Aus.Zeit. - Monika Dukary - E-Book

Aus.Zeit. E-Book

Monika Dukary

4,7

Beschreibung

Monika, die Autorin dieses Buchs ist Perfektionistin, Kontrollfreak und ein Angsthase. Nachdem sie 20 Jahre lang als überdurchschnittlich loyale Vollgas-Direktionsassistentin gearbeitet hatte, gönnt sie sich 2013 eine halbjährige Auszeit. 165 Tage. Völlig losgelöst vom Alltag und der gewohnten Umgebung, macht sich Klein-Moni (36!) alleine auf den Weg in die große weite Welt - welche bekanntlich in den USA liegt. Eine wahre Geschichte über die Überwindung von Ängsten, das Kämpfen gegen den inneren Schweinehund (Markus) und einer persönlicher Horizonterweiterung.

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Für Markus.

Bazinga!

Inhaltsverzeichnis

Was bisher geschah …

Bitte anschnallen und Tische hochklappen, jetzt geht’s los!

Chicago

Texas

New Orleans

Memphis

Nashville

Atlanta

Savannah

Charleston

Raleigh

Greenville

Outer Banks

Richmond

Washington D.C.

Philadelphia

Pittsburgh

Buffalo

Cortland

Waterbury

Wilmington

Kennebunk

Wentworth

Bristol

Brattleboro

Jewett City

Hyannis

Boston

Der Adler ist gelandet!

Klappe, die letzte, uuuuuund Action! (aka Schlusswort)

Was bisher geschah …

Schon in der Kindheit musste/wollte ich es immer allen recht machen: eine gute Tochter und tolle große Schwester sein, Lehrer zufriedenstellen, für Freunde da sein und Familie nicht enttäuschen etc. … Meine ersten 35 Lebensjahre hatte ich mein Verhalten eigentlich nie hinterfragt. In einer Weiterbildung für Führungskräfte, die ich 2013 absolvierte, musste ich dann für die schriftliche Prüfung einen Bericht über mich selbst verfassen mit Themen wie:

Analyse der eigenen Stärken/Schwächen

Eigene Verhaltensmuster

Entscheidungsverhalten

Selbstbild/Fremdbild etc.

Nie zuvor hatte ich mich selbst so intensiv beobachtet und meine Verhaltensweise reflektiert. Auf einen Schlag hatte ich zu jenem Zeitpunkt alle meine Lebensentscheidungen hinterfragt – der Frust war groß, als ich erkannte, was in den letzten Jahren jämmerlich in Vergessenheit geraten ist: ICH! Puh, harte Kost – man wird ja nicht gern auf die eigenen Fehler aufmerksam gemacht. Vor allem nicht, wenn man die Schwächen sogar schwarz auf weiß vor sich hat …

Ich fuhr sozusagen im Kreisverkehr meines Lebens und machte keine Anstalten, mich jemals tatsächlich für eine der Ausfahrten zu entscheiden. Unter uns gesagt: Markus hatte das Steuer in der Hand.

Ach ja, gestatten, Markus. Die längste Beziehung meines Lebens (es ist kompliziert) alias mein innerer Schweinehund. Wenn mich Markus beschreiben würde, fielen Adjektive wie genervt, sarkastisch, ungeduldig und depressiv. Charmant, oder? Markus hingegen definiert sich in meinen Augen praktischerweise durch nur ein Wort: Arsch! Er steht auf Gegenteile. Aus Prinzip. Markus ist negativ und faul. Von Geburt an, da kann er echt nichts dafür. Trotz großer Portion Verständnis und Mitleid für ihn, Arsch bleibt Arsch. Ein Sprichwort sagt: «Du hast zwei Feinde: Angst und Zweifel – lass sie nicht rein.» In meinem Fall sind Angst und Zweifel gute Kumpel von Markus und immer mit von der Partie. So viel zur allgemeinen Kennenlernphase. Weiter im Text …

Trotz Chaos im Kopf war für mich relativ rasch klar: Ich gönne mir nach 20 Jahren im Arbeitsleben eine Auszeit. Nur für mich und nur mit mir (und Markus …).

