Auf königlichem Pfad - Deborah Joyner Johnson - E-Book

Auf königlichem Pfad E-Book

Deborah Joyner Johnson

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Beschreibung

Zoe, eine junge Frau, wird vom König gerufen, eine Reise zum Berg Remira, dem höchsten Berg der Liebe, zu wagen. Es ist der Weg von einer abgesicherten Existenz hin zum Abenteuer ihres Lebens. Sie lässt radikal alles hinter sich und bricht auf. Dabei geht sie genau auf dem Weg, den der König ihr beschrieben hat, dem «königlichen Pfad». Es ist ein Weg voller Herausforderungen, Gefahren und Kämpfen, auf dem sie immer wieder übernatürliche Hilfe von wunderbaren Freunden erfährt. Oft scheint es ihr einfach zu hart, und sie möchte am liebsten wieder umkehren; aber die Sehnsucht nach dem König zieht sie immer wieder voran. Auf diesem Weg wird Zoe Schritt für Schritt in einen anderen Menschen verwandelt: bereit, trotz aller Widrigkeiten voranzugehen und zu kämpfen; zugleich in ihrem Herzen von einer neuen Barmherzigkeit und Liebesfähigkeit erfüllt, die sie früher nicht kannte. Kurz vor dem Gipfel des Berges Remira wartet auf sie die grösste Herausforderung ihres Lebens, die sie alles kosten wird ... «Auf königlichem Pfad» ist der Ruf, alles hinter sich zu lassen und dem König zu folgen. Es ist – in seiner eigenen Sprache – der Ruf in die radikale Nachfolge Jesu; ein Ruf, der auch den Leser dieses Buches verändern wird.

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Deborah Joyner Johnson

Auf königlichem Pfad

Titel der Originalausgabe:The Chosen Path© 2003 Deborah Joyner Johnson

Published by MorningStar Ministries and Publications,P.O. Box 19409, Charlotte, NC 28219-9409 U.S.A.Tel 704 522 8111 Fax 704 522 7212www.morningstarministries.org

© Schleife Verlag, Pflanzschulstrasse 17,CH-8400 Winterthur, SwitzerlandTelefon +41 (0)52 2322424, Fax +41 (0)52 2336082Email: [email protected], www.schleifeverlag.ch

E-Book ISBN: 978-3-905991-77-2

(Printausgabe, 1. Auflage Juli 2004: ISBN 3-907827-36-8)

Die Bibelzitate in diesem Buch sind, wenn nicht anders angegeben,der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift von 1980 entnommen.

Die Bibelzitate aus der Luther Bibel (Rev. Fassung von 1984)sind mit Luth. gekennzeichnet.

Die Bibelzitate aus der Elberfelder Bibel (Revidierte Fassung von 1985)sind mit Elb. gekennzeichnet.

Die Bibelzitate aus der Hoffnung für alle (Fassung von 1996)sind mit Hfa. gekennzeichnet.

Übersetzung: Tina PompeLektorat: Judith Petri und Michael HerwigUmschlaggestaltung: Pia MaurerSatz und E-Book Erstellung: Nils Großbach

Alle Rechte vorbehalten,auch für auszugsweise Wiedergabe und Fotokopie.

Inhaltsverzeichnis

WidmungVorwortEinführung

Der Ruf

Kapitel EinsKapitel ZweiKapitel Drei

Reisevorbereitungen

Kapitel VierKapitel FünfKapitel SechsKapitel Sieben

Die Reise beginnt

Kapitel AchtKapitel NeunKapitel ZehnKapitel ElfKapitel Zwölf

Die Reise

Kapitel DreizehnKapitel VierzehnKapitel FünfzehnKapitel SechzehnKapitel SiebzehnKapitel AchtzehnKapitel Neunzehn

Der grosse Kampf

Kapitel ZwanzigKapitel EinundzwanzigKapitel ZweiundzwanzigKapitel Dreiundzwanzig

Die Reise geht weiter

Kapitel VierundzwanzigKapitel FünfundzwanzigKapitel SechsundzwanzigKapitel SiebenundzwanzigKapitel Achtundzwanzig

Das Ende der Reise

Kapitel NeunundzwanzigKapitel Dreissig

Widmung

Dieses Buch ist in Liebe all den Mutigen gewidmet, die ihrer Bestimmung folgen und sich für den Weg Gottes in ihrem Leben entscheiden.

Meinen Kindern Matthew, Meredith und Abby: Ich wünsche euch, dass auch ihr euch für diesen Weg entscheidet und ihm folgt und so immer näher an das Herz des Königs kommt, der euch so sehr liebt.

Meinem Bruder Rick: Ich bin dir zutiefst dankbar für deine Hilfe und Einsicht sowie deine Ermutigung, durchzuhalten und dieses Buch „Auf königlichem Pfad“ zu beenden. Danke, dass du so ein wunderbarer grosser Bruder bist.

Allen, die dazu beigetragen haben, dass dieses Buch verwirklicht werden konnte: Aufrichtigen und herzlichen Dank. Gott segne jeden von euch hundertfach für eure Treue.

Vorwort

Als ich dieses aussergewöhnliche Buch zum ersten Mal las, konnte ich es fast nicht mehr aus der Hand ­legen.

Die Geschichte von Zoe erinnert stark an Bunyans Pilgerreise. Kaum hat die junge Frau den Ruf vernommen, eine Dienerin des Königs zu werden, lässt sie alles Alte, Gewohnte, Vertraute und Liebgewordene hinter sich. Eine abenteuerliche Reise mit vielen Prüfungen, Herausforderungen, Entscheidungen, Kämpfen, mit Versagen und Überwinden beginnt.

Wer sich zusammen mit Zoe auf ihre Pilgerreise begibt, wird selber einen inneren Weg beschreiten und einen Reifungsprozess durchlaufen und dabei herausgefordert, mit dem ganzen Leben dem König aller Könige und seinem Reich zu dienen.

Ich glaube, dass diese prophetische Geschichte zur rechten Zeit erscheint, um gerade in dieser „Verfremdung“ einer jungen Generation, aber auch allen im Geiste jung Gebliebenen zu bezeugen: Die Liebe ist stärker als der Tod! Das Königreich Gottes ist angebrochen. Und es lohnt sich, für diesen König zu leben und zu sterben.

Lilo Keller

Das Buch Auf königlichem Pfad ist eine fesselnde Geschichte. Aber es ist noch viel mehr als eine Geschichte – es ist die Wahrheit. Es wurde in der Absicht geschrieben, in all denen neuen Mut und Entschlossenheit zu wecken, die treu an der höchsten Berufung festhalten.

Dieses Buch wurde ganz speziell für die nachfolgende Generation geschrieben. Bereits jetzt ist klar zu erkennen, dass diese Generation sich nicht mit der Art von christlichem Glauben zufrieden geben wird, wie er heute in überwiegenden Teilen der Gemeinden gelebt wird. Diese kommende Generation hungert nach Abenteuer und dem Übernatürlichen. Beides können wir in seiner ursprünglichen Form im Leben eines echten Christen finden. Der wahre christliche Glaube kommt aus seiner Verborgenheit hervor, und leidenschaftliche Seelen finden ihn. Das sind die Menschen, die sich von Büchern wie Auf königlichem Pfad stärken und ermutigen lassen. LEsen Sie dieses BUch nicht als Roman – Lesen Sie es als einen Ruf.

