Augenblicklich glücklich - Frank Romanowski - E-Book

Augenblicklich glücklich E-Book

Frank Romanowski

0,0

Beschreibung

Zu diesem Buch: Wie wird man glücklich? Dem einen fällt es einfach zu. Alle anderen suchen weiter. Wonach denn eigentlich? Nach dem Sinn des Lebens? Was ist der Sinn des Lebens? "Glücklich zu sein!" Felix hatte Glück, grosses Glück und wird doch erst am Ende (wieder) glücklich, nach dem er einige Abenteuer des modernen Menschen in der rauhen See von Geschäften und Beziehungen, mal an der Cote d´ázur, mal auf einem Kreuzfahrtschiff bestanden hat. Und, ach ja eine Talk-show!! Ein essayistischer Roman unserer Zeit, kurzweilig, abenteuerlich! Erzählt wird die Geschichte eines Psychiaters, der versucht anderen Menschen zu helfen glücklich zu sein, obwohl er selbst vom Glück getroffen, unglücklich wird. Aber doch am (happy) Ende sein Glück wiederfindet. Eine moderne Beziehungsgeschichte über die tausend Seiten des Glücks, von dem es heisst es gäbe nur "ein" Wahres.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 208

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wie wird man glücklich?

Dem Einen fällt es einfach zu.

Andere suchen danach.

Aber wonach soll man eigentlich suchen?

Die Geschichte erzählt von Felix dem Psychiater, der anderen helfen will glücklich zu sein, der selbst aber nicht sucht, weil ihm das Glück immer zugefallen ist.

Bis zu dem Tag, an dem ihn das ganz große Glück trifft.

Den Guten

Menschen in meinem Leben

Glück

März 2017

Augenblicklich glücklich

Roman von Frank Romanowski

Geld. Macht. Glücklich.?

Morgenblüte

So nah mit dem Traum

erwacht.

Heute ist es genau ein Jahr her. Ein Jahr danach. Ein Jahr nach dem Tag, der mein Leben verändert hat.

Obwohl ich im vergangenen Jahr alles darangesetzt hatte, dass genau das nicht passiert: Dass sich mein Leben ändert.

In dem Augenblick als ich heute aufgewacht bin, dachte, nein fühlte ich, dass das Glück in meinem Leben, in mein Leben zurückgekehrt ist.

An die Träume dieser Nacht erinnere ich mich nicht. Wohl auch, weil es nicht die Art von Träumen war, die man so schnell wie möglich vergessen möchte, oder über die sich dann die Realität erhebt und der Verstand sagt: Zum Glück alles nur geträumt. Nein, das vergangene Jahr war Realität, auch wenn man sagen könnte: Es begann mit einem Traum. Aber jetzt, da es vergangen ist, lässt sich über das erzählen, was sich im vergangenen Jahr ereignet hat. Und es musste wohl auch erst zu diesem Morgen kommen, an dem ich wusste, dass ich wieder glücklich sein kann. Und es musste wohl auch eine Zeit vergehen, um mit dem Abstand, der dadurch gewonnen ist, auf die Ereignisse zurückzublicken, damit sie mit dem Blick des heutigen Tages, so erscheinen, wie sie hier erzählt werden sollen. Nachdem darüber nachgedacht und auch darüber geträumt wurde.

Wobei das Ereignis, von dem ich meine, dass es mein Leben veränderte, für viele ein Traum ist und bleibt.

So will ich hier schildern was im vergangenen Jahr passiert ist. Mit dem Augenblick, der das Leben in eine Zeit davor und eine Zeit danach einteilte. Mit dem Ereignis, das wie ein Zufall eintrat und für das es nur wenig Zutun meinerseits bedurfte, damit es eine Chance hatte sich als Glücksfall zu erweisen.

Wobei ich den Augenblick an sich zunächst gar nicht mitbekommen hatte.

Auch wenn die Geschichte in der Vergangen-heitsform geschrieben ist, so kommt sie mir immer noch gegenwärtig vor. Und das Erzählen lässt die Geschichte, das Geschehene wieder lebendig werden und weniger wie ein Traum erscheinen.

