Aus dem Schatzkästchen der Inselbummlerin 4 - Regina Gehmlich - E-Book

Aus dem Schatzkästchen der Inselbummlerin 4 E-Book

Regina Gehmlich

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Beschreibung

In ihrem vierten Buch nimmt Regina Gehmlich den Leser wieder mit auf zwei Inselreisen. Mit dem scharfen Verstand der Naturwissenschaftlerin, gleichzeitig aber hoher Sensibilität für die eigenen Gefühle setzt sie sich zu den erlebten Landschaften in Beziehung und lässt so Kraft, Schönheit, manchmal aber auch die Bedrohlichkeit der dortigen Natur lebendig werden und schildert, wie man aus intensivem Naturerlebnissen Erkenntnisse über sich selbst gewinnen kann. Björkö ist eine kleine Insel zwischen Schweden und Finnland, dort, wo sich das Land auch heute noch sehr stark aus dem Meer hebt. Im Sommer ein Anglerparadies, ist sie im Winter fast menschenleer und lässt den Besucher trotz ihrer geringen Größe die Weite und Einsamkeit der finnischen Wälder spüren. Ile d'yeu ist eine französische Atlantikinsel. Während ihr langer Sandstrand auch im Spätherbst noch zum Baden einlädt, toben an der felsigen Steilküste bereits wilde Stürme. Und angeblich gibt es dort auch Krabben...

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Inhaltsverzeichnis

Björkö. Wo die Welt zur Scheibe wird

Île d‘yeu. Wo im Herbst noch Sommer ist

Björkö. Wo die Welt zur Scheibe wird

Mitreisende: M(45), R(40), A(38), M(14), A(12), D(11)

Stille. Von überall her umgab uns Stille. Sie fiel aus dem Schwarz des Nachthimmels und quoll aus der Finsternis des umstehenden Waldes. Sie kroch in dicken Schwaden über den verschneiten Boden, schwappte über die Schneepflugwälle und ergoss sich auf die vereiste Straße. Sie kam näher und näher, schnürte Füße und Knöchel ein und lähmte unsere Schritte schließlich ganz. Kein einziger Motor summte in der Ferne, kein noch so leiser Windhauch rauschte in den Wipfeln der Bäume. Nur diese dichte, wattegleiche Stille, die uns unserer Ohren beraubte wie Nebel unserer Augen. Dabei standen wir an der größten und wichtigsten Straße der Insel, die wir vor gut zwei Stunden selbst erst entlanggekommen waren. Die Taxifahrt hatte länger gedauert als erwartet, und trotz der Freude über die tief verschneite Landschaft hatten wir im Dunkel des Abends und der gleichmäßigen, sich rechts und links der Straße erstreckenden Wälder schon bald jegliches Entfernungsgefühl verloren. Irgendwann waren wir durch einen Ort gekommen, doch auch danach wieder lange Zeit gefahren, ohne etwas Anderes zu sehen als dicht gedrängte Baumsilhouetten, die so undurchdringlich schwarz waren, dass sie den Nachthimmel bis auf den Boden verlängerten. Schließlich hatte man uns mitten im Wald an einem Boots- oder Vorratsschuppen abgesetzt, und nur dessen Hausnummer hatte verraten, dass es sich bei ihm um unsere Unterkunft handelte.

Nachdem wir uns ein wenig eingerichtet hatten, waren wir noch einmal hinausgegangen und - da wir die Umgebung unserer Unterkunft in der Dunkelheit ohnehin nicht erkennen konnten - den Zufahrtsweg zur Straße zurückgelaufen. Nun standen wir da und hofften, ein paar Straßenschilder zu erblicken, die uns helfen würden, die verlorengegangene Orientierung wiederzufinden. Doch so sehr wir auch nach rechts und links die Straße entlangspähten - es ließen sich keine entdecken. Die Insel schwieg und schüttete weiter ihre Stille über uns aus. Uns wurde unheimlich zumute. Hatten wir zu viel gewagt? War es zu verwegen gewesen, eine so abgelegene und spärlich bewohnte Insel im Winter besuchen zu wollen? Doch für eine Planänderung war es jetzt zu spät. Die Taxis waren längst aufs Festland zurückgekehrt und würden uns erst in einer Woche wieder abholen. Bis dahin mussten wir wohl oder übel hierbleiben.