Debbie ist meine jüngere Schwester; und ich habe sie beobachtet, wie sie ihr ganzes Leben lang immer wieder durchgehalten und überwunden hat. Sie hat viele ihrer Kämpfe in Siege verwandelt – wie es auch die Heldin des vorliegenden Buches tut, die ihren Weg zu ihrer eigentlichen Bestimmung sucht und findet. Solche Erfahrungen sind immer die beste Quelle für die Wahrheit; deshalb liess der Herr seine ewige Wahrheit auch von Menschen aufschreiben und nicht von Engeln. Lebendige Wahrheit muss durch ein gelebtes Leben fliessen. Lebendige Wahrheit ist nicht nur Theorie, sondern sie ist eine Erfahrung. Die Kraft, die durch das Buch strömt, das Sie gerade in den Händen halten, ist eine solche lebendige Wahrheit. Aber die eigentliche Botschaft ist viel mehr als nur ein gutes Buch oder eine spannende Geschichte – es ist der Ruf, Ihre eigene grossartige Geschichte zu leben.

Als Jesus seine zwölf Jünger aussandte, um das Evangelium zu predigen, kehrten sie voller Freude zu ihm zurück, weil sogar die Dämonen seinem Namen gehorchen mussten. Er entgegnete ihnen, dass sie sich aber viel mehr darüber freuen sollten, dass ihre Namen im Buch des Lebens stünden (s. Lukas 10). Das ist Ihre Berufung, der Grund, weshalb Sie auf dieser Erde leben – Sie sind hier, um Ihre eigene Geschichte in das Buch des Lebens zu schreiben, die in alle Ewigkeit an die Liebe Gottes und an die Kraft dieser Liebe erinnern wird.

Die Symbolik und die Bilder in dieser Geschichte sind ganz unverhohlen christlich. Das wahre Leben eines Christen ist die Suche nach dem, was eigentlich von Wert ist; und es ist das grösste Abenteuer, das wir überhaupt auf dieser Erde erleben können. Gleichzeitig ist es aber auch das schwierigste Leben, das es gibt; genau aus diesem Grund sagt der Herr ganz klar und eindeutig, dass es in seinem Reich keine Feiglinge geben wird (vgl. Offenbarung 21,8).

Auf königlichem Pfad ist ein Aufruf, die eigene Bequemlichkeitszone hinter sich zu lassen und sich nach dem grössten Schatz auszustrecken, den es gibt – nach einem Leben, das seine eigentliche Bestimmung erfüllt, nach einem Leben, das letztendlich den Sieg erringt und den höchsten Lohn der gesamten Schöpfung empfängt, nämlich den König der Könige sagen zu hören: „Gut gemacht, du guter und treuer Diener!“ Das ist Ihre Aufgabe, und dieses Buch bietet Proviant für Ihre Reise.

Rick Joyner

Einführung

Es gibt viele Wege, für die wir uns in unserem Leben entscheiden können, und jeder wird uns zu einem anderen Ziel führen. Die Weisheit, den richtigen Weg zu wählen, gehört zu den kostbarsten Dingen, die wir besitzen können. Hier halten Sie die Geschichte eines Mädchens namens Zoe in den Händen, die den Weg beschreibt, für den sie sich entscheidet, mit allen Konsequenzen ihrer Entscheidung. Auf ihrem Weg hat sie noch viele Entscheidungen zu treffen, und jede davon hat die Macht, ihr Leben zu verändern. Ich hoffe, dass auch Sie an Weisheit dazugewinnen, wenn Sie nun Zoe auf ihrer lebensverändernden Reise begleiten.

Der König der Könige hat bereits einen Weg für Sie bestimmt, dem Sie folgen sollen, weil er Sie liebt. Seine Liebe ist es auch, die Sie mehr als alles andere dazu befähigt, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die den weiteren Verlauf Ihres Lebens bestimmen werden. Dieser Weg führt immer zu ihm und in die Erfüllung der Bestimmung, für die Sie geschaffen wurden. Während Sie Zoes Geschichte lesen, ist es mein Gebet, dass der Herr Ihnen Ihre eigene einzigartige Bestimmung vor Augen malt, und dass seine Weisheit dabei stets das Licht auf Ihrem Weg ist.

Deborah Joyner Johnson

Du zeigst mir den Pfad zum Leben. Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle, zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit.(Psalm 16,11)

TEIL I

Der Ruf

Kapitel Eins

Ich habe dich von den Enden der Erde geholt, aus ihrem äussersten Winkel habe ich dich gerufen. Ich habe zu dir gesagt: „Du bist mein Knecht, ich habe dich erwählt und dich nicht verschmäht.“(Jesaja 41,9)

Zoe spähte angestrengt in die Weite und wagte kaum zu atmen, weil sie fürchtete, es würde alles wieder verschwinden. Ein Mann stand bei ihr. „Was siehst du?“

Den Blick immer noch in die Ferne gerichtet, antwortete sie: „Einen Ort, der schöner ist als alles, was ich mir je hätte vorstellen können.“

Er lächelte, als er die Sehnsucht in ihren Augen sah. „Du kannst dorthin kommen …“ Ihre Augen rissen sich von dem Land los, als sie den Mann voller Hoffnung anblickte.

Er fügte schlicht hinzu: „Es gibt einen Weg.“

Das waren stets die letzten Worte ihres Traumes. Zoe liess ihn immer und immer wieder vor ihrem inneren Auge ablaufen, weil sie verzweifelt versuchte, sich daran zu erinnern, ob ihr der Mann nicht vielleicht doch noch gesagt hatte, wie sie dieses wunderbare Land finden könnte – aber es half alles nichts. Sie ging nach draussen und setzte sich an den Bach, um nachzudenken. Sie erinnerte sich wieder an die überraschende Unterhaltung, die sie erst gestern mit angehört hatte, als ein Mann mit einer Frau über ein Land weit jenseits des Kristallmeeres sprach. Sie hatten es Remira genannt und erwähnt, dass ein Freund dorthin gereist war. Es war ein so wunderschöner Ort, dass er beinahe wie eine Wunschvorstellung erschien – das ganze Land war erfüllt von Frieden und Freiheit. Ganz unwillkürlich dachte sie, dass sich dieser Ort ganz genau so anhörte wie das Land in ihrem Traum. Wenn er es nun wirklich war, sehnte sie sich mehr als alles andere danach, dorthin zu kommen. Sie warf kleine Kieselsteine ins Wasser und musste plötzlich feststellen, dass sie noch niemals in ihrem Leben etwas Abenteuerliches unternommen hatte. Noch ahnte sie nicht, dass sich all das bis zum Sonnenuntergang schlagartig verändern sollte.

Die Zeit verging. Zoe wurde langsam hungrig. Deshalb ging sie auf dem ausgetretenen Pfad zurück zu ihrem kleinen Steinhäuschen. Wenn ihre Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt waren, kam es häufiger vor, dass sie das Essen einfach vergass, wie man an ihrer schmalen Gestalt erkennen konnte. Mit ihrer zierlichen Figur, den goldbraunen Augen und der strahlenden Gesichtsfarbe, die von den vielen Stunden stammte, die sie im Freien verbracht hatte, war sie wirklich eine seltene Schönheit – eine Tatsache, derer sich Zoe aber nicht im Geringsten bewusst war.