Und das vergangene Jahr schrumpft im Nachhinein auf die Grösse eines einzigen Ereignisses zusammen, wie die Träume der Nacht wie ein einziger Traum erscheinen, obwohl sie nicht wirklich zusammenhängen.

Und heute stellt sich mir die Frage, wie wären die Dinge verlaufen, wäre ich nicht an diesem Tag einkaufen gegangen?

Aber es sind doch wohl nicht die Zufälle, das Schicksal, die den Lauf unseres Lebens verändern, als vielmehr die Entscheidungen, die wir selber treffen. Und es erscheint uns im Nachhinein, viel einfacher, den Zufällen die Verantwortung für das Geschehene zuzu-schreiben, als uns selbst.

Auch wenn mir die Ereignisse des letzten Jahres scheinbar ohne Zusammenhang, locker gefügt aneinander gereiht erscheinen, wie die Träume der Nacht, so sind sie es in Wirklichkeit nicht.

Das eine Ereignis ist die Voraussetzung für das Nächste. Und das Nächste eine Folge des Vorangegangenen. Und eines ergibt sich aus dem anderen, untrennbar mit dem Vorangehenden durch ihre Bedingtheit verbunden.

Und alles scheint auf das eine Ereignis zurückführbar zu sein, das Ereignis, welches ein jeder Mensch als ein großes Glück, wenn nicht sogar das größte Glück in seinem Leben bezeichnet hätte.

Der glücklichste Tag, oder besser gesagt der Tag mit dem größten Glücksfall, jährte sich heute. Und ich bin froh sagen zu können, dass heute fast alles wieder so ist wie vor dem Tag vor einem Jahr. Aber eben nur fast.

Felix

Felix heiße ich und es kommt mir wie eine Ironie vor, dass das Schicksal, was auch immer man darunter verstehen mag, sich den Spaß erlaubt hat, mir genauso mitzuspielen wie es mein Name verspricht. Felix der Glückliche!

Es heißt: Die Menschen streben nach Glück. Natürlich wollte ich in meinem Leben auch glücklich sein. Aber ich hatte nie das Gefühl mich dafür besonders anstrengen zu müssen. Es fiel mir einfach zu.

Offenheit für Neues, Schlichtheit im Herzen und den Anderen so zu akzeptieren wie er ist, sind nach fernöstlicher Denkart die Voraussetzungen für Erfolg und Glück. Das Glück ist im Westen aber mit dem Tüchtigen.

Besonders fleißig war ich nie. Die Prüfungen in Medizin bestand ich mit Leichtigkeit. Wer gut aussieht, hat es leichter im Leben. Blond, gross, wenn das schon gutaussehend ist? Nicht einmal mit blauen Augen, sondern mit grünen, fand ich mich nie besonders herausragend. Für meine Grösse eher etwas zu schmal und von den blonden Haaren auch nicht all zu viele. Kurzsichtig, im medizinischem Sinne, dafür aber mit Brille, die einem Facharzt für Nervenheilkunde aber gut zu Gesicht steht. Mit fünfzig Jahren ist es so auch nicht schwer distinguiert, kompetent, freundlich zu erscheinen, was die Kundschaft erwartet. Die oft etwas verkniffenen Mundwinkel sind von einem Dreitagebart verdeckt, so dass der äussere Eindruck den Erwartungen entspricht.

Ich hatte es mir gemütlich eingerichtet mit meiner Kollegin, seit 20 Jahren in unserer Praxis am Rande der niedersächsischen Landeshauptstadt. An Rente oder zur Ruhe setzen dachte keiner von uns, denn nachdem alle Kredite abbezahlt waren, selbst die für das Häuschen im Grünen, machte das Arbeiten Spass, die Stammpatienten kamen regelmässig und es fehlte zum Glück: Nichts.

