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Im Hafen von St. Tropez geht für Shannon ein Traum in Erfüllung. Ihre große Liebe Kane Falconer hält auf seiner Luxusjacht um ihre Hand an. Ihr Glück scheint vollkommen - bis ihr Vater einen bösen Verdacht in ihr weckt …
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Seitenzahl: 190
IMPRESSUM
Auf einer Yacht im Mittelmeer erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2005 by Elizabeth Power Originaltitel: „Tamed By Her Husband“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe Band 1652 - 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Helga Meckes-Sayeban
Umschlagsmotive: LiliGraphie / GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733779719
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Er konnte die Spannung in der Luft förmlich spüren. Die schwüle Nachmittagshitze war drückend, und obwohl er einen leichten Sommeranzug trug, fühlte Kane Falconer sich denkbar unwohl.
Normalerweise war Barcelona ein Ort, an dem er sich gern länger aufhielt, doch während er jetzt durch die baumbestandene Fußgängerzone schlenderte, vorbei an Kiosken mit Souvenirs, farbenfrohen Blumenständen und Freiluftcafés, war er froh, das Geschäftliche hinter sich zu haben.
Der Studentenprotestmarsch, der ihn wenig interessierte, hatte den Verkehr zum Erliegen gebracht. Ein ohrenbetäubendes Hupkonzert, untermalt von Motorengedröhn, erfüllte die Straßen der Umgebung, und die spanischen Fluchtiraden aus staubigen Taxis trugen ihren Teil dazu bei, den wachsenden Höllenlärm unerträglich zu machen. Gekreisch an einem Stand zog Kanes Aufmerksamkeit auf Käfige mit bunten Vögeln, die sich flatternd vergeblich gegen ihr Gefängnisdasein zu wehren versuchten.
Angewidert wandte er sich ab. Auch er sehnte sich nach Freiraum, doch er konnte wenigstens davongehen. Ich sitze in diesem Inferno aus Lärm, Hitze und Staub glücklicherweise nicht fest, sagte er sich dankbar, obwohl ihm zunehmend unbehaglicher wurde. Sein Blick fiel auf einen Korb mit farbenprächtigen Pflanzen, vor dem eine junge Frau sich auf Zehenspitzen stellte und den Kopf leicht zurückbog, um den Duft einer herabhängenden Blüte einzuatmen.
Beim Anblick ihres langen, biegsamen Halses, des hellblonden Haares, das ihr in seidigen Wellen über den Rücken fiel, blieb Kane wie versteinert stehen.
Shannon Bouvier! Ausgerechnet sie hier zu treffen hätte er am allerwenigsten erwartet. Als er sich vor über einem halben Jahr in Mailand nach ihr erkundigen wollte, hatte der Vermieter ihm herablassend erklärt, sie sei zu ihrem Freund gezogen und mit ihm ins Ausland gegangen, wohin, wisse niemand.
Shannon Bouvier … Partygirl, reiches Biest, wie weniger freundlich Gesinnte sie nannten, Erbin eines großen englischen Baukonzerns, der sie nicht im Geringsten interessierte.
Schmal war sie geworden, wie Kane auffiel, während er ihr nabelfreies rotes Oberteil und die tief auf den Hüften sitzende, billig wirkende Cargohose betrachtete, sehr viel dünner als damals, als er Shannon zuletzt gesehen hatte. Damals war sie ein vor Energie strotzender Teenager gewesen, der unter den erbarmungslosen Angriffen der englischen Presse um seine Würde und seinen Ruf hatte kämpfen müssen. Doch kein Zweifel, es war Shannon.
Er wappnete sich und ging aufgewühlter, als er sich eingestehen wollte, auf sie zu.
Wie so oft, wenn die zerbrechlich wirkende Señorita vorbeikam, schenkte die Besitzerin des Standes ihr eine Orchidee.
Jetzt zuckte die Frau nur die Schultern und breitete hilflos die Arme aus, als könnte sie sich so vor dem Geschrei und Gehupe schützen, das die Demonstration verursachte. Es hatte ein friedlicher Aufmarsch werden sollen, doch Aufsässige hatten gedroht, ihn zu stören. Verunsichert drehte Shannon sich um. Beim Anblick jedoch des Mannes, der ihr die Sicht auf die demonstrierenden Studenten versperrte, stockte ihr unwillkürlich der Atem.