Erkenntnis ist ja bekanntlich der erste Schritt. Bis ich als Perfektionistin so weit war, konkrete und greifbare Vorbereitungen zu treffen, dauerte es doch noch ein ganzes Weilchen. Auf Fremde zugehen? Ängste proaktiv bekämpfen? Wollte ich das wirklich durchziehen? Jeder Mensch kämpft ja gegen seine eigenen Dämonen (heißen auch nicht immer Markus!). Und so sind auch die Ansätze für persönliche Auszeiten oder individuelles Wachstum auch verschieden. Manche gehen in einen Kibbuz nach Israel, andere kämpfen sich mit Macheten durch den Amazonas oder checken in ein Schweigekloster in China ein. Wer mich kennt, weiß, dass vor allem Letzteres nichts für mich ist. Ich gehöre zu jener Sorte Homo Sapiens, bei denen Schweigen alles andere als Gold ist …

Ich wusste sofort: Meine Auszeitreise würde mich in die USA führen. Weil ich als Frau allein unterwegs sein würde, war es mir wichtig, dass ich mich im «Land meines Vertrauens» problemlos verständigen konnte. Zudem gab es in den Vereinigten Staaten noch einige Orte, die ich schon immer besuchen wollte, aber wegen der Größe des Kontinents nie in einer Reise abdecken konnte. Von ursprünglich vier Wochen USA rundete ich gleich auf sechs Monate Auszeit auf. Dafür sprachen ein, sagen wir mal suboptimaler Job, Beziehungsstatus «frei» und auch sonst keine weiteren Verpflichtungen. Meine anfängliche Idee reifte allmählich zu einem handfesten Plan heran.

Als ich meinen Freunden von dieser Idee erzählte, waren allesamt begeistert und kündigten tatsächlich gleich schon ihre Besuche an. Nun schien ich mich offensichtlich nicht deutlich ausgedrückt zu haben. Ich wollte meine Auszeit bewusst ALLEIN erleben. Natürlich war es mir unangenehm, meine Freunde dann vor den Kopf zu stoßen, aber wenn mich alle diese tatsächlich besucht hätten, wäre ich keinen einzigen Tag allein gewesen. Ich wollte diesen Trip unbedingt allein durchziehen, weil ich spürte, dass ich diese 24 Wochen für meine persönliche und alleinige Entwicklung benötigen würde. Eine Frau in Mission!

Zürich, 3. Juni 2013:

Bitte anschnallen und Tische hochklappen, jetzt geht’s los!

Rückblende 24 Stunden vor Abflug: Nachdem ich bis zum letzten Augenblick gearbeitet und meine Wohnung wie verrückt noch für meine Untermieterin geputzt hatte, verbrachte ich die letzten zwei Tage vor meiner großen Reise bei meiner Schwester und ihrer Familie. In völliger Putz- und Pack- Erschöpfung und nach einer rastlosen Nacht, konnte ich mich am Sonntagmorgen, 2. Juni, nicht mehr aus dem Bett bewegen. Ich hatte solche unsagbaren Schmerzen im Kreuz, dass mir sogar das Atmen schwerfiel und die Tränen sich schamlos und unkontrollierbar verselbständigten. Als es Stunden später immer noch nicht besser wurde, fuhr mich meine Schwester in die Notaufnahme. Dort angekommen, als wäre ich nicht schon angepisst genug, empfing mich ein offensichtlich selbst angepisster – weil Sonntagsfrühdienst habender und nicht auf dem Golfplatz wie seine Kollegen stehender – Arzt. Nachdem er sich kurz meine Sorgen angehört hatte, hat mir also dieser Onkel Doktor von der Reise am nächsten Tag abgeraten. Ernsthaft. Dies also seine hellseherische Meinung. OHNE Untersuchung. Mittlerweile noch 18 Stunden bis zum Take-off … Na danke auch!

