WELT?

Manchmal kann man wirklich diesen Eindruck gewinnen. Aber was ist mit den Menschen, die nicht gleich vorpreschen, die nicht im Mittelpunkt stehen – was gehört ihnen? Eine ganze Menge! Doch die will erobert sein. Denn unsere Gesellschaft vermittelt ein Bild, in dem Menschen, die nicht gesellig sind oder auch einmal die Führung übernehmen, als schwach gelten. Tatsächlich werden jene, die laut und schnell sprechen, als intelligenter und interessanter wahrgenommen. Sie wirken auf andere sympathischer. Selbst bei der Suche nach einem Partner haben die Schlagfertigen die Nase vorn.

GROSSE WIRKUNG – AUS DEM HINTERGRUND

Natürlich werden Menschen, die sich Gehör verschaffen, immer stärker wahrgenommen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass weniger laute Menschen nicht gehört werden oder gar schlechtere Ideen hätten. Im Gegenteil! Oft haben sie nur noch nicht die Berufung gefunden, mit der sie auf ihre eigene Weise auffallen können.

Man muss nicht zwingend eine forsche Art haben, um gehört zu werden. Viele große Denker haben es uns vorgemacht. Albert Einstein, Marcel Proust, selbst Bill Gates oder Steven Spielberg sind (oder waren) eher introvertierte Menschen, die sich gern im Hintergrund halten und dort die Fäden ziehen, statt im Mittelpunkt zu stehen. Dennoch bestehen bis heute Vorurteile und das Ideal scheint der extrovertierte Mensch zu sein. Er fällt auf, er setzt sich durch, er macht, was er will. Dabei vergessen allerdings viele, dass die Stärken von ruhigen und leisen Menschen wirklich wichtig für unsere Gesellschaft sind.

Intros in der Öffentlichkeit

Viele der erfolgreichsten, mächtigsten, begabtesten Menschen sind leise Persönlichkeiten: Bill Gates (Microsoft), Larry Page (Google), Mark Zuckerberg (Facebook), Woody Allen, Alfred Hitchcock, Clint Eastwood, Michael Jackson, Charles Darwin, Loriot, Angela Merkel, Barack Obama, Steven Spielberg, Claudia Schiffer, Michael Schumacher, Steffi Graf, Günther Jauch, Michael Bully Herbig, Avril Lavigne, Herbert Grönemeyer, Sting, Freddy Mercury, Joanne K. Rowling, J. R. R. Tolkien, Jonny Depp, Stephen King, Prinz Charles, Abraham Lincoln, Marie Curie, Albert Einstein und noch viele, viele mehr. Introvertiert zu sein ist also absolut kein Grund, sich zu verstecken. Im Gegenteil: Es fordert dazu heraus, die besonderen Gaben in sich zu entdecken und mit der Welt zu teilen.

WIE ZWEI WELTEN

Treffen introvertierte und extrovertierte Charaktere aufeinander, ergeben sich nicht wenige Reibungspunkte. Dabei können beide Seiten voneinander profitieren. Extrovertierte haben häufig ein großes Präsentationstalent. Sie preschen allerdings manchmal so schnell vor, dass ihre Worte wenig überlegt sind – und genau dies ist die Stärke von introvertierten Menschen. Obwohl sie in der Öffentlichkeit nicht so stark wahrgenommen werden, nehmen sie hingegen die Öffentlichkeit sehr wohl detailliert wahr. Sie sammeln Informationen, verarbeiten sie in aller Stille und erst dann ergreifen sie das Wort. Allerdings mangelt es ihnen häufig an den Fähigkeiten, ihre Gedanken überzeugend zu präsentieren, wobei sie wiederum von den Extrovertierten profitieren können. Beide zusammen ergeben ein ideales Gespann, weshalb gerade große Unternehmen zunehmend sensibler auf die Charaktere ihrer Mitarbeiter achten. Gute Teams bestehen sowohl aus leisen als auch aus lauten Menschen, die effizient arbeiten können, sobald der Teamleiter auf die einzelnen Stärken eingeht und sie für sein Team zu nutzen weiß.

GLEICH UND GLEICH GESELLT SICH GERN

Dieses alte Sprichwort gilt auch beim Charakter. Laute Menschen fühlen sich vorwiegend zu lauten Menschen hingezogen, während Introvertierte sich lieber zu den ruhigeren Typen gesellen. Viele meiner Klienten bestätigen das und wissen auch, dass sie in den ersten Lebensjahren oder gar Jahrzehnten mit sich haderten: »Ich muss endlich auch Spaß an lauten Feiern oder albernem Herumkrakeelen zeigen!« Sie bekamen oft vorgeworfen, dass sie verklemmt oder Spaßverderber seien. Aber es war einfach nicht ihre Art, sich laut und auffallend zu präsentieren. Ihren Spaß hatten sie auf andere Weise. Erst wenn man seine Persönlichkeit verstanden und akzeptiert hat, kann man sich voll entfalten. Und dann hat man auch nichts mehr gegen »die Lauten«. Jeder lebt sein Naturell.

DIE STILLE ALS GROSSE STÄRKE

Die gedankliche Leistungsfähigkeit der eher leisen Menschen ist tendenziell sehr hoch. Ihre Freude am eigenständigen Lernen und ihre großartig ausgeprägte Fähigkeit zuzuhören verschafft Introvertierten einen Vorteil. Gerade Betriebe, in denen von den Angestellten Eigeninitiative erwartet wird, profitieren von Introvertierten. Viele stark extrovertierte Kollegen können sogar negativ für das Arbeitsklima sein. Leise Menschen erledigen ihre Arbeit gern sehr fokussiert. Extrovertierte hingegen stellen viel zu oft sich selbst in den Mittelpunkt, statt sich der Arbeit zu widmen. Daher hat es sich bewährt, immer gut gemischte Teams zu bilden.

Die Gründung von Apple ist nur eines der Beispiele, die den Erfolg der gekonnten Mischung zeigen. Steve Wozniak war ein hervorragender Ingenieur und schuf den ersten Heimcomputer. Doch erst als er sich mit Steve Jobs zusammentat, der ein talentierter Präsentator und begnadeter Verkäufer war, schaffe es der Heimcomputer aus der Garage in die Läden und von dort wiederum in Millionen von Haushalten. Jobs war so präsent, dass oft vergessen wurde, welche Menschen außer ihm hinter der Marke stehen. Wozniak hingegen war nur selten in der Öffentlichkeit zu sehen, wobei auch er das Talent hat, sich zu überwinden, und ein »öffentlicher« Schauspieler sein kann. Dennoch zieht er sich weitgehend zurück, wie es im Übrigen auch viele richtig gute Schauspieler tun. Götz George oder Bruno Ganz zum Beispiel führen eher ein zurückgezogenes Leben. Doch gerade das gibt ihnen die Möglichkeit, ihren Rollen so viel Tiefe und Überzeugungskraft zu verleihen. Auf dem roten Teppich sind sie nur selten zu sehen und oftmals merkt man es introvertierten Menschen wie ihnen an, dass sie sich in dem Rummel auch nicht besonders wohlfühlen.

Neurologische Unterschiede