„Hallo, Shannon.“
Etwas geschah mit ihr, eine vertraute Erregung erfasste sie, wie stets in seiner Nähe, und noch etwas anderes, das sie sofort vorsichtig machte. Kane Falconer war der Letzte, den sie zu treffen erwartet hatte. Doch hier stand er vor ihr – in ganzer Lebensgröße.
Nein, größer, dachte sie nervös. Seine imposante Erscheinung schien alles andere auszublenden, als wäre er die einzig wichtige Person auf der Las Ramblas. Die Demonstration auf der Durchgangsstraße, die außer Kontrolle zu geraten begann, mutete sie auf einmal wie der Hintergrund eines Films an – unwirklich, nur nebensächlich gegenüber dem, was zwischen ihr und Kane geschah.
„Kane!“ Es gelang ihr nicht, sich gleichmütig zu geben. Viel zu lange betrachtete sie seine markanten Züge, versuchte, sich wieder mit jeder Einzelheit vertraut zu machen: dem sorgfältig frisierten dichten braunen Haar, der hohen Stirn, dem energischen Kinn mit dem auffallenden Grübchen. „Was tust du denn hier?“
Dem eleganten hellen Anzug nach zu schließen, der seine sportliche Gestalt unterstrich, war er offenbar geschäftlich unterwegs, obwohl er keine Krawatte und das elegante Hemd am Hals offen trug, sodass seine gebräunte Haut zu sehen war.
„Das Gleiche wollte ich dich auch fragen.“ Trotz des Gehupes und wütenden Geschreis um sie her klang Kanes dunkle Stimme sanft und gelöst. Er wirkte keineswegs angespannt oder durcheinander, wie sie sich fühlte, und Shannon wusste nicht, was sie sagen sollte. „Ich hatte dich weit weg vermutet.“ Forschend betrachtete er ihre feinen Züge und die zarte Orchidee in ihrer Hand. „Jemand hat mir erzählt, du seist in Rio.“
So? Sie musste sich der hypnotisierenden Wirkung dieser graugrünen Augen entziehen. Hatte er sich nach ihr erkundigt? Oder hatte jemand nur beiläufig über das Mädchen gesprochen, das Leben zerstört hatte und vor drei Jahren tagelang Schlagzeilen gemacht und die Neugier der sensationslüsternen Öffentlichkeit gestillt hatte?
„Tja … wie du siehst, ist das nicht der Fall.“ Schulterzuckend hob sie die Arme, sodass Kanes Blick auf ihre kleinen, festen Brüste unter dem leuchtend roten Oberteil mit dem Slogan „Emanzipation für Bullen“ gelenkt wurde.
Er presste die Lippen zusammen und sah sie spöttisch an, wie auch früher so oft. „Kämpfst du immer noch für die Benachteiligten, Shannon?“
Sie blickte ihn nicht einmal an. „Jemand muss es tun.“
„Ich bin eher der Ansicht, dass man als Gast die Sitten eines fremden Landes respektieren sollte“, bemerkte er ironisch.
Würdevoll warf sie den Kopf zurück. „Du hast das Recht, eine eigene Meinung zu haben.“
Er nickte. „Und was tust du hier in Spanien?“
Shannon blickte zu einem jungen Paar, das am Nachbarstand handgearbeiteten Schmuck begutachtete. Ja, was tat sie hier? Am liebsten hätte sie sich Kane anvertraut, doch sie besann sich eines Besseren und erwiderte nur schulterzuckend: „Ich schlage die Zeit tot.“ Na ja, irgendwie stimmte das sogar.
Seine Miene wurde ernst, und um seinen Mund erschien ein grimmiger Zug. „Was soll das heißen?“, fragte er gefährlich leise.
Unwillkürlich verkrampfte sie sich. Kane hatte alles missbilligt, was sie tat. Wie alle anderen hatte er eine vorgefasste Meinung von ihr, so auch beim letzten Mal, als er sie ein verzogenes, reiches Ding genannt hatte. Komisch, aber es tat selbst jetzt noch weh.