Als Zoe sich ihrem Häuschen näherte, hielt sie im Rosengarten an, um den Duft der vollen Blüten einzuatmen. Sie blickte sich um und musste innerlich zugeben, dass dies der erste Ort war, der ihr jemals wie ein Zuhause vorgekommen war. Es gefiel ihr hier, aber dennoch wusste sie tief in ihrem Inneren, dass es in diesem Leben noch mehr geben musste. Sie konnte dieses Gefühl einfach nicht abschütteln.

Drinnen liess ihr der Duft von frischem Haferbrei über dem Feuer das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sie schöpfte sich schnell eine grosse Schüssel voll und setzte sich zum Essen, als es plötzlich an der Türe klopfte. Sie spähte durch das Fenster und entdeckte einen Fremden, der seltsam gekleidet war. Seine Kleider sahen ganz anders aus als die der Leute in ihrem Dorf Brenmoor. Als Zoe ihm ins Gesicht sah, setzte ihr Herzschlag für einen Augenblick aus. Es war der Mann aus ihrem Traum. Er hatte sogar den gleichen wilden, weissen Haarschopf und die Kleider aus Schaffell. Er klopfte erneut. Sie zögerte noch, die Tür zu öffnen, aber dann war ihre Neugier stärker als ihre Vorsicht – sie musste einfach wissen, wer er war und was er wollte.

Sie biss sich auf die Unterlippe und war entschlossen, ihre Furcht nicht zu zeigen, als sie die Tür einen Spalt breit öffnete. „Guten Tag“, sagte er mit einem Lächeln. „Ich bin Kieran, ein Bote des Königs. Seid Ihr Zoe Hirschfeld?“

Ihre Stirn legte sich in Falten, während sie nervös mit ihren langen braunen Locken spielte. „Ja, das bin ich.“

„Ich habe etwas für Euch vom König.“ Er hielt ihr ein säuberlich eingewickeltes braunes Bündel entgegen, an dem vorne ein Umschlag befestigt war.

Mit grossen, verwunderten Augen öffnete sie die Tür ein wenig weiter, um das Bündel entgegenzunehmen. „Vom König – für m… mich?“

„Ja, ich habe eine weite Reise auf mich genommen, um es Euch zu bringen.“ Er bemerkte ihre Unsicherheit und lächelte erneut.

Sie sah den Umschlag an, der an dem Bündel befestigt war, und strich mit den Fingern über das Berg-Wappen, mit dem er versiegelt war. Sie scharrte unruhig mit den Füssen und fragte: „Was ist das? Worum geht es?“

Er grinste breit: „Möchtet Ihr nach Remira kommen?“

Ihre Augen weiteten sich ungläubig: „Remira?“

Der Bote entgegnete geduldig: „Wo der König lebt.“

In ihren Augen leuchtete ein Hoffnungsschimmer auf. „Ich habe bisher nur Geschichten über Remira gehört, aber Ihr sagt, dass es dieses Land wirklich gibt?“

„Aber gewiss doch – alle dort leben in Frieden, weil unser König in Gerechtigkeit herrscht und allen Freiheit schenkt. Es gibt weder Krankheit noch Tod in Remira, weil die Liebe dort in ihrer höchsten und reinsten Form regiert, und die Liebe ist stärker als der Tod. Hier habt Ihr einen Feind, der versucht, alles Leben zu zerstören, indem er immer wieder neuen Streit und Zwietracht hervorbringt. Aber er ist aus Remira verbannt. Alle Lebewesen sind von Harmonie und Wohlgefallen erfüllt, vom Gras bis zu den Blumen, von den Tieren bis zu den Menschen.“

„Ist es wirklich möglich, dass es einen solchen Ort gibt, und dass wir von hier aus dorthin reisen können?“, fragte Zoe, die kaum fassen konnte, was der Bote gesagt hatte.

Kieran lächelte und nickte so voller Gewissheit, dass Zoe spürte, wie auch sie anfing zu glauben. Dann fuhr er fort: „Es steht mir nicht frei, Euch alles zu offenbaren, was Eure Suche betrifft. Aber eines kann ich Euch sagen: Wenn Ihr Euch für diese Reise entscheidet, werdet Ihr Euch verändern. Wenn Ihr erfolgreich seid, wird Euer Leben nicht länger von Furcht geprägt sein, wie Ihr es so oft in Eurer Vergangenheit erlebt habt. Ihr werdet vielmehr ein Leben in Frieden führen; und Ihr werdet gebraucht werden, um Frieden an diesen Ort zurückzubringen.“

„Ich glaube nicht, dass mein Leben von Furcht geprägt ist, wie Ihr sagt. Ich lebe sehr friedlich hier allein.“

„Wenn das so ist, weshalb wagt Ihr Euch nie sehr weit von zu Hause fort?“

Zoe starrte den Mann nur kurz an. „Woher wisst Ihr das?“

„Ich bin ein Bote des Königs, und Er weiss alles. Er kennt Euch besser als jeder andere.“

„Aber wie kann das sein? Ich habe den König noch nie gesehen.“

„Ihr werdet es noch verstehen, wenn Ihr Euch entschliesst, diese Reise zu machen.“

Sie überdachte die Einladung gründlich. Kieran erwartete von ihr, sich im Glauben zu einem Ort aufzumachen, den sie bislang nur in einem Traum gesehen hatte, und von dem sie andere Leute hatte reden hören – wenn es denn der gleiche Ort war. Wie konnte sie sicher sein, dass es diesen Ort wirklich gab?

Als wüsste er, was gerade in ihrem Kopf vor sich ging, sagte er: „Ihr müsst Euer Herz prüfen. Ihr werdet die Antwort tief in Eurem Innersten finden.“

Zoe blickte auf den Bach vor ihrem Haus. Mit einem Mal erkannte sie, dass sie entweder ihr restliches Leben in Tagträumen verschwenden oder sich auf diese Suche begeben konnte. Aber auf der anderen Seite, weshalb sollte sie die Behaglichkeit ihres hübschen, kleinen Heims aufgeben, um sich auf diese Reise ins Unbekannte zu machen? Sie bewegte diese Gedanken hin und her. „Gewährt Ihr mir einen Tag Bedenkzeit?“

„Ja. Ich kehre morgen um diese Zeit zurück und erwarte Eure Antwort.“ Als er sich zum Gehen wandte, hielt er noch einmal inne und blickte ihr tief in die Augen. „Wenn Ihr Eure Entscheidung trefft, lasst Euch nicht von Furcht beherrschen. Wenn Ihr das zulasst, werdet Ihr in einem Leben des Bedauerns gefangen sein. Ich versichere Euch, sobald Ihr Euch bei dieser Suche auf den Weg macht, wird der König Euch zu Hilfe kommen.“

Der Bote sah sie noch durchdringender an und fragte: „Wisst Ihr, was Euer Name bedeutet, Zoe?“

„Nein. Ich habe noch nie darüber nachgedacht.“

„Euer Name bedeutet Leben. Der König hat ein Leben in Fülle für Euch, und gleichzeitig neues Leben. Ihr habt doch immer schon gespürt, dass es noch mehr in Eurem Leben geben muss, als nur zu existieren, oder nicht?“

„Nun ja, also, ich meine, ich wollte schon immer einmal an andere Orte reisen und Neues sehen. Ich lebe so zurückgezogen – manchmal wünsche ich mir so sehr, etwas anderes zu tun …“ Ihre Augen schweiften träumerisch umher. „Ich wusste einfach nie, was es war, bis ich diesen Traum hatte.“

„Es gibt noch so viel mehr für Euch, Zoe. Aber Ihr werdet Glauben nötig haben, um dieses neue Leben zu beginnen, und grossen Mut, um weiterzugehen.“ Kieran lächelte sie beruhigend an. „Ich würde gerne noch bleiben, um mich länger mit Euch zu unterhalten; aber ich muss Euch jetzt verlassen, da ich noch eine weite Reise vor mir habe. Morgen kehre ich zurück, um Eure Antwort zu erfahren.“ Mit diesen Worten wandte er sich schnell zum Gehen und liess Zoe voller Fragen zurück.