Im Haus am Stadtrand hatte Andreas, wenn ich heimkomme gewohnheitsmäßig einen Happen vorbereitet, für den Fall, dass der Doktor doch einmal schlechte Laune hätte, was aber immer seltener vorkam. Das einzige größere „Thema“ in unserem beschaulichen Vorstadtleben war die Anschaffung einer neuen Küche. Kein Beziehungsstress. Geburtstagspartys und Gartenpartys mit Freunden, wechselten sich mit Sommerurlauben und Wochenendausflügen als Landmarken im Jahreslauf ab. Und auch die Anschaffung einer neuen Küche war bereits von langer Hand geplant, und beim Aussuchen der Materialien bestand Einigkeit über Art und Farbe. Es konnte einem fast schlecht werden vor Glück und Harmonie!

Ich misstraute diesem Frieden, gewohnheitsmäßig: „Irgendetwas passiert bestimmt!“ Passierte aber nicht, zumindest nichts „Schlimmes“.

Es hätte immer so weiter gehen können, ereignislos, stressfrei, gemütlich!

Und dann passierte das: Jeder hat schon davon geträumt. Es ist in Liedern 100-mal besungen worden. Und jede Woche ist es eine Nachricht.

Der„Schicksalstag“ war ein Donnerstag im März. Es war einer von diesen Sommertagen, die selten im März auftreten. Die Sonne schien auch früh abends noch warm. Ich war zeitig aus der Praxis nach Hause gefahren, um die ersten Sonnenstrahlen des Jahres zu genießen, nachdem die letzten Patienten auf der Terminliste, wohl aus demselben Grund nicht erschienen waren.

„Du bist aber früh zu Hause“, sagte Andreas, als ich die grün gestrichene Haustür aus den dreißiger Jahren mit der Arzt-Tasche in der einen und dem Schlüssel in der anderen Hand aufschob.

Andreas stand auf der Treppe und sah mir zu, wie ich die Tür hinter mir mit dem Ellenbogen wieder zudrückte. Sein Kopf mit den nach oben frisierten Haaren, undercut genannt, zeichnete sich gegen das Tageslicht ab und warf einen scherenschnittartigen Schatten an die weisse Wand des kleinen Treppenaufgangs.

„Gehst du noch einkaufen?“ fragte er und ging mir voraus in die Küche, deren zweimalig überlackierten Schränke aus den 70er Jahren waren, „ich bin zu nichts gekommen, außer Ware packen. Es wird gekauft wie verrückt und alles muss morgen noch raus. Also werde ich jetzt kein Essen machen und fragen, „wie war dein Tag?“

„Ach das könntest du aber tun, sagte ich.“

„Was? Dich fragen wie dein Tag war?“

„Nein, etwas kochen.“

„Dann bring bitte alles für ein Thai-Curry mit, ich schick dir die Einkaufsliste per mail.“

Wie sich Dinge doch ändern können. Noch vor Jahren gab es für Andreas Obstsalat höchstens mit Eis, Sahne und sehr viel Zucker, wenn überhaupt. Das war bevor er mit dem Rauchen aufgehört hatte und regelmässig ins Sportstudio ging. „Essen macht glücklich!“ Aber die Zeiten von Pommes und Currywurst sind vorbei. Jetzt also Thai-Curry. „Du bist ein oraler Typ“, hatte ich Andreas vor Jahren gesagt, als er sich mit einem „Essen macht glücklich“ über einen Hamburger hermachte. „Das du beim Essen an Sex denken kannst“, hatte er geantwortet. „Das hat damit nichts zu tun, „oral“ ist eine Persönlichkeitsbeschreibung.“

„Ihr Psychiater seid pervers“, sagte er damals mit vollem Mund. „Nein es bedeutet, dass man seine Befriedigung mit oralen Genüssen sucht.

„Sag ich doch, pervers!“

Stellte er sich damals noch regelmässig auf die Waage und drückte dabei den Bauch zur Seite mit einer gespielten Verwunderung sagend: „Oraler Typ? Bauchtyp muss es heissen“, so spannte jetzt das Poloshirt am Oberarm, nicht mehr am Bauch. Sport sei Dank!

„Glaub nicht, dass mir Sport Spass macht!“

„Laufen setzt Glückshormone frei“, hatte ich versucht ihn zu motivieren, „Das nennt man runners-high, wenn man beim Laufen, wie unter Drogen steht und süchtig nach Bewegung wird.“ „Ich sag ja pervers! Bei mir funktioniert das nicht, ich habe keine Glückshormone beim Laufen“, antwortete er, „bei mir setzt es nur Hunger-hormone frei.“

Auf dem Weg zum Supermarkt öffnete ich das Kabriodach und freute mich, dass es nach dem langen Winter ohne Probleme aufging. Zum Glück.