Angesichts dieser Tatsache und ermutigt vom orangefarbenen Licht der Straßenlaternen wagten wir den Schritt hinaus auf die Straße. Im gleichen Augenblick erwachte die Neugier, und so folgten wir ihr in unserer ursprünglichen Fahrtrichtung, um weiteres Neuland zu erkunden. Mangels Fußwegs liefen wir auf der Fahrbahn. Zunächst horchten wir angestrengt nach vorn und hinten, um herannahende Autos rechtzeitig zu bemerken, doch schon bald entspannten wir, denn es kam sowieso keins. Wir waren allein. Wir und die Stille.

An einer Kreuzung endete die Straße. Normalerweise bog sie wohl rechts ab, doch jetzt im Winter hatte man sich nicht die Mühe gemacht, diesen Abschnitt zu räumen. Eine fast meterhohe Schneedecke versperrte den Weg, aus der pflichtbewusst ein Verkehrsschild herausragte und gemahnte, mit nicht mehr als dreißig Kilometer pro Stunde durch den Tiefschnee zu pflügen. Geradeaus führte ein Fahrweg ins Dunkel hinein, doch wir blieben lieber im Licht und wandten uns nach dem hell erleuchteten Platz zu unserer Linken.

Zahllose Boote, die halb verschneit am Ufer lagen, und Stege, auf denen kleine, hundehüttenähnliche Schuppen standen, verrieten uns, dass wir an einem Hafen waren. Für einen Moment huschte an unserem geistigen Auge das Gewimmel von ankommenden und abfahrenden Menschen vorüber, dann jedoch gähnte vor uns wieder nur flutlichtbeschienene Leere. Vielleicht herrschte hier im Sommer sogar tatsächlich reges Treiben, jetzt jedoch begegneten wir keinem einzigen Menschen. Stattdessen lastete auch hier diese unfassbare, schwere Stille. Regelrecht laut schlug sie an unsere Ohren, schien jedes Geräusch zu übertönen, und als wir ein paar Worte wechselten, erschraken wir beinahe darüber, wie schnell sie den Klang unserer Stimmen schluckte. Es war, als ob wir überhaupt nichts gesagt hätten.

Beinahe erleichtert erblickten wir am Ende des Hafens einen Wegweiser. Er gab den immer noch fremden Pfaden eine erste Richtung und zeugte davon, dass es hier wenigstens ab und zu jemanden gab, dem er nützlich sein konnte. Außerdem versprach er einen nicht allzu weit entfernten Aussichtsturm, und so folgten wir ihm.

Nach wenigen Metern ging der Hafen in einen Schilfgürtel über, kurz darauf gelangten wir erneut in den Wald. Ein Stück weit begleitete uns noch das Licht des Hafens, dann jedoch umgab uns fast völlige Finsternis. Lediglich der Schnee schimmerte blassblau im spärlichen Mondlicht und ließ uns den Weg ganz leidlich erkennen. Unbeirrt liefen wir daher weiter, und erst, als wir begannen, nach dem Turm Ausschau zu halten, merkten wir, wie wenig wir noch sahen. Die Bäume jenseits des Weges waren kaum voneinander zu unterscheiden, und tiefer in sie hineinzuschauen war gänzlich unmöglich. Wie sollten wir unter diesen Umständen den Turm finden? Das Einzige, was sich gerade noch vom Nachthimmel abhob, war die Wipfellinie der Bäume. Entschlossen fassten wir sie fest ins Auge und schritten vorwärts. Wenn überhaupt, dann würden wir den Turm nur dort erkennen, doch außer den Spitzen der Fichten sahen wir nichts. Eine derartige, im wahrsten Sinne pechschwarze Dunkelheit hatten wir noch nie erlebt. Schon nach kurzer Zeit strengte uns das gespannte Schauen an; wir begannen zu blinzeln und wussten bald nicht mehr, ob die gesehenen Bäume echt waren oder nicht. Da plötzlich, hinter zwei, drei Baumspitzen, entdeckten wir etwas, was in dieser Höhe zu breit für einen Baum erschien. Das konnte vielleicht der Turm sein, aber warum führte unser Weg dann an ihm vorbei?

