Auszeit! - Sissi Perlinger - E-Book

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Sissi Perlinger

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Beschreibung

Lernen von Sissi Perlingers Weg ins Glück

Sissi Perlinger hat mit ihren multiplen Talenten eine unglaubliche Karriere hingelegt: Als Tänzerin, Sängerin, Kabarettistin und Schauspielerin. Ein Showprogramm folgt dem anderen, ein Fernsehauftritt dem nächsten Kinofilm. Sissi Perlinger gibt immer Vollgas - bis sich Körper und Seele gegen Überarbeitung und Stress wehren.

Unterhaltsam und voller Humor erzählt Sissi Perlinger die Geschichte ihres Lebens – von ihrer Suche nach Erfolg und beruflicher Anerkennung, aber vor allem auch von der Suche nach Glück und innerem Gleichgewicht. Dabei erkennt sie, dass man sich eine Auszeit überall gönnen kann: Denn wer bewusst lebt, der kann auch bei alltäglichen Erlebnissen viel Beglückendes erfahren. Ihre neues Bühnenprogramm heißt deshalb auch: "Gönn dir einen Auszeit".

Sissi Perlinger ist ein Multitalent und hat eine unglaubliche Karriere hingelegt: Als Tänzerin, Sängerin, Kabarettistin und Schauspielerin. Ein Showprogramm folgt dem anderen, ein Fernsehauftritt dem nächsten Kinofilm. Sissi Perlinger gibt immer Vollgas - bis sich Körper und Stress gegen Überarbeitung und Stress wehren.

Unterhaltsam und voller Humor erzählt Sissi Perlinger die Geschichte ihres Lebens – ihre Suche nach Erfolg und beruflicher Anerkennung, aber vor allem auch von dieser Suche und nach Glück und innerem Gleichgewicht. Am Ende erkennt nicht nur sie selbst, sondern auch der Leser, dass man gar nicht um die halbe Welt düsen muss, um sich eine Auszeit zu gönnen: Denn wer bewusst lebt, der erlebt auch die alltäglichste Selbstverständlichkeit als Quelle großen Glücks.

Zeitgleich mit Erscheinen des Buches beginnt Sissy Perlingers neues Bühnenprogramm "Gönn' Dir eine Auszeit".

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 369

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Bildredaktion: Sabine Kestler

Bildnachweis: Duygu Tocharzan: U1, 13, 36 u.re., Bild 1.; Holm Dressler HDTV: Bild 2 Bild 3; Perlinger Archiv: Bild 4, Bild 5, Bild 6, Bild 7, Bild 8.,Bild 9, Bild 10., Bild 11. und Bild 12.; Perlinger Archiv/Diesel Wecker: Bild 13, Bild 14; Perlinger Archiv/Helmut Claus: Bild 15, Bild 16; Perlinger Archiv/Jorinde Gersina: Bild 17., Bild 18. und Bild 19.; Perlinger archiv/Manfred Schramm: Bild 20, Bild 21; Perlinger archiv/Ursula Dornberger: Bild 22; Südwest Verlag/Jens van Zoest: Autorenfoto/Klappe, Bild 23., Bild 24, Bild 25, Bild 26, Bild 27, Bild 28, Bild 29.

Layout und Satz: Mathis Weymann, Populärgrafik

Inhaltsverzeichnis

Prolog von Fräulein SissingerDER PERLINGER-WEG INS GLÜCKCopyright

Prolog von Fräulein Sissinger

Hallo liebe Leserinnen und Leser, dieses Buch ist wie eine Karte zu einem verborgenen Schatz; es ist die Aufforderung, durch unbekannte Türen zu gehen und sich selbst neu zu erfinden. Sie bekommen einen Leitfaden an die Hand, der Sie aus dem düsteren Labyrinth einer verfahrenen Lebenssituation zurück ins Licht führen kann. Falls Sie sich gerade völlig gebeutelt fühlen sollten und am Ende Ihrer persönlichen Fahnenstange sind, dann vergessen Sie nie, dass gerade große Krisen tiefgreifendende Lernprozesse ermöglichen.

