Auf Italienisch sagt man "Ti amo" - Maggie Cox - E-Book
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Auf Italienisch sagt man "Ti amo" E-Book

Maggie Cox

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Beschreibung

Eine Villa am Comer See, Weltreisen … Der charmante italienische Hotelier Dante Romano lockt Anna mit Luxus, seit er von den süßen Folgen ihrer einen sinnlichen Nacht weiß. Doch hat er ihr irgendwann gesagt, dass er sie liebt? Ohne die magischen Worte will Anna ihn nicht heiraten …

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IMPRESSUM

Auf Italienisch sagt man "Ti amo" erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2011 by Maggie Cox Originaltitel: „Mistress, Mother … Wife?“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA, Band 335 Übersetzung: Trixi de Vries

Umschlagsmotive: GettyImages / flisk, kunst-mp

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2022

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751519861

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Wenn sich spätabends der Betrieb etwas legte, hatte sie Muße, ihrem Hobby nachzugehen. Dann sie ließ den Blick über die wenigen Gäste wandern, die an Tischen oder an der Bar saßen, und dachte sich Geschichten über sie aus. Schon als Kind hatte Anna sich in ihre Fantasiewelt geflüchtet, wenn die Realität zu grausam wurde.

Nun wurde ihr Blick erneut magnetisch von einem attraktiven Mann angezogen, der etwas abseits an einem Tisch saß und Löcher in die Luft starrte. Vor mindestens zwei Stunden hatte er in einem der stilvollen weinroten Sessel Platz genommen und sich nicht einmal die Mühe gemacht, seinen Mantel auszuziehen. Die anderen betuchten Gäste interessierten ihn nicht. Er schien sie nicht einmal wahrzunehmen. Offensichtlich konzentrierte er sich nur auf seine eigenen Sorgen.

Diese Geistesabwesenheit hatte Annas Neugier geweckt. Es war einfach zu verlockend, hinter das Geheimnis dieses faszinierenden Träumers zu kommen. Verstohlen musterte sie ihn. Sie hatte ihm noch nicht in die Augen gesehen, vermutete jedoch, dass er jedes Gegenüber hypnotisch in seinen Bann ziehen konnte. Ein ahnungsvoller Schauer rann ihr über den Rücken.

Nachdem sie sich pflichtbewusst vergewissert hatte, dass keiner der Gäste eine weitere Bestellung bei ihr aufgeben wollte, widmete sie sich wieder ganz dem mysteriösen Unbekannten. Er hatte glattes mittelblondes Haar, das von wenigen silberfarbenen Fäden durchzogen war und bald wieder einen Schnitt vertragen konnte.

Es war dem Mann anzusehen, dass er wohlhabend war und über einen guten Geschmack verfügte. Außerdem merkte man ihm an, dass er Macht und Einfluss besaß. Allerdings ließ er die breiten Schultern zurzeit vor Kummer hängen. Ihn umgab eine Aura, die deutlich spürbar zum Ausdruck brachte, dass er allergrößten Wert darauf legte, ungestört zu bleiben. Ob ein wichtiges Geschäft geplatzt war? War er von jemandem hintergangen worden? Oder hatte ihn jemand enttäuscht? Jedenfalls macht man sich diesen Mann besser nicht zum Feind …

Nachdenklich musterte Anna ihn erneut. Nein, sie hatte sich geirrt. Er trauerte um jemanden. Deshalb trug er auch einen schwarzen Mantel und wirkte so gequält. Mitfühlend betrachtete sie sein schönes Profil und das ausgeprägte Grübchen im Kinn. Sie sollte jetzt wirklich aufhören, ihn anzustarren. Es war sehr unhöflich, außerdem hatte sie sein Geheimnis ja jetzt gelüftet. Der arme Mann! Er musste am Boden zerstört sein.

Auch das dritte Glas Scotch on the Rocks war inzwischen geleert. Ob er noch einen Drink bestellen wollte? Aus bitterer Erfahrung wusste sie, dass Alkohol keine Lösung war. Ihr Vater jedenfalls war unter Alkoholeinfluss nur noch aggressiver geworden.

Die Hotelbar schloss um halb zwölf, und es war bereits Viertel nach elf, wie Anna bei einem Blick auf ihre Armbanduhr feststellte. Sie griff sich ein leeres Tablett, ging leichtfüßig zwischen den Tischen hindurch und blieb klopfenden Herzens und mit einem freundlichen Lächeln vor dem Tisch des Mannes stehen.