Den gegen den dunklen Himmel kaum erkennbaren Schemen im Auge behaltend und gleichzeitig vor unseren Füßen nach einem Abzweig ausschauend gingen wir weiter. Zu unserer Freude schlug der Weg einen Bogen, und wenige Schritte später stand der Aussichtsturm als großes, schwarzes Etwas vor uns! Ihn zu besteigen wagten wir in der Dunkelheit nicht, doch voller Stolz auf unseren Spürsinn verharrten wir an seinem Fuß und schauten an ihm entlang in den Himmel hinauf. Als wären sie eben erst erschienen, nahmen wir nun auch die vielen Sterne wahr, die an ihm standen. Lautlos flog eine Sternschnuppe vorüber, und hätten wir gewusst, dass diese Nacht die einzige klare unseres Aufenthalts sein würde, wären wir wohl noch länger geblieben. So jedoch wandten wir uns schon bald wieder zum Gehen, passierten noch einmal den Hafen und kehrten dann die Straße entlang in unser Quartier zurück. Müde und immer noch nicht so recht wissend, wo wir eigentlich waren, fielen wir in unsere Betten.

Als wir am nächsten Morgen bei Tageslicht aus dem Fenster blickten, trauten wir unseren Augen nicht. Das, was wir da sahen, konnte einfach nicht wahr sein! Wir schauten weg und wieder hin, schlossen und öffneten unsere Augen, doch selbst, nachdem wir sie mehrfach gerieben hatten, bot sich uns noch immer das gleiche Bild: Wenige hundert Meter neben dem Haus stand unverkennbar - der Aussichtsturm! So mühevoll, wie wir ihn in der Dunkelheit gefunden hatten, hatten wir ihn weit weg gewähnt, dabei war er in Wirklichkeit unsere nächste Umgebung! Ein kurzer Trampelpfad führte von der Rückseite unserer Unterkunft hinüber zum Schilfgürtel, und auch der Weg zum Turm lag deutlich sichtbar vor uns. Unbändiges Lachen brach aus uns heraus, und inmitten des Lachens spürten wir, wie die im Dunkeln so endlos weit empfundenen Entfernungen auf ihr normales Maß zu schrumpfen begannen.

Dieser Prozess setzte sich fort, als wir uns am Vormittag auf die Suche nach dem einzigen Lebensmittelladen der Insel machten. Verfehlen konnten wir ihn nicht, denn er musste in dem Ort sein, durch den wir gekommen waren, und so liefen wir die winterliche Straße zurück bis wir ihn nach anderthalb Stunde erreichten. Im hellen Tageslicht erkannten wir nun erste Einzelheiten und ganz allmählich bekamen wir ein Gefühl für die Dimensionen der Insel. Gleichzeitig tauchten wir ein in die stumme, unter Schneemassen begrabene Welt um uns herum. Wir begegneten weder Mensch noch Auto, und selbst in den Wäldern neben der Straße regte sich nichts. Es war, als läge die gesamte Insel in tiefem Winterschlaf, aus dem sie noch lange nicht zu erwachen gedachte. Seltsamerweise schreckte uns das jetzt nicht mehr, und je länger wir liefen, desto mehr fielen auch von uns Eile und Geschäftigkeit ab und machten einer Gelassenheit Platz, die wir an uns selbst gar nicht kannten.

Da er im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend war, stiegen wir am Nachmittag auf den Aussichtsturm und schauten uns um. Nicht weit von uns entdeckten wir den Hafen und im Wald dahinter einen Funkturm, der aus den Bäumen herausragte. Die Straße und den Ort zu finden, gelang uns hingegen nicht. Ganz gleich, in welche Richtung wir auch schauten, überall erblickten wir nichts als Baumwipfel. Die gesamte Insel schien ein einziger, dichter Wald zu sein, der am Horizont mit der Wolkendecke zusammenstieß, die sich inzwischen über die Insel gebreitet hatte. Lediglich direkt unter uns dehnte sich eine weite weiße Fläche, in die schilfumstandene, zurzeit gefrorene Wasserlachen sowie kleine, langgestreckte und seltsam parallel zueinander verlaufende Baumgruppen hineinzüngelten.