Meine Geschichte nimmt genau dort ihren Anfang: in so einem sehr dunklen, unfassbar lange währenden Tiefdruckgebiet. Danach musste ich mich komplett neu definieren, wieder zusammensetzen und hocharbeiten, aus dieser Grube, die ich mir selbst gegraben hatte. Gott sei Dank sind mir genau die richtigen Leute über den Weg gelaufen, die mir weiterhelfen konnten, und ich habe die stimmigsten Therapien für mich gefunden. Damit ging es mir vier Jahre nach der ganzen Tragödie besser als je zuvor. Und dieser Zustand hält bis heute an, immerhin schon zehn Jahre. Ich scheine für mich meine ganz persönliche »Glücksformel« gefunden zu haben, aber dafür musste ich eben diese Runde im eisigen All drehen, wie ein Phönix aus der Asche auferstehen, mir alles genau merken und immer schön weiterüben, was ich da draußen gelernt hatte. Dadurch ist es mir gelungen, viele Informationen und Einsichten in die nächsten Stufen meiner Entwicklung mitzunehmen hin zu einem erfüllten, selbstbestimmten Menschen.

Dieser Prozess, den ich hinter mich gebracht habe, befähigt mich also, dem Thema »Glückssuche« etwas ganz Persönliches beisteuern zu können, das ich am eigenen Leibe erfahren und für mich erfolgreich angewendet habe. Und es macht mir einfach Freude, mein Wissen weiterzugeben, das ich in jahrelanger Feld-, Wald- und Wiesenforschung zusammengesucht habe. Viele aktuelle Bücher beschäftigen sich mit dem Thema Glück, aber zu meiner großen Erleichterung habe ich festgestellt, dass meines sich nicht mit den anderen doppelt. Dies ist also ein sehr spezielles »Lebenshilfebuch«, so wie nur ich eines schreiben konnte, aber meine Erfahrung hat mir bisher immer wieder gezeigt: Je mehr ich ganz subjektiv bei mir bleibe, umso öfter treffe ich den Nagel auf den Kopf, auch für jeden Einzelnen in meinem Publikum. Meine Geschichte besteht aus drei verschiedenen Strängen, und ich flechte die Handlungsebene der Vergangenheit, meine gegenwärtigen Einsichten und die daraus resultierenden Tipps wie einen Zopf ineinander. Natürlich lasse ich als Komödiantin meinen Assoziationen freien Lauf, und jedes Thema, das ich streife, wird mit großer Freude auf alle möglichen Pointen hin abgeklopft und ausgekostet. Ich habe alles durchwirkt, aufgepeppt und vor allem angeheitert durch allerlei »sissi-iges« Gedankengut, das zu den jeweiligen Themen gehört und meiner Meinung nach unbedingt endlich mal gesagt werden musste. Außerdem berichte ich über viele hochinteressante Episoden, die mir auf meinen Reisen begegnet sind.

Ich freue mich also riesig, endlich mal wieder all meine Einsichten und Ideen in ein Buch zu packen. Und weil ich ein fröhlicher Grundcharakter bin, können Sie davon ausgehen, dass es trotz des ernsten Hintergrundes ziemlich witzig wird. Wirklich lustige, bühnenerprobte »Stand-up-Sequenzen« finden sich gleich neben hochphilosophischtiefenpsychologischen Ansätzen, die mir im Lauf meiner Suche nach Weiterentwicklung und Heilung zugeflogen sind. Gleichzeitig ist dies quasi die Sekundärliteratur zu meinen Bühnenshows »Gönn dir ne Auszeit« und »Singledämmerung«.

Diesen Weg von ganz unten aus den dunkelsten Niederungen bis hinauf zum sonnendurchfluteten Glück, also das Thema »Krisenbewältigung als große Chance zu einer inneren Transformation«, habe ich zweimal auf völlig unterschiedliche Weise behandelt, ohne dass ich mich dabei wiederholt hätte, denn ich habe meinen Komplettkollaps in zwei ganz getrennten Shows verarbeitet.