„Ich wollte damit sagen, dass man hier ebenso gut wie anderswo dem Nichtstun frönen kann.“ Um darüber hinwegzukommen. Die Batterien neu aufzuladen. Seelisch zu gesunden.
„Und das tust du jetzt?“ Er schob eine Hand in die Hosentasche, sodass der Stoff sich über seinen schmalen Hüften spannte. Sein verächtlicher Ton verriet, dass ihre Antwort ihn nicht weiter beeindruckte.
Wieder zuckte sie nur die Schultern, was alles und nichts bedeuten konnte. Mir würde er alles zutrauen, dachte sie verbittert. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass die Frau vom Stand sie beide beobachtete und einzuordnen versuchte. Offenbar hielt die Spanierin sie für ein Paar: den großen, kraftvollen Mann und das blonde Mädchen. Ob sie spürte, dass es zwischen ihnen gefährlich knisterte? So war es immer gewesen, obwohl sie beide sich dessen nicht wirklich bewusst gewesen waren, nicht einmal, bevor Kane für immer aus dem Büro ihres Vaters gestürmt war, weil er im Gegensatz zu den anderen Vorstandsvorsitzenden nicht bereit gewesen war, sich dem Willen Ranulph Bouviers zu beugen.
„Und wo wohnst du?“, fragte er ruhig, doch nun spürte sie, dass auch er angespannt war.
Die Adresse, die sie ihm nannte, befand sich in einer Nobelgegend, doch etwas anderes hätte er auch nicht erwartet.
„Machst du hier Urlaub?“
Sie schien zu zögern, dann schüttelte sie den Kopf.
„Bist du allein hier?“ Prüfend musterte er ihre schmalen, wunderschönen Züge.
„Ja.“
Den Freund gab es also nicht mehr. „Das überrascht mich nicht.“
„Wieso nicht?“
Meine Güte! An Selbstbewusstsein fehlte es ihr nicht! Wie alt war sie jetzt? Einundzwanzig? Aber was erwartete er denn? Selbst als schlaksiger Teenager war sie entschieden selbstsicherer gewesen als viele erwachsene Frauen!
„Wohnst du in einem Apartment?“
„In einem Haus“, verriet sie. „Es gehört einem Freund von mir.“
„Ich verstehe.“
Sie hasste diesen abschätzigen Ton. „Nein, das tust du nicht.“
Da hatte sie recht. Er fragte sich, warum sie so schäbig gekleidet war. Was war mit ihr geschehen? Doch er wollte sie nicht danach fragen, schon gar nicht hören, dass es da doch einen Freund gab.
„Und was hast du vor, wenn du das Nichtstun hier leid bist?“, fuhr er schneidend fort. „Oder ist das ziemlich unwahrscheinlich?“
„Möglich ist es.“ Sie gab sich bewusst unbeteiligt.
„Wann?“, fragte er grob. „Wenn etwas – oder jemand Aufregenderes daherkommt?“
Ihre Brüste hoben und senkten sich unter dem dünnen Stoff. Sie kämpfte gegen den Drang an, diesem arroganten Mann eine sarkastische Antwort zu geben. Irgendwie spürte sie, dass er trotz seiner kühlen, unbeeindruckten Art wütend war. Aber warum? Sie hatte sich idiotisch benommen und teuer dafür bezahlt. Doch alles das gehörte der Vergangenheit an. Warum war Kane so versessen darauf, sie immer wieder daran zu erinnern?
Um sich nicht aus der Reserve locken zu lassen, erwiderte sie nur: „Irgendetwas kommt meist daher.“
„Und die ganze Zeit über scheinst du nicht den geringsten Gedanken an deinen Vater verschwendet zu haben, der sich sorgt, wo seine einzige Tochter sein könnte“, versuchte Kane, den bedenklich anschwellenden Lärm um sie her zu übertönen. „Hast du überhaupt schon mal daran gedacht, nach Hause zurückzukehren?“
Seine zornige Reaktion verletzte sie, und sie kämpfte gegen die Gefühle an, die sie zu überwältigen drohten. Natürlich hatte sie daran gedacht, träumte von nichts anderem. Doch Ranulph Bouvier hatte seiner einzigen Tochter nach dem Skandal, in den sie verwickelt gewesen war, unmissverständlich klar gemacht, was er von ihr erwartete, und das kam für sie nicht infrage. Das verbot ihr die Selbstachtung. Deshalb hatte sie sich dem Druck ihres Vaters mit seinen Millionen entzogen und seit zweieinhalb Jahren ein Leben geführt, von dem Leute wie Kane Falconer nichts ahnten.