„Entschuldigen Sie bitte die Störung, Sir, aber hätten Sie gern noch einen Drink? Ich frage nur, weil die Bar in einer Viertelstunde geschlossen wird.“

Ein eisiger Blick aus glitzernden blaugrauen Augen traf sie. Nach einer Schrecksekunde sah Anna ein, es nicht besser verdient zu haben. Schließlich hatte seine Körpersprache deutlich genug signalisiert, dass er nicht gestört werden wollte. Doch dann umspielte ein kaum merkliches Lächeln seine Lippen.

„Was meinen Sie? Sehe ich aus, als brauchte ich noch einen Drink, Schönheit?“

Sein britischer Akzent wies eine leichte mediterrane Färbung auf. Aber was sollte die Anrede? Sie war doch keine Schönheit! Abgesehen von dem rostroten Haar, das sie nach Feierabend löste und ihr bis zur Taille reichte, fand Anna sich eher unscheinbar. Dennoch wurde ihr bei dem unerwarteten Kompliment heiß, auch wenn es vielleicht nicht ganz ernst gemeint war.

„Ich bilde mir wirklich nicht ein zu wissen, was Sie brauchen, Sir“, antwortete sie.

„Bitte sagen Sie Dan zu mir“, gab er zurück. So wurde er in London genannt. Gerade an diesem Abend hätte er es nicht ertragen, mit Dante angeredet zu werden, dem Namen, den seine Mutter ihm gegeben hatte.

Diese Bitte brachte sie ein wenig aus der Fassung. Oder war es der brennende Blick, mit dem er sie musterte? „Es wird hier nicht gern gesehen, wenn wir die Gäste mit dem Vornamen anreden“, erklärte sie.

„Halten Sie sich denn immer an Regeln?“

„Sicher, schließlich möchte ich meinen Job behalten.“

„Dieses Hotel könnte auf die Dienste einer jungen Frau wie Ihnen wohl kaum verzichten.“

„Sie kennen mich doch gar nicht!“

„Vielleicht würde ich das ja gern ändern.“ Sein sinnliches Lächeln sprach für sich.

Ein erregtes Sehnen durchflutete sofort Annas Körper. „Das kann ich mir kaum vorstellen“, widersprach sie jedoch ernst. „Sie suchen doch nur nach etwas Ablenkung.“

„Ach, wirklich? Und wovon will ich mich ablenken?“ Amüsiert zog er eine dunkelblonde, mit einem leichten Kupferton durchzogene Augenbraue hoch.

„Von den traurigen Gedanken, die Sie offensichtlich bedrücken.“

Das Lächeln verging ihm. Abweisend sah er sie an. „Woher wissen Sie, was mich bedrückt? Können Sie Gedanken lesen?“

„Nein.“ Beschämt biss Anna sich auf die Lippe. „Ich beobachte Menschen und spüre, was sie beschäftigt.“

„Das ist aber ein ziemlich gefährlicher Zeitvertreib. Warum beschäftigen Sie sich damit? Haben Sie keine eigenen Sorgen? Dann wären Sie eine absolute Ausnahmeerscheinung.“

„Ich habe sehr wohl eigene Probleme“, widersprach sie. „Hätte ich ein sorgenfreies Leben geführt, wäre ich wohl kaum in der Lage, mich in andere Menschen hineinzuversetzen und zu spüren, was in ihnen vorgeht. So oberflächlich bin ich aber nicht.“

„Und ich dachte, Sie seien eine einfache, unkomplizierte Servierkraft. Stattdessen entpuppen Sie sich als Philosophin.“

Anna war nicht beleidigt. Wieso auch? Sie spürte ja die tiefe Verzweiflung des Mannes und konnte ihm nicht böse sein. Von ganzem Herzen wünschte sie sich, ihn irgendwie aufmuntern zu können.

„Ich wollte Ihnen wirklich nicht zu nahe treten, aber Sie wirkten so einsam und traurig, da dachte ich, Sie würden sich vielleicht gern den Kummer von der Seele reden. Ich kann sehr gut zuhören. Manchmal fällt es einem leichter, sich einer fremden Person anzuvertrauen. Na ja, vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe. Wahrscheinlich würde Ihnen ein weiterer Drink mehr helfen.“

Dante zuckte mit den Schultern. „Ich komme ganz gut allein zurecht. Trotzdem vielen Dank für das freundliche Angebot. Wie heißen Sie?“

„Anna.“

„Nur Anna?“

„Anna Bailey.“

Ein schrecklicher Gedanke durchzuckte sie: Beabsichtigte er etwa, sich über sie zu beschweren? Sie wollte doch nur nett sein. Nichts hätte ihr ferner gelegen, als ihn zu beleidigen. War er etwa so einflussreich, dass sich die Hotelleitung genötigt sehen würde, sie an die Luft zu setzen? Hoffentlich nicht!