Der eine Faktor, der dazu führte, dass ich aus der Bahn geworfen wurde, war die völlige Überarbeitung und der daraus resultierende schwere Tinnitus. Daran schließt sich thematisch auch die Suche nach den frühkindlichen Prägungen, die Korrektur der Prioritäten und die Suche nach Hilfe und Heilung. Diesen ganzen Bereich habe ich damals einfach in die »Schublade« gelegt.

Daraufhin konnte ich mich voll und ganz dem anderen Faktor widmen: dass ich vom geliebten Mann verlassen wurde, und das bot durchaus genügend dramaturgischen und humoristischen Sprengstoff, um ein Publikum einen Abend lang köstlich zu amüsieren. Ich glaube ja, dass wir Frauen unsere Existenz immer noch sehr stark um unsere Partner herum aufbauen, ein bisschen wie Schlingpflanzen, die sich am starken männlichen Baumstamm emporwinden und auf diese Weise auch prächtig gedeihen. Wenn wir aber das stützende Zentrum unseres Lebens verlieren, hängen wir wie ein Schluck Wasser in der Kurve und fallen in uns zusammen.

Auf beiden Beinen eigenständig und stabil im Leben zu stehen ist etwas, das Frauen überhaupt erst seit sehr wenigen Jahrzehnten üben können. Ein kluger Mann hat mal gesagt: »Allein sein zu können ist ein Synonym für seelische Reife.«

Ich habe das genauso erlebt und muss sagen, dass ich diese Krise geradezu als Initiationsprozess empfunden habe, wobei ich in keiner Weise andeuten möchte, dass Männer oder Partnerschaften dadurch unnötig geworden wären. Ich glaube eher, dass zwei reife Menschen, die mal eine Zeit lang gelernt haben, auch mit sich allein klarzukommen, hinterher wirklich beziehungsfähiger geworden sind. Denn nun klammern sich nicht mehr zwei Nichtschwimmer aneinander und gehen gemeinsam unter, sondern man sucht sich seinen Partner mit wacheren Augen aus und gründet eine funktionierende Symbiose, in der beide Seiten gedeihen können, ohne erdrückt oder ausgebeutet zu werden. Derart komplexe Überlegungen sprengen natürlich den knapp zweistündigen Rahmen einer Comedyshow. Solche Abende sollten sich tunlichst in reduziertester Form auf den Punkt und auf den Lacher konzentrieren. Viele meiner Gedanken und Recherchen fallen folglich dem Zeit-Rotstift zum Opfer. Aber das meiste Material fand ich trotzdem so interessant und witzig, dass ich mich dazu entschlossen habe, es in diesem Buch zu retten und weiterzuspinnen.

Ich bin immer schon eine neugierige Sammlerin gewesen und habe mein Leben lang die Nase in alle möglichen Bereiche gesteckt, um einen großen Fundus an Möglichkeiten zur Verfügung zu haben, mit dem ich mir helfen kann, mein Leben von Tag zu Tag so zu gestalten, wie ich es mir erträume. Außerdem habe ich glücklicherweise die Freiheit, seit vielen Jahren an den unterschiedlichsten Orten dieser Welt leben zu können. Und so durfte und darf ich meinen Realitätstunnel mit vielen großen Fenstern versehen, auf dass das Licht der verschiedensten Sichtweisen, Lebensauffassungen und Blickrichtungen zu mir hereinscheinen möge.

Wie eine Mediatorin erkunde ich den Rand unserer Gesellschaft und lote mit Distanz, Humor, aber auch mit viel Insiderwissen die Subkultur und sämtliche Paralleluniversen aus, die sich dem Glückssucher eröffnen, wenn er denn bereit ist, die Ohren zu spitzen und in die freie Untergrundszene einzutauchen, um dort die Perlen herauszufischen. Weil ich gern anwendbares Wissen weitergebe, ist dies in gewisser Weise jetzt auch die Fortsetzung meines überaus beliebten Ratgebers »Die geheimen Tipps der Sissi Perlinger«.