Doch wo war das Meer? Laut Karte hätte es unmittelbar vor uns liegen müssen, stattdessen zeichnete sich jedoch erst weit am Horizont eine dunkelblaue Linie unter dem Himmel ab. Ratlos schauten wir uns in alle Richtungen um, bis wir es nach einer ganzen Weile endlich begriffen: die weiße Fläche vor uns war keine verschneite Wiese - das war das Meer! Wir waren in einem Gebiet sehr starker Landhebung, und diese Hebung hatte nicht nur die Insel und ihre Nachbareilande entstehen lassen, sondern den gesamten Meeresboden dem Wasserspiegel so nahe gebracht, dass das Wasser flach genug war, um im Winter zuzufrieren. Die langgestreckten Baumgruppen mussten eine Art Inselchen sein, auch wenn es jetzt so aussah, als würden sie unmittelbar aus der verschneiten Ebene herauswachsen. Staunend glitt unser Blick von einem Ende der Eisfläche zum anderen, versuchte, Land und Meer zu unterscheiden und musste sich doch eingestehen, dass ihm das nur unzureichend gelang.

Schließlich stiegen wir wieder vom Turm hinab. An seinem Fuß fanden wir eine Tafel mit Wanderwegen. Wir entschieden uns für eine Route am Ufer entlang und liefen los.

Erneut umfing uns die unglaublich tiefe Stille, die wir schon am Vorabend erlebt hatten. Selbst ein vorbeibrummendes Schneemobil konnte sie nicht stören, doch diesmal lastete sie nicht, sondern nahm uns sanft und behutsam auf. Der im Schnee deutlich sichtbare Weg führte durch einen Schilfgürtel und überquerte dann einen mit Krüppelsträuchern bestandenen Steinwall, auf dessen Rückseite wir in offeneres Gelände gelangten.

Über eine freie Schneefläche hinweg hielten wir auf das gegenüberliegende Wäldchen zu. Hier und da ragten rosettenartig angeordnete Eisplatten aus ihr empor, die uns an aufspringende Knospen erinnerten. Neugierig traten wir näher heran und versuchten, in sie hineinzuspähen, doch in den meisten Fällen blieb ihr Inneres unter einer weiteren, schneebedeckten Eisplatte verborgen. Nur manchmal schien es uns, als würde in ihrer Mitte ein Stein sitzen. Vergleichbare Gebilde kannten wir von unseren heimischen Schneeflächen nicht, doch da wir uns viel weiter nördlich befanden, hielten wir sie für ein hiesiges Phänomen und machten uns keine weiteren Gedanken über sie. Ebenso wenig wie über die gelegentlich auftretenden gelben Flecken im Schnee, in denen Wasser aufdrang und manchmal richtige Pfützen bildete, die seltsamerweise trotz der niedrigen Temperaturen nicht gefroren.

Im Wäldchen angekommen, warfen wir einen Blick auf die dort stehende Wandertafel und stutzten. Irgendetwas stimmte nicht, denn da, wo wir jetzt waren, hätten wir auf unserem Weg niemals ankommen dürfen. Doch die in der Tafel verzeichnete Schutzhütte stand unbestreitbar tatsächlich vor uns. Wo also waren wir entlanggelaufen? Wir schauten uns um, suchten nach dem Aussichtsturm und verglichen mit der Wandertafel. Es dauerte eine geraume Weile, aber dann fiel es uns wie Schuppen von den Augen: wir hatten gar nicht die geplante Route am Ufer genommen! Was wir für einen Weg gehalten hatten, war die Fahrspur eines Schneemobils gewesen, und ihr folgend waren wir quer über das Wasser eines an die Insel angrenzenden Boddens gelaufen! Schlagartig bekamen die Eisrosetten und die gelbrandigen Pfützen einen Sinn, und erschrocken fragten wir uns, ob wir uns in unserer Unwissenheit in Gefahr gebracht hatten. Doch die Schneemobilspur beruhigte uns sofort wieder. Wenn andere mit einem solch schweren Gefährt hier entlangfuhren, konnten wir so viel nicht falsch gemacht haben.

