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In Aufkommender Atem konzentriert sich Christian Lehnert, ein Meister der strengen kleinen wie auch der größeren epischen Gedichtform, auf kürzere, sehr einheitlich gefügte Gedichte. Um Naturbilder, häufig der näheren brandenburgischen und sächsischen Heimat, voller akustischer und optischer Eindrücke, aber doch eigentümlich still und auf mystische Weise offen für eine weit mehr als naturalistische Erfahrung: Nicht statisch ist sie, sondern auch ein Raum für Frage, Ahnung und Hoffnung. Und so erwacht aus der präzisen Anschauung jener pfingstliche Wind, der seit jeher Verheißung bedeutet und ein neues Verständnis aller Dinge, einen ‚anderen Zustand’ mit sich bringt.
»Das Blasse mein ich, das im Licht verschwindet,
in Wachschlaf fällt, und eingehüllt, vergessen
am Grund liegt, wartet, weil ein Fisch sich windet,
weil Krebse wachsen und sich stumm zerfressen,
weil langsam eine warme Sandform bricht,
das Wartende aus Tod und Leben, weich
und sprachlos, wie es von dem Anfang spricht
und daß ein Atemzug für immer reicht.«
19. Januar 2009
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Seitenzahl: 28
Christian Lehnert
Aufkommender Atem
Gedichte
Suhrkamp
© Suhrkamp Verlag Berlin 2011
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
eISBN 978-3-518-76300-1
www.suhrkamp.de
Die Amsel zögert noch in einer Welt,
die innen stumm ist, außen kaum zu fühlen,
im Schnee. Als hätte sie sich vorgestellt,
zum Fliegen sei ein Ton herabzukühlen,
der Wind sei ein bestimmtes Intervall,
so klar wie Eis. Im Schwarm allein, das eine
gefiederte Erwachen, Widerhall –
wie Schatten gleiten Vögel über Steine
in gläsernes Gezweig, in hartes Moos.
Noch scheint die Sonne aus der Luft gegriffen,
noch wirkt die Scheune völlig schwerelos,
fossiler Zahn von Zeit und Traum verschliffen.
Ich hab geschlafen, ich war wach,
ein langes Flügelschlagen.
Man hat gesucht nach mir, ganz schwach
beginnt es blau zu tagen.
Der Tag ist eine hohe Wand.
Ich bin nicht dort, nicht hier.
Mich nahm der Nordwind bei der Hand,
und keiner weiß von mir.
In mich hinein sieht eine klare Nacht.
Ich bin ihr Wort und fange eben an,
es zu verstehen, und sie wartet, wacht
bei meinem Herzen, daß ich ruhen kann.
Vögel, diese Vögel, ohne Halten,
blau und grau, wie sie verfliegen!
Wie sie nahen, maßlos, wie Gestalten
von Welten, die im Dunkeln liegen!
Jählings, mit der Seele irgendwo,
ein warmer Flügel, eine Kralle –
ich wart auf nichts, weiß nichts zu sagen, roh
liegt alles Land, in das ich täglich falle.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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