Ich durfte in den seither vergangenen 14 Jahren sehr viel Neues dazulernen und bin froh, all das mit Ihnen teilen zu können.

Und hier schon gleich mein erster Tipp

Nimm gleich jetzt beim Lesen unbedingt einen Stift zur Hand und unterstreiche alles, was du interessant findest, und mach Eselsohren in alle Seiten, die für dich wichtig sind, damit du sie später schnell wiederfindest.

Ich mache mir auch zu jedem Buch handschriftliche Notizen auf einem Blatt Papier. Das ist mir jetzt, wenn es bald immer mehr E-Books geben wird, besonders wichtig.

So kann ich später in wenigen Minuten alle für mich relevanten Daten und Details auffrischen und erspare es mir, das ganze Buch ein zweites Mal lesen zu müssen. Man muss ja bekanntlich nicht alles im Kopf haben, sondern nur wissen, wo es steht.

Und jetzt noch ein kleiner Hinweis zum Thema Tipps. Für uns Frauen ist es ganz normal, dass wir ständig Wissen austauschen und uns gegenseitig etwas empfehlen. Das ist seit Jahrtausenden unsere Art, wie wir unsere Probleme lösen und Informationen weitergeben. Männer hingegen leben in einer streng hierarchisch aufgebauten, statusorientierten Parallelwelt. Und es würde keinem Mann jemals einfallen, einem anderen gute Ratschläge zu erteilen, weil so etwas in deren Verhaltenskodex bedeutet, dass der eine von sich glaubt zu wissen, wo’s langgeht, und dies dem anderen nicht zutraut.

Männer untereinander leisten verbale Hilfe höchstens mit Worten wie: »Hey, in zehn Jahren lachen wir drüber, und jetzt trinken wir erst mal ein Bier.«

Von einer Frau einen Rat zu bekommen ist für einen Typen nicht ganz so schlimm, aber es hat einen leicht bemutternden Beigeschmack. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur so viel ans Herz legen: Alles, was Sie hier lesen, sollten Sie möglichst nur für sich selbst anwenden oder mit einer Freundin begackern.

Und es gibt noch etwas, das ich klarstellen möchte: Ich will hier echt nicht rumstrebern oder klugscheißen und allen erzählen, wie toll ich doch bin, weil ich dies oder jenes für mich geschnallt habe. Ich habe meinen Scannerblick einfach nie auf das Suchobjekt »Schuhe« trainiert, sondern schon immer eher auf kreative Lösungsansätze für menschliche Schwächen.

Außerdem liebe ich nichts mehr, als selbst einen wirklich guten Tipp zu bekommen. Ich probiere alles, was sich einigermaßen vernünftig anhört, sofort aus, schau mir die Ergebnisse an, und wenn die gut sind, nehme ich die daraus gewonnenen Erkenntnisse in meinen Selbsthilfe-Fundus auf.

Und der jahrelange Selbstversuch scheint Früchte zu tragen, denn meine Freunde haben mir einstimmig bestätigt, dass ich ihrer Meinung nach längst einen Doktortitel verdient hätte, in »Jolly-ology«, der hohen Kunst, fröhlich zu sein.

Aber bevor wir zu den Erkentnissen kommen, nimmt der dramaturgische Bogen der Geschichte Sie erst mal mit ins Epizentrum meines damaligen seelischen Erdbebens.

Und noch eine kleine Bitte: Falls Ihnen noch der eine oder andere Tipp oder pointierte Witz einfallen sollte, bitte ich Sie ganz ernsthaft darum, sich mit meiner Agentur in Verbindung zu setzen. Die One-Woman-Comedy-Show »Gönn dir ne Auszeit« wird einige Jahre lang auf vielen Bühnen im gesamten deutschsprachigen Raum zu sehen sein, und es ist nie zu spät, eine neue witzige Wendung einzubauen. Da wird gefeilt und aktualisiert bis zum letzten Tag. Haben Sie auch keine Scheu, mir Anregung und Kritik zukommen zu lassen, unter: [email protected].