„Nein, Kane. Auch das geht dich nichts an“, antwortete sie betont gelassen.
„Du erkundigst dich nicht einmal, wie es ihm geht? Wie die Dinge in England stehen?“
In Shannons hellblauen Augen erschien ein schmerzlicher Ausdruck. Anfangs hatte sie über die Zeitungen verfolgt, was sich zu Hause tat, sich Auskünfte von allen möglichen Leuten besorgt, die etwas mit der Firma oder ihrem Vater zu tun haben konnten. Doch das lag einige Zeit zurück, und in den letzten Monaten war es ihr unmöglich gewesen, Informationen nachzujagen …
Vorsichtig fragte sie: „Hattest du in letzter Zeit Kontakt mit ihm?“ Das hätte sie überrascht. Nachdem Kane seinen Posten wütend hingeworfen und die Firma verlassen hatte, dürfte zwischen Ranulph Bouvier und ihm Funkstille herrschen. Für ihn gab es sicher keinen Weg zurück.
„Vergiss es“, wehrte er rau ab. „Du hast recht. Es geht mich nichts an.“ Er schob die andere Hand in die Hosentasche und drehte sich zu der von Demonstranten verstopften Durchgangsstraße um.
Inzwischen hatte der Aufmarsch das obere Ende der Las Ramblas erreicht. Sprechchöre und Hetzparolen erfüllten die Luft, und Kane musste nun selbst fast schreien, um gehört zu werden.
„Was soll das Ganze?“ Es war eine rhetorische Frage, die er auch vorhin in der Besprechung gestellt hatte, in der ihm nach harten Verhandlungen der Bau neuer Luxusapartments entlang der Côte d’Azur übertragen worden war.
„Sie fordern Gerechtigkeit. Verständnis“, erklärte Shannon.
Suchte sie das auch? Betrachtete sie ihn als unverbesserlichen Tyrannen, weil sie sich von ihm zu Unrecht verurteilt fühlte? Weil er sie nicht verstand? Ihre sinnliche Stimme, ihre zerbrechliche Schönheit berührten ihn als Mann und machten ihm unbehaglich bewusst, dass sie diese Wirkung auch auf andere Männer gehabt haben musste. Aber das verstand er nur zu gut! Und er wusste, warum Ranulph Bouvier sich über den Verlust seines einzigen Kindes grämte, während seine vergnügungssüchtige Tochter um die Welt jettete und sich amüsierte, ständig auf der Jagd nach Neuem, Aufregendem, wie sie gerade selbst zugegeben hatte. Dennoch hätte er fast schwören können, in ihren unschuldig blickenden blauen Augen nicht nur Aufsässigkeit, sondern auch einen schmerzlichen Ausdruck entdeckt zu haben …
„Vielleicht gehen die Studenten es falsch an.“ Er sprach jetzt sehr laut, um den Lärm zu übertönen. „Wenn sie müde Menschen auf dem Heimweg von der Arbeit aufhalten, werden sie kaum Sympathien ernten.“
Ihre Wangen röteten sich leicht. „Aber erst recht nicht, wenn sie den Mund halten und sich alles gefallen lassen, was die Gesellschaft ihnen zumutet.“
Wie sie es auch nicht getan hatte? fragte er sich unwillkürlich. Wie immer sie sich aufgeführt hatte, Ranulph Bouvier hatte sie mit eisernem Willen beherrscht, wie auch seine Angestellten. Schweigend betrachtete Kane ihre zarte Gestalt, die so gar nicht zu ihrem rebellischen Wesen passte, und irgendwie verstand er, dass sie sich von ihrem Vater erdrückt gefühlt haben musste.