Das gemütliche Familienhotel in einer ruhigen Ecke von Covent Garden war seit drei Jahren ihr Zuhause. Sie fühlte sich hier sehr wohl, und die Arbeit machte ihr Spaß. Es machte ihr auch nichts aus, manchmal bis in die späten Abendstunden zu arbeiten. Ihre Arbeitgeber waren sehr nett und großzügig, was sich nicht zuletzt in einer üppigen Gehaltserhöhung widerspiegelte, die ihr ein Leben ohne Geldsorgen ermöglichte. Es wäre furchtbar, wenn sie wieder in die alten Verhältnisse zurückkehren und von der Hand in den Mund leben müsste.

„Hören Sie, Mr. …“

„Ich sagte doch, Sie sollen mich Dan nennen.“

„Das geht nicht.“

„Warum nicht?“, fragte er irritiert.

„Weil das nicht professionell wäre. Ich bin hier angestellt und Sie sind Gast.“

„Und doch haben Sie mir angeboten, mich bei Ihnen auszuheulen. Machen Sie allen Gästen so ein Angebot, Anna?“

Verlegen senkte sie den Kopf. „Natürlich nicht! Ich wollte doch nur …“

„Der einzige Grund, mich nicht Dan zu nennen, besteht also darin, dass Sie sich strikt an die Regeln halten, oder?“

„Ich lasse Sie jetzt lieber wieder allein.“

„Nein, bitte bleiben Sie. Könnten Sie sich nicht überwinden, etwas weniger förmlich zu sein? Oder gibt es einen Ehemann oder Freund, der zu Hause auf Sie wartet?“

Überrascht sah Anna auf. „Nein.“ Unauffällig blickte sie sich um, um zu prüfen, ob jemand sie beobachtete.

Brian, ihr junger dunkelhaariger Kollege, polierte gerade die halbmondförmige Bar und unterhielt sich dabei mit einem Gast. Ein elegant gekleidetes Paar mittleren Alters saß Händchen haltend an einem Tisch und hatte nur Augen füreinander. Begeistert hatten sie Anna vorhin erzählt, wie sehr ihnen der Theaterbesuch anlässlich ihrer Silberhochzeit gefallen hatte. Die beiden wirkten so verliebt wie am ersten Tag.

Mit einem Seufzer wandte sie sich wieder um und bemerkte, dass Dante sie interessiert von Kopf bis Fuß musterte. Als er den Blick besonders lange auf Hüften und Brüsten verweilen ließ, spürte Anna ein sinnliches Ziehen. Die lila Bluse mit dem Stehkragen und der gerade geschnittene graue Rock hatten nichts Aufreizendes an sich, aber der Röntgenblick des Mannes schien durch die Kleidung hindurchzugehen. Offenbar stellte er sich Anna nackt und willig in seinem Bett vor.

Eine lustvolle Woge heißen Verlangens erfasste Anna. Sie hatte das Gefühl, von einem mächtigen Sog in unbekannte Tiefen gezogen zu werden.

„Wenn das so ist, nehme ich Ihr Angebot doch an.“ Dante schenkte ihr ein sinnliches Lächeln. „Vielleicht ist es genau das Richtige, meine Probleme heute Nacht bei einem so süßen Mädchen abzuladen. Wann haben Sie Feierabend?“

„Gegen Mitternacht. Brian und ich müssen noch die Kasse machen.“ Erstaunt stellte sie fest, dass ihre Stimme völlig gelassen klang, obwohl in ihrem Körper ein heftiges Feuer loderte.

„Wie kommen Sie normalerweise nach Hause? Mit dem Taxi?“

„Nein, ich wohne hier im Hotel.“

Wäre der attraktive Fremde ihr nicht so unter die Haut gegangen, hätte sie ihm diese Information sicherlich vorenthalten. Doch warum sollte sie verhehlen, dass Dan sie faszinierte? Seine sinnliche Ausstrahlung, die tiefe, verführerische Stimme, die traurigen Augen zogen sie magnetisch an. Ein erregendes Prickeln hatte ihren Körper erfasst. Es fiel ihr schwer, noch einen klaren Gedanken zu fassen.