Vielen Dank und viel Spaß beim Lesen!

Ihre

PS: Alle Tourdaten und Infos unter

www.Sissi-Perlinger.de

DER PERLINGER-WEG INS GLÜCK

Sissi als Baby

Meine Mama hat oft erzählt, dass ich schon als ganz-ganz-kleiner Säugling in der Wiege nie geweint, sondern stundenlang vor mich hin gesungen habe. Ich war in meiner Wickelgruppe sozusagen die »Windel-Callas«. Mir gefällt diese Geschichte, denn sie zeugt von meiner grundsätzlich positiven Einstellung dem Leben gegenüber, die ich mir bis zum heutigen Tage erfolgreich bewahren konnte, wenn man mal von dem krisenbedingten Aussetzer absieht, der mich zwischendurch ereilt hat.

Ich war schon als Baby Archetyp Showgirl, Aszendent Zirkuspferdchen. Vor Kurzem fand man eine alte, wackelige, Schwarz-Weiß-Filmaufnahme von mir, in der ich im zarten Alter von 10 Monaten eine Papiertüte nehme, sie mir auf den Kopf setze, leicht schief zurechtrücke und dann in die Kamera grinse. Fingerfarben und Filzstifte wurden von mir sofort als Make-up umfunktioniert und ich habe schon damals nur vorm Spiegel gesessen ... stehen konnte ich ja noch nicht. Als ich drei war, hat meine Mama mir einen genialen Bärchenanzug genäht, mit Ohren, eingearbeiteten Füßchen und Puschelschwanz. Und das alles nicht in langweiligem Bärchenbraun, sondern im Leopardenmuster, das prägt.

Sie ist eine großartige Kostümdesignerin und hat mir viel Talent in die Wiege gelegt. Von diesem Outfit perfekt unterstützt, habe ich dann auf den Fliesen in der Küche Steppen geübt, in die Klobürste gesungen und mit Suppenlöffeln auf unseren Kochtöpfen getrommelt bis … mein Vater völlig entnervt ausgezogen ist. So wurde ich bereits im zarten Alter von drei Jahren vom ersten Mann verlassen.

Der zweite Mann in meinem Leben, mein Stiefvater, war Gott sei Dank schwerhörig . . . nein, ein Scherz, der konnte damit umgehen, eine kreative Tochter zu haben, weil er selber Vollblutkünstler war. Meine Eltern haben mir unheimlich den Rücken gestärkt, und das war auch gut so, denn während meiner gesamten Teenagerzeit, wenn ich mit bodenlangem Cape und Federhut in die Schule gegangen bin, haben alle immer nur gesagt: »Boohey, das nervt, musst du immer singen?« – »Genau! Kannstde dich nicht mal normal benehmen, so wie wir?!« Alle trugen damals Parka, Boots und Jeans mit Schlag; ich bin mit meinen selbst beklebten sechs Zentimeter hohen Leo-High-Heels rumgelaufen.

Ich lebte sozusagen auf »hohem Fuße«, sozial gesehen kroch ich jedoch auf dem Zahnfleisch daher. Sogar meine Mutter hat mich mal im Supermarkt zwischen den Regalen angefaucht: »Ich möchte nicht, dass du immer so angibst!« – »Bitte??«

Ich hatte einen Tanzschritt geübt, ganz für mich allein. Als ich mich umschaute, weil ich sehen wollte, ob es vielleicht wahr sein könnte, dass ich unbewusst versucht hatte, Aufmerksamkeit zu erregen, war da kein Mensch! Der Tengelmann war wie immer gähnend leer. Ich hatte es für mich getan, ich schwöre es, einfach nur so zum Spaß und weil ich schon damals meine Lebenszeit gern zum Üben genützt habe.

REGELMÄSSIGES ÜBEN IST MEINE TÜR ZUM GLÜCK.