Kane deutete mit dem Kopf zu den Demonstranten. „Es wundert mich, dass du dort nicht mitmarschierst.“
„Das hätte ich getan, wenn …“ Ihre Aufmerksamkeit wurde von etwas weiter unten an der Straße abgelenkt.
Kane folgte ihrem Blick. Vor einem Café schrien und schlugen mehrere junge Männer aufeinander ein.
„Wenn was?“, fragte er und setzte abschätzig hinzu: „Wenn du nicht etwas Aufregenderes vorgehabt hättest?“
Ein Schatten huschte über ihr Gesicht, und sekundenlang blickte sie Kane mit ihren blauen Augen eindringlich an. „Ja, so ungefähr“, erwiderte sie gezwungen lächelnd und warf den Kopf zurück.
„Höchste Zeit, dass wir hier wegkommen“, entschied Kane.
Erstaunlich sanft schüttelte sie seine Hand von ihrem Arm ab. „Das finde ich nicht …“, begann sie und stieß dann einen Schrei aus, als ein spitzes Holzstück ihre Schläfe traf. „Oh!“
Doch ehe sie in sich zusammensinken konnte, bekam Kane sie bei der nackten Taille zu fassen und hielt sie fest. „Alles in Ordnung, Shannon?“ Er stieß eine Verwünschung aus.
Sekundenlang nahm sie alles nur verschwommen wahr.
„Shannon!“ Aus weiter Ferne, wie durch einen langen Tunnel, drang Kanes besorgte Stimme zu ihr durch. Sie nickte nur und hörte ihn erleichtert aufatmen.
„Jetzt wirst du auf mich hören!“, befahl er ihr aufgebracht.
„Wieso bist du wütend? Immer bist du böse auf mich“, brachte sie schleppend, wie betrunken, hervor.
„Sei still und komm mit. Du kannst doch gehen, oder?“
„Natürlich kann ich das.“ Allmählich gelang es ihr, wieder klarer zu denken. Zu schaffen machte ihr nur die erregende Wärme, die sich durch Kanes dünnes Jackett auf ihre nackte Haut übertrug. Am liebsten hätte Shannon sich an ihn geschmiegt und sich ihm willig überlassen. „Mir geht’s gut“, flüsterte sie und versuchte, gegen ihre Empfindungen anzukämpfen.
„Dann komm“, beharrte er rau und nahm ihren Arm. Rasch hob er ihre schäbige Umhängetasche auf und führte Shannon aus der unmittelbaren Gefahrenzone.
„Meine Orchidee!“
Verstört drehte sie sich um, sah die Blüte zertreten auf dem Pflaster liegen, und dann kamen ihr die Tränen.
„Lass sie!“, drängte Kane und zog sie fort.
Am Ende der Fußgängerzone schob Kane sie in ein Taxi.
„Wieso fahren wir zum Hafen?“, fragte Shannon, nachdem er sich zu ihr gesetzt und dem Fahrer das Ziel genannt hatte.
„Weil ich mit dem Boot gekommen bin.“ Entschlossen zog er die Wagentür zu. „Du kannst an Bord bleiben, bis der Tumult sich gelegt hat.“
„Boot?“ Shannons Schläfe begann zu pochen. Was für ein Boot?
Er bemerkte ihre Reaktion und lächelte. „Ich bin nicht nur geschäftlich hier“, erklärte er, während das Taxi sich durch die verstopfte Straße in Richtung Hafen durchzuarbeiten begann. „Glücklicherweise habe ich das Geschäftliche heute fast hinter mir.“
Das würde sie nicht schaffen … mit Kane Falconer auf einem Boot auf engstem Raum zusammen zu sein! Nicht, dass sie befürchtete, er könnte sie bedrängen. Er würde sie mit der gewohnten kühlen Höflichkeit behandeln. Es machte ihr nur Angst, dass sie ihm an Bord nirgends aus dem Weg gehen konnte.
„Ich möchte lieber versuchen, nach Hause zu kommen“, betonte sie und blickte furchtsam zurück.
