Aufbruch in eine neue Zeit - Elmar Reinke - E-Book

Aufbruch in eine neue Zeit E-Book

Elmar Reinke

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Beschreibung

Elmar Reinke hat sich in diesem Buch mit einer Zeit beschäftigt, die heute nicht mehr jedem aus eigener Erinnerung präsent ist, den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. In verschiedenen Episoden führt er den Leser in eine Welt des Aufbruchs, des Fortschritts, der vielen Neuerungen und am Ende auch der sozialen Umwälzungen, die z.T. in Gewalt mündeten. Es war eine Zeit, die alles war, nur keine Zeit des Stillstands.

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Gliederung

Aufbruch in eine neue Zeit

Elfriede K. und ihr Sohn Kai

Auf der Jagd nach Autogrammen

Die Beatles in Österreich

American Sports: Im Wettkampfmodus

Berlin: »Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten«

Beim Bund in den Sixties

Maharishi Mahesh Yogi

Die Aufklärung über die Dinge des Lebens und was in den Sechzigerjahren daraus wurde

Die deutsch-französische Freundschaft

Änderungen des politischen Klimas

Das Ende der Sechzigerjahre

Aufbruch in eine neue Zeit

In den letzten Jahren hatte ich vieles von dem beschrieben, was mir in meinem bisherigen Leben wichtig war.

Eigentlich sollte der Rückblick damit abgeschlossen sein. Aber je intensiver ich mich mit der Vergangenheit beschäftigte, desto mehr fiel mir auf, dass ich auf einen bestimmten Abschnitt meiner Jugendzeit bisher nur wenig eingegangen war.

Das waren die Sechzigerjahre, die »Swinging Sixties«. Es war die Zeit zwischen den eher langweiligen Fünfzigerjahren in der Nachkriegszeit und den Siebzigerjahren, als in Deutschland und Europa wieder unruhigere Zeiten anbrachen.

Aus meiner Sicht zeigten sich in diesem Jahrzehnt die Vorboten der Änderungen, die bald kommen würden. Während nach dem Ersten Weltkrieg die »Roaring Twenties« eine neue Zeit ankündigten, brachten die »Swinging Sixties« eine plötzliche und nachhaltige Veränderung der Kultur und des Lebensstils.

Die Quelle dieser Veränderungen war London, aus musikalischer Sicht natürlich auch Liverpool. Die »Beatles«, von denen noch die Rede sein wird, stammten aus dieser Stadt.

Vieles wurde bunter, vielleicht auch etwas frecher. Und die Änderungen brachten einen frischen Wind mit sich, und sei es nur in der Mode, wie zum Beispiel die Miniröcke oder die längeren Haare, und es galt auch für das eher lässige Auftreten. Ganz besonders war es eine neue Unbefangenheit. Es hatte auch etwas Befreiendes.

Übrigens war es auch eine Ära mit neuen Erfindungen, die unser Leben bis heute prägen. In Deutschland hat vieles, was heute selbstverständlich ist, seinen Ursprung in dieser Zeit. Das gilt für vieles, von der »Pille« (ab 1961) bis zur Einführung des Farbfernsehens (ab 1969). Ähnliches galt zum Beispiel auch für Diskotheken, die allerdings inzwischen wieder an Bedeutung verloren haben.

London löste damals Paris als kulturelles Zentrum ab. Diese Stadt hatte bis dahin mit ihren Jazzlokalen, den Kinofilmen, der französischen Literatur das eher studentische und intellektuelle Umfeld geprägt.

Für mich waren die Sechzigerjahre die Zeit zwischen meinem 14. und 24. Lebensjahr. Das war natürlich auch der Lebensabschnitt, der mich besonders geprägt hat.

Im Folgenden will ich einige Geschichten aus diesem Jahrzehnt erzählen. Es sind Geschichten, die typisch für dieses Zeit waren, und solche, die ich direkt miterlebt hatte.

Die erste Geschichte ist dabei noch in der Nähe des vorangegangenen Jahrzehnts in Deutschland einzuordnen, also den Fünfzigerjahren. Man spürt sogar noch den langen Schatten der Dreißigerjahre.