Mit eingeschalteter Heizung fuhr ich langsamer als es nötig war durch die kleine Strasse am Stadtrand, vorbei an Häusern jedes späteren Baujahrs, als 1930, vorbei an kleinen Mauern mit Zäunchen darauf, die nur Hunde am Betreten oder Verlassen der Grundstücke hindern konnten, vorbei an eben diesen kleinen Hunden, wie sie mit ihren zugehörigen Menschen die Abendpatrouille gingen.

Die Nachbarin aus dem weißen Haus am Ende der Straße ging mit ihren zwei Minihunden, erstmals im Jahr ohne Mütze, so dass man ihr Gesicht genau sehen konnte, welches durch die Sonnenstrahlen ein wenig freundlicher aussah als sonst. Sie grüßte nur wenn es unvermeidbar war. Jetzt bemerkte sie mich im Vorbeifahren nicht. Ich überholte zwei Joggerinnen, bog um die Straßenecke, an der ein altes Haus, fast eine kleine Villa, stand. Der Supermarktparkplatz war halb gefüllt. Ich parkte den Wagen direkt neben der Schlange von Einkaufswagen, die weit aus dem Unterstand mit einer leichten Biegung herausragte.

Ich zog einen der Einkaufswagen aus der Schlange und mit einem Ruck schob ich ihn Richtung Eingangs-Drehtür, wie ich es die letzten 20 Jahre oft getan hatte. Mit dem Schwung der Aussicht gleich frisches Obst und Gemüse hineinzutun und der Aussicht, dass es bald auch Erdbeeren, Spargel und irgendwann auch aromatische Pfirsiche sein werden. Fast wäre ich auf den Einkaufswagen aufgesprungen und mit ihm ein paar Meter, wie auf einem Skateboard gefahren. Ich ertappte mich dabei, wie ich einen Schlenker um zwei parkende Autos machte, nur um noch eine Weile länger in der Abendsonne zu sein. Vergangen waren die Tage an denen man bei Nieselregen und Kälte direkt auf die Eingangstür zusteuerte ohne links und rechts zu gucken. Das Jahr hatte begonnen.

Und es gab keinen Zweifel mehr daran, dass der Frühling sich durchsetzen will. Die Räder des Einkaufswagens klapperten auf dem Asphalt, wie ein Trommelwirbel. Ich hatte den Einkaufszettel noch nicht auf mein Handy heruntergeladen und würde auch erst an der Kasse auf die e-mail mit der Einkaufsliste schauen, ob etwas Wesentliches fehlte. Etwas Neues konnte passieren. Das Jahr hatte begonnen. Alles war möglich.

So war es auch wohl eine Laune, die mich dazu veranlasste, den Lottoschein auszufüllen, eine Spiel-Laune. In einer Minute waren die Kreuzchen gesetzt, der handgeschrieben Lottoschein vom Lesegerät in einen Computerausdruck mit allen Zusatzzahlen, Super6 und Jackpot und Glücksspirale und mir sonst auch unbekannten Gewinnchancen umgesetzt und ausgedruckt. Schon stand ich in der Gemüse-Abteilung und hatte den Lottoschein im Portemonnaie neben dem Pfand-Bon vom vorletzten Einkauf schon wieder vergessen.

Wenn Glück zur Voraussetzung die Abwesenheit von Unglück hat, dann konnte ich glücklich sein. Das einzige was mich im Moment beschäftigte war den Wagen in der Gemüseabteilung weiter zu schieben.