„Und wie willst du das schaffen? Mit dem Bus? Oder hoffst du, dass ein geflügeltes Taxi dich durch die Stadt trägt?“
Also nahm er an, dass sie kein eigenes Auto besaß, was leider stimmte. Wie die meisten ihrer Besitztümer hatte sie ihren Porsche auf der Flucht vor ihrem verpfuschten Leben in England zurückgelassen.
Doch Kane hat recht, dachte sie beim Anblick des stehenden Verkehrs. Hinter ihnen spielten sich beängstigende Szenen ab. Oberhalb des Hafens rührte sich kein Fahrzeug mehr vom Fleck. Busse, Straßenbahnen, Taxis und Pkws saßen in einem einzigen hoffnungslosen Stau fest.
„Ich kann laufen“, erklärte Shannon.
„Mit der Beule am Kopf?“, spottete Kane. „Das traust du dir zu?“
Sie wünschte, sie könnte es bestätigen, aber das wagte sie nicht.
„Warum die Eile?“, fuhr er etwas freundlicher fort. „Erwartet dich zu Hause ein Tier, das gefüttert werden will?“
„Nein.“
Er lachte leise, schien zu spüren, dass sie sich gegen ihn sperrte. „Falls du für heute Abend verabredet bist, bringe ich dich zu ihm.“
„Danke“, erwiderte sie nur und wandte sich ab, sodass die heiße Julisonne, die durchs offene Fenster flutete, ihr hellblondes Haar golden schimmern ließ und die Schönheit ihres ernsten Profils untermalte.
„Bist du es?“, hakte Kane nach.
„Was?“
„Verabredet?“
Ihr war schleierhaft, warum er das fragte. Ruhig sagte sie: „Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht.“
Sie fuhren über eine Brücke, und einen Moment lang zog das imposante Kolumbusdenkmal am Horizont ihre Aufmerksamkeit auf sich.
„Da hast du recht“, gab er zu. „Es geht mich nichts an.“
„Warum hast du dann gefragt?“, wollte Shannon wissen und setzte herausfordernd hinzu: „Oder war das ein Versuchsballon … um dich mit mir zu verabreden?“
Nun lachte Kane. Es war ein hartes, zynisches Lachen, das ihr verriet, was er davon hielt. Er brauchte nichts zu sagen. Schließlich hatte er früher genug Gelegenheit gehabt, sich mit ihr zu verabreden. Doch er hatte es nie getan.
Und plötzlich war es ihr wichtig, dass er eine gute Meinung von ihr hatte. „Ob du es glaubst oder nicht, Kane, sogar ich bleibe gelegentlich zu Hause, um mir die Haare zu waschen.“
„Was soll das nun wieder heißen?“
„Ich habe nichts Besonderes vor.“
Er warf ihr einen zweifelnden Blick zu, der ihr verriet, dass er seine Meinung von ihr nicht ändern würde.
„Ein hartes Los, Tag und Nacht nichts zu tun“, meinte er zynisch und betrachtete sie. „Ich hätte dich für intelligenter gehalten, als sinn- und ziellos durch die Welt zu zigeunern und die Zeit totzuschlagen, wie du es nennst.“
„Wer sagt denn, dass ich durch die Welt zigeunere?“
„Du selbst“, erinnerte er sie grimmig. „Aber das Leben ist keine einzige große Party, Shannon. Ich hatte gehofft, das hättest du inzwischen auch gemerkt.“
Sie blickte aus dem Fenster und musste sich auf die Zunge beißen, um ihm nicht entgegenzuschleudern, wie toll ihr Leben gewesen sei. Im Hafenbecken vor ihnen ragten zahllose Schiffsmasten in den Himmel – von dümpelnden Sportseglern bis zu kleineren Segelbooten, die sich neben den glänzenden Rümpfen mächtigerer Motorschiffe zu behaupten versuchten.
„So?“ Ihr Haar wehte im Fahrtwind, als sie sich Kane wieder zuwandte. „Wir wissen beide, dass ich zu den wenigen Privilegierten dieser Welt gehöre. Ich musste nie arbeiten. Daddy bezahlt alle meine Rechnungen, und ich bin es gewöhnt, bis in die Puppen zu schlafen, damit ich mich die Nächte hindurch amüsieren kann.“
Etwas an ihrem Ausbruch veranlasste ihn, sie anzusehen.