Sie ging still ins Haus zurück und setzte sich auf ihren alten blauen Lieblingssessel. Die Federn knarrten und quietschten bei jeder Bewegung. Aber die Vertrautheit gab ihr Trost. Sie zündete eine Kerze an und öffnete langsam den Umschlag. Vorsichtig liess sie den Brief herausgleiten.

Meine liebe Zoe,

Du bist in mein Reich Remira eingeladen. Ich habe eine Karte mit einem vorgezeichneten Weg für dich bereit gemacht, auf dem du gehen musst.

Du musst dich fest an diesen Weg halten, der dich zu mir führen wird. Deine Reise ist voller Gefahren, und viele meiner Feinde werden versuchen, dich aufzuhalten, deshalb musst du unterwegs wachsam sein. Die Gefahren sind gross, aber wenn du erfolgreich bist und die Reise vollendest, wird der Lohn ungleich grösser sein.

Auf dem Weg wirst du auf Freunde stossen, die dir helfen werden. Nimm sie an und lerne von ihnen.

Dein König

Der erste Schritt ist immer der schwerste, aber auch bei weitem der wichtigste.

Kapitel Zwei

Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt und wie überragend gross seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist durch das Wirken seiner Kraft und Stärke.(Epheser 1,18-19)

Zoe las den Brief mehrmals, um wirklich sicherzustellen, dass sie alles verstanden hatte, was darin stand. Die Einladung schien tatsächlich echt zu sein. Mit einem Mal war ihr Herz von Vorfreude erfüllt, und sie sprang aus ihrem Sessel auf, bereit, sich auf das Abenteuer einzulassen – doch ebenso unvermittelt hielt sie inne, weil sie plötzlich an die möglichen Gefahren dachte.

Ihre ängstlichen Gedanken wurden unterbrochen, als ihr bewusst wurde, dass sie bisher das Päckchen des Königs noch gar nicht geöffnet hatte. Sie riss das braune Papier ungeduldig auf und zog zwei lange Kleider aus einer kleinen Kiste – eine sehr unerwartete Überraschung. Aber ihre Freude wurde durch einen Anflug von Enttäuschung getrübt, als sie die Farbe der Kleider sah. Sie waren von dem eintönigsten Violett, das sie je gesehen hatte. Als sie die beiden näher betrachtete, bemerkte sie, dass beide den gleichen, einfachen Schnitt hatten; aber das eine war aus Wolle, während das andere aus Baumwolle war. Sie streifte das Baumwollkleid über, und es sass wie angegossen und hatte genau die richtige Länge, so dass es bis auf ihre Knöchel fiel, wie sie es mochte.

Als sie das Kleid wieder auszog, wurde es dabei von innen nach aussen gewendet. Sie sah genau hin und bemerkte eine Tasche an der Innenseite des Mieders. Was für eine seltsame Stelle für eine Tasche, dachte sie. Als Nächstes entdeckte sie ein in Leder gebundenes Buch. Ein Tagebuch, um all ihre Abenteuer aufzuschreiben, vermutete sie – noch niemals hatte sie etwas derart Schönes besessen. Sie wusste, es war etwas, das sie wie einen Schatz hüten würde.

In dem Tagebuch fand sie eine zusammengefaltete, vergilbte Karte, die ihr einen Weg zeigte, der sich durch bewaldetes Gebiet, über Klippen, durch eine riesige Wüste, das Meer, Höhlen, einen Fluss, Wasserfälle und Weideland bis hin zu dem Berg wand, wo der König lebte. Aber selbst mit dieser Karte, der sie folgen konnte, fragte sie sich, ob sie Remira jemals finden würde, weil sie grosses Geschick und Mut brauchen würde, all die angegebenen Stellen zu finden und ihnen zu folgen. Was war mit all den seltsamen und fremdartigen Geschöpfen, die angeblich in den Regionen jenseits von Brenmoor lebten? Aber trotz allem konnte sie ihre Sehnsucht nicht länger leugnen, nach Remira aufzubrechen. Etwas schien sie dorthin zu ziehen.

Sie sah noch einmal in der Kiste nach und entdeckte dabei eine Kristallflasche. Als sie die Flasche öffnete, stellte sie fest, dass sie mit Wasser gefüllt war. Da sie für ihre Reise auf jeden Fall Wasser benötigen würde, war sie selbst für diesen kleinen Behälter dankbar. Ganz unten in der Kiste kam ein fester brauner Lederbeutel zum Vorschein, damit sie alles Nötige tragen konnte. Sie packte alle Gegenstände sorgfältig in den Beutel und setzte sich auf ihren Stuhl. Dieser Tag erschien ihr wie einer ihrer vielen Tagträume.

Zoes Magen knurrte und durchbrach die Stille, was sie daran erinnerte, dass sie immer noch nichts zu sich genommen hatte. Aber im Moment stand ihr der Sinn nicht nach Essen. Ihre Augen schweiften in ihrem kleinen Zuhause umher und blieben endlich bei der verlöschenden Glut im Kamin hängen. Sie fragte sich, ob ihr Leben enden würde wie diese Kohlen, die nach und nach ihr Leben verloren, bis sie schliesslich ganz verlöschten und starben.

Sie quälte sich stundenlang mit den Zweifeln in ihren Gedanken. Sie war zu aufgewühlt, um zu essen, und da es immer später wurde, beschloss Zoe, zu Bett zu gehen. Als sie letzten Endes im Bett lag, dachte sie an all die Leute, von denen sie gehört hatte, die über die Grenzen von Brenmoor hinaus gereist waren, und die einfach verschwunden waren. War es möglich, dass auch sie auf dem Weg nach Remira waren? Sie erschauerte, als sie daran dachte, aber sie hatte schliesslich eine Einladung erhalten, und der Bote schien ebenfalls echt gewesen zu sein. Und was war mit ihrem Traum? Es war nur ein Traum – aber er schien so real gewesen zu sein. War Remira der Ort, an dem Träume wahr werden? Es war ein Abenteuer, nach dem sie sich zutiefst sehnte; aber hier in ihrem kleinen Häuschen war alles so sicher. Sie führte ein wunderbar geschütztes Leben, weshalb sollte sie all das aufs Spiel setzen? All ihre Unsicherheiten brachen auf einmal über sie herein. Es schien fast, als würden sie die Oberhand gewinnen, während sie sich noch stundenlang hin und her wälzte.

