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Dieses eBook: "Australien (Ein abenteuerlicher Reisebericht)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Friedrich Gerstäcker (1816-1872) war ein deutscher freier Schriftsteller und Übersetzer. 1844 veröffentlichte er sein erstes Buch, Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten Nordamerikas (Grundlage war sein Tagebuch). Auch für die deutschen politischen Verhältnisse besaß er ein waches Auge und beobachtete die Ereignisse der Revolution von 1848 sehr genau. 1849 unternahm der junge Familienvater eine weitere Reise, die ihn diesmal nach Südamerika, Kalifornien, Tahiti und Australien führte. Aus dem Buch: ''Es war überhaupt ein wunderliches Gefühl, mit dem ich in Australien an Land sprang. - Australien - Alles was verkehrt und sonderbar ist, gewöhnt man sich den vielen Beschreibungen nach die uns darüber von Kindheit an vorgekommen, gerade unter dem Namen Australien zu denken, und man möchte gleich beim ersten Ansprung schon über die Häuser, die ja ebenso aussehen wie in jeder andern civilisirten Stadt, hinweg schauen können, nur um die jedenfalls dahinter liegenden Sonderbarkeiten zu entdecken. Känguruh - schon der Name hat einen gewissen Zauber, besonders für einen Jäger - Schnabelthier - Kirschen mit den Kernen auswärts, Bäume die die Rinde abwerfen, für den gerade von Europa kommenden auch noch die verkehrten Jahreszeiten, das Alles sind Sachen, an die man gerade nicht bestimmt denkt in dem Augenblick, deren Bild uns aber doch in einer verworrenen Masse - Köpfe nach unten natürlich - vorschwebt, und die Farben, wie in einem Kaleidescop rasch wechseln und in einander fließen läßt. ''
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Seitenzahl: 503
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Inhaltsverzeichnis
Wieder einmal habe ich festen Grund und Boden betreten, und wie mit einem Zauberschlag hat sich Land, Klima, Boden, Scenerie, Bewohner – kurz alles was die eigentliche Welt bildet, um mich her verändert. Nicht mehr die rauschenden Palmen sind es die über mir wehen, nicht mehr das Brausen und Donnern der Riffe, und das Rascheln und Flüstern der im Winde schwankenden breiten Bananenblätter, nicht das fröhliche Lachen und Singen der immer frohen, sorglosen Tahitier dringt an mein Ohr; – wie eine beschnittene Taxushecke umgibt mich das flache, mit den wunderlich regelmäßigen Bäumen besetzte Land, mit ihren egalen trefflich aufgeführten Häusermassen die Stadt, und die breite irische Brogue und der englische Dialekt ist das einzige, was dem Ohr, für den romantischen Zauber den es verloren, Ersatz bieten soll.
Es war überhaupt ein wunderliches Gefühl, mit dem ich in Australien an Land sprang. – Australien – Alles was verkehrt und sonderbar ist, gewöhnt man sich den vielen Beschreibungen nach die uns darüber von Kindheit an vorgekommen, gerade unter dem Namen Australien zu denken, und man möchte gleich beim ersten Ansprung schon über die Häuser, die ja ebenso aussehen wie in jeder andern civilisirten Stadt, hinweg schauen können, nur um die jedenfalls dahinter liegenden Sonderbarkeiten zu entdecken.
Känguruh – schon der Name hat einen gewissen Zauber, besonders für einen Jäger – Schnabelthier – Kirschen mit den Kernen auswärts, Bäume die die Rinde abwerfen, für den gerade von Europa kommenden auch noch die verkehrten Jahreszeiten, das Alles sind Sachen, an die man gerade nicht bestimmt denkt in dem Augenblick, deren Bild uns aber doch in einer verworrenen Masse – Köpfe nach unten natürlich – vorschwebt, und die Farben, wie in einem Kaleidescop rasch wechseln und in einander fließen läßt. Es hat dabei einen ganz eigenen Reiz nur allein einen fremden Welttheil betreten zu haben – so sehr der Mensch mit seines Herzens innigsten Fasern an dem eigenen Vaterland hängt, so sehr wünscht er doch auch ein anderes zu sehen, um sich eben wieder zurücksehnen zu können – wie viel mehr denn wenn dieser Welttheil auch noch gewissermassen zu unseren Antipoden gehört, und die Leute dort eigentlich dem Rechte nach auf dem Kopf stehen müssen, so wir überhaupt schon heraus bekommen hätten wo eigentlich oben ist.
Australien wurde außerdem eine Art Land der Verheißung – ich betrat es hungrig, und ich wurde gespeist (für 1 Schill. 6 D.) ich betrat es– wenn auch nicht gerade nackt, doch in sehr dünnem Anzug und wurde gekleidet (für 3 Pfd. Sterl. 10 Schill.) und das ganze an Bord Steigen machte gleich von allem Anfang einen solch eigenthümlichen Eindruck auf mich, daß ich denselben wirklich nicht besser zu charakterisiren weiß, als wenn ich dem Leser aufrichtig gestehe es hätte gar nicht viel gefehlt, so brach ich mir gleich in der ersten Stunde ein Stückchen Stein irgendwo los, um ein Andenken an diesen Platz zu haben – es war als ob er mir wieder unter den Füßen fort verschwinden müsse.
Mein wirklich rasender Hunger – denn an Bord gab es ja Nichts, wenn ich auch wirklich das »Frühstück« hätte abwarten wollen, machte mich aber zuerst wieder darauf aufmerksam, daß die Sache hier reine Wirklichkeit, und ein Gasthaus gerade der Punkt sey, nach dem ich vor allen Dingen einmal umschauen müsse; damit war der Romantik allerdings schon ein bedeutender Stoß gegeben. Mit der Romantik hat übrigens Sidney auch nur ungemein wenig zu thun, denn wenn an irgend einem Ort der Welt (selbst die Yankee-Staaten nicht ausgenommen, was gewiß viel sagen will) ein reines unverfälschtes Geschäftsleben herrscht, so ist es hier. Pfunde und Schillinge sind die einzigen Worte die, wie eine magische Formel, die Züge der den Fremden überall umgebenden gleichgültigen Gesichter beleben können, und während bei den geschäftigen, speculirenden Kaufleuten die Schillinge zu Pfunden werden, zeigt sich bei dem fremden, unter ihnen herumwandernden Reisenden ein gerade entgegengesetztes Phänomen, was ihn, außerdem daß er sich bei den ewigen Gesprächen von Wolle und Verschiffungen langweilt, auch noch ganz unnöthigerweise praktisch belehrt, wie er ganz und gar kein Kaufmann sey.
Der Charakter der Stadt ist rein englisch, und es dabei eigenthümlich, wie scharf sich dieses Englisch von dem Amerikanischen, während sie doch eine Sprache sprechen, abscheidet. Das treffendste Beispiel hiervon findet man in den Vereinigten Staaten, wo bloß der schmale Wasserstreifen der nördlichen Seen Amerika und eine englische Kolonie von einander trennen, denn nie habe ich zwei benachbarte, und doch sich auch in jeder Kleinigkeit so ungleiche Städte gefunden als z. B. Buffalo und Toronto.
Doch wieder nach Sidney zurückzukommen, so hat der hier eintreffende Fremde gewöhnlich eine Art Vorurtheil zu überwinden, das mit ihm aufgewachsen ist, und wahrlich nicht auf Reisen, besonders in Californien, vermindert wird – das Vorurtheil eine Verbrecher-Colonie zu betreten, und sich nun plötzlich zwischen einer unbestimmten Anzahl von besonders hierher verpflanzten Mördern, Dieben, Hausbrechern und andern entsetzlichen und schauderhaften Charakteren zu befinden.
Hier sieht der eintreffende Fremde zu seinem Erstaunen daß davon – wenigstens äußerlich – nicht die mindeste Spur erkennbar ist, und wenn er auch hie und da, und weil er fortwährend darauf achtet, vielleicht öfter als an irgend einem andern Ort verdächtigen Physiognomien begegnen sollte, so rechtfertigen diese doch keineswegs die entsetzlichen Erwartungen, die er eigentlich den Beschreibungen nach von der ganzen Bevölkerung hätte haben sollen. Die »Gouvernements-Leute,« wie sie hier genannt werden, sind aber auch wirklich so mit der eingewanderten Bevölkerung verschmolzen, daß schon ein Kenner dazu gehört sie herauszufinden. Der leichte Nahrungserwerb hier hat dabei hoffentlich die meisten von ihnen, was auch früher ihre Vergehen gewesen seyn mögen, zu ehrlichen Leuten gemacht, und es wird dann nicht einmal mehr nöthig, einen Unterschied zwischen ihnen zu verlangen. Wer weiß übrigens ob nicht eben diese Deportation in späteren Jahrhunderten gar zu einer Auszeichnung, zu einer Art Adel dieser Colonie werden kann. Die Kinder der früher hierher gesandten Uebelthäter bilden jetzt theilweise mit einen achtbaren und angesehenen Theil der Bevölkerung (ja wenn nicht sogar hie und da früher Deportirte selber); nach Jahrhunderten können dann ihre Kinder und Kindeskinder so und so viel Ahnen davon zählen – unser europäischer Adel schreibt ja seinen Ursprung oft aus noch weit wunderlicheren Quellen her.
In Sidney hatte ich im Anfang einige Schwierigkeiten ein gutes Haus zu finden wo ich wohnen konnte, denn die meisten ging ich vorbei, da die unten befindlichen »Schenkstuben« eben nichts einladendes hatten. Dem Grundsatz zuletzt folgend daß man in einer fremden Stadt am besten thut in das beste Hotel zu gehen – wenigstens so lange bis man einmal näher bekannt ist – wandte ich mich dem »Royal Hotel,« einem großen gewaltigen, aber etwas weitläufigen Gebäude zu, und zog dort ein. Ein warmes Bad war mir das nächste, hierauf ein gutes Frühstück, und nun mußte ich mich fast von oben bis unten neu kleiden, denn unterwegs war ich ziemlich abgerissen. Doch dazu ist hier in Sidney Gelegenheit genug, Kleiderläden gibt’s in Masse, und Kleider sind auch verhältnißmäßig nicht theuer.
Sonnabend den 29. schrieb ich meine Briefe, die damals noch mit Segelschiffen nach England gehen mußten, als ich aber Abends in meinem Zimmer saß, tönte plötzlich aus einem der unteren Räume ein dumpfer Lärm zu mir herauf, Bravorufen, Stampfen, Trommeln und die erhobene donnernde Stimme eines Redners dazwischen. Jedenfalls war hier ein Meeting, und auf meine Erkundigung danach erfuhr ich, daß es ein Antitransportations-Meeting sey.
Es wurde im untern ziemlich geräumigen Saale des Royal Hotel gehalten, und es ging unter den zahlreich Versammelten auch ziemlich lebhaft her. Der Zweck des Meeting war übrigens, wie ich bald fand, gegen die Transportation von Verbrechern in diesem Augenblick nur indirect, direct aber gegen eine vorgelegte Bill der Regierung gerichtet, durch die, den Sprechern nach, die Wahldistricte von Neu-Süd-Wales so ungerecht eingetheilt waren, daß die Squatter oder Ansiedler im innern Lande ein entschiedenes Uebergewicht über Sidney bekommen mußten: »The most infamous, unjust, treacherous and diabolical measure»(infam, ungerecht, verrätherisch und teuflisch), wie einer der Redner in der »Hitze des Gesprächs« bemerkte. Die Squatter, besonders die im Norden, sind nämlich, wie es scheint, der Transportation von Verbrechern nach diesen Kolonien gar nicht so entgegen, denn sie bekommen dadurch billige Arbeiter, während jetzt manchmal gar keine zu bekommen sind; die Bewohner von Sidney sind dagegen Feuer und Flammen eine neue Hiehersendung solcher Subjekte zu verhindern. Sidney hat auch allerdings fortwährend den schlechtesten Namen davon bekommen, und besonders zeigte sich das erst kürzlich in Californien, wo schon der Name »von Sidney« als vollkommen abstoßende Kraft wirkte.
Um mit den Bewohnern von Sidney gemeinschaftlich in dieser Sache zu handeln, waren auch Delegaten von Melbourne, Adelaide und Vandiemensland hier eingetroffen, denen einige Tage darauf ein festliches Mahl gegeben wurde; und um der Regierung zu beweisen daß es dem Volk Ernst mit seiner Meinung sey, berief man auf den nächsten Montag als Demonstration eine Volksversammlung, ihre Meinung über die vorgelegte Bill, und durch diese über Transportation oder Nichttransportation auszusprechen.
Die Versammlung ging vollkommen ruhig vorüber, obgleich für eine königliche Colonie sehr harte Sachen darin gesagt wurden. Unsere deutsche Polizei hätte gewiß ihre Nase so weit als möglich dahineingesteckt und den Brei nach besten Kräften breitgetreten, die hiesige wußte besser was sie zu thun hatte – das unter einer Monarchin stehende Volk hätte ihr freilich auch nicht erlaubt sich hineinzumischen.
Die spätere Volksversammlung besuchte ich nicht, hörte aber daß sie ganz im Geist dieser ersten vorläufigen gehalten sey und beschlossen habe.
Ich war von Deutschland aus hier an Herrn A. Dreutler, ein ziemlich bedeutendes deutsches Handlungshaus in Sidney, empfohlen, und von Herrn Dreutler auch auf das Herzlichste aufgenommen worden. Am nächsten Sonntag, den 30. März, fuhren wir zusammen nach dem Leuchtthurm, einem der bedeutendsten Vergnügungsörter Sidney’s, hinaus, und fanden dort einen großen Theil der schönen Welt versammelt. Der Leuchtthurm liegt allerdings für Sidney romantisch genug. Auf der südlichen Seite der Einfahrt des Hafens, dessen Ufer nach der See zu durch schroffe, etwa zwei bis dreihundert Fuß hohe Felsufer gebildet wird, steht der Thurm, eine Viertelmeile davon etwa ein Hotel, und ein Theil der zu einer Spazierfahrt aufgelegten Sidneyer kommt regelmäßig Sonntags hier heraus, während der andere das jedenfalls interessantere Botany-Bai und Cooks River besucht.
Der Leuchtthurm selber ist vortrefflich, und besteht aus einem revolving light oder Drehlicht das durch neun, mit Blechspiegeln versehenen Lampen gebildet wird. Der Felsen selber auf dem er steht mag etwa 120 Fuß über der Oberfläche der See liegen und selber einige sechzig bis achtzig Fuß hoch, wird sein Licht bei klarem Wetter dreißig, ja manchmal vierzig englische Meilen weit in See gesehen.
Die Aussicht von hier aus, über das stille Meer ist wahrhaft reizend, und die tiefblaue See zeigt von dieser Höhe herankommende Schiffe mit ihren weißschimmernden Segeln in großer Ferne. – Eigenthümlicher Weise beschränkt sich aber die ganze Schönheit der Scenerie eben auf die See, und auf das unmittelbare Ufer von Port Jackson – gleich dahinter beginnt dürre sandige, mit holzigen Büschen und »Grasbäumen,« eine Art schilfigen Gewächses, besetzte Ebene – jeder kleine Strauch trägt dabei oft reizende Blumen und eine kleine allerliebste Schlingpflanze (Kenedya) füllt mit ihren duftenden lilla Blüthen oft ganze Büsche – einzelne kleine Gruppen sehen dabei ungemein freundlich aus, das Ganze nach dem Innern zu machte aber doch nur einen traurig öden Anblick und die Bai mit ihren reizenden Ufern lag da, wie eine Oase in der Wildniß.
In angenehmer Gesellschaft, und mit dem Neuen und Pikanten das mich überall umgab, verging mir übrigens der Tag ungemein rasch, und bildete einen freundlichen Abstand gegen mein bisheriges, manchmal wirklich trostloses allein in der Welt Umherstreifen.
Erst spät wieder von dort zurückgekehrt, bemühte ich mich am nächsten Tag etwas über das innere Land und die Möglichkeit einer Landreise nach Adelaide zu erfahren – den Adelaidedistrikt wollte ich jedenfalls, schon der Auswanderung wegen besuchen, zur See mochte ich aber auch nicht dorthin gehen. – Eines Theils hatte ich mich gerade genug in der letzten Zeit auf Salzwasser herumgetrieben, und bekam, wieder zu Schiffe, auch eben nichts weiter von dem inneren Lande zu sehen, als die Hafenstädte, die sich über die ganze Welt gleich sind. Auf einer Reise durch das ganze, bis jetzt bekannte Innere lernte ich dagegen Alles oder doch wenigstens einen großen Theil von dem kennen, was mir einst über diesen Welttheil nützlich seyn konnte, und ich beschloß wenigstens die genauesten Nachforschungen deßhalb anzustellen.
Darüber hörte ich denn nun freilich im Anfang wieder gar wenig Tröstliches – die schrecklichsten Indianergeschichten kamen vornweg, und tausend andere Schwierigkeiten nicht allein, sondern gleich Unmöglichkeiten für den Einzelnen, folgten nach. – Das war ich aber nun nachgerade gewohnt, und wußte was ich davon zu glauben hatte; so hielt ich es denn für das Nothwendigste erst vor allen Dingen einmal einen Mann zu sprechen der jene Gegenden, oder wenigstens einen Theil derselben aus eigener Anschauung kannte, und ich wurde zu dem Zweck zu einem Mr. Shepherd gewiesen, der schon einmal früher, mit einer Heerde Vieh und einer kleinen Caravane, die Tour gemacht haben sollte.
Dieser theilte mir auf das freundlichste Alles mit, was er darüber wußte, aber selbst die Nachrichten die ich von ihm darüber erhielt, waren keineswegs ermuthigend. – Die Jahreszeit sollte gerade die ungünstigste im allgemeinen, vorzüglich aber in diesem Jahr zu einer Landreise seyn, da es in dem letzten Jahr, und wohl noch einige Monate länger am Murray gar nicht geregnet habe; Gras gab es deßhalb gar nicht – die Reise konnte nicht gut anders gemacht werden wie zu Pferde, und die Thiere fanden unter diesen Umständen wenig oder gar keine Nahrung im Freien. Nachts mußte man sie natürlich, da Futter in jenen Gegenden gar nicht überall, ja wohl sehr selten zu bekommen ist, mit zusammengebundenen Vorderfüßen (hobbled) frei laufen lassen, und Morgens konnte man sich dann ziemlich fest darauf verlassen Stunden ja halbe Tage oft nach ihnen umher suchen zu müssen. Außerdem ermüdet einen Reiter nichts mehr, und auf angreifendere Weise, als das Bewußtseyn ein hungriges, abgemattetes Thier unter sich zu haben, die ewige Sorge deßhalb verleidet ihm den ganzen Ritt, und er geht am Ende lieber ganz, ehe er sich von einem ewig müden Thiere langsam fortschleppen läßt.
Unter diesen Umständen meinte denn Herr Shepherd, dürfte ich kaum darauf rechnen Adelaide in weniger als drei Monaten zu erreichen, – es wäre möglich, daß ich die Tour in etwas kürzerer Zeit zurücklegen könne, Alles gerechnet, kämen aber doch am Ende drei Monate heraus, wobei ich noch das Vergnügen hätte fast alle jene Stämme oft sehr feindseliger und verräterischer Wilder am Murray selber, zu dem ich mich des Wassers wegen halten mußte, anzutreffen.
Drei Monat im Sattel und noch dazu auf solche Art, war eine entsetzlich lange Zeit, und die Sache ging mir den ganzen Tag im Kopf herum.
An demselben Morgen wanderte ich langsam durch die Straßen der Stadt, und wurde plötzlich, unter einem andern Namen, auf das Herzlichste von einem ältlichen Herrn angeredet, der, allerdings in einem etwas abgetragenen, aber sonst saubern und anständigen Rock, mit schwerer goldener (vielleicht vergoldeter) Uhrkette und eben solchem Siegelring, unter einem aufgespannten Regenschirm, an der sonnigen Seite der Straße spazieren ging. Ich schrieb die Anrede natürlich einem Mißverkennen zu, das ich mit wenigen Worten aufklärte, und dann meiner Straße gehen wollte; so leichten Kaufes sollte ich aber nicht davonkommen. Der Fremde entschuldigte sich natürlich erst auf das angelegentlichste, meinte aber dann auch, da er nun doch einmal den Mißgriff gemacht, und mich aus Versehen angesprochen habe, wünsche er dieß, so viel das nämlich in seinen Kräften stehe, wieder gut zu machen; glücklicherweise habe er aber, durch einen sehr günstigen Zufall, gerade erst vor wenigen Tagen eine leider nur sehr kleine Partie »galvanischer –« (der Leser muß mich entschuldigen ich habe den wild chaldäischen Namen total vergessen) erhalten, und es gereiche ihm in der That zur großen Freude, mir noch eins davon ablassen zu können. Der Preis sey zu unbedeutend darüber zu reden, die Sache selber möge aber für sich sprechen, und ich ihm nur erlauben mir ein Exemplar davon zu zeigen und einzuhändigen. Damit hatte er mich bei einem Knopf gefaßt und zog mich, der nicht den geringsten Widerstand zeigte, in die nächste Hausflur.
Der gute Mann glaubte er hätte mich und ich ließ ihn ruhig gewähren, es war jedenfalls ein Charakter, der sich noch erst näher entwickeln mußte, bis wir Beide wieder auseinander gingen. Ich ließ mir vor Dingen allen das galvanische Namensungethüm zeigen, das in nichts geringerem als einem, in einem Saffianfutteral befindlichen Fläschchen bestand, an das ich jetzt, seiner dringenden Aufforderung nach, riechen sollte.
Ich hatte dem Fläschchen bei dem ersten Anblick keineswegs unrecht gethan, als ich es für Salmiak gehalten, roch deshalb auch nur sehr vorsichtig, seitwärts daran, und wollte es dann dem zuvorkommenden Fremden, völlig befriedigt, zurückgeben, dieser drang aber in mich, recht herzhaft darauf zu riechen, und ich betrachtete mir jetzt zum ersten Mal den Mann mißtrauisch. – Hätte ich wirklich recht herzhaft darauf gerochen, so mußte mir für wenige Secunden Athem und Besinnung vergehen, und er wäre indessen leicht im Stande gewesen – aber nein, ich that dem Mann unrecht, das war sein Gewerbe nicht; er sah auch zu schwächlich aus, und ich reichte ihm also nur einfach das Fläschchen zurück und erkundigte mich nun auf das angelegentlichste nach dem Gebrauch und Nutzen desselben. Es existirte in diesem Augenblick wirklich keine bekannte Krankheit (selbst Decimalknochenbrüche nicht ausgenommen), die diesem einfachen »galvanischen« Namensungethüm hätte widerstehen können; es verzehrte sie alle, und die Wirkung auf die verschiedenen Leiden, wie z. B. Gicht, Zahnschmerz, Unterleibsentzündung, Verrenkung ec, war so interessant, wie der Gebrauch, ein simples, je nach der größeren oder schwächeren Stufe der Branchen stärkeres oder schwächeres Daranriechen – einfach. Der Preis ebenfalls sehr billig, nur 3 Schilling Six pence (nicht ganz einen Speciesthaler).
Der kleine Mann fing endlich an ungeduldig zu werden, ich war ihm zu leichtgläubig, denn so viel hatte ihn wahrscheinlich noch keines seiner Opfer gefragt – wir mochten etwa drei Viertelstunden in der Hausflur gestanden haben. – Er sagte mir also noch in der Geschwindigkeit daß ihm erst an diesem Morgen der englische Bischof zwei Exemplare abgekauft und ihm freiwillig eine Guinee – die Möglichkeit war ja am Ende da daß ich ein gleiches thun konnte – dafür gegeben habe, und reichte mir dann das jetzt geschlossene Fläschchen mit einer verbindlichen Kopfneigung zum zweitenmal.
Das Ende ist kurz – ich bedauerte daß ich auch nicht den geringsten körperlichen Schmerz, weder Zahn-noch Ohrenzwang, weder Gicht noch Podagra, Unterleibsentzündung etc. in diesem Augenblicke habe, gab ihm aber die feste Versicherung bei den ersten sich in dieser Hinsicht zeigenden Symptomen bei ihm vorsprechen zu wollen. Er stutzte jetzt zum erstenmal, musterte mich mit einem flüchtigen Blick von Kopf zu Füßen, und lenkte dann freundlich ein: er fühle sich verpflichtet, da er mich doch im Anfang als einen ganz Fremden aus Versehen nur angeredet habe, mir auch seine galvanische unschätzbare Medicin etwas billiger als andern zu lassen, und wollte für mich dießmal den Preis auf eine halbe Krone heruntersetzen. Vergebens – ich hatte leider keine Schmerzen – zwei Schilling – selbst das nicht – achtzehn Pence – das Gesicht mit dem er dieß letzte sagte war das förmliche Daguerreotyp eines: »Es thut mir wirklich leid daß ich eine so lumpige Summe in den Mund nehmen muß und Sie werden doch jetzt nicht so lumpig seyn.« – Ich war aber so lumpig, dankte ihm tausendmal daß er so herzlichen Antheil an meiner Gesundheit nähme, und verließ ihn eben, als er seine große goldene Uhr aus der Tasche zog, nach der Zeit zu sehen.
So gut mich der Mann gekannt hatte als wir uns zum erstenmal im Leben begegneten, so gänzlich fremd war ich ihm, als ich das zweitemal mit ihm zusammentraf.
Am 3. April war eine Ausstellung weiblicher Arbeiten zum Besten der Armen im botanischen Garten, und da fast ganz Sidney hinausströmte, strömte ich natürlich mit.
Die Ausstellung befand sich in einem, im Grünen aufgeschlagenen großen Zelt, und enthielt, was ich wenigstens davon zu sehen bekommen konnte, gerade nichts Besonderes. – Die bessern Sachen waren aber glaub’ ich schon verkauft oder verloost worden, doch selbst um das übrige erhielt sich, um die beiden langen Tische her, ein solch entsetzliches Gedränge, daß man nur wirklich mit Lebensgefahr hineindrängen konnte.
Die ganze schöne Welt von Sidney schien hier versammelt, und es that den Augen ordentlich wohl, eine solche Masse reizender Gestalten auf einem Punkt vereinigt zu sehen. Mir war es besonders wieder einmal etwas ganz Neues, und fast wie ein Anklang aus der Heimath. Ein gar wunderliches buntes Gemisch von Leuten trieb sich unter den duftenden Blüthenbüschen und den hier aus allen Welten gesammelten Bäumen herum; das schöne Geschlecht zeigte sich aber jedenfalls am stärksten vertreten, Wohlthätigkeit war ja auch die angegebene Hauptursache, und seit langer Zeit hatte der botanische Garten wohl keinen so herrlichen Farbenschmelz und prangenden Blüthenschmuck gezeigt, als gerade heute. An interessanten Gruppen, das Bild so viel lebendiger und piquanter zu machen, fehlte es dabei ebenfalls keineswegs. Hie und da strich ein junger Officier, mit sehr dicht anschließender rother Uniform und sehr dünnen Armen, eine junge vergnügte Schöne am Arm, durch die Reihen und suchte sich, wiewohl lange vergeblich, nach einem der vollgedrängten Tische durchzuarbeiten – dort zog ein glücklicher Familienvater, im Schweiß seines Angesichts vier oder fünf an seinen Händen und Schößen hängende Nachkommen und die in seinen Arm gehakte – Provisionen und scheinbar auch frische Wäsche tragende – Ehehälfte durch die Kiesgänge – hier lagerte eine andere Familie auf ihren Lorbeeren und besah sich ein kleines pappenes Feuerzeug und ein eben solches Zigarrenetui, das sie für drei halbe Kronen eben in einer der kleinen Lotterien gewonnen hatten. Dort flogen ein paar wilde rosige Mädchengesichter lackend und scherzend, und anscheinend nur mit sich selbst beschäftigt über den grünen weichen Rasen, und an den Büschen hin schlich eine fromme etwas gebückte Gestalt mit weißer Weste und eben solchem Halstuch, ehrsam in einen schwarzen Frack geknöpft, und unter dem Schatten eines etwas breiträndigen Hutes – jedenfalls allein von gottseligen Betrachtungen erfüllt – schaute weder rechts noch links hinüber, und schien nur ein mildes Gefühl von Aerger zu empfinden wenn er den munteren, lebensfrischen und frohen Mädchenköpfen wieder und immer wieder begegnen mußte.
Der Himmel hatte sich indeß umzogen, graue Wetterwolken stiegen im Südwesten auf, und über den düsteren Hintergrund zuckten blaßgelbe Blitze. Leider schienen die Wolken nicht sehr schwer, einen gehörigen Regenguß fürchten zu lassen – denn ich war schadenfroh genug mich auf die, dann unfehlbar einbrechende Konfusion zu freuen – nichts destoweniger mußte etwas Regen kommen, und ich warf mich deßhalb unter einen der Bäume, den keineswegs mehr fernen Zeitpunkt abzuwarten.
Lieber Gott, der Baum war ein alter Bekannter aus Louisiana, eine Akazienart, mit förmlich dolchähnlichen, vom Stamm ausstehenden Dornen; mein Pferd hatte mich einmal in den Redriversümpfen, im wilden gefährlichen Sprung, auf einer Bärenhetze, zwischen zwei solchen, nur eben weit genug aus einander stehenden Bäumen uns durchzulassen, hingetragen, und ich weiß mich noch genau des Schauders zu erinnern der mich durchrieselte, als ich daran dachte wie ich aussehen müsse, wenn mich rechts oder links jene furchtbaren Dornen erfaßt hätten. Im Augenblick war ich am Ufer des Mississippi, unter den schattigen Pecans und Cypressen, dem grau wuchernden Moose und den duftenden Magnolienblüthen jenes schönen Landes, als ich plötzlich aus meinen Träumen durch einen anständig gekleideten Herrn geweckt wurde, der das unanständigst aussehende Meubel unter dem Arm trug, und mich mit leiser schmeichelnder Stimme frug, ob ich nicht ein Loos auf diesen »außerordentlich schönen Gegenstand« nehmen wolle. Das Loos war nur eine halbe Krone, 2 Schill. 6 D. etwa 25 Ngr. Was war aber dieser »außerordentlich schöne Gegenstand?« Gott weiß es. – Der Leser denke sich einen, etwa 2 ¼ Fuß hohen, einen Fuß im Durchmesser haltenden viereckigen Kasten, unten ein klein wenig enger als oben, mit einem gewöhnlichen Deckel. Der Kasten selbst mit rothem Saffianpapier umzogen, der Deckel mit einer mittelmäßigen Stickerei geziert. Zu was konnte der Kasten dienen? Ich richtete mich auf, und that die Frage sehr gespannt an den Träger. Dieser aber zuckte lächelnd die Achseln und meinte, o man könnte ihn zu Allem verwenden. Sein Hauptinteresse schien aber zu seyn mir ein Loos aufzunöthigen und er versicherte mich, als ich hiezu keine besondere Lust bezeigte, dieses sey der Hauptgewinn, und ich solle ihn nur für mich ziehen lassen, denn er habe sehr viel Glück und schon oft für Ladies und Gentlemen gewonnen. Ich hatte im Anfang wirklich die Absicht gehabt, ein Loos zu nehmen, die Gefahr, diesen entsetzlichen Gegenstand zu gewinnen war aber jetzt zu groß, und ich weigerte mich hartnäckig. Der Mann sah mich mit einem mitleidigen Blicke an, und ging weiter.
Die Regenwolke zog indessen mehr und mehr herauf, weit in der Ferne hörte ich schon den Wind in den Wipfeln der Bäume rauschen, und was kommen sollte, mußte bald kommen. Ueber den Plan flohen auch schon hie und da einzeln ängstliche Paare und selbst ganze Familien – die Kinder als Tirailleure voran, und der Mann mit dem schweren Geschütz nachfolgend. Junge Leute flogen in geschäftiger Eile kleineren Gruppen von jungen Damen vor, angeblich in der Hoffnung eine Droschke zu finden und zu bestellen, innerlich aber mit der festen Ueberzeugung jetzt gerade keine anzutreffen und das ganze glich einem Taubenschlag, der durch das plötzliche Erscheinen eines großen Raubvogels in die äußerste Unordnung gerathen war. Bei weitem die größte Zahl flüchtete sich aber unter das Zelt, wo jetzt in buntester Mischung Kopf an Kopf stand, und die Fronte einer dichtgedrängten Phalanx bot; wie mir schien, hätte sich auch kein Mosquito da mehr hindurchbohren können.
Da rauschte der Regen heran, über eine dichte Gruppe von Norfolk-Tannen kam er herüber, und Alles hatte scheinbar schon Schutz und Obdach gefunden, als urplötzlich mit wilden Sätzen der Mann mit dem geheimnißvollen »Gegenstand« angestürzt kam – das roth saffianene Papier war in der dringendsten Gefahr und den gepolsterten Deckel wie eine Art Mauerbrecher vor sich haltend, und allem Anschein nach auch gebrauchend, rannte er eine Bresche in die dicht gedrängten Reihen und war im nächsten Augenblick, als ob ihn ein Abgrund verschlungen hätte, verschwunden. Wie die Wogen der See schloß sich die schwankende Menschenwelle hinter dem Flüchtigen.
Der Regen dauerte aber nicht lange, bald stand die Sonne wieder in voller Pracht am Himmel, und die Verloosung eines Theils der verschiedenen Sachen fand gleich darauf statt. Mich interessirte nur der Hauptgewinn und wahrhaftig, wenn ich ihn auszutheilen gehabt, ich hätte ihn keinem besseren Gewinner, wenigstens keinem der weniger etwas damit anzufangen wußte, geben können. Fortuna ist doch eine Schäckerin – der Glückliche war – der Steuermann eines Wallfischfängers.
Langsam wanderte ich bald darauf in die Stadt zurück, schrieb ein paar Briefe und warf mich dann zeitig auf mein Bett.
Die Landreise nach Adelaide ging mir aber wieder im Kopf herum. Wieder hatte ich Leute gesprochen die mir abriethen sie in jetziger Zeit zu unternehmen, da die Pferde fast Nichts zu fressen fänden – es sollte noch nicht einmal am Murray in diesem Winter geregnet haben, und die Dürre außerordentlich seyn. Der alte bekannte Dornenbaum aus den Redriversümpfen hatte dabei alte liebe Erinnerungen geweckt – es war gar eine schöne wilde Zeit, als ich in den prachtvollen Wäldern des Westens den Hirsch und Bär jagte, und die stillen, raschen Fluthen des mächtigen Rio roxo in dem schlanken leichten Canoe hinabglitt – Canoe? – ich sprang bei dem Gedanken ordentlich im Bett empor – Und was hinderte mich den Murray ebenfalls in einem Canoe hinabzugehen? – die Entfernung? – konnte ich damals 500 Meilen auf dem Redriver zurücklegen, waren die 2000 die der Murray hier etwa fließen machte, auch keine Unmöglichkeit. – Die Indianer? – ich führte eine vortreffliche Büchse, und die Indianer werden nur zu oft, und nicht selten sehr ungerecht zu Popanzen gebraucht.
Von hier bis nach dem Murray selber, das wußte ich schon, konnte ich mit der Postkutsche gehen, dort war ein Canoe zu kaufen oder, wenn nicht, standen genug Bäume am Fluß, selber eins auszuhauen, was ich mir selbst allein in wenigen Tagen zu thun getraute, und der Murray? – ei da waren Leute genug in der Stadt zu finden, die mir sagen konnten, ob er in dieser Zeit im Jahre Wasser genug hatte, mit einem Canoe – und ich brauchte nur sechs bis acht Zoll, hinunter zu gehen; einzelne Stromschnellen und Untiefen konnte ich dann schon passiren.
Der Weg war gefunden – eine Canoefahrt den Murray hinunter – eine Fahrt, die noch keiner vor mir, wenigstens bis Adelaide hinunter, gemacht hatte, und dann die Jagd am Fluß selber: Kängurus und Kasuare, wilde Hunde und schwarze Schwäne – Gott weiß was mir die Nacht all für grauses Zeug träumte, der nächste Morgen fand mich aber noch so warm für den Plan, als der gestrige Abend, und Erkundigungen, die ich an diesem Tag über den Strom selber einzog, ließen mich keinen Augenblick zweifeln, daß ich die Tour ausführen könne – mein Entschluß war gefaßt.
In diesen Tagen hatte ich auch das Vergnügen, eine andere deutsche Familie (aus Frankfurt) den Photograph Hötzer mit seiner liebenswürdigen Frau kennen zu lernen. Herr Hötzer hat die Photographie hier erst eigentlich in Schwung gebracht und war ungemein beschäftigt; Frau Hötzer spielt das Pianoforte meisterhaft – auf dem sie auch Unterricht ertheilt – und war so freundlich uns einiges vorzutragen. – Oh es ist ein eigenes, wunderliches, ja mächtiges Gefühl, nach Jahren so plötzlich die bekannten, lieben Klänge der Heimath wieder zu hören, und ich kenne Nichts auf der Welt, was das Herz so fest und gewaltig ergriffe – nur ein stilles, ungesehenes Plätzchen hätte ich mir gewünscht, den so lang entbehrten, so lang ersehnten Klängen zu lauschen.
Am nächsten Abend war ich bei Herrn Consul Kirchner, einem hiesigen Kaufmann und Landbesitzer, der sich besonders für die Auswanderung Deutscher hierher interessirt, und schon viel dafür gethan hat. – Ich wurde von ihm auf das freundlichste aufgenommen, und hatte das Vergnügen, dort wieder deutsche Musik zu hören. Frau Kirchner, obgleich in Australien von englischen Eltern geboren, war, durch mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland, mit deutscher Sprache wie Musik vollkommen gut bekannt.
Am andern Tag, einem Sonntag, fuhr ich mit Herrn Dreutler, dessen Nichte, dem Capitän des erst vor einigen Tagen eingelaufenen und wieder nach Hamburg bestimmten Schiffes Dockenhuden und einem mit dem Dockenhuden gekommenen Passagier nach Botanybay, dem interessantesten Punkte Sidney’s, hinaus, und wir verlebten dort einen sehr angenehmen Tag. Bei einer sehr reizenden Lage am Ufer der kleinen, aber freundlichen Bay, ist dort ein wirklich vortrefflicher Vergnügungsort angelegt, der neben einem sehr hübschen Garten noch dadurch besonderes Interesse gewinnt, daß der Wirth einen großen Theil der einheimischen Thiere, wenigstens die wichtigsten, gesammelt hält, und dadurch seinen kleinen Platz gewissermaßen in einen zoologischen Garten verwandelt hat.
Außer den Casuaren oder Emus befinden sich da drei wilde Hunde, ganz tüchtige Burschen von gelbrother Farbe mit ordentlichen Schäferhundsköpfen und Fuchsschwänzen, die wohl aussehen, als ob sie den Schafheerden beträchtlichen Schaden zufügen könnten. Eine Menge sehr schöner großer Raubvögel, mit den wunderlichsten Arten der hiesigen Tauben und Papagaien und Kakadus ist hier ebenfalls; ferner das Opossum, das sich übrigens von dem nordamerikanischen Opossum wesentlich unterscheidet. Es ist dieses ein viel freundlicheres Thier, nicht mit dem fatalen Rattenäußern und kahlen Schwanz wie das amerikanische, sondern mehr einem fetten behäbigen pensionirten grauen Eichhörnchen gleichend. Dann zwei schwarze Schwäne, prachtvolle Thiere mit dem schwarzbraunen Gefieder und den rothen Schnäbeln, muskovitische Enten, ebenfalls hier einheimisch, und die Hauptsache von allem, fünf Kängurus, die mit zwei Rehen (erst kürzlich von Manila importirt) in eine kleine Einfriedigung zusammengesperrt leben. Ihre Sprünge sind wirklich possirlich, und die kurzen Vorderpfoten wußten sie, als wir sie auf dem Rückweg mit Brod fütterten, auf das geschickteste zu benutzen, sich der mehr als zudringlichen und meistens den Platz behauptenden Rehe zu erwehren. – Den letztern mußte übrigens das Klima nicht besonders zusagen, denn als ich zum zweitenmal hier herauskam, war der Bock schon verendet.
Doch das australische Wild sollte ich bald selber in seinem wilden, also viel interessanteren Zustand beobachten können, und verspare mir die Beschreibung desselben bis dahin auf.
An fremden Thieren waren noch da: ein junger bengalischer Tiger, ein prachtvolles glattes geschmeidiges Thier, und ein kleiner schwarzer Bär vom Himalayagebirge, ein kleiner, häßlich struppiger, faul und mürrisch aussehender Gesell, der sich übrigens seiner Häßlichkeit ordentlich zu schämen schien, denn er hielt sich fast ununterbrochen die eine Vordertatze vor das Gesicht.
Als ich später noch einmal Botanybai besuchte, fuhren wir auch mit einem Boot an das andere Ufer der Bai hinüber, das insofern merkwürdig ist, als Capitän Cook hier sowohl wie La Perouse, der französische berühmte Seefahrer, zum erstenmal australischen Boden betraten. Das Ufer wird dort durch einen sehr weichen, gelben Sandstein gebildet, der sich auch in steiler niederer Klippe emporzieht, und zum Andenken an diese Stelle ist dort eine kleine Kupferplatte in den Fels eingelassen, welche die näheren Daten enthält. La Perouse dagegen ist auf dem linken Ufer der Bai, eine kleine Säule von Sandstein gesetzt, sein Andenken zu feiern. – Nachdem er nämlich die australischen Küsten verließ, ist nie wieder von ihm gehört worden, und man hat nur nach langen Jahren, wenn ich nicht irre, an den Küsten von Neu-Guinea Anzeichen gefunden, daß sein Schiff dort gestrandet und die Mannschaft verloren gegangen oder erschlagen seyn müßte.
An Scenerie bietet Botanybai übrigens gar Nichts und kann nicht im entferntesten mit den benachbarten Sidneybai oder Port Jackson, wie sie gewöhnlich genannt wird, verglichen werden. – Die unmittelbaren Ufer der Bai und einige kleine niedere Thalflächen ausgenommen, ist das Land eine buschüberwachsene Sandfläche, die oft in förmliche dürre weiße Sandstrecken ausartet, und Port Jackson, das da so reizend mitten in dürren Boden liegt, kam mir wahrlich vor, wie ein kleiner Ausschnitthändler, der seinen ganzen Waarenvorrath aufgeputzt im Schaufenster, hängen und diesem Zweck seinen ganzen übrigen Laden geplündert hat. Botanybai ist allerdings der Mannigfaltigkeit neuer Pflanzenarten wegen berühmt, die man dort entdeckte, und ich gebe zu, daß man, in’s Einzelne gehend, die verschiedenen mit Blumen bedeckten Büsche, die mannigfachen Gattungen der Banksia’s und anderer, ungemein schön und interessant finden kann; das aber nimmt dem ganzen doch nicht seinen Charakter, und der ist, sobald man den Wasserspiegel verläßt, ein entschieden trauriger.
Botanybai ist übrigens außerdem ein so harmloser Platz als möglich, und hat den schlimmen Namen, den es in der civilisirten Welt trägt, sicherlich auf die unschuldigste Weise bekommen. An seinen Ufern war nie eine Verbrechercolonie, ja die Leute sind dort nicht einmal zu Arbeiten verwandt, da gar Nichts da gearbeitet worden, und dennoch trägt der Name Botanybai jetzt fast alle Schrecken jener Periode – das kommt davon, wenn man schlechte Nachbarn hat.
Natürlich besuchte ich auch das Theater in Sidney, muß aber gestehen, daß ich von dem guten Geschmack des Sidney Publikums dort keinen sehr günstigen Begriff bekam. Ich hatte geglaubt, daß ein von England aus direkt abstammendes Publikum etwas mehr künstlerischen Sinn haben würde als Bruder Jonathan in den Vereinigten Staaten; aber Gott bewahre, ich fand denselben Bombast, dieselbe Marktschreierei, und die Schauspieler mit nur sehr wenigen Ausnahmen, der Art, daß sie selbst auf einer mittelmäßigen Bühne Deutschlands dieselbe Aufnahme wie hier empfangen hätten, nur daß die Bedeutung dort eine etwas verschiedene gewesen wäre. Trommeln und Pfeifen gilt hier nämlich für unbegränzten Beifall, und es that meinem Herzen wohl, ohne unartig zu werden, ganz in deutschem Sinn mit einstimmen zu können.
Der ganze Zettel schon war amerikanisch: erst ein Drama, mit genauer räuberromanartiger Angabe der verschiedenen Scenen und entsetzlichen Vorfälle, dann komische Gesänge, die sämmtlich vom Publikum auf die ungezogenste Weise da capo verlangt wurden, und höchst mittelmäßige, aber sehr stark applaudirte Tänze dazwischen. Unter den Tänzerinnen – denn es waren sämmtlich Damen – befanden sich auch die Geschichte sollte einen maurischen Tanz, glaub’ ich, vorstellen zwei junge schwarz angestrichene Damen, die mich lebhaft an unsere unächt gefärbten Mohren in deutschen Schaubuden erinnerten.
Vielleicht war es an dem Abend nur zufällig, aber es kamen sehr viele Damen in engen Tricots vor, die nicht selten keineswegs zarte, aber stets sehr stark applaidirt, Sachen sagten. Das Publikum schien überhaupt nicht im mindesten eigen, wie ich wenigstens aus einem kleinen Lustspiel zu ersehen glaubte, das nach dem Drama gegeben wurde, und in dem ich den Schauspielern vieles wieder abbat, denn sie waren vortrefflich. Das Sujet desselben war sehr einfach: ein paar schmollende junge Eheleute, die ein plötzlich ankommender, ungekannter Bruder der Frau – natürlich Officier – versöhnt, der von dem Ehemann erst für einen Nebenbuhler gehalten wird. In der Entwickelung äußert dabei der Ehemann, daß der Officier – der sich mit ihm, nachdem er seine Frau geküßt, nicht schlagen will, verdiene den Rock, den er trage, vom Leib gerissen zu bekommen, worauf der Officier sehr kaltblütig äußert – »wenn er meine.« Dann zieht er in höchster Gemüthsruhe seinen Rock aus – »vielleicht auch die Weste?« sagt er dann, und entäußert sich auch dieser. Das Ehepaar nebst den Dienstboten einem alten Bedienten und der jungen Magd stehen entsetzt – Rock und Weste liegen auf dem Stuhl – das Publikum lauscht in athemloser Spannung. »Wünschen Sie etwa noch mehr?« fragt mit Seelenruhe der schreckliche Officier, und macht dabei eine ganz unzweideutige Bewegung, sich auch seiner Unaussprechlichen zu entledigen, was nur durch eine angstvoll ablehnende Bewegung des Ehemanns, und durch einen gemeinsamen Entsetzensschrei der Frau und der Dienerin, wie durch das unbändige Aufjubeln des Hauses, verhindert wurde. Ein einziger junger Mann im Parterre schien auch dieses zu wünschen, denn er schrie aus Leibeskräften: down with them – wurde aber überstimmt.
Das Publikum selber war für mich interessanter fast als das Spiel. Wirklich habe ich kaum je eine wild-und buntgemischtere Masse beisammen gesehen. Die erste Gallerie enthält ausschließlich die feine Welt; schon der Name »dress circle« zeigt, was sie bedeutet, und schwarze Fracks und weiße Glacéhandschuhen haben dort unbestreitbar die Majorität. Die Damen sind ebenfalls im höchsten Putz, und allen andern ersten Galerien gleich wird hier, nur mit sehr wenigen Ausnahmen, weder Mißfallen noch Tadel ausgesprochen; es herrscht eine edle, würdige Steifheit.
Die zweite Gallerie ist für die Mittelklasse, aber nur ein halb anständiger Platz, denn man darf sich keineswegs wundern, wenn plötzlich einmal eine junge Dame ihre beiden Hände auf Eines Schultern stützt und über den etwas Ueberraschten hin mit der größten Unbefangenheit und unverkennbarer Aufmerksamkeit das Spiel betrachtet. Die dritte Galerie ist der billigste Platz, der Aufenthalt der Gerechten – das Paradies, und je schrecklicher der Zettel, desto voller. Der interessanteste Raum ist aber jedenfalls das Parterre, denn wenn jener den Namen des Paradieses verdient, so sieht das Parterre aus, als ob dort die Schafe und Böcke noch nicht geschieden wären, und fortwährend in höchster Ungeduld, den entscheidenden Ausspruch, der sie zur äußersten Rechten oder Linken berufen solle, erwarteten. Wie aus der Arche Noah herausgeschüttelt sitzen dort »ein Männlein und ein Fräulein« traulich beieinander, Matrosen und Dienstmädchen, Grisetten und Ladenjünglinge, Handwerker und Wasserleute, kurz Er’s und Sie’s im tollsten Farbenschmelz, mit Strohhüten, Mützen, Blumenhauben, rothen Shawls, Hemdärmeln, Spitzenkragen und Fracks. Während dem Act amüsirt sich dieses Völkchen vortrefflich mit Lachen, Bravoschreien, Dacapo rufen und Trommeln und Pfeifen – beides, wie gesagt, hier Beifallsbezeugungen – und in den kurzen Zwischenakten wird seine Lust erst recht laut, so daß also für dasselbe ein solcher Theaterabend einer fortgesetzten ununterbrochenen Reihe von Vergnügungen zu gleichen scheint. Dann kommt die Zeit, wo hie und da einer der sich berufen fühlenden Laien auf die Bank steigt, und seiner ihm entzückt lauschenden Umgebung einen declamatorischen oder musikalischen Vortrag hält. Hier führen zwei Matrosen ein Scheingefecht mit Stöcken aus – sehr zur Unbequemlichkeit eines ruhigen Mannes in einem braunen Rock, der all die Hiebe bekommt, die der eine Matrose parirt; dort hat ein anderer den kaum verlassenen Platz eines Dritten räuberischer-und hinterlistigerweise occupirt, und ein hitziger Wortwechsel droht ein noch viel hitzigeres Ende nehmen zu wollen; schon reißt der eine seine Jacke vom Leibe, seinen Ellenbogen in dem bevorstehenden Kampfe freieres Spiel zu gewähren, als sich plötzlich ein Aufwärter mit Leid und Tragkorb hineinlegt, und zwar im wörtlichsten Sinne des Worts, aber auch ebenso unfreiwillig als glücklich für den Frieden des Hauses. Mit einem Korb nämlich voller Apfelsinen, Aepfel, Birnen und Feigen beladen, ist er, der allgemeinen Gewohnheit nach, ruhig über die Bänke, das Obst zum Verkauf ausbietend, dahergeschritten, unglückselige Neugierde leitete seine, keineswegs dort auf Kundschaft rechnen könnende Bahn, nach dem ausbrechenden Tumult hin – er hatte jedenfalls einen vortrefflichen Platz, den Kampfplatz in spe überschauen zu können – nur noch eine Bank weiter, da – war es ein verrätherischer Stock oder glitt der sonst so sichere Fuß – hakt er plötzlich in irgend etwas fest, einen Augenblick schwankt er, aber der schwere Korb entscheidet mit fürchterlicher Schnelle sein Schicksal – wie ein Hagelschlag fahren die Aepfel und Apfelsinen zwischen die Streitsüchtigen hinein, während die bisherigen Zuschauer plötzlich zu Mitwirkenden werden, und, sich in Todesverachtung auf die als gute Beute erklärten Waaren stürzend, nur den Aufwärter mit seinem Korb liegen lassen.
Doch selbst dieses zu beobachten, bleibt den Galerien keine Zeit, denn in einem andern Theil des Parterre’s entsteht ein fast noch größerer Lärm. Hier ist eine Flasche mit Sodawasser mitten zwischen einer ganzen Ansiedlung von »Weibern und Kindern« explodirt, und während dem Geschrei der Kinder, dem Gekreisch der Ladies und dem Lachen und Fortdrängen der Männer steigt der Vorhang wieder empor. Nach einem kurzen Lärm von »hats down« (Hüte ab), dem hie und da oft nur mit einem grimmigen Seitenblick Folge geleistet wird, herrscht, dann und wann von dem Schreien kleiner noch unvernünftiger Kinder unterbrochen, eine von solcher Masse wirklich kaum besser zu verlangende Stille.
Das Orchester ist sehr schwach, manche der Decorationen so mittelmäßig, daß sie fast Carricaturen gleichen, andere jedoch auch ziemlich gut dagegen, und überhaupt überzeugte mich Alles, was ich vom Theater, das ich später ziemlich häufig besuchte, sah, daß die Künstler für leichte Conversationsstücke, aus dem Leben heraus, wie gemacht waren, aber Coulissenreißer wurden, sobald sie aus dem herausgingen – und wie unsagbar oft haben wir das auch selbst in Europa bei unseren ersten Künstlern.
Zu meinem unbegrenzten Erstaunen sah ich aber hier eine Verwendung der Mitglieder, von der wir in Deutschland, an nur einigermaßen anständigen Bühnen, gar keinen Begriff haben. Hat schon einer meiner Leser an Bord eines Schiffs ein Sopha gesehen, das sich seinen erstaunten Blicken erst als Sitz, dann Kleiderschrank, Commode, Bett, Waschtisch und Gott weiß was noch alles entwickelt? So mit den Schauspielern und Schauspielerinnen hier. Madame Magnus, welche den Kilian und die Agathe im Freischütz zu gleicher Zeit gab, war gar nichts dagegen. Ich habe die erste Liebhaberin als zweiten jugendlichen Liebhaber, Soubrette, als Choristin und Tänzerin gesehen, und hielt von da an alles für möglich; am meisten setzte mich aber eine kleine dicke Gestalt in Erstaunen, die Kammermädchen und Mütter, zweite und dritte Liebhaberinnen, zärtliche Väter, Chor und sonst noch andere Kleinigkeiten spielte. Es war eine Gestalt, vielleicht vier Fuß hoch und drei einhalb im Durchmesser, stets höchst anständig gekleidet und ohne irgend ein äußeres Merkmal ertravaganter Neigungen. Diese erschien plötzlich als Ballettänzerin mit einem Zauberstab, in dem möglich kürzesten und trotzig nach allen Richtungen hinausstehenden Röckchen, in fleischfarbenen Tricots und bloßen Armen und eben solchem Nacken auf der Bühne, fing an herumzuschweben, und warf die kleinen dicken Beinchen auf eine so merkwürdige und leichtsinnige Weise in der Luft durcheinander, daß ich ein paar Mal fest überzeugt war, sie würde sie im Leben nicht wieder auseinander finden. Ich saß förmlich erstarrt da, und konnte nicht einmal applaudiren.
Was die Plätze im Theater betrifft, so hatte ich, nachdem ich es zum erstenmal besucht, gehört, daß die zweite Galerie ein keineswegs anständiger Platz sey, und ging also das nächstemal, um mir nun auch das Innere von unten zu besehen, ins Parterre. Hier fand ich aber, was mir von der zweiten Galerie gesagt war, selber, denn die öffentlichen Mädchen, die wahrscheinlich, wie in Amerika, freien Eingang haben, trieben sich hier auf wahrhaft skandalöse Weise herum. Es bleibt also in der That kein wirklich anständiger Platz im Theater als die erste Galerie, der sogenannte dress circle, wo man gezwungen ist, in Galla zu erscheinen und 5 Schilling (etwa 1 Thaler 20 Sgr.) zu bezahlen. Uebrigens spricht es nicht besonders für die Bevölkerung von Sidney, daß ein so beschränkter Raum als die erste Galerie vollkommen genügend erscheint, den anständigen Theil des Publikums zu fassen.
Noch eine Warnung möchte ich hier für alle nach mir Kommende hinzufügen: sich im Theater während der australischen Beifallsbezeugungen nicht von der Stelle zu bewegen. Ein Mann vom Lande kam, als eben ein pas de deux beendet war, mit seiner holzstieligen Stockpeitsche ins Parterre, und verlangte, da er den Tanz wahrscheinlich nicht gesehen, diesen ungestüm da capo, was er dadurch ausdrückte, daß er mit dem schweren Stiel der Peitsche aus Leibeskräften auf die hölzerne Bank vor sich niederschlug. Ein dicker Herr, der in diesem Augenblick gerade eintrat, und über die Bank wegschreitend seine Augen auf die Bühne gerichtet hielt, kam unglücklicherweise in des Applaudirenden Nähe, und wußte – allerdings unbewußt – eines seiner Hühneraugen ganz geschickt im entscheidenden Moment zwischen Peitschenstiel und Bank zu bringen. Das Resultat läßt sich denken.
Mein Aufenthalt in Sidney selber dauerte übrigens länger als ich eigentlich im Anfang beabsichtigt hatte; in der That bedurfte ich aber auch einer kurzen Rast, nicht allein von überstandenen auszuruhen, sondern mich auch wieder auf neue Strapazen vorzubereiten, und ich überließ mich deßhalb, ohne Gewissensbisse zu fühlen, einem höchst wohlthätigen kurzen Müßiggang; ich hielt mich gewissermaßen »zu meinem Vergnügen« in Sidney auf, was mich, wie bekannt, in manchen Städten Deutschlands jedenfalls verdächtig gemacht hätte, hier aber nicht im mindesten auffiel. In Städten fühlte ich mich auf Reisen freilich nie ganz wohl, Städte bieten auch in der That fast stets viel zu wenig Neues und Interessantes, für die Masse Geld die sie kosten. Mir lag jedoch auch zugleich daran, so viel als möglich über den Murray und die Inlandtour vorher zu hören, ehe ich die sehr kostspielige Reise unternahm, um nicht gezwungen zu seyn vielleicht nachher wieder zurückkehren zu müssen, und es war dieß ein doppelter Grund für mich, nicht zu sehr zu eilen.
Das Leben in Sidney ist theuer und billig, wie in allen größeren Städten, und wie man sich einzurichten weiß. Die Hotels haben dabei die verschiedensten Preise, und das schlimmste ist, daß bei den größeren, Kost und Bequemlichkeiten keineswegs zu den enorm erhöhten Preisen im Verhältniß stehen. Im Royal Hotel zahlt man die Woche, bei nur mittelmäßig zubereiteter und sehr einfacher Kost, bei ungenügender Bedienung und kahlem, kaum meublirtem Zimmer 49 Schilling, während man, wenn man gerade den ordentlichen Fleck trifft, fast eben so gut für 12 Schilling und an den meisten Orten eben so gut für 16 und 20 Schilling leben kann. Sobald ich nur ein wenig in Sidney bekannt wurde, zog ich natürlich in ein billigeres und in der That besseres Gasthaus als das Royal Hotel.
Die Stadt hat einen entschieden englischen Charakter, und ist den Tag über, bis Abends 10 Uhr, lebhaft genug. Zahlreiche Omnibus durchfahren sie der vollen Länge nach, die Hauptstraße Georgestreet hinauf und hinunter, außerdem stehen noch elegante Fiacres überall zerstreut durch die Stadt, und die Straßen sind mit Gas beleuchtet, mit guten Trottoirs versehen, die Läden elegant und geschmackvoll eingerichtet. Sidney stellt sich jedenfalls einer Stadt dritten Ranges in England vollkommen gut an die Seite.
Das Volksleben ist hier besonders lebendig, die zahlreichen Brod-und Gemüsekarren kreuzen sich überall, Fischverkäufer schreien ihre, auf Schiebkarren feilgebotenen Waaren unermüdet aus, und an allen Straßenecken fast preisen Kuchenverkäufer ihre »hot pies, penny a piece.« Außenstände und Fruchtläden findet man gleichfalls in großer Anzahl, und es läßt sich leicht denken, daß der Fremde hier eine vortreffliche Gelegenheit hat, sein Geld los zu werden.
Von sicher aber höchst ungünstigem Einfluß sind die sich hier in wahrer Unmasse befindenden Schenkbuden, der Ueberschrift nach »licensed to sell spirituous and fermented liquors.« Ihre Zahl ist Legion und trunkene Männer und Frauen gehören zu etwas alltäglichem. Unter diesen habe ich auch einige Exemplare des Genus: homo austrialiensis oder der sogenannten black fellows (Schwarzen) gesehen – schauderhafte Subjekte mit widerlichen wilden verlebten Zügen. Der australische Wilde soll sich außerdem nicht über Schönheit zu beklagen haben, der Trunk aber auch dazu hat diese hier zu wahren Scheusalen gemacht, und sie könnten in der That ohne weitere Vorbereitung jedem selbst die unbescheidensten Ansprüche machenden Mäßigkeitsverein als »abschreckende Beispiele« dienen. Das »schöne Geschlecht« sieht dabei noch entsetzlicher aus als das »häßliche,« und die stieren Augen gleichen manchmal fast dem Wahnsinn.
In Botanybai redeten uns ein paar solche schwarze Damen an; d. h. sie kamen auf uns zu, machten die zierlichsten Knixe, was allerdings komisch genug aussah, und ersuchten die Gesellschaft mit den höflichsten sorgfältigst gesetzten Redensarten um etwas »white money« oder weißes Geld, denn sie wissen einen recht guten Unterschied zwischen diesem und dem rothen zu machen.
Black fellows oder kurzweg Blacks, werden ausschließlich die eingeborenen wilden Stämme genannt, während die hier geborenen Weißen, die sich in Louisiana z. B. Creolen nennen würden, den Namen natives angenommen haben. Höflich ist man ebenfalls gegen die Trans-oder Deportirten, die fast stets »Gouvernementsleute« titulirt werden. Diese Höflichkeit ist hier aber gewissermaßen die gezwungene Folge eines höchst unangenehmen Verhältnisses für den Fremden, der die Leute, mit denen er zu thun hat, und deren Familienverhältnisse, nicht ganz genau kennt. Man ist hier nämlich, selbst in den ersten Cirkeln der Stadt nie ganz sicher, nicht mit einem selbst Deportirten, oder doch Abkömmling von solchen, freilich in ganz anderen Verhältnissen, zu thun zu haben, und will man dann nicht oft Leute, die uns nie gekränkt haben, auf eine höchst schlimme und kaum wieder gut zu machende Art beleidigen, so muß man, besonders in seinen Reden über Deportation und Deportirte selber, stets höchst vorsichtig seyn. – »Höflichkeit kann niemals schaden.«
Die Verbrecherbevölkerung der Stadt verleugnet sich übrigens, was auch darüber in ausländischen Blättern Schönes und Gutes geschrieben seyn mag, hier in Sidney nicht, und ich habe in meinem ganzen Leben, selbst kaum in Californien, so viel von Einbrüchen, Mordthaten, Diebstählen und anderen Beraubungen gehört, wie gerade hier. Jedes Tagesblatt bringt die Angabe neuer Verbrechen, und jetzt gerade ist wieder, neben einer Masse anderer Uebelthäter, die dann mit geringeren Strafen abkamen, ein entsetzlicher Mörder, der ein förmliches Geschäft daraus gemacht zu haben scheint, zum Tode verurtheilt worden, und sollte am 25. April gehangen werden. Die Post wird dabei alle Augenblick angefallen, und es würde mich gar nicht gewundert haben, wenn ich auf meiner Fahrt zum Murray – wo ich fast 400 Meilen mit der Post, gerade den Theil der Länder passiren mußte, der solchen Ueberfällen am häufigsten ausgesetzt war, ein kleines apenninisches Intermezzo erlebte.
Ein gemeinnütziges Institut hier ist die Mechanics school of art – eine Art Lesezirkel, wo die neusten englischen und australischen Zeitungen nebst einer Art, dem Institut selber gehörenden Bibliothek, welche ihre Bücher an die Mitglieder ausleiht – gehalten werden. Unter ihren Blättern sind die Times, London Illustrated News, Scotsman, Art Union, Athenaeum, Calcutta Englishman, Punch,, wie die meisten der Quarterly Reviews und Magazines mit den besseren australischen Zeitungen. Ein Beweis aber, in wie geringen Betracht die wenigen Fremden oder Ausländer kommen, von denen doch Manche Mitglieder sind, ist, daß nicht eine einzige, weder französische noch deutsche Zeitung hier gehalten wird. Die Deutschen scheinen überhaupt hier weniger, als selbst in Nordamerika, zusammen zu halten, und stehen deßhalb auch total vereinzelt in der sonst englischen Bevölkerung. – Nicht eine einzige deutsche Zeitung, selbst nicht in Privathänden, ist dabei in ganz Sidney zu finden, und nur aus der Times, die, wie bekanntlich den deutschen Interessen stets gehässig ist, schöpfen sie ihre sämmtlichen Nachrichten aus der Heimath; es läßt sich denken, wie unvollkommen und meist auch entstellt diese seyn müssen.
Was das Land selber, besonders ganz in der Nähe von Sidney betrifft, so eignet sich dasselbe wenig für den Ackerbau – Neu-Süd-Wales ist überhaupt anerkannt ein weit besseres Land für Viehzucht, doch erst neuerdings hatten einzelne Farmer, besonders oben an Hunters River, den Weinbau, und zwar mit sehr günstigem Erfolg versucht. Hunters River wurde mir überhaupt von mehren Seiten angerathen zu besuchen, da dort unstreitig das beste Land für Ackerbau sowohl als Weinbau liege, und jenes auch für Deutsche, die nach Sidney auswandern wollten, der geeignetste Punkt seyn würde.
Vom »Westen« des Landes sollte ich nächstens genug zu sehen bekommen, so wollte ich denn hier, wo mir doch noch eine kurze Zeit blieb, die Gelegenheit nicht versäumen, einen kleinen Abstecher nach Norden hinauf zu machen, und Hunters River, wie die benachbarte Gegend wenigstens auf einem kleinen Streifzug kennen zu lernen.
Sonnabend den 12. April Abends 10 Uhr schiffte ich mich an Bord des schönen eisernen Dampfbootes, Rose, ein, und erreichte, nach einer etwas unruhigen Fahrt, denn wir hatten den Wind gerade entgegen, und die See ging ziemlich hoch, Morgens etwa um 9 Uhr New Castle, einen kleinen, in der traurigsten Sandwüste liegenden Ort, aber mit ziemlich gutem Hafen und vortrefflichen Steinkohlenbergwerken, die dem Platz, trotz seinem öden Aussehen, bald Bedeutung geben müssen. Hier war in früheren Zeiten eine Verbrechercolonie.
Von dort aus ließen wir die See hinter uns und fuhren den hier ziemlich breiten Hunters River stromauf. – Die Landschaft war, solange wir noch innerhalb des niederen Sumpflandes blieben, monoton genug – rechts und links zeigten sich nur mit niederen Büschen und Blumen bewachsene, oft kaum aus dem Wasser vorragende, oft von der Fluth überschwemmte Ufer, nur manchmal von einem Schwarm geschwätziger Kakadus oder darüber hinstreichender Möven belebt. Hie und da bildete das Land förmliche Inseln, und der Eindruck, den das Ganze machte, war traurig und öde, ähnlich der Einfahrt in den Mississippi.
Weiter hinauf nahm aber die Landschaft einen freundlicheren Charakter an; hie und da tauchten aus den hölzernen Büschen kleine Landhäuser auf; und cultivirte Felder wurden sichtbar – ein Platz am rechten Flußufer lag förmlich romantisch in einem dichten Gebüsch von Orangen und Norfolkfichten, zwischen denen die breiten tropischen Blätter der Bananen hervorschauten, halb versteckt.
Je weiter wir hinaufkamen, desto mehr bebaut fand ich das Land, und die stehen gelassenen dürren Bäume in den Feldern, der dahinter liegende Wald und die niederen Ufer gaben der ganzen Scenerie wiederum etwas ungemein dem Mississippi Aehnliches, nur natürlich in sehr verjüngtem Maaßstabe, denn der Fluß selber ist ganz unbedeutend und hält nur im Sommer bis dahinauf fließend Wasser, bis wo Ebbe und Fluth geht, während das Thal selber schmal ist, und allerdings nicht mit dem Mississippi bottom verglichen werden darf. – Nur das äußere Ansehen hatte die Aehnlichkeit, die sich sogar in den eingefenzten Feldern und dem häufig gebauten Mais wieder fand. Den letzteren ziehen die australischen Farmer übrigens nicht, wie es die amerikanischen thun, für den eigenen Hausbedarf, sondern nur für ihr Vieh. Der Australier ißt kein anderes als Weizenbrot.
Da jetzt hier Herbst war, stand der Mais allerdings noch im Feld, die Weizenäcker lagen aber geackert, und hie und da sah ich Pflüge mit vier und sechs Ochsen bespannt in denselben gehen.
Raimonds Terrasse, ein blühendes kleines Städtchen, war mein erster Anhaltepunkt, und von hier aus beabsichtigte ich nach der Farm eines Herrn James King in Irrawang, etwa drei Meilen von Raimonds, hinauszugehen, an welchen ich durch die HH. Dreutler und Kirchner in Sidney empfohlen war.
Zum erstenmal durchschritt ich jetzt australischen Wald – stets ein eignes wundersam erhebendes Gefühl für mich, wenn ich den Wald eines fremden Welttheils betrete – und ich eilte, so rasch ich konnte, den mich beengenden Häusern der kleinen Stadt zu entgehen. Der Eindruck, den der wirkliche Wald oder Busch, wie er hier in Australien ziemlich bezeichnend genannt wird – auf mich machte, war aber keineswegs der Art, wie ich ihn im Anfang erwartet hatte. Ich fand nur sehr wenig wirklich große und schöne Bäume, die meisten waren wohl schlank und gerade genug, aber keineswegs so um mit einem amerikanischen, oder auch nur tahitischen Urwald, verglichen zu werden. Van-Diemensland und Neu-Seeland sollen übrigens viel bedeutendere Wälder haben als Neuholland. Die Bäume selber sehen sich fast alle ähnlich, gehören auch meist alle zu dem Geschlecht der Gummi-oder Harzbäume mit lanzettförmigen harten langen Blättern, und theilen sich nur in die allein an der verschiedenen Rinde kennbaren »Stringy Bark,« gewöhnliche Gums und »Blackbuts.« Einen ordentlichen Stringy Bark bekam ich aber hier gar nicht zu sehen; die Ansiedler benutzen die zähe starke Rinde derselben zu den Dächern ihrer Häuser und manchen andern Zwecken, und die Bäume selber gehen dann, sobald sie der schützenden Rinde beraubt sind, natürlich ein. Andere Gummibäume werfen im Winter ihre Rinde freiwillig ab, und stehen nun, zwar mit grünem Laub, aber sonst so nackt und häßlich, wie die wilden trotzigen Eingebornen des Landes, zwischen ihren mehr auf Anstand haltenden Brüdern.
Australien ist uns fast stets als das Land des Widerspruchs geschildert, und der Europäer denkt sich nicht selten, daß auch die geringsten Kleinigkeiten mit der alten Welt in Widerspruch stehen müßten, kommt man aber wirklich selber her, so treten diese anscheinenden Außerordentlichkeiten sehr in den Hintergrund zurück, und auf den ersten Anblick kommt Einem die ganze Umgebung wirklich alltäglich vor. Eigenthümlichkeiten stellen sich aber, bei näherer Besichtigung, doch bald genug heraus, und neben den rindenlosen Bäumen paßt da unter anderen auch die Casuarine, mit ihrem Eichenstamm und Tannennadeln, vortrefflich hierher. Das Holz der Casuarinen kommt dem Eichenholz an Härte und Ansehen fast vollkommen gleich, die Nadeln gleichen aber nur von weitem denen der Tannen, und sehen in der Nähe ganz wie Schachtelhalm aus, nur daß sie nicht dessen Eigenschaften haben.
Das Holz aller Gumbäume ist hart und so schwer, daß es im Wasser wie Blei untersinkt – dabei sollen die größeren Bäume meist alle im Herzen faul seyn. An der Küste wächst aber in einigen, doch nur sehr wenigen Thälern, eine Ceder, die vortreffliches Holz liefert, und drinnen im Lande steht eine sehr hübsche Art von Tannen. Von den Gumbäumen spalten nur einige Arten gut.
Gegen Mittag erreichte ich, die wenigen Meilen zu Fuß marschirend, Mr. Kings Farm, und wenn ich ihn auch selber nicht zu Hause fand, hörte ich doch, daß er jeden Augenblick erwartet werde, und wurde indessen auf das freundlichste von Mrs. King empfangen. Gastfreundschaft herrscht hier in Australien noch im ächt patriarchalischen Sinne, und je weiter im Busch drin, desto lieber sehen die Ansiedler den Fremden, den sie oft nur höchst ungern wieder scheiden lassen.
Hr. King beschäftigt sich besonders mit dem Weinbau, und er bestellt auch wirklich nur zu diesem Zweck Land – das übrige hat er, wie ich später erklären werde, an Pächter ausgeliehen, und bezieht nach abgeschlossenen Akkorden und bestimmten Jahren eine gewisse Rente davon. Ich kostete hier den Irrawang 47er, einen weißen Wein, der schon eine Zeitlang in Flaschen gelegen hatte, und fand ihn vortrefflich. Er hat einen ganz dem Hochheimer ähnlichen höchst angenehmen Geschmack, und dabei fast noch mehr Feuer als der Hochheimer. Einen rothen Wein, eben von derselben Farm, stelle ich dem Aßmannshäuser vollkommen gleich. Hr. King denkt Proben dieses Weines nach Deutschland zu senden, ich fürchte aber, daß sie auf der langen Seereise an Geschmack verlieren, ebenso wie der Rheinwein, der auch das Liniekreuzen nicht recht vertragen kann.
Hr. King kam erst Abends nach Hause, und am nächsten Tag ritten wir über seine sämmtlichen etwas ausgebreiteten Besitzungen. Das Land ist ziemlich gut, und die Weiden sind vortrefflich, doch soll der Boden dicht am Fluß, wie sich auch leicht denken läßt, noch viel besser seyn, da er besonders in manchen Jahren Ueberschwemmungen ausgesetzt ist, die vortrefflichen Schlamm zurücklassen, ohne durch zu starke Strömungen gefährlich zu werden. Er hatte hier etwa 4000 Acker in einem Strich liegen, und wenn auch von diesen ein kleiner Theil steiniges Hügelland war, so schien doch ein sehr großer Theil zu Mais und Weizen und das übrige fast alles zu Weinbergen oder Wiesen verwendbar.
Durch das Ausmiethen an Einwanderer oder ärmere Leute, die eben mit der Landwirtschaft beginnen wollen, bekommt er sein Land nach und nach urbar gemacht, und die Pächter selber stehen sich vollkommen gut dabei, da sie wenig Auslage haben, und die ersten zwei Jahre den gemietheten Platz, den sie freilich auch erst urbar zu machen haben, rentfrei erhalten. Der spätere Pacht ist dann ebenfalls mäßig genug, und der Ansiedler ist stets im Stande, sich nach und nach Geld genug zu verdienen für sich selber, und auf eigenem Grund und Boden anzufangen. Etwas freilich worin Australien dem Einwanderer nicht so viele Vortheile bietet, als z.B. die Vereinigten Staaten, ist der hier ziemlich hohe Preis des Landes. Eine Guinee der Acker ist Gouvernementspreis, und in den Auctionen, wo alles Land versteigert wird, kommt es, wenn irgend in einer guten Lage, gewöhnlich noch höher. Dabei fehlt hier das Preemptionright der Amerikaner; nichtsdestoweniger brauchte in damaliger Zeit der arme ordentliche Arbeiter, der australischen Boden betrat, selbst wenn er ohne Pfennig da ankam, nie zu fürchten, daß es ihm an Beschäftigung fehlen werde. – Arbeiter waren im Gegentheil das, was gerade fehlte, und Alle fanden ohne Unterschied – der Eine allerdings besser als der Andere – ein Unterkommen. – Das war freilich vor der Entdeckung des Goldes, und die Verhältnisse haben sich in der Hinsicht bedeutend geändert – doch auf alles das komme ich später zurück.