Er war unverschämt groß und breitschultrig, viel zu dominant und sexy! Ihre Kehle fühlte sich plötzlich wie zugeschnürt an.
Leise, sodass der Fahrer es nicht hören konnte, fragte er: „Sollte ich jetzt beeindruckt sein?“
Es hatte keinen Sinn, wie ihr bewusst wurde. Sein abfälliger Blick verletzte sie. Natürlich wollte sie Kane nicht beeindrucken, und was sie gesagt hatte, stimmte auch nicht. Doch sie erwiderte nichts, da er sowieso bereit war, von ihr das Schlimmste anzunehmen.
„Scher dich zum Teufel!“, flüsterte sie und wandte sich ab.
Nachdem Kane das Taxi bezahlt hatte, ging Shannon schweigend neben ihm den Kai entlang.
„Welches ist deins?“, fragte sie ironisch und betrachtete provozierend eine Reihe primitiver Fischerboote inmitten von Kleinmastseglern und kompakten Kabinenkreuzern, die zwar schnell waren, doch wenig Luxus boten.
Inzwischen war sie hinter Kane zurückgeblieben, weil es ihr zunehmend schwerer fiel, mit ihm Schritt zu halten.
Vor einem kleineren Kreuzer blieb er stehen, um auf sie zu warten. Etwas dahinter erhob sich eine schnittige, mindestens siebzehn Meter lange Hochseejacht, die vom Reichtum ihres Besitzers sprach und Shannons Blick auf sich zog.
Die würde besser zu dir passen, mein lieber Kane, dachte sie. So etwas wäre eher dein Stil: Schnell. Stark. Teuer.
„Geht es dir gut?“
Forschend betrachtete er sie, während sie näher kam, und ihr war bewusst, dass er die Schweißperlchen auf ihrer Stirn bemerken musste … und wie mühsam und flach sie atmete.
„Bestens.“ Das war glatt gelogen. Sie fühlte sich erschöpft.
„Schmerzt die Beule noch?“
„Nein. Es ist nichts weiter.“ Shannon ging an ihm vorbei, um sich seinem Blick zu entziehen.
„Mir machst du nichts vor!“, widersprach er rau, hob sie mühelos hoch und trug sie auf die glänzende Jacht.
„Du hättest mich nicht zu tragen brauchen“, brachte Shannon matt hervor, nachdem Kane sie kurzerhand über die eingelegten Teakstufen zum überdachten Achterdeck gebracht und vor einer gläsernen Doppeltür abgesetzt hatte. „Ich hätte selbst gehen können.“
„So?“ Auf Knopfdruck glitten die Türen zu einem Innenraum auf, der jeden Luxus bot: cremefarbene Sitzgelegenheiten, poliertes Ahornholz, flauschiger Teppichboden, geschmackvoll darauf abgestimmte Wildlederdecke. „Du bist benommen gewesen und hast ausgesehen, als würdest du jeden Moment in Ohnmacht fallen, Shannon.“ Kane führte sie wenige Stufen hinunter in den tiefer liegenden Salon, der vom Kai her nicht einsehbar war. „Und du hast Ringe unter den Augen, bist außerdem erschreckend blass und viel zu dünn. Richtig krank siehst du aus.“
Shannon schnitt ein Gesicht. „Danke für das Kompliment.“
Über weitere teppichbelegte Stufen nach oben betraten sie eine supermoderne Küche.
Draußen erfüllte Sirenengeheul die Stadt, heranbrausende Polizeifahrzeuge versuchten offenbar, des Tumults Herr zu werden.
„Setz dich, Shannon“, wies Kane sie ruhig an.
Dankbar ließ sie sich auf die cremefarbene halbrunde Polsterbank sinken und legte die Arme auf den ovalen Tisch.
„Ich meine es ernst, Shannon. Du siehst schrecklich aus“, wiederholte er und warf ihre Umhängetasche auf den Tisch. „Was hast du in letzter Zeit gemacht? Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Zweieinhalb Jahre?“ Vorwurfsvoll betrachtete er sie. „Hast du das süße Leben wieder mal bis zur bitteren Neige ausgekostet, wie so oft?“