„Du hast immer Glück gehabt im Leben!“ Das hatte ich oft zu hören bekommen. Dabei meinten diejenigen, die diesen Satz von sich gaben, aber eher den beruflichen Erfolg. Das musste nicht unbedingt neidisch gemeint sein. Doch es hörte sich, wenn es so einfach daher gesagt wurde, so an, als ob jeder Erfolg in meinem Leben, so vom Himmel gefallen wäre. Aber es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Auch Meister müssen üben. Und niemand kommt mit dem Wissen auf die Welt, das nötig ist um im Leben zurecht zu kommen. Es ist nicht schwer sich das Leben schwer zu machen. Aber wie man das Leben meistert ist nicht an einem Tag gelernt. Den Beruf des Lebens müssen wir alle lernen. Manche schaffen nicht einmal die Gesellenprüfung. Andere werden Meister.

Du hast immer Glück gehabt im Leben. Glück erfordert keine Mühe. Den Glücklichen unterstellen die Mitmenschen, dass sie sich nicht anstrengen müssen. Sie trauen ihnen alles zu und gehen davon aus, dass ihnen alles gelingt. So ist es vielleicht kein Wunder, dass ich Arzt geworden bin. Dieser Ruf, alles mühelos zu schaffen, ist für einen Heiler nicht der schlechteste und schafft Vertrauen. Misserfolge von Glückspilzen werden übersehen. Das macht vieles leichter. Nicht dass ich mich nicht hätte anstrengen müssen. Aber es bestand keine Notwendigkeit dies der Welt mitzuteilen. Sollen sie doch glauben, ich bekäme alles geschenkt. Meine Mitmenschen machten mir vieles leichter als es sein musste.

Als Arzt und Psychiater lernt man die Menschen kennen. Und irgendwann wird klar, dass jeden Menschen, neben dem was er zum täglichen Leben braucht, das gleiche antreibt, dass alle Menschen das gleiche suchen.

Und man muss schon Papst oder der Dalai Lama sein, um die Frage, „Was ist der Sinn des Lebens?“ glaubhaft zu beantworten.

Wenn ein Autoverkäufer darauf antwortet, würde eine jede Antwort, als „Kaufen Sie sich einen Neuwagen!“ verstanden werden. Selbst Halbgöttern wird eine einfache Antwort nicht abgekauft.

Was ist der Sinn des Lebens?

Der Sinn des Lebens ist glücklich zu sein.

Punkt.

Kann man Glücklichsein lernen? Ja!

Ich blieb mit meinem Wagen vor dem Gemüse stehen, blickte auf Tomaten, Zwiebeln und Kohlrabi, „Neue Ernte“ war an dem Regal zu lesen.

Mir schoss eine Studie in den Kopf, die ich am Morgen gelesen hatte: Die Neurobiologie meint festgestellt zu haben, dass nur 10 % der Menschen denken, der Rest der Menschen übernehme vorgefasste Meinungen.

Radieschen wanderten neben den Kopf-Salat, Zucchini und die Kartoffeln der „Neuen Ernte“ in den Einkaufswagen. Das Gefühl isst mit, neu klingt frisch. Der Verstand hat seltener Hunger.

Beim Essen regiert das Lustprinzip. Ich schob den Wagen vorbei an den getrockneten Kräutern zum Kühlregal. Ich griff zu einer Flasche mit vorgefertigter Salatsauce. Weil sie einfach besser schmeckt als Essig und Öl, Kalorien, Fett und Cholesterin hin oder her. Bei Fragen der Lust verdirbt Denken definitiv dieselbe. Das gilt nicht nur beim Essen. Also braucht man Verstand nur wenn es schwierig wird? Ich steuerte auf die Cerealien und die Marmelade zu. Die Cerealien blieben im Regal. Apfelgelee und Blaubeer-Marmelade, wanderten neben die Salat-Soße und die Kokosmilch. Ich schob den Wagen weiter in die Wurstabteilung. Wenn es wirklich um etwas geht, ist guter Rat meistens teuer. Damit verdienen Psychiater ihr Geld.

Ich bezahlte meine Einkäufe und fuhr nach Hause.

Zu Hause angekommen, legte ich die Einkäufe in der Küche ab, setzte mich vor den Computer und begann mit der Spätschicht: Seit einem Jahr betrieb ich einen Blog. Für Lebensfragen und für alle, die sich nicht in die Praxis trauen. An den Blog angeschlossen ist ein Chat. Heute war Chat-Tag.