Kleiner Tipp am Rande

Nichts macht glücklicher, als ein kontinuierlicher Prozess, der dir die Möglichkeit gibt, etwas wachsen zu sehen. Ich habe in meinem Leben unendlich viele Kurse besucht, das Wichtigste ist das private, regelmäßige Üben. Ich mache das auch in einer Ecke am Flughafen oder in der U-Bahn. Lass die Blicke der anderen einfach an dir abgleiten, und du kannst deine Wartezeit viel sinnvoller nutzen.

Schon bemerkenswert, wie deutlich sich meine »Berufung« bereits in frühesten Kindertagen Raum verschafft hat, und trotzdem hatte keiner ein Auge dafür. Ich fühlte mich von meiner Umgebung missinterpretiert und unverstanden.

Meine Eltern arbeiteten beide beim Fernsehen und hatten mir aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen glaubwürdig versichert, dass alle Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter als arbeitslose Alkoholikerinnen enden. Außerdem meinte meine Mama, alle Mädchen wollen Sängerin oder Tänzerin werden. Ich solle mir doch bitte ein originelleres Berufsziel ausdenken.

Das hat natürlich tief gesessen, denn »unoriginell« war das Letzte, was ich sein wollte. So kam es, dass ich noch mit Anfang 20 durch die Stadt gelaufen bin und nicht wusste, wo ich hingehörte und was ich mal werden sollte.

Ich kam mir vor wie ein sehr buntes hässliches Entlein, das nirgends seinesgleichen findet, und fühlte mich innerlich blockiert und verwirrt, bis zu dem Moment, in dem mein Unbewusstes ganz klar für mich gehandelt hat.

Meine Entdeckerin

Eines schönen Sommertages im Englischen Garten, in den frühen 80er-Jahren, lief mir Marianne Sägebrecht über den Weg. Sie war eine Bekannte meiner großen Schwester und quasi die Mutter der »Opera Curiosa«. Unter ihren Fittichen hatte sich eine beachtliche Kleinkunstszene in meiner damals sehr lebendigen »Weltstadt mit Herz« entwickelt. Ich hatte zufällig mein schönstes gelbes Theater-Tanz-Kleid an, bin einfach direkt auf sie zugelaufen und habe sie gefragt, ob ich mal bei einem ihrer gemischten Abende auftreten könne. Sie lachte laut und meinte: »So, wie du ausschaust, bist du eine richtige Regenbogenprinzessin. Komm am nächsten Freitag zu uns ins Hinterhoftheater, kriegst a Viertelstund.«

Immer wenn ich an jenen magischen Tag denke, an dem mein wahres Leben endlich beginnen konnte, bin ich dankbar dafür, dass ich damals nicht gezögert habe. Einen Moment der Unentschlossenenheit, und mein Schicksal wäre vielleicht völlig anders verlaufen. Daher an dieser Stelle mein . . .

Tipp

Trainiere deine Spontaneität. Dem ersten Impuls zu folgen ist der Schlüssel zur eigenen Intuition und somit auch zum Glück.

Wenn die Gegenbetrachtungen im Kopf erst mal Oberhand gewonnen haben, traut man sich nicht mehr. Demnächst, wenn du Lust verspürst, einfach auf irgendjemanden oder irgendwas zuzugehen, tu es einfach! Zähle eins, zwei und los. Selbst die schroffste Abweisung ist schneller verdaut, als eine vertane Lebenschance. Und in den meisten Fällen wirst du positiv überrascht sein, denn wahre Spontaneität hat viel mehr Charme als ein mühsam vorbereiteter Auftritt. Du kannst üben, dich selbst ins kalte Wasser zu schubsen! Selbst wenn du pudelnass wieder rauskrabbeln musst, bist du trotzdem erfrischt. Aber jetzt schnell zurück zur Geschichte.