Sie wusste, dass sie vor der wichtigsten Entscheidung ihres Lebens stand. Wenn Remira wirklich das Land aus ihrem Traum war, würde sie dort Frieden, Leben und Sicherheit in Fülle finden. Aber der Weg dorthin war scheinbar eine einzige Folge von Gefahren und Unsicherheiten.

Endlich stellte Zoe zu ihrer grossen Freude fest, wie all ihre Sorgen und Gedanken sie verliessen. Es dauerte nicht lange, und sie träumte von einem friedlichen Land weit, weit weg. Als sie am folgenden Morgen erwachte, war sie sich ihrer Antwort sicher.

Zoe wartete bereits, als der Bote klopfte. Erneut überkamen sie Wellen von Furcht und Zweifel; aber die goldenen Funken in ihren grossen braunen Augen leuchteten voller Vorfreude, als sie ihm die Türe öffnete.

„Ich werden gehen.“ Sie wiederholte lachend: „Ich werde gehen.“

Kieran gefiel diese Antwort ganz offensichtlich. „Die Entscheidung für diese Reise war nicht leicht für Euch; aber Ihr werdet sie nicht bereuen, Zoe. Abenteuer, von denen Ihr bislang nur geträumt habt, warten auf Euch. Sie werden Euch Leben bringen, und Ihr werdet in einem Jahr mehr erleben als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. Die Abenteuer werden Euch in den Menschen verwandeln, als der Ihr geschaffen wurdet, damit Ihr, wenn Ihr erst einmal in Remira angekommen seid, dort auch Euren vorherbestimmten Platz einnehmen könnt. Das ist Eure Berufung, aber – wie Ihr bereits gewarnt seid, ist die Reise voller Herausforderungen. Sie soll all diejenigen abhalten, die nicht über den nötigen Glauben und Mut verfügen, Remira zu erreichen und dort mit dem König zu herrschen.“

„Aber, mein Herr, ich bin doch nur eine arme, ganz gewöhnliche Frau. Wenn ich jemals wohlbehalten in Remira ankommen sollte, ist das bereits mehr, als ich erwarten könnte. Aber mit dem König zu herrschen – das geht wirklich über meinen Glauben hinaus.“

„Euer Glaube wird wachsen. Von dem Moment an, als Ihr die Entscheidung getroffen habt, diese Reise anzutreten, wart Ihr keine gewöhnliche Frau mehr. Aber noch seid Ihr nicht in den königlichen Stand eingetreten, zu dem Ihr berufen seid. Gerade deswegen müsst Ihr bereits jetzt beginnen, zu denken und zu handeln wie jemand, der berufen ist, mit dem König zu herrschen“, entgegnete er und verneigte sich tief vor ihr.

Zoe war das äusserst peinlich, und sie wusste, dass ihr Gesicht von einer tiefen Röte überzogen war. Dennoch wurde sie von einer Erregung erfüllt, die sie ihren Kopf höher halten liess. Der Bote fuhr fort, wobei seine Stimme von einem tiefen Res­pekt geprägt war, den sie zuvor nicht bemerkt hatte; und so hörte sie umso aufmerksamer auf das, was er ihr noch zu sagen hatte.

„Der König hat viele Feinde. Sobald sie herausfinden, dass Ihr versucht, nach Remira zu gelangen, werden sie versuchen, Euch aufzuhalten. Sie wollen nicht, dass sich jemand dem König naht. Sie versuchen verzweifelt zu verhindern, dass Ihr Eure Bestimmung erfüllt. Aber fürchtet Euch nicht – geht immer voran und wendet Euch niemals zurück. Das ist das Wichtigste. Wenn Ihr Euch nämlich zurückwendet und umkehrt, wird der Feind mit einer tödlichen Falle auf Euch warten. Der König wird Euch zur Seite stehen, solange Ihr auf dem richtigen Weg bleibt. Morgen, Zoe, beginnt ein neues Leben für Euch. Macht Euch noch vor Sonnenaufgang auf den Weg. Erinnert Euch stets daran: Ihr werdet nicht versagen, solange Ihr nicht stehen bleibt. Wie Ihr Glauben für den Anfang benötigt habt, werdet Ihr jeden Tag neuen und grösseren Glauben brauchen, um weiter zu gehen. Haltet Euch immer vor Augen, dass Glaube für Euch sogar noch wichtiger als Nahrung ist.“

Der Glaube ist Licht und Leitung für jede Reise.

Kapitel Drei

Denn ich, ich kenne meine Pläne, die ich für euch habe – Spruch des Herrn –, Pläne des Heils und nicht des Unheils; denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben.(Jeremia 29,11)

Auf der Karte konnte Zoe erkennen, dass der Schierlingswald ihr erstes Ziel war. Dieses Waldgebiet war aber nicht nur voll von furchterregenden Schierlingsgewächsen, Zoe sorgte sich auch, weil sie viele Geschichten über den Wald gehört hatte. Angeblich gab es dort unzählige wilde Wölfe und riesige Bären. Aber das war noch nicht das Schlimmste an diesem Wald – man sagte auch, er sei verzaubert! Die Leute erzählten sich von bösen Wesen, die immerfort ruhelos den Wald durchstreiften und niemals Ruhe oder Frieden finden konnten. Angeblich war der Wald von so tiefer Finsternis durchdrungen, dass man kaum den Weg vor Augen erkennen konnte – und das selbst am helllichten Tag. Je länger sie auf die Karte starrte, desto zögerlicher wurde sie, ob sie sich in den Wald hineinwagen wollte. Weshalb muss der Weg durch diesen schrecklichen Ort führen? Aber die Einladung besagte, dass sie dem Weg folgen musste, den der König für sie bestimmt hatte. Ihr blieb ganz offensichtlich gar keine Wahl, sondern sie musste durch den Wald wandern.

Sie seufzte, steckte die Karte wieder in ihren Beutel und blickte sich noch ein letztes Mal – wie sie meinte – in ihrem Zuhause um. Sie lächelte zufrieden, denn sie war sehr stolz auf ihr kleines Steinhäuschen. Ihre Augen wanderten zu ihrem Lieblingssessel, wo sie immer sass und nähte … zu der kleinen Feuerstelle aus Stein, wo sie ihre Mahlzeiten zubereitete … zu der Decke auf ihrem Bett, die sie in liebevoller Handarbeit selbst gefertigt hatte … wie sehr sie diesen Ort doch vermissen würde.

Alles war gepackt, und sie war bereit loszuziehen. Bin ich wirklich bereit? Sie konnte das Verlangen in ihrem Herzen nicht leugnen, endlich zu dieser Reise aufzubrechen; deshalb trat sie hinaus, ehe ihre Furcht sie dazu verleiten konnte, sich wieder anders zu entscheiden und in der Sicherheit ihres kleinen Hauses zu bleiben. Sie schloss die Tür hinter sich und betrat schnell den Pfad.

Unwillkürlich drehte sie sich noch einmal um, um einen letzten Blick zurückzuwerfen. Sie betrachtete ihren Gemüsegarten, der so viel Gemüse hervorbrachte, dass sie das meiste davon verschenken musste – den grössten Teil an die Frauen, für die sie nähte. Ach du meine Güte, was soll ich nur mit meinen Auftraggeberinnen tun? Zum Glück hatte sie alle anstehenden Arbeiten erledigt, aber was würden sie denken, wenn sie neue Näharbeiten brachten und sie nicht zu Hause antrafen? Sie beschloss, einen Zettel mit der Nachricht an der Tür zu hinterlassen, dass sie sich bei ihnen melden würde, sobald sie zurück wäre. Sie ging ein letztes Mal an den Bach hinunter, wo sie so viele Stunden damit verbracht hatte, auf das Wasser zu schauen und von fernen Abenteuern zu träumen – und endlich brach sie auf.

Während sie von ihrem Haus fortging, machte sie eine Wendung und fand den vorgezeichneten Weg, und sie begann ihre Reise. Sie kam an einigen kleinen Häuschen vorbei; aber ihre Aufmerksamkeit wurde von den Blumen am Wegrand in Anspruch genommen. Meile um Meile schienen sich die blühenden Tulpenfelder hinzuziehen. Sie sahen aus wie zahllose rote, gelbe und violette Juwelen, als sich die ersten Sonnenstrahlen in dem Tau auf ihren langen Blättern brachen. Sie genoss es in vollen Zügen!

Dann sah sie ihn schon von weitem – den Schierlingswald! Sie versuchte, tief durchzuatmen und ruhig zu bleiben, aber mit jedem Schritt wuchs ihre Beklemmung. Als sie schliesslich am äussersten Rand des Waldes ankam, war ihr bereits übel vor Angst. In ihrem Inneren tobte ein ungeheurer Kampf. Sie wusste, wenn sie jetzt umkehren würde, würde sie den Rest ihres Lebens von Neugier geplagt werden – und tiefe Reue empfinden. Sie wäre in Sicherheit, aber würde sie wirklich leben?

Sie entschied, dass ein Leben voller Bedauern und Reue weit schlimmer wäre als der Weg durch den Wald. Wenn sie jemals wirklich leben wollte, musste sie weitergehen. Trotz ihrer Angst nahm Zoe ihre ganze Kraft zusammen, holte tief Luft und marschierte in den düsteren Wald hinein.

Sie bemerkte sofort die kaffeebraunen Pilze, die überall den mit Moos bedeckten Boden durchbrachen. Unheimliche Ranken hingen von den Bäumen wie Netze, die nur darauf warteten, ihre Opfer einzufangen. Giftige, blühende Schierlingsgewächse wucherten überall. Sie würde sich auf jeden Fall von der trügerischen Schönheit dieser Pflanzen fern halten.

Die klamme Feuchtigkeit, die den ganzen Wald durchzog, liess sie allmählich bis auf die Knochen erschauern. Ihre Furcht wuchs plötzlich ins Unermessliche, als sie mit einem Mal von seltsamen Geräuschen umgeben war, die wie schwere Schritte klangen. Ihre Angst war so gross, dass sie es noch nicht einmal wagte, sich umzusehen. Sollte sie einfach wegrennen oder nur weitergehen? Zoe erinnerte sich an die Zusage des Boten des Königs, dass sie nicht scheitern würde, solange sie nicht stehen blieb. Sie beschloss, alles zu riskieren und auf die Wahrheit dieser Worte zu vertrauen.

Während sie immer weiter in den Wald vordrang, war sie erstaunt, dass sie nichts von hinten angriff. Das Geräusch der Schritte verklang in der tiefen Schwärze. Aber dann fiel die gefürchtete Finsternis, und die unheimliche Stille zerrte sogar noch mehr an Zoes Nerven als das Geräusch der Schritte. Plötzlich waren ihr Gesicht und ihre Haare von einem riesigen Spinnennetz bedeckt, und trotz ihrer schnellen Reaktion hatte sie sich sofort verfangen! Im selben Augenblick sprang eine gewaltige schwarze Spinne sie an. Sie schrie auf, als sie sie auf ihrem Rücken spürte, aber sie konnte sie nicht erreichen. In panischer Angst sprang sie auf und ab und versuchte, das riesige Tier irgendwie abzuschütteln, aber es nützte alles nichts! Endlich fand sie einen Stock, mit dem es ihr gelang, die Spinne fortzuschleudern. Tränen liefen über ihr Gesicht, während sie verzweifelt versuchte, die klebrige Masse abzuwischen. Das Herz schlug ihr noch bis zum Hals, als sie sich schliesslich auf einen umgestürzten Baumstamm fallen liess, um sich wieder zu beruhigen. Und das ist erst der Anfang!

Nachdem sie einige Male tief durchgeatmet hatte, erinnerte sie sich wieder an ihren Traum, richtete ihre ganze Willenskraft auf Remira aus und machte sich erneut auf den Weg. Die düstere Finsternis des Waldes umgab sie und schnürte ihr die Luft ab. Sie konnte Schatten vor sich erkennen, als sie weiterging – sie verfolgten sie bei jedem Schritt. Ohne jede Vorwarnung stiess ein weiterer riesiger, noch dunklerer Schatten vor ihr herab, dann hinter ihr. Eine nie gekannte Furcht bemächtigte sich ihrer, so dass sie kaum noch in der Lage war, einen Fuss vor den anderen zu setzen. Dann hörte sie Stimmen, ein Murmeln, das sie nicht verstand, das aber tief in ihre Seele einzudringen schien und sie mit Schrecken erfüllte. Ihre Furcht steigerte sich zu einer solchen Panik, dass sie wusste, sie musste diesen schrecklichen Wald sofort verlassen! Nichts war diese Tortur wert!

Sie wandte sich um und lief so schnell sie nur konnte dem Waldrand entgegen. Der einzige Laut war der Klang ihres eigenen Ringens nach Luft. Alles in ihr flehte darum, dass sich der Wald endlich lichtete. Da hörte sie mit einem Mal Geräusche hinter sich. Zuerst klangen sie noch entfernt, aber sie näherten sich schnell, bis sie ganz davon umgeben war. Die Dunkelheit griff erneut nach ihr, und der Wind heulte und pfiff um sie he­rum, als wollte er sie ganz einhüllen. Ohne jede Vorwarnung überquerten vor ihr zwei Eichhörnchen den Weg. Sie stolperte, und mit einem Mal wurde ihr bewusst, was sie eigentlich gerade tat.

So leicht wollte Zoe nicht aufgeben. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie nahm all ihren Mut zusammen, wandte sich wieder um und stapfte entschlossen auf ihren Weg zurück. Während sie dem Weg immer tiefer in den Wald hinein folgte, vernahm sie plötzlich ein neues Geräusch, das beständig lauter wurde. Es war wie der Klang von fernen Trommeln, die immer näher kamen, und ihr Schlag wurde mit jedem nahenden Schritt lauter. Sie keuchte, als sie bemerkte, wie der Lärm näher und näher kam. Inzwischen klang es wie eine Herde Tiere, die direkt auf sie zu preschte. Sie blickte sich rasch um und glaubte mit einem Mal, den Schwanz eines Tieres erkennen zu können, das neben ihr her rannte. Ihre hellen braunen Augen verdunkelten sich vor Furcht, und ihr Herz schlug so laut, dass es in ihren Ohren rauschte! Sie spürte plötzlich etwas direkt hinter sich. Sie warf sich herum und stand ihnen mit einem Mal Auge in Auge gegenüber – ein Rudel Wölfe. Vor Angst verlor sie beinahe das Bewusstsein und erstarrte. Es gab kein Entkommen!

Die dunklen grauen Wölfe hielten in ihrem Lauf inne und starrten sie an. Sie drückten sich dicht an den Boden und kamen Stück für Stück näher herangekrochen. Dabei knurrten sie böse und entblössten ihre schrecklichen Fänge, während sie sie umringten. Ihre tiefblauen Augen schienen Schlitze des Bösen zu sein. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Wenn sie versuchte davonzulaufen, würden sie sie mit Sicherheit einholen! Wenn sie blieb, wo sie war, würden sie angreifen. Sie musste etwas unternehmen, aber was? Einer der Wölfe war ihr inzwischen so nahe gekommen, dass sie seinen übel riechenden Atem wahrnahm. In seinen Augen spiegelte sich eine derartige Gemeinheit und Grausamkeit, die sie noch nie zuvor bei einem Lebewesen gesehen hatte – sie wusste, dass sie jeden Augenblick seine Zähne zu spüren bekommen würde.

Sie hatte keine Tränen mehr. Schwindel überkam sie und sie schwankte vor und zurück. Ihre Arme und Beine wurden weich, und alle Kraft wich aus ihren Gliedern. Sie spürte, wie sie in die Knie einbrach, da sie sich nicht länger auf den Beinen halten konnte.

Die Wölfe zogen den Kreis immer enger um sie, bereit, ihre Beute jeden Augenblick anzuspringen. Aber plötzlich fuhr ein Pfeil in den Baum direkt neben ihr und verfehlte nur knapp die Schnauze eines der Wölfe. Verwirrt wandte sich Zoe um, um zu sehen, woher der Pfeil gekommen war. Sie erkannte eine Frau, die aus der Finsternis heraustrat. Sie schoss erneut und streifte den Lauf des grössten Wolfes. Als er vor Schmerz aufheulte, begannen die übrigen Wölfe, die Frau anzuknurren. Der Hass in ihren Augen war unübersehbar, als sie weiter auf Zoe eindrangen. Die Frau liess schnell noch einen Schuss von ihrem Bogen folgen und traf einen weiteren Wolf ins Bein. Er schrie auf, und Furcht machte sich auf den Gesichtern der anderen Wölfe breit. In einem Augenblick hatten sie sich abgewendet und waren ebenso schnell zwischen den Bäumen verschwunden, wie sie aufgetaucht waren.

Zoe lag zusammengesunken auf dem Boden, und die Fremde lief schnell zu ihr herüber. Sie hielt ihren Kopf hoch, und einige Minuten später kam Zoe zu sich. „Du hast mich ganz schön erschreckt, wirklich wahr – armes Mädel. Was meinst, wie fühlst dich nu?“

Zoe sah die Frau an, die vor ihr auf dem Boden kniete. Der Schleier verzog sich vor ihren Augen, und ihr Kopf wurde wieder klar, als sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf diese seltsame Frau vor sich richtete. Ihr einfaches Kleid wurde von einem Ledergürtel zusammengehalten. Das dunkelblonde Haar war zu einem Zopf zusammengebunden, so dass ihr glattes Gesicht zum Vorschein kam. Aber mehr als alles andere waren es ihre dunklen grünen Augen, die Zoes Aufmerksamkeit auf sich zogen, denn sie waren wie tiefe Teiche voller Stärke und Charakter. Sie war völlig furchtlos.

Zoe brachte einige Minuten lang kein Wort heraus, aber schliesslich fand sie ihre Stimme wieder. „Ich glaube, es geht mir besser.“ In einem Anflug von Panik blickte sie sich um. „Wo sind die Wölfe?“

„Sind schon längst weg, verschwunden – brauchst keine Angst haben.“

„Danke … für deine Hilfe.“

„Ach, schon gut – mach dir nix weiter draus.“ Die Frau lächelte Zoe an – es war ein Lächeln, das sich sogar in ihren Augen spiegelte und viel mehr aussagte, als es Worte je vermocht hätten. „Aufpassen musst in diesen Wäldern, Mädel. Wollt nur ein paar Pilze für meine Suppe holen, sonst hätt’ ich dich gar nicht gesehen.

Kamaron ist von Gemeinheit umgeben. Ist der Anführer der Wölfe, wirklich wahr. Wird’s nie leid, Böses zu tun. Stimmt schon, dieser Wald ist voll von Geschöpfen, die nur drauf aus sind, anderen zu schaden – wilde Eber, Bären, Panther und andere. Aber eins ist sicher – die sind nicht auf der Seite des Königs. Ihr Anführer ist Durgalt. Sie jagen und töten für ihn. Aber, verzeih meine schlechten Manieren … ich bin Feena … Feena O’Berry. Bleibst bei mir, bis du deine Ausbildung fertig hast. Und was bitte ist dein Name?“

Erstaunt hob sie eine Augenbraue. „Zoe Hirschfeld. Aber woher hast du gewusst, dass ich komme?“, fragte sie.

Die Frau hielt inne und sah Zoe nachdenklich an, aber sie gab keine Antwort auf ihre Frage. „Fangen bald mit deiner Ausbildung an. Jetzt bist ja noch ganz hilflos gegen diese Wesen. Sag mal, bist schon den Terronas begegnet?“

„Terronas?“

„Aber ja, ein Ausbund von Finsternis, ein Schatten von dem, was sie früher mal waren. Sind so vom Bösen gesteuert, dass sie nicht mal mehr so aussehen wie früher. Früher waren sie die herrlichsten Geschöpfe des Königs – Adler. Stimmt schon, sind den bösen Wegen Durgalts verfallen und haben sich in die widerlichen Kreaturen verwandelt, die sie nu sind. Dem König sei Dank, dass nicht alle Adler gefallen sind. Aber noch schlimmer ist, wie sie ihre Opfer quälen. Zuerst sind sie ganz klein, vielleicht glaubst das nicht, aber sie wachsen, je mehr du auf sie hörst – dringen in deine Gedanken ein und verdrehen alles, was du denkst.“

Zoe dachte einen Augenblick nach. „Ich habe zwei Schatten gesehen, die vor mir und hinter mir vorbeigeflogen sind. Sie haben mich in Panik versetzt.“

„Nu, hast sie also gesehen. Der Wald ist voll von Terronas. Sie brüten hier und verfolgen alle, die durch den Schierlingswald kommen. Durgalt hat ihnen befohlen, ihre Opfer anzufallen und ihnen Dinge einzuflüstern, um sie in Angst zu versetzen. Sie wissen, dass es vor allem Furcht ist, die die meisten davon abhält, auf dem für sie vorherbestimmten Weg weiterzugehen.“

„Diese Reise wird immer unheimlicher. Ich habe mich nach Abenteuern gesehnt; aber das ist mir einfach zu gefährlich. Sag mir, warum lebst du in diesem schrecklichen Wald?“

„Ist doch ganz klar, Mädel. Zweierlei: Ich leb hier, um Licht in die Dunkelheit des Waldes zu bringen. Das tu ich gerne. Und zweitens schickt mir der König immer wieder Leute, die ich ausbilden soll. Um deine Angst zu überwinden, gibt es keinen besseren Ort als den hier, meine Liebe!“

„Wie meinst du das – was für eine Art von Ausbildung?“

„Die Art von Ausbildung, mit der du deine Reise nach Remira fortsetzen kannst – wär’ doch zu schade, wenn du nicht wüsstest, wie du mit den Terronas fertig wirst oder wie du dich gegen Durgalts Gefolgsleute zur Wehr setzt, oder wenn du nicht mal mit Pfeil und Bogen umgehen könnt’st. Wehrlos bist, deshalb musst’ ich ja auch meinen Bogen gegen die Wölfe nehmen, um ihnen einen gehörigen Schrecken einzujagen.“

„Aber ich habe noch nie in meinem Leben einen Bogen in der Hand gehabt.“

„Bist noch so jung. Wirst keine Schwierigkeiten haben. Wenn die Tiere noch so schnell sind, du musst lernen, schneller zu sein. Aber wer weiss, Mädel. Wär’ es nicht wunderbar, wenn sie vielleicht doch auf die Seite des Königs wechseln würden, um Ihm zu dienen? Aber nu ist Essenszeit, also auf die Füsse mit dir. Wir gehen zu mir nach Haus. Dann gibt’s noch viel zu lernen.“

Er gibt uns die Kraft, alles zu tun, worum er uns bittet.