Lange Rede, kurzer Sinn, am Morgen der Abreise habe ich mich entschieden, die Reise entgegen «fachärztlicher» Empfehlung doch anzutreten. Mir ging es natürlich nicht wieder blendend, aber immerhin konnte ich mich wieder bewegen, Spritze und Schmerzmittel sei Dank. Auf der Fahrt zum Flughafen haben meine Schwester und ich im Intervall geheult, und die Frage «Ob das wohl gut geht?» stand unbeantwortet im Raum.

Szene 1 – Über den Wolken. Erster Eintrag in meinem Reisetagebuch (unzensiert):

Ich finde keine Worte. Freiheit, Liebe, Erleichterung? Ich empfinde im selben Augenblick nichts und doch alles zusammen. Ich sitze gerade in der LX08, Direktflug von Zürich nach Chicago, zwischen flauschigen Wolken und der wärmenden Sonne. Das ist er jetzt. Der Moment. MEIN Moment! Ich liebe mein Leben! Keine Ahnung, was mich auf der anderen Seite des Teichs erwartet, aber es wird gut, da bin ich mir sicher. Meine erste «Überwindung» habe ich auch schon hinter mir: Sitze trotz meiner Flugangst für einmal mutig und bewusst am Fenster und habe beim Abflug sogar die Aussicht genossen. Ja, aus tiefstem Herzen und aufrichtig G-E-N-O-S-S-E-N! Es gibt so viel Schönes zu sehen auf der Welt. Schade, dass wir oft wegen unserer Ängste die Augen verschließen …

Der «offizielle Startschuss» fand etwas später statt, nach fünf Stunden nonstop Board-Entertainment, als mir die SWISS-Crew eine Flasche Champagner mit einer Nachricht überbrachte: «Gute Reise. Von Herzen, auf dass du findest, was du suchst.»

Diese «kleine Geste» einer Freundin löste so viele unbeschreibliche Gefühle in mir aus. Plötzlich kein Druck mehr, keine Hektik, nichts war mehr wichtig und gleichzeitig war ich mir jetzt über das Ausmaß meiner Entscheidung für diese Auszeit bewusst. Da gab es kein Halten mehr, die Freudentränen flossen in Strömen. Der ganze aufgestaute Druck der letzten Tage schien diese Gesichtsüberschwemmung herbeigerufen zu haben. Und dennoch, es gab keinen Ort der Welt, an welchem ich gerade lieber gewesen wäre, als in genau DIESEM Flieger zu genau DIESER Zeit. Die Spiele sind eröffnet!

3. bis 8. Juni 2013

Chicago

Nach der Landung in Chicago fragte ich mich als Erstes, ob meine nicht bezahlte kalifornische Parkbuße von 1998 mittlerweile schon verjährt war oder mich der Präsident gleich persönlich in Handschellen abführen würde. Mister President hatte zwar wohl ausnahmsweise Wichtigeres zu tun, aber trotzdem durfte ich während zwei Stunden verschiedenen Autoritäten immer dieselbe Geschichte erzählen. Zugegeben, manchmal stehe ich mir selbst im Weg. Vermutlich hätte ich diese Befragungszeit halbieren können, wenn ich einfach gesagt hätte, dass ich Freunde im Land besuchte. Basta. Stattdessen berichtete ich aufgeregt und mit kindlicher Naivität:

Ich reise allein.

Ich kenne hier niemanden.

Ich miete ein Auto und flitze planlos für sechs Monate durchs Land.

Unterkünfte habe ich (bis auf die erste) keine gebucht.

«Herzlich willkommen in den Vereinigten Staaten!» – hätte meiner Meinung nach die Reaktion darauf sein sollen, aber nein, das alles löste bei den Zöllnern unverständlicherweise keine Bewunderung aus, sondern Kopfschütteln und große Neonfragezeichen in den Augen, vermutlich auch schon Verschwörungstheorien und weitere Fragen. Aber im Nachhinein ist man bekanntlich immer schlauer.

Wie auch immer, eine unmittelbare Landesbedrohung schien ich nicht darzustellen, aber ich bin mir sicher, der eine oder die andere hat meine Abenteuerreise zuhause beim Abendessen thematisiert – und erneut den Kopf geschüttelt. Diese Europäer …

«Mein» Appartement in Chicago hatte ich bereits Monate zuvor über eine weltbekannte Internetplattform gebucht, auf welcher Leute ihre Wohnungen und/oder Zimmer vermieteten. Nennen wir diese Plattform mal «L&F» (Luftbett & Frühstück). Weil mir meine Vermieterin Cristina aus Chicago den Wohnungsschlüssel bereits per normaler Post zugeschickt hatte (die Gute hatte wohl Gottvertrauen), konnte ich problemlos und sofort in mein neues Zuhause für die nächsten fünf Tage einziehen. Das ist ja schon mal ein guter Start, dachte ich mir. Die Wohnung war top und an toller Lage! Nur, Jetlag lässt grüßen, begann meine Morgenwache jeweils pünktlich um sechs Uhr! Ich war einen kurzen Spaziergang vom Michigansee entfernt mit einer einmaligen Sicht auf die Skyline von Chicago – ja, ich war angekommen!! Die ersten Alltagsherausforderungen ließen aber nicht lange auf sich warten: Ich brauchte Lebensmittel. Cristina hatte mir viele nützliche Informationen in der Wohnung hinterlassen, aber Hinweise auf einen Supermarkt in der Nähe fand ich leider nicht. Nun bin ich in meinem Umfeld nicht unbedingt dafür bekannt, dass ich gerne nach dem Weg frage (Ja Papi, DAS hab ich von dir …). Lieber rede ich mir selbst ein, dass mir ein längerer, planloser Spaziergang guttut. Stunden später, halb verdurstet und somit logischerweise blendend gelaunt, dann endlich vor dem Supermarkt stehend, triumphierte ich: Hab doch gewusst, dass ich diesen auch ohne Hilfe finde. Ha!

Als ich das Lebensmittelgeschäft betrat, wurde ich ganz freundlich begrüßt. Ich spürte jedoch sofort, hier «stimmt was nicht», denn ich war die einzige weißhäutige Person weit und breit. Ooops, stört mich das?, fragte ich mich. Und wenn ja, wieso?? Bin ich etwa ein Rassist? Gedanken, welche ich noch nie zuvor in meinem Leben hatte, und ich begann schon, meine «einfache Feststellung» in Gedanken auseinanderzunehmen. Da ich ein sehr gerechtigkeitsliebender Mensch bin, lag es mir sehr am Herzen herauszufinden, weshalb mich diese Begebenheit so beschäftigte. Ich fragte mich, ob sich «Nicht-Weiße» in Zentraleuropa auch so «anders» fühlten. Nach anfänglichem Durcheinander in meinem Kopf (willkommen im Leben einer Frau!) musste ich mir eingestehen, dass ich mich weder unwohl, bedrängt und eigentlich auch gar nicht fehl am Platz fühlte. Ich war einfach äußerlich anders, wurde aber immer und überall sehr zuvorkommend behandelt und meine anfänglichen Fragen/Zweifel verstummten. Ich fühlte mich einfach nur wohl und genoss jede Begegnung. Obwohl gerade diese Tatsache als introvertierter Perfektionist wirklich nicht einfach ist. Es bedarf täglicher Überwindung, die bekannten vier Wände zu verlassen und die Gegend zu erkunden oder aktiv auf fremde Menschen zuzugehen. Für einen Kontrollfreak, «sein Reich» zu verlassen und sich auf unkontrollierbares Terrain zu begeben, das bedeutet tägliche Umdenkarbeit.

Das Alleinsein hat mich somit logischerweise zu keinem Zeitpunkt gestört. Ich konnte und kann das eigentlich immer noch sehr gut. Es ist aber einfach nur so, dass du allein eben auch die nicht so beliebten Dinge selbst tun musst. Bei mir war in Chicago beispielsweise die erste Zugfahrt ins Zentrum so eine unangenehme Situation. Da kam ich leider nicht drum rum, den Schaffner zu fragen (FRAGEN, welch Horror!!), wie das so funktionierte mit Tickets lösen etc. Eigentlich war und ist mein Englisch wirklich mehr als gut genug, aber irgendwie hatte ich immer schon Mühe, um Hilfe zu bitten, und tat dies immer nur im allerallerallerletzten Moment.