Auf dem Bildschirm leuchtete bereits die erste Frage. 150 Follower hatten sich zugeschaltet:

„Ich habe Angst das Haus zu verlassen, weil ich mir nie sicher bin, ob ich auch wirklich alle Fenster zugemacht und die Tür abgeschlossen habe. Deshalb drehe ich nach ein paar Metern wieder um, um noch einmal nach zu sehen, ob die Tür wirklich abgeschlossen ist. Das mache ich manchmal so lange bis der Supermarkt geschlossen hat, obwohl ich einkaufen wollte. Bin ich jetzt verrückt?“

Ein anderer Chat Teilnehmer fragte: „Und war die Tür denn schon mal offen geblieben?“ „Nein, aber das liegt daran, dass ich ja immer kontrolliere, ob sie wirklich abgeschlossen ist!“ kam zur Antwort.

Ich mischte mich zunächst nicht ein. Einen Kommentar von mir gab es hinterher im Blog, den ich in aller Ruhe nach dem Chat schreibe. Der Kommentar für diesen Kontrollzwang war schnell fertig:

„Einmal kontrollieren ist in Ordnung, zweimal kontrollieren ist Zeitverschwendung.“ Und in der Tat, die Tür ist fast immer zu. Es geht gar nicht darum, dass man etwas vergessen könnte, sondern darum Angst zu haben vor den Folgen, die eine nicht abgeschlossene Tür hat: Zum Beispiel bestohlen zu werden, oder Fremde im eigenen Haus zu haben. Es lohnt sich auf jeden Fall sich genau mit diesen Ängsten zu befassen: Habe ich Angst mein Eigentum zu verlieren? Habe ich Angst davor, dass fremde Menschen in mein Haus eindringen. Auch wenn alle Menschen davor Angst haben, muss man doch sagen, nicht jeder kontrolliert deswegen die Haustür mehr als einmal. Wir schließen ja gerade ab, damit wir nicht bestohlen werden und keine Fremden in das Haus eindringen. Den meisten reicht das als Sicherheit und wir können dann unserem Ziel, zum Beispiel einkaufen zu gehen, weiter folgen. Dies ist aber nicht möglich wenn die Angst davor dass eingebrochen wird in unserer Abwesenheit, nicht aufhört. Das stört uns im Alltag. Psychiater nennen das eine Störung und nicht verrückt. Was kann helfen? Im Grunde nur die Angst auszuhalten. Dieses kann man entweder alleine versuchen, indem man sich mehr oder weniger selbst dazu zwingt auf jeden Fall einkaufen zu gehen, oder aber mithilfe eines Therapeuten.

„Hallo Leute. Ich bin der absolute Pechvogel. Heute habe ich durch eine SMS glaube ich meine besten Freunde verloren. Dabei hat alles nur mit einem Korkenzieher angefangen. Vor einer Woche wollte ich mir abends eine Flasche Wein aufmachen, als mein einziger Korkenzieher abgebrochen ist. Ich wollte zunächst eine Etage höher gehen um meinen Nachbarn zu fragen, habe mich dann aber nicht getraut weil dieser am Nachmittag ohne mich zu grüßen an mir vorbei gegangen ist und ich nicht weiß, ob er etwas gegen mich hat. Meine besten Freunde wohnen nur zwei Straßen weiter, also bin ich zu ihnen hin und habe mir ihren Korkenzieher geliehen. Ich hatte Ihnen versprochen den Korkenzieher schnell zurück zu bringen. Am nächsten Tag hatten Sie mir dann eine SMS geschickt und mich gefragt, wann ich denn den Korkenzieher zurück bringen würde. Ich hatte einen stressigen Tag deswegen konnte ich den Korkenzieher nicht zurückbringen. Ich habe dann geantwortet, dass es unter Freunden ja wohl möglich sein sollte sich mal etwas zu borgen. Deswegen müsste man ja nicht gleich so empfindlich reagieren. Als Antwort kam von meinen Freunden dann, dass sie sich jetzt einen neuen Korkenzieher gekauft hätten und ich ihnen gestohlen bleiben kann.