TEIL II

Reisevorbereitungen

Kapitel Vier

Er lehrte meine Hände zu kämpfen, meine Arme, den ehernen Bogen zu spannen.(Psalm 18,35)

Zoe war froh, für die Nacht ein Dach über dem Kopf gefunden zu haben – bereits der Gedanke, die Nacht allein im Schierlingswald verbringen zu müssen, war furchterregend und liess sie erschauern. Sie gingen in Feenas Garten, um sich das Gemüse für ihre Mittagsmahlzeit zu suchen, obwohl die Mittagszeit längst vorüber war. In Feenas kleiner Hütte stieg Zoe ein köstlicher Duft in die Nase. Ein kleines Feuer loderte im Ofen, auf dem ein Topf mit Suppe brodelte. Feena schnitt schnell das Gemüse klein und rührte es in die kochende Flüssigkeit.

„Kann ich dir helfen?“, bot Zoe an.

„Nein, nein. Ruh du nur dein hübsches Köpfchen aus. Das Essen ist bald fertig.“

Zoe beobachtete Feena beim Kochen. Sie schien noch jung zu sein, aber dennoch hatte Zoe das untrügliche Gefühl, dass sie älter war, als sie aussah, weil sie über so viel Weisheit verfügte. Sie war grobknochig, stark und voller Selbstvertrauen. In ihrem Haar war keine einzige graue Strähne zu sehen. Sie war eine seltsame, aber faszinierende Frau.

Schon bald setzte Feena die dampfenden Suppenschüsseln auf den Tisch. Während sie assen, entdeckte Zoe ein riesiges Bärenfell und fragte: „Wie hast du so gut schiessen gelernt?“

„Dieser Bär hätt’ mich um ein Haar gekriegt. Nu, ein Freund hat ihn erlegt und mir das Leben gerettet. Er war’s auch, der mir das Schiessen beigebracht hat. Jeden Tag hab ich stundenlang geübt, bis ich endlich ins Schwarze traf. Auch jetzt noch üb ich jeden Tag. Hier, Mädel, nimm noch von dem Brot.“

Beim Essen stellte Zoe eine Frage, die sie beschäftigte, seit sie sich begegnet waren. „Darf ich fragen, wie alt du bist, Feena?“

Feena lächelte: „Achtundfünfzig bin ich.“

Zoe bekam grosse Augen. „Was hast du für ein Geheimnis?“

„Nu“, antwortete sie langsam, „ich dien’ dem König. Glaub, dass er mich jung hält, damit ich alles tun kann, worum er mich bittet. Ausserdem, stimmt schon, hab auch ich die Reise nach Remira gemacht.“

„Wirklich?“

„Schon. Vor etwa sieben Jahren starb meine Mutter, und mein Leben schien so leer. Weisst, hab nie geheiratet und sie hat mir alles bedeutet. Kurz nach ihrem Weggang hab ich die Einladung des Königs bekommen, nach Remira zu gehen. Hab mich entschieden zu gehen, weil ich was mit meinem Leben anfangen wollte.“

Zoe hörte ihr gespannt zu. „Ich war ganz gut im Bogenschiessen, also konnt’ ich mich verteidigen, aber wirklich wahr, es war eine schwierige Reise. Durgalt war mir ständig auf den Fersen. Hab ein Jahr gebraucht, bis ich endlich in Remira war. In dem Jahr hab ich viel über mich selbst gelernt – hab entdeckt, dass ich gar nicht so stark war, wie ich immer gedacht hatte.“

„Moment mal, Feena. Du bist doch eine starke Frau!“

„Nein, ich mein’ gar nicht die körperliche Stärke. Dachte immer, ich hätt’ alles im Griff, aber das stimmt gar nicht. Durgalt und seine Leute griffen mich ständig an, wirklich wahr. Wär’ viel besser gewesen, wenn ich den König um Hilfe gebeten hätt’, statt immer nur allein zu kämpfen. Erst als ich das endlich gelernt hatte, konnte Er mir helfen. Da hab ich die Reise in Ruhe beendet, ohne weitere Kämpfe. War früher eine ganz schön stolze und arrogante Frau. Jetzt leb ich für den König und versuch, immer in Seiner Kraft zu leben.“

Feenas Augen schweiften in die Ferne. „Meine Mutter hat auch immer vom König erzählt – war eine freundliche Frau, wirklich wahr.“

„Darf ich dich noch was fragen?“

Feena nickte. „Wie ist es in Remira?“

„Der schönste, friedlichste Ort, den ich je gesehen hab. Absolut vollkommen. Aber was mir am besten gefallen hat, war der Besuch beim König dort.“

Zoes Blick ging ins Leere. „Irgendwie erscheint mir alles gerade wie ein Traum … und noch dazu wie einer, der sehr weit weg ist.“

„O, so darfst aber nicht denken! Es wird dir schon real werden, je näher du Remira kommst. Wirklich wahr, tust gut dran, den König recht bald um Hilfe zu bitten, Mädel.“ Feena ergriff Zoes Hände. „Als ich in Remira war, hat mir der König gesagt, welche Aufgabe Er für mich hier im Schierlingswald hat.“

„Du meinst, du hast mit Ihm gesprochen … so wie wir hier gerade sprechen?“

„Nu, aber ja doch, Mädel. Wie willst Ihn denn sonst kennen lernen?“

„Wahrscheinlich hast du Recht. Bis ich Seine Einladung nach Remira erhielt, habe ich immer gedacht, es wäre alles nur eine Geschichte, wie ein Märchen.“

„Nu, ist aber alles wahr. Wie geht’s, nachdem gegessen hast?“

Zoe lächelte. „Viel besser, danke schön.“

„Gut so, Mädel. Jetzt müssen wir nämlich mit deiner Ausbildung anfangen.“

Als sie vor die Tür traten, blickte sich Zoe ängstlich nach den Wölfen um. Feena fing ihren verzweifelten Blick auf. „Brauchst keine Angst haben, so bald kommen sie nicht zurück.“

Feena senkte ihre Stimme zu einem Flüstern: „Vielleicht glaubst es nicht, Mädel, aber das ist ein verzauberter Wald, wirklich wahr. Viele Tiere hier können sprechen.“

„Sie können wirklich sprechen?“