Um meine Familie und Freunde über meine Reise auf dem Laufenden zu halten, verfasste ich alle paar Wochen eine elektronische «Moni-Post». Ich versuchte, einen aufgestellten, positiven Ton zu treffen, obwohl mir nicht immer der Sinn nach Witzereißen stand. Ich konzentrierte mich bewusst auf die tollen Erlebnisse, welche ich meinen Lieben zuhause erzählen wollte. Wie mir im Vertrauen mitgeteilt wurde, warteten einige «Anhänger» tatsächlich jeweils sehnlichst auf meine aufgestellten und ereignisreichen E-Mails aus dem Westen und ich bekam ganz tolles Feedback! Nichtsdestotrotz musste ich zu meinem großen Bedauern auch feststellen, dass sich manche «enge Freunde» während meiner ganzen Reise nicht einmal bei mir meldeten. Irgendwann kickte ich diese aus dem Mailverteiler und es passierte … nichts … keine Reaktion! Na ja, wie ich immer wieder sage: Familie kann man sich nicht aussuchen, Freunde schon.

Damit ich innerhalb der USA besser (und kostengünstiger) telefonisch erreichbar sein konnte, habe ich mir in Chicago noch ein Prepaid-Handy gekauft, welches ich monatlich aufladen konnte. Dank meines knackigen Beraters Jay wurde mir – trotz «windy City» – schon das erste Mal warm ums Herz. Hallöchen Popöchen! Und weil ich mich etwas dümmer anstellte, als ich bin, hatte er mir liebenswürdigerweise auch gleich seine Handynummer «für den Notfall» gegeben. Grrrrr … Von diesem Zeitpunkt an musste ich alle vier Wochen zwecks Vertragsverlängerung diesen Telekom-Anbieter aufsuchen. Leider konnte kein weiterer Berater meinem knackigen Jay das Wasser reichen. Schmelz …

Nach drei Tagen machte sich bei mir bereits die erste Krise bemerkbar:

Weshalb fällt es mir so schwer, einfach so mal Leute anzusprechen? Jetzt bin ich schon einige Tage hier und «nichts passiert». Was mache ich überhaupt hier? Was habe ich mir bloß dabei gedacht …?

Ich habe mir selbst so Druck gemacht, dass ich buchstäblich fast zusammengebrochen bin. Da konnte ich mir noch solange einreden, dass ich noch genügend Zeit für meine erhoffte «Erleuchtung» hätte. Da halfen leider auch keine Stadtbesichtigungen oder der Besuch des einzigartigen Chicago-Blues-Festivals, welches ich nur am Rande genießen konnte.

Mein Abgang aus Chicago war dementsprechend wenig spektakulär. Taxi gerufen (nachdem ich mir zehn Minuten lang selbst Mut zusprechen musste), zum Flughafen gefahren und ab in die Lüfte. Wieder wunderschöne Eindrücke von Chicago aus der Vogelperspektive. Eine traumhafte Stadt, welche viel Unterhaltung bietet und es – trotz persönlicher Krise – gleich in meine Top-10-Liste der schönsten Städte geschafft hat. I’ll be back!

8. bis 22. Juni 2013

Texas

Als wäre es für mich nicht schon Überwindung genug zu fliegen, war nun in Houston die Zeit gekommen, den Begleiter für den Rest meiner Reise abzuholen. Mein Mietauto. Ich hatte das Fahrzeug von zuhause aus für meinen gesamten Einweg-Road-Trip von Houston nach Boston reserviert. Ursprünglich wollte ich mir eigentlich aus Kostengründen einfach einen Wagen kaufen, aber neben dem behördlichen Wirrwarr wollte ich mich nicht als «erste Amtshandlung» mit dem Kauf herumschlagen müssen (und womöglich noch übers Ohr gehauen werden). Und zum Schluss meiner Reise wollte ich mich nicht noch um den Verkauf kümmern müssen, sondern schön bequem den Schlüssel am Flughafen in Boston abgeben und unbekümmert in den Flieger nach Hause steigen. Hatten also einmal mehr Bequemlichkeit und Sicherheit Oberhand gewonnen. In diesem Fall war es aber sicher keine schlechte Idee, so als allein reisende Frau.