Die Korkenzieheraffäre wurde noch die ganze Nacht im Chat heftig diskutiert. Nach der Cybersprechstunde zeigte der Zähler 200 Follower an, ich wertete das als Erfolg. Dem Pech-Vogel hatte die Chat-Gemeinde bereits ordentlich eingeheizt. „Wenn man immer nur schlecht von seinen Mitmenschen denkt, ist es auch kein Wunder wenn man kein Glück hat!“ brachte es auf den Punkt.

Und überhaupt: alleine Alkohol trinken! Alkohol ist keine Lösung!“

„Wein schon!“

„Alkohol ist doch wohl sein geringstes Problem!“

Die Chat Gemeinde war nicht zimperlich. Es ist nicht einfach sich das Leben nicht schwer zu machen.

„Hast du noch nicht genug von deinen Verrückten?“ Andreas kam um die Ecke und schaut mir über die Schulter auf den Bildschirm. „Das hast du doch den ganzen Tag, musst du dir das auch noch am Abend antun?“ fragt er.

„Hier sind alle, die sich nicht in die Praxis trauen“, sagte ich. „Noch nicht“, entgegnete Andreas, „ich habe gekocht.“

„Aber schau dich doch mal im Internet um, was es da für Psychologie-Foren gibt:

Finden Sie Ihr Glück! Die 77 Arten glücklich zu sein! Wenn man dann klickt kommt als erstes eine Batterie von popups mit Werbung: „Abnehmen leicht gemacht, reich in zwei Monaten! Was hat das mit Psychologie zu tun?“ Oder ein anderer blog: Braincast 4.0! „Ließ mal was da steht!“:

„Fliegen ist nur ein Trick! Den muss man beherrschen, dann klappt es: Nicht auf den Boden fallen!! Aber daneben! Das ist Zen-Buddhismus! Dem ist dieser Braincast gewidmet….“

„Das ist doch verrückt“, sagte Andreas und las weiter: „Fliegen ist subjektiv, man muss nur den richtigen Schubs bekommen! Das sind neueste Untersuchungen von „Braincast“ an Hunde-hinterlassenschaften.“ „Der meint das ernst“ sagte Andreas.

„Das ist verrückt!“

Das Thai Curry aßen wir nebeneinander auf dem Sofa sitzend, eine Tatortwiederholung guckend. Wenn jemand hinter dem Sofa gestanden hätte, musste es ungefähr so ausgesehen haben wie das Bild „Mann und Frau in Betrachtung des Mondes“ von Caspar David Friedrich. Der Mond ist der Bildschirm das Sofa die Klippen. In trauter Zweisamkeit Thai Curry essend, als Paar den Rücken dem Betrachter zugewandt. Und der Fernseher beleuchtet mit seinem fahlen Licht die Szene. Reset am Abend, Mord zum Abschluss, da man selbst keine Probleme hat.

Es war der letzte Tatort im März, und der letzte Tatort an dem die Normalität nicht bemüht war.

König ohne Land

Auch wenn die nächste Woche anscheinend wie gewohnt verlief, hatten Worte und Nachrichten, die ich im Vorbeigehen nur mit dem Unter-bewusstsein aufgenommen hatte, dazu geführt, dass ich im Nachhinein sicher war, bereits eine Vorahnung gehabt zu haben. Die Nachrichtensendung am Abend, Zeitung am Morgen. Worte wie „König“ und „geknackt“ blieben nicht hängen und waren noch unschuldig. Und was heißt normal? Ereignislos? Katastrophenlos? Die übliche Unaufmerksamkeit des Alltages? Das Festhalten an Routinen?

Wieder fuhr ich einkaufen. Ich betrat den Supermarkt dieses Mal direkt auf die Gemüseabteilung zusteuernd. Haben es alle schon gewusst? Nur ich nicht? „Er weiß es noch nicht! Wie lange wird er brauchen es zu entdecken?“

Heute ein Jahr danach sehe ich mich selbst, wie ich gedankenlos meine Einkäufe an der Kasse bezahlte, fast unschuldige 50 Euro, mit einer EC Karte. Wie oft wäre ich noch so einkaufen gegangen, und was wäre passiert, wenn die Nachrichten verstummt wären.

Die Zettel, Quittungen und Bons vom Einkaufen nahm ich gewohnheitsmäßig, wieder zu Hause angekommen, aus dem Portemonnaie und legte sie ungelesen, achtlos als einen Papierstapel in eine Schublade zu anderen Papieren und Quittungen, manchmal auch direkt in das Altpapier, denn der Müll wird getrennt!

Heute sehe ich mich, als wäre es gestern mit Andreas am Frühstückstisch sitzend. Ich hatte mein Brötchen mit Blaubeer-Marmelade bestrichen und das erste Mal hinein gebissen, als Andreas in seinem iPad die Tageszeitung las und sagte: „Da rennt jemand rum, der ist Millionär und weiß es nicht!“

Ich stand auf und holte zwei neue Kaffee aus der Maschine. Während das Mahlwerk knarzend die Bohnen zu Pulver verarbeitete, sagte Andreas: „Der größte Jackpot aller Zeiten ist von einem geknackt worden und er hat sich bis heute nicht gemeldet.“

Mit den Kaffeebechern in beiden Händen kam ich zum Tisch zurück: „Vielleicht ist der Lotto-Zettel auch verloren gegangen, man hat ja sonst nichts außer diesem Schein!“ sagte ich.

„Oder er ist tot und seine Erben wissen nicht, dass er gerade noch Lotto gespielt hat.“

Man kann mir zugutehalten, dass ich mir aus Geld eben doch nicht allzu viel mache und nicht ständig daran denke. Und auch nicht spielsüchtig bin. Aber meine Ahnungslosigkeit amüsiert mich, wenn ich heute darüber nachdenke.

Es war in der folgenden Nacht, als ich noch im Dunkeln aufwachte und mir im Traum eingefallen war, dass ich Lotto gespielt hatte. Ich bin aber gleich wieder eingeschlafen und habe nicht in der Nacht noch nach dem Lotto-Zettel gesucht. Am nächsten Tag fand ich es eher lästig nach dem Lottoschein zu suchen, denn im Portemonnaie war er nicht mehr. In der Schublade fand ich ihn nicht unter all den anderen Zetteln und im Altpapier oder Müll zu suchen erschien mir Zeitverschwendung. Es wurde aber dann doch unvermeidlich, weil ich sonst den Rest meines Lebens daran hätte denken müssen, dass da doch vielleicht 100 Euro mit einem Dreier in den Müll gewandert sein könnten.

Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert! Ich suchte also dann doch zuerst im Müll, dann im Papierkorb und dann nochmal in der Schublade! Der Schein lag noch immer dort zwischen dem Pfand Bon und der Einkaufs-quittung mit gleichem Datum, wie auf dem Lottoschein. Ich legte den Schein auf den Schreibtisch und verbrachte die nächste Stunde damit das angerichtete Chaos aus Quittungen und Altpapier, das sich im ganzen Haus verteilte, zu beseitigen und hatte dann keine Lust mehr auch noch die Zahlen ausfindig zu machen. Der Lottoschein blieb auf dem Schreibtisch. Erst am Abend, als ich mein i-pad aus dem Büro holen wollte, um beim Fernsehen etwas zu googeln, sah ich ihn wieder dort liegen. Die Lottozahlen hatte ich dann auch im Internet gefunden.

Das Vergleichen der Zahlen hat nicht lange gedauert, denn ich hatte nur ein Kästchen ausgefüllt. Alle Zahlen stimmten, auch die Superzahl. Ich dachte ich träume. Oft daher gesagt. Jetzt fühlte sich das so an. Kann nicht sein, gleich werde ich wach. Stattdessen wurde mir schwarz vor den Augen.

Ich saß im Sessel vor dem Fernseher, die Diskussion einer Talkshow plätscherte ins Wohnzimmer, als Andreas der gerade nach Hause kam noch in der Tür fragte: „Alles in Ordnung?“ „Ja, nein, ja, nein.“ Ich hielt Andreas den Lottozettel hin.

„Du hast Lotto gespielt? Sind wir etwa pleite?“ fragte Andreas. „Nein im Gegenteil“, sagte ich