Dennoch wollten wir nun im Wald zurückgehen. Die Tafel wies einen entsprechenden Weg aus, und nachdem wir die ersten Wanderzeichen an den Bäumen entdeckt hatten, folgten wir ihnen durch den knietiefen Schnee. Weit kamen wir jedoch nicht. Immer wieder stolperten wir über verborgene Äste, und die Wanderzeichen zu finden, war ohne die Hilfe eines vorgezeichneten Pfades schwieriger als erwartet. Mit Mühe fanden wir noch zwei, drei Stück, dann jedoch verloren wir sie. Widerstrebend verließen wir den Wald, denn es blieb uns nichts Anderes übrig, als doch wieder auf den Bodden zurückzukehren.

In den gelben Flecken und Pfützen erkannten wir nun das aufdringende Meerwasser, und darum mieden wir sie. Zu den Eisrosetten zog es uns jedoch immer wieder hin. Obwohl uns inzwischen klar war, dass es sich um rings um einen Stein aufragende Bruchstücke der Eisdecke handelte, faszinierten sie uns jedes Mal von neuem. Fingerdick und gegeneinander verstellt kündeten sie von den bei ihrer Entstehung wirkenden Kräften, und erschienen mit ihren bizarren Formen doch zart und zerbrechlich wie gerade aufgehende Knospen. Eisblumen im wahrsten Sinne des Wortes, wenn auch auf ihre ganz eigene Weise. Wir liefen von einer zur anderen, und ohne es zu merken verloren wir dabei die Schneemobilspur. Erst als rechts und links von uns hohes Schilf aufragte, wurden wir stutzig. Doch wo Schilf war, konnte das Ufer nicht weit sein, und so folgten wir dem gelben Stangenwald, um das Eis baldmöglichst zu verlassen. Vorbei an vereinzelten Rohrkolbenzigarren gelangten wir wenig später auf den uns schon bekannten Steinwall, wenn auch an einer anderen Stelle.

Statt ihn einfach nur zu überqueren, liefen wir nun jedoch auf ihm entlang. Wir schlängelten uns zwischen wüst umherliegenden Gesteinsbrocken hindurch, die auf ihrer Oberseite mit Schnee, an ihren Flanken jedoch mit ebenso dicken Schichten aus graugrünen Flechten besetzt waren. Dort, wo sich zwischen den Steinblöcken etwas Erde gesammelt hatte, wuchsen uns auch Sträucher und Birken in den Weg, deren Kronen genauso kahl waren wie die der langgestreckten Baumgruppen, die wir vom Turm aus gesehen hatten. Wahrscheinlich standen diese auf ganz ähnlichen Steinwällen, und plötzlich wurde uns klar, was diese Steinwälle eigentlich waren: vom vor Jahrtausenden zurückgehenden Eis geschaffene Bodenwellen, kleinste Moränen, die jetzt erst begannen, über den Meeresspiegel hinauszuwachsen! Deswegen verliefen sie alle in der gleichen Richtung, und deswegen lagen sie auch so weit im Meer! Beinahe erleichtert spürten wir, wie die so verwirrende Umgebung anfing, sich zu sortieren. Freudig beschwingt folgten wir nun den Lücken zwischen Steinblöcken und Strauchwerk, und als wir das Ende des Steinwalls erreichten, fanden wir sogar unsere Schneemobilspur wieder.

Kurz darauf standen wir an Land, nur ein klein wenig von dem Punkt entfernt, von dem aus wir vor ungefähr zwei Stunden losgelaufen waren. Wir waren uns dessen ganz sicher, und doch stimmte es irgendwie überhaupt nicht. Irgendetwas fühlte sich vollkommen falsch an: uns war, als hätte es die Runde über den Bodden gar nicht gegeben, als wären wir gerade erst vom Turm herabgekommen. Als wäre sie mit Betreten des Eises stehengeblieben,