Bevor ich nun überhaupt am Mietwagenschalter stand, malte ich mir schon wilde Horrorszenarien aus. Was, wenn meine Dokumente nicht ausreichten? Wenn gar keine Buchung vorhanden war? Wenn ich draufzahlen musste? Houston, wir haben ein Problem! Natürlich traf nichts davon ein, weil ich freundliche Berater hatte, welche mir geduldig alle Fragen beantworteten (Automiete für Dummies). Ein Gentleman begleitete mich zum Fuhrpark und zeigte mir, aus welchen Fahrzeugen ich aussuchen konnte. Ich hatte ein Upgrade bekommen, was für amerikanische Verhältnisse noch in die unterste Klassenkategorie gehörte, für einen Europäer jedoch eine stattliche Familienlimousine war. So entschied ich mich für einen silbernen (weil nicht auffallenden) 2013er Mazda 3. Und taufte diesen sogleich auf den Namen «Mäsi». Der freundliche Mietwagenverkäufer erklärte mir kurz und knackig die Bedienung, richtete mir das Navigationsgerät ein und sagte mir, dass ich Mäsi nur jeweils zum monatlichen Servicecheck bringen müsse. Er versicherte mir, dass es überall im Land Servicestationen gebe und ich regelmäßig in meiner Nähe so eine aufsuchen solle. Dann wünschte er mir «gute Fahrt» und ich rauschte mit meinem Mäsi dem texanischen Sonnenuntergang entgegen …

Mein vorgängig in Chicago online gebuchtes Motel fand ich auf Anhieb. Fahren ging auch super, auf 4-spurigem Highway kannst du kaum was verkehrt machen. Dass ich von allen überholt wurde, machte mir nichts aus. Ich war supergut drauf, draußen heiß und schwül, oh mein Gott, Klein-Moni brettert mit Mäsi über den texanischen Highway!! Eeeeehaaa!!

Houston. Hm, da war ich nun also. Meine Internetrecherche konnte mich nicht überzeugen, länger als eine Nacht in dieser unspektakulären Stadt zu verbringen. Außer mein Zimmer und Walmart habe ich da nichts gesehen. Dafür hatte ich mich entschieden, als Nächstes gleich acht Tage in San Antonio zu verbringen. Wieder reservierte ich mir ein Motelzimmer online, es lebe die Technik!

Die dreistündige Autofahrt von Houston nach San Antonio war mein erstes großes Abenteuer. Ich fand im Radio auf Anhieb einen fetzigen Country-Sender und bestaunte die flache, weitläufige Landschaft. Da siehst du wirklich meilenweit bis zum Horizont – nirgends Berge!

Etwa zur Halbzeit kam ein (für meine Begriffe) unglaublicher Sturm auf. Der Himmel färbte sich schwarz, die Außentemperatur sank drastisch innerhalb von Minuten, und ich gebe zu, es war mir etwas mulmig zumute. Von der großen schwarzen Wolke aus bildeten sich am Horizont laufend ganz viele kleine «Trichterfetzen», und mir ging nur eins durch den Kopf: Tornado-Alarm!! Der Anblick war beängstigend und fesselnd zugleich. Ich kann jetzt verstehen, was die Tornadojäger antreibt. Zum Glück kam es jedoch nicht ganz so weit, aber faszinierend war dieses spektakuläre Naturschauspiel allemal. Statt eines Tornados kam dann aber der große Regen. Also kein leichtes Sommergewitterchen, wie wir es hierzulande kennen, sondern eher in der Art: Wo-bleibt-die-Arche Sintflut. Aquaplaning lässt grüßen. Ich schaffte es aber doch noch heil bis zu meiner neuen Bleibe in San Antonio.

Die Stadt mit dem Riverwalk gefiel mir super. Den berühmten Riverwalk selbst nahm ich zwar eher etwas enttäuscht als eine Art Europapark-Welt wahr, aber auch hier gab es wieder ganz freundliche Leute. Trotzdem habe ich es auch hier nie geschafft, jemanden – außer Hotelempfangspersonal und Kellner – anzusprechen. Kann gut sein, dass ich sogar einige Tage lang nur Gespräche mit mir selbst geführt hatte. Dabei waren die San Antonio Spurs im Finale der NBA und ich hätte eigentlich gern noch ein Spiel live oder im Public Viewing gesehen. Angsthase!

In San Antonio fiel mir auf, dass ich 500 $ Bargeld verloren hatte. Ob verlegt, liegen gelassen oder geklaut werde ich wohl nie erfahren. Ich bin heute noch fassungslos, dass mir das passiert ist. Vermutlich habe ich das Geld so gut versteckt, dass ich es selbst nicht mehr fand …

Vor Herausforderungen (und frischer Luft) hatte ich mich in San Antonio die ersten Tage erfolgreich gedrückt. Ich war recht faul, meistens im Hotelzimmer und zog mir die tollen neuen und altbekannten pädagogisch wertvollen Ami-Serien rein. Klein-Moni im TV-Himmel!

An einem der nicht so faulen Tage in San Antonio entdeckte ich gleich zwei supertolle Sachen, welche bis zum Rest meiner Reise meine ständigen Begleiter wurden: praktische 1-dl-Weinfläschchen aus dem Supermarkt und ein köstlich nach Sonnenschein und guter Laune riechendes Duftsäckchen aus dem «La Villata» (historisches Kunstdörfchen). In welchem Zuhause ich später auch eincheckte, mein Duftsäckchen wurde IMMER ausgepackt, und so fühlte ich mich immer und überall daheim, sobald ich mein Zimmer betrat. Ich hatte vor einigen Jahren mal ein Buch über einen Mann gelesen, welcher wegen eines Fahrradunfalls seinen Geruchssinn verloren hatte. Nun verstand ich endlich, was er meinte, wenn er schrieb, er fühle sich seit dem Verlust des Geruchssinns (Anosmie) nirgends zuhause.

Was die meisten Menschen keinen zweiten Gedanken kostet, bereitete mir recht heftige Magenschmerzen: erstes Mal Tanken. Da meine Kreditkarte nicht direkt an der Zapfsäule funktionierte, musste ich wohl oder übel in den Shop und mir helfen lassen. Ich kam mir recht behindert vor, dass ich nicht mal allein tanken konnte, aber meine «Rettung» hinter der Theke war sehr verständnisvoll, geduldig und hat mir zuletzt sogar eine gute Fahrt gewünscht, nachdem sie mein Trinkgeld nicht annehmen wollte. Wo ist eigentlich mein Problem?

Howdy gorgeous!! Ich sehe super aus!! Heute steht ein Rodeo-Ausflug auf dem Programm! Musste ja hingehen, schließlich hatte ich in der letzten Moni-Post so damit angegeben und extra für diesen Anlass einen Cowboyhut und Cowboystiefel (echte texanische! Made in China …) gekauft.