Nervös umklammerte sie das Tablett, als wolle sie dahinter Schutz suchen.

„Möchten Sie noch etwas zu trinken bestellen? Ich muss zurück zur Bar.“

„Danke, vielleicht später.“

Dante knöpfte sich den Mantel auf und reichte ihr das leere Glas, wobei er beiläufig ihre Hand berührte. Die Berührung traf sie wie ein elektrischer Schlag.

„Ich übernachte hier, Anna. Was halten Sie davon, nach Feierabend gemeinsam noch ein Glas zu trinken?“

Ihr lag schon eine höfliche Ablehnung auf der Zunge, doch vielleicht konnte sie ihm ja doch helfen, indem sie ihm einfach zuhörte. Wortlos wandte sie sich um und kehrte auf unsicheren Beinen zur Bar zurück.

Sein plötzliches Gefühlschaos war Dante völlig unverständlich. Direkt nach der Beerdigung seiner Mutter war er zurück nach London geflogen. Den einzigen Menschen, den er je aufrichtig geliebt hatte, gab es nun nicht mehr. Seine Mutter war stets für ihn da gewesen. Wenn er das Gefühl hatte, die ganze Welt hätte sich gegen ihn verschworen, dann war er zum ruhenden Pol seines Leben zurückgekehrt und hatte bald darauf wieder an das Gute im Menschen geglaubt.

Der Verlust seiner Mutter schmerzte ihn wahnsinnig. Und nun drehten seine Gedanken sich plötzlich noch um diese fremde Frau. Sein Körper sehnte sich danach, von einer rothaarigen Schönheit mit warmherzigen braunen Augen, die betörend funkelten, liebkost zu werden. Gerade erst hatte er die Bekanntschaft der jungen Frau gemacht und ihr schüchternes Angebot, seinen Kummer bei ihr abzuladen, geringschätzig abgelehnt. Offensichtlich war er den Umgang mit einem netten, aufrichtigen Wesen nicht mehr gewohnt, sonst hätte er die Kleine wohl kaum so schroff in ihre Schranken gewiesen.

Seine Mutter würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, wie unflätig er sich benahm! Erneut stieg tiefe Verzweiflung in Dante auf. Er riss sich die Uhr vom Handgelenk und legte sie auf den auf Hochglanz polierten Nachttisch. Den Mantel ließ er achtlos aufs Bett fallen. Der edle Kaschmirmantel hatte ihn mehrere hundert Dollar gekostet, aber was tat das schon zur Sache? Der Reichtum hatte seinen Besitzer nicht zu einem besseren Menschen gemacht. Auch seine Großzügigkeit hielt sich in Grenzen.

Dante machte sich nichts vor. Die von ihm durch geschickte Investitionen erworbenen Unternehmen und Immobilien spiegelten lediglich wider, wie getrieben und rücksichtslos er als Geschäftsmann geworden war. Tief im Herzen fürchtete er nämlich noch immer, alles wieder zu verlieren.

Die Angst gründete sich auf eine Kindheit in bitterster Armut und einen Vater, der Frau und Sohn verlassen hatte. Sie hatten in einem kleinen italienischen Bergdorf gelebt, und seine Mutter war gezwungen gewesen, in zwielichtigen Spelunken der nahe gelegenen Stadt für Männer zu singen und zu tanzen. Nur so hatte sie den Lebensunterhalt für sich und Dante verdienen können. Bereits in jungen Jahren hatte Dante sich in den Kopf gesetzt, es möglichst schnell zu großem Reichtum zu bringen, um seiner Mutter und sich ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen.

Der Wohlstand würde ihn schützen, hatte er damals gedacht, und niemand hätte je wieder Gelegenheit, ihm oder seiner Mutter wehzutun. Auch die Erniedrigung, ihre Schönheit für Geld zur Schau zu stellen, würde ihr für immer erspart bleiben.

Der finanzielle Schutzpanzer hatte allerdings dazu geführt, dass Dante auch in seiner Ehe und anderen Liebesbeziehungen distanziert und gefühlskalt geworden war.

„Kein Wunder, dass man dich als Eisklotz der Geschäftswelt bezeichnet“, hatte Marisa, seine amerikanische Ex-Frau, gelästert. „Du legst deinen Eispanzer ja nicht einmal zu Hause ab.“

Anfangs war seine Mutter unglaublich stolz gewesen auf seinen rasanten Aufstieg. Er hatte ihr ein Traumhaus am Comer See gekauft und dafür gesorgt, dass es ihr an nichts fehlte. Doch als er sie in letzter Zeit dort besucht hatte, war sie beunruhigt gewesen. Renata hatte sich Sorgen um ihn gemacht. Erst die gescheiterte Ehe, dann zahlreiche Beziehungen, die alle nach kurzer Zeit wieder in die Brüche gingen – offenbar hatte ihr Sohn vergessen, worauf es im Leben wirklich ankam.

Nicht seine Unternehmen und Immobilien sollten die größte Rolle in seinem Leben spielen, hatte sie ihn belehrt, sondern die Menschen, die ihm wichtig waren. Sie hatte sogar gedroht, das weitläufige Anwesen am Comer See zu verkaufen und sich in eine Berghütte zurückzuziehen, wenn er seine Lebenseinstellung nicht bald ändern würde. Schließlich wäre sie als Tochter eines Schäfers an ein solches Leben gewöhnt und schämte sich nicht, zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Irgendjemand musste ihm ja beibringen, was wirklich wichtig war im Leben.

Noch immer schmerzten ihn die Vorhaltungen seiner Mutter, die sie ihm mit bebender Stimme im Krankenhaus gemacht hatte.

Um sich abzulenken, dachte er an die junge Frau mit dem tizianroten Haar. Anna Bailey …

Sofort regte sich Lust in seinem Körper, als hätte jemand ein Feuer in ihm entfacht. Ungeduldig griff Dante nach seiner Armbanduhr, um einen Blick darauf zu werfen. Dann sah er begehrlich zur Tür. Wann kam seine rothaarige Schönheit denn endlich? Nicht eine Sekunde lang kam ihm in den Sinn, dass sie vielleicht gar nicht auftauchen würde.

Beim Hinausgehen hatte Annas neuer Freund sich über den Tresen gebeugt und mit Verschwörermiene geflüstert: „Ich schlage vor, wir nehmen noch einen Drink in meiner Suite. Ich warte dort auf Sie, oberstes Stockwerk. Es würde mir wirklich viel bedeuten. Besonders heute. Bitte enttäuschen Sie mich nicht, Anna.“

Ihr war heiß geworden vor Verlangen, als sein warmer Atem ihr Ohr gestreift hatte. Völlig wehrlos war sie diesem erregenden Gefühl ausgeliefert. Schwindel überkam sie, und ihr Verstand schien auszusetzen. Ihr Herz klopfte wie wild, als sie dem breitschultrigen Dan nachsah.

Inzwischen hatte sie sich in ihre kleine Wohnung zurückgezogen und saß nachdenklich vor der Frisierkommode.

Der geheimnisvolle Fremde hatte die einzige Suite bezogen, über die das Hotel verfügte. Anna wusste, dass sie unglaublich luxuriös eingerichtet war. Erlesene türkische Teppiche zierten die Wände, die handgefertigten Möbel waren von höchster Qualität und eine Fußbodenheizung sorgte für wohlige Temperaturen. Die Übernachtung in diesem Luxus kostete ein kleines Vermögen.

Anna biss sich auf die Lippe und betrachtete prüfend ihr Spiegelbild. Sah man ihr an, wie aufgeregt und nervös sie war? Und spielte sie tatsächlich mit dem Gedanken, einen Gast auf seinem Zimmer zu besuchen? Das Gespräch mit dem verliebten Paar in der Bar hatte sie fast ein wenig neidisch gemacht. Die beiden waren so vertraut miteinander umgegangen, dass sie sich selbst noch einsamer gefühlt hatte. Schenkte man den geflüsterten Worten des Fremden Glauben, dann sehnte auch er sich offensichtlich nach Zweisamkeit. Um wen er wohl trauerte? Vielleicht um seine verstorbene Frau?

Anna fühlte zugleich Mitleid und einen namenlose Sehnsucht. Das verwirrte sie. Was sollte sie tun? Wenn jemand sie beim Betreten der Suite beobachtete, könnte sie das den Job kosten. Wollte sie das wirklich riskieren, nur weil sie sich einsam fühlte? Verzweifelt stand sie auf und spritzte sich im Badezimmer kaltes Wasser ins Gesicht.

Dann kehrte sie zurück und warf einen Blick auf den ausgeschalteten Fernseher. Weder ein Spätfilm noch eine Talkshow konnten sie heute Nacht reizen. An Schlaf war auch nicht zu denken, denn sie war viel zu aufgedreht. Ihr war unerklärlich, wieso dieser Mann so eine überwältigende Anziehungskraft auf sie ausübte. Doch das Gefühl durfte sie nicht einfach ignorieren. Morgen ist er vielleicht schon wieder abgereist, überlegte sie fieberhaft.

Und dann würde sie sich immer wieder den Kopf darüber zerbrechen, was gewesen wäre, wenn sie ihn besucht hätte.

Mit bebenden Händen löste sie die Haarspange. Geistesabwesend bürstete sie das Haar, bis es seidig schimmerte. Dann kniff sie sich in die Wangen, damit sie rosiger wirkten, und schlüpfte in ein dunkelgrünes Top und hellblaue Jeans. Er will ja nur reden, gaukelte sie sich vor, als sie die Wohnung verließ. Trotzdem raste ihr Puls. Vielleicht wollte Dan ja doch mehr von ihr. Insgeheim sehnte sie sich sogar danach.

Nach kurzem Zögern betrat sie den Lift und fuhr in die oberste Etage. Vor ihrem geistigen Auge tauchte Dan auf, der sie mit verschleiertem Blick aus tieftraurigen Augen angesehen hatte. Sofort legte sich ihre Unsicherheit. Wahrscheinlich brauchte er tatsächlich nur jemanden zum Reden …

Die höfliche Begrüßung, die ihm auf der Zunge lag, als er die Tür öffnete, war vergessen, sowie sein Blick auf die Erscheinung fiel, die vor der Suite wartete. Das tizianrote Haar fiel Anna locker über die Schultern und erinnerte ihn an einen herbstlichen Sonnenuntergang. Der erregende Anblick verschlug ihm regelrecht die Sprache.

„Komm rein“, sagte er schließlich nur leise.

Lächelnd kam Anna der Aufforderung nach. Dantes Herz begann sofort, schneller zu pochen.

„Was möchtest du trinken?“ Dante überquerte einen in Gold- und Rottönen gehaltenen chinesischen Teppich und blieb vor einem Barschrank aus Mahagoniholz stehen.

„Gar nichts, vielen Dank. Ich vertrage keinen Alkohol. Ein Schluck genügt, schon dreht sich alles vor meinen Augen.“

„Wie wär’s dann mit einem Glas Saft oder Wasser?“

„Nein danke. Ich möchte wirklich nichts.“

Er stützte die Hände in die Hüften und lächelte schuldbewusst. „Ich glaube, mir reicht es auch für heute.“

„Dann haben Sie also beschlossen, Ihren Kummer doch nicht zu ertränken?“

„Es ist dein Besuch, der mich davon abhält, Anna.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Wie gut das Dunkelgrün ihren hellen Teint zur Geltung bringt, dachte Dante. Ohne Vorwarnung überkam ihn eine neue Welle der Trauer, die ihn an seinen großen Verlust erinnerte. Der Schmerz war kaum zu ertragen.

Er wollte die Arme ausstrecken, sich ans Leben klammern, sich vergewissern, dass er auch nach dem Tod seiner Mutter noch Schönheit und Grazie bewundern konnte, wenn er die Augen aufmachte. Und die Verkörperung dessen stand ja direkt vor ihm. Würde Anna ihm aus seiner tiefen Verzweiflung helfen? Oder war bei ihm wirklich Hopfen und Malz verloren? War er ein schlechter Mensch?

Wahrscheinlich hatte er es nicht verdient, geliebt zu werden. Sogar sein eigener Vater hatte ihn verlassen. Vermutlich geschah ihm das ganz recht. Die Menschen, die ihm nahestanden, verließen ihn. Sie wandten sich wohl von ihm ab, weil er über seinem Streben nach Reichtum die Nöte seiner Mitmenschen vergessen hatte.

„Es tut mir weh, Sie so zu sehen“, sagte Anna leise.

„Wie?“

„Als ob Sie sich selbst nicht leiden können.“

„Vor dir kann man wohl gar nichts verbergen“, antwortete er unbehaglich.

„Ich will doch nur helfen.“

„Wirklich? Meinst du das ernst?“

„Natürlich. Wäre ich sonst hier? Möchten Sie jetzt über Ihren Kummer reden?“

„Nein, mein Herz. Ich möchte etwas anderes“, erklärte er mit rauer Stimme und konnte seine überwältigende Sehnsucht kaum verbergen.

2. KAPITEL

Wie in Zeitlupe griff er nach Annas Hand. Sein eindringlicher, lodernder Blick nahm Anna gefangen. In diesem Moment zählte für sie nur noch dieser faszinierende Mann.