Dabei wird auch der Unterschied deutlich zwischen den Fünfzigerjahren und den bald danach aufkommenden eher lockeren Sechzigern, den »Swinging Sixties«.

Elfriede K. und ihr Sohn Kai

Diese Geschichte zeigt, wie ein kleiner Vorfall an einer Schule völlig aus dem Ruder laufen kann.

Passiert war Folgendes: Es war etwa im Jahr 1959 oder 1960. Wir hatten an einem heißen Sommertag Unterricht in der sechsten Stunde, also kurz vor dem Ende des Schultags. Es war eine Mathematikstunde. Die Konzentration ließ irgendwann bei allen etwas nach. Die Gedanken schweiften ab, und der eine oder andere kam auf die Idee, sich die Zeit mit dem Werfen von Papierkügelchen oder anderem Unsinn zu vertreiben.

Es war letztlich nicht mehr als eine Szene wie aus der »Feuerzangenbowle«. Der Lehrer erwischte einen, und der wurde auch bestraft. Damit schien alles erledigt.

Nun kam aber Kai, ein Schüler, der neu war in der Klasse, auf die grandiose Idee, den Lehrer darüber zu informieren, dass der und der und auch noch ein weiterer sich in gleicher Weise danebenbenommen hatten.

Vor allem weil das ohne Grund, also ohne besonderes Nachfragen des Lehrers geschah, kam das gar nicht gut an bei den Mitschülern. Welcher Teufel hatte Kai hier bloß geritten, seine Mitschüler so unnötig in die Sache hineinzuziehen? Ich unterstelle mal, dass der Grund irgendwie ein Gefühl für Gerechtigkeit war, was an sich ja auch ein nobles Motiv ist.

Nach meiner Erinnerung gab es in den Fünfzigerjahren nun allerdings ganz allgemein einen raueren Umgangston unter Jugendlichen. Es fiel dann in der nachfolgenden Unruhe auch bald das Wort »Klassenkloppe«. Den Begriff muss man, glaube ich, nicht näher erläutern. Kai wurde von mehreren Schülern nach Hause »begleitet«.

Verprügelt wurde am Ende niemand. Ich sah aber, dass sich vor dem Mietshaus am Kieler Blücherplatz, in dem Kai mit seiner Mutter wohnte und an dem ich später vorbeikam, ein »Mob« versammelt hatte, der das Haus belagerte und randalierte. Vielleicht wurde auch das eine oder andere unfreundliche Wort nach oben gerufen. Bei allem Verständnis für den Ärger einiger Schüler war das natürlich maßlos übertrieben und auch ungerecht. Lag es an dem Stress im Schulunterricht, am schwülen Wetter oder brach sich nur etwas Bahn, was unterschwellig vorhanden war?

Oder war der Hauptgrund ein ganz anderer, zum Beispiel, weil Kai sich überhaupt nicht verteidigte oder richtig wehrte? Ich weiß es nicht mehr genau.

Einige Erwachsene (Nachbarn?) suchten nun nach dem Klassensprecher und sprachen mich an, weil ich in diesem Jahr zum Klassensprecher gewählt worden war. Ich sah mich hier aber nicht in der Lage oder in der Pflicht, etwas zu unternehmen, zumal Kai ja schon zuhause war. Eigentlich passte dieses »Amt« sowieso nicht zu mir. Ich weiß bis heute nicht, warum ich überhaupt in einer Klasse mit über 30 Schülern in dieses »Amt« gewählt wurde. Es bestand im Wesentlichen daraus, dass man sich bei den Lehrern über zu viel Hausarbeiten beschweren sollte, was meistens erfolglos war. Ich war als 13- bis 14-jähriger Schüler jedenfalls niemand, der eine solche Situation, wie in diesem Fall mit Kai, allein hätte bereinigen können. Hätte ich es aber doch versuchen sollen, hätte ich an der Wohnungstür klingeln sollen? Vielleicht wäre es besser gewesen.

Am Ende ging ich an diesem Tag davon aus, dass sich die Sache nun doch irgendwie erledigt hatte. Das war aber ein großer Irrtum! Es ging am nächsten Tag erst richtig los.

Das lag nun zunächst einmal an der Mutter von Kai, die damals einen gewissen Promistatus hatte.