Nun fuhr ich – so sensationell amerikanisch hergerichtet, dass ich fast mit meinem eigenen Spiegelbild Englisch parliert hätte – ins 30 Minuten entfernte Bulverde zur Tejas Ranch. Je weiter ich hinausfuhr, umso mulmiger wurde mir. Selbstzweifel, Druck, Pipi in den Augen. Tatsächlich wollte ich wieder zurück ins Hotel fahren und in der nächsten Moni-Post damit angeben, wie toll der Rodeo-Abend war. Diese Lüge würde ja eh niemand durchschauen. Außer Markus, mein schlechtes Gewissen und in der Regel recht anstrengender innerer Schweinehund … Ich habe mich dann so motiviert, dass ich mir sagte: «Ich gehe nur mal schauen, muss ja nicht aus dem Auto steigen, wenn ich mich da immer noch unwohl fühle.» Voller Stolz kann ich berichten: Ich bin dann trotzdem rein. Habe meine Hemmungen überlistet und bin einfach einer Familie reingefolgt. Ha! Nimm das, Markus! Die Tejas Ranch ist wie ein kleines Wildwestdorf aufgebaut. Eine Rodeo-Arena, offene Tanzhütte mit Bühne, Souvenirshops etc. Bullshit-Odeur inklusive. Das Unwohlsein verflog auch gänzlich mit der ersten frozen Margarita, cheers! Das Rodeo war toll organisiert, aber mir haben die Tiere echt leidgetan. Da schwingt sich so ein Möchtegern-Marlboro-Man in den Sattel und fängt mit dem Lasso das total verängstigte Kalb ein. Dem nicht genug, bindet er ihm noch die Beine zusammen. Hallo? Kann so was echt nicht unterstützen. Heiße Cowboys hin oder her …

Später beim Tanz, ab circa 21 Uhr, blieb ich dann nicht mehr lange. War ein tolles Erlebnis, aber wollte nicht länger so als Pfosten dastehen. Hätte zur Auflockerung noch den einen oder anderen Margarita bestellen müssen, aber wollte ja auch nicht besoffen nach Hause fahren. Meine Güte, hab auf dem Heimweg wieder geflennt. Was war ich, gerade mal zwei Wochen im Lande …?! Einerseits war ich stolz, dass ich sogar «kostümiert» aus war, aber irgendwie bin ich immer noch voll blockiert. Wie lange dauert es eigentlich, bis man erleuchtet wird??

Next Stop: Austin, Texas. Ich hatte beschlossen, nun endlich über L&F ein Zimmer bei einer Gastfamilie zu buchen. So konnte ich mich in den Alltag der Einheimischen integrieren – dachte ich. Gleich vorweg: Es ist nichts Schlimmes passiert. Aber als ich die Adresse in mein Navi eintippte, habe ich mich schon gefragt, ob dies so eine gute Idee war. Wohnen bei Unbekannten, Kommunikation nur über E-Mail etc. Anstatt meinen negativen Gedanken freie Fahrt zu lassen, versuchte ich mich auf diese neue Erfahrung einzustellen und mich zu freuen. Nicht so einfach mit dem Wissen, dass der Übernachtungspreis auch einen kleinen Köter beinhaltete. Ja, ich habe neben Aviophobie, Klaustrophobie, Akrophobie, Agoraphobie und so weiter, und so fort auch Schiss vor Haustieren. Also Hunden und Katzen. Hingegen Angst vor Spinnen und Schlangen habe ich gar nicht – hm, ja, ich bin irgendwie anders …

Der kleine Dauerkläffer im Haus roch meinen Angstschweiß wohl schon von weitem und ich bezweifelte, dass meine bewusst angestrebte Guerilla-Haustier-Phobie-Bekämpfung Früchte tragen würde. Meine Gastgeberin begrüßte mich nett und führte mich kurz durch ihr Haus. Ich hatte ein wirklich tolles, sauberes Einzelzimmer und teilte ein ebenso sauberes Badezimmer mit Hello-Kitty-Duschvorhang mit zwei weiteren Gästen aus Brasilien.

Ich war trotzdem mit der Situation total überfordert. Wusste nicht, was ich durfte, was nicht, fühlte mich bei Fragen an Aurelia als «Störenfried». So kam es, dass ich von 18 Uhr bis am nächsten Morgen einfach für mich allein im Zimmer war. Mensch, Markus!

Auch in Austin zog es mich nicht wirklich «raus». Irgendwie hatte ich meinen «Weg» noch nicht gefunden. Ich hatte ja sooo viel Zeit und als amtierende Miss Struktur & Organisation fiel es mir unsagbar schwer, einfach so in den Tag hinein zu leben.