Ich habe mir als Erstes eine Videokamera ausgeliehen, meine Musik aufgelegt und mich beim Tanzen gefilmt, weil ich mir nicht sicher war, ob ich spinne oder ob ich tatsächlich was konnte. Fühlte sich das, was ich da machte, nur gut an, oder sah es auch für ein Publikum gut aus? Diese Frage konnte ich Gott sei Dank zu meiner Zufriedenheit klären.

Mein erster Auftritt

Keine drei Tage später stieg ich also diese kleine Stufe hinauf in den Lichtkegel dieses einzelnen Scheinwerfers.

Die Menschen strahlten mich an, ich improvisierte einen lustigen Tanz zu einem Klavierstück von Errol Garner. Das Publikum klatschte begeistert, ich sang ein Lied a cappella, und die Leute johlten, ich wurde immer leichter und erzählte einen Witz. Sie prusteten los und lachten sich weg. Mich durchströmte eine unglaubliche Energie, und es fiel mir wie Schuppen aus den Haaren: »Das ist meine Welt!« »Hier oben kann ich endlich genau so sein, wie ich bin.« Was heißt oben? Das waren gerade mal 20 Zentimeter, aber es war ein ganz großer Schritt für mich! Okay, nur ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber diese Menschheit liegt mir plötzlich zu Füßen und tobt.

Gut, es waren nur 30 Leute an diesem Abend da, aber für mich fühlte es sich an wie die ausverkaufte Allianzarena.

Und von da an hieß es nie mehr: »Boohey, du nervst!«, sondern: »Boohey, wie toll, wie mutig, wie geil!!« Ich war nicht mehr durchgeknallt – ich war eingeschlagen! Aus dem verrückten Huhn wurde ein Paradiesvogel! Das hässliche Entlein wurde zum Bühnenschwan.

Ich bin eine Künstlerin und habe alle meine Planeten im Hause der Brettlschnepfe, ich will kreativ sein, etwas Neues schaffen. Wenn ich Bäckerin geworden wäre, hätte ich mich entweder umgebracht oder meine eigene Brezelform erfunden. Mein Beruf ist meine Berufung, er ist der Sinn meines Lebens.

MEIN PERSÖNLICHER SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK IST, ETWAS NEUES ZU ERFINDEN UND ES VOR PUBLIKUM AUFZUFÜHREN.

Ich bin anders als die anderen Mädchen, ich will nicht heiraten und ein Kind bekommen, ich werde befruchtet von Gedankenblitzen, schreibe sie auf, gehe damit schwanger, das Ding wächst in mir heran, nimmt Gestalt an, und dann bringe ich eine Soloshow auf die Welt, mit Tanz, Gesang und bunten Kostümen.

Es ging los

Meine erste abendfüllende One-Woman-Show – »Der Sissi Perlinger-Skandal« – habe ich nach monatelangen Presswehen am 6.4.1986 in der »Negerhalle« in München entbunden und bin dann mit meinem damaligen Freund, Michi Kunz, von Ammergau bis Altona über sämtliche Bühnen getourt. Tingeln in den 80ern, das war eine Mischung aus Abenteuerurlaub, Überlebenstraining und Partisanenausbildung. Meinen kleinen Hund Felix, den ich gerade frisch aus dem Tierheim geholt hatte, hab ich immer bei meiner Nachbarin Nani abgegeben, weil er beim Autofahren kotzen musste.

Mein Stiefvater, nachdem er meine erste Show gesehen hatte, sagte strahlend: »Kind, du bist ja richtig gut!«, und schüttelte mir voller Stolz die Hand. Meine Mama war völlig aus dem Häuschen und freute sich wie Bolle, weil ich das alles doch von ihr geerbt hatte: Singen, Tanzen und Schreiben.

Allerdings, mein heimlicher Traum ist nie wahr geworden, nämlich, dass mein Papa irgendwann plötzlich im Publikum sitzt und hinterher zu mir kommt und sagt: »Sissi, ich bin stolz auf dich!«

Also hab ich gedacht, muss ich den Sprung ins Fernsehen schaffen. Fernsehen, kennen Sie?!

Das war vor Internet, das war damals noch was Tolles. Und zu der Zeit hatte ich auch schon meinen Agenten Harry, der schenkte mir zum Geburtstag drei Wunschbändchen. Ich bin heim, hab mich auf die Knie geworfen und gesagt: »Lieber Gott, du weißt, dass ich nicht an dich glaube, aber Hauptsache du glaubst an mich. Ich habe hier nämlich drei Wunschbändchen, und ich weiß nicht, wo ich die sonst einlösen soll. Also: Ich wünsche mir,

dass mein neues Bühnenprogramm super wird,dass ich meine eigene Fernsehshow bekomme unddass die tolle Hauptrolle in dem Kinofilm klappt, an dem Harry gerade dran ist. Danke!«

Dann habe ich meine Ärmel hochgekrempelt, das soll bekanntlich helfen, und tatsächlich, innerhalb relativ kurzer Zeit ist alles wahr geworden, ich hatte Wahnsinnsglück!?!? Aber glücklich . . . wirklich glücklich war ich nicht.

Kleiner Tipp

Pass gut auf, was du dir wünschst! Es könnte wahr werden.

Seit dieser Zeit denke ich darüber nach, was Glück für mich ganz genau bedeutet. Ich empfinde es als großes Privileg, dass ich tatsächlich die Chance hatte, alle meine damaligen Träume zu erfüllen, damit volle Kanne vor die Wand zu fahren und danach aufstehen und weitergehen zu können. Die Suche nach dem Glück ist ein großer Luxus, den die westliche Welt sich gerade leistet – das Thema ist in aller Munde. Kein Wunder, wir sind doch heutzutage alle in dem Glauben groß geworden, dass die Erfüllung unserer äußeren Bedürfnisse automatisch auch innere Glückseligkeit schaffen würde. Ganz klar: Es hat so lange Zeit an allen Ecken und Enden gemangelt, dass wir erst einmal den Wohlstand kennenlernen mussten, bevor die nächsten Lernschritte kommen konnten, hin zu einer tiefer sitzenden Zufriedenheit. Hierzu ein kleiner erster Ausschnitt aus meinem Lied . . .

. . . vom Glück

Die Menschheit hat Zeit und untersucht es zum ersten Mal.Ungarische Wissenschaftler sehen in ihm den heiligen Gral,Wichtigtuer, Gschaftlhuber schreiben Bücher fürs Regal.Es zu sezieren und zu zerdiskutieren halt ich für fatal!Glück, das man plant, in den Kalender schreibt,da fragt man sich vergebens, wo es jetzt schon wieder bleibt.Glück artet aus in den völligen Stress,wenn ich mein Glück am Glück der andern mess.Aber Menschen sind gründlichund drum fragen wir uns stündlich,ganz ausdrücklich,bin ich denn auch wirklich glücklich???

Natürlich war ich damals überglücklich, als ich meine erste Hauptrolle in dem ZDF-Weihnachts-Dreiteiler »Stella Stellaris« bekam. Und ich habe mir sofort Geld geliehen und bin nach New York geflogen und habe Tag und Nacht mit meiner Schauspiellehrerin, Susan Batson, an der Rolle gearbeitet. Am Ende der zweimonatigen Vorbereitungsphase wusste ich alles über diese Außerirdische. Wie sie träumt, wovon sie sich in ihrem Raumschiff ernährt und sogar wie sie aufs Klo geht. Es war ja immerhin meine erste Hauptrolle. Leider waren aufgrund der Kameraführung all diese wunderbaren Details nie im Bild zu sehen – aber egal.

Und dann ging es Schlag auf Schlag: Ich bekam meine erste eigene TV-Show »Schräge Vögel« beim ZDF und daraufhin auch ganz viele Filmrollen, habe bei »Virgin Records« meine neue CD veröffentlicht, zwei Bücher geschrieben, die PR für all diese Produkte vorangetrieben, ’ne Modekollektion für Karstadt entworfen, Moderationen auf Gala-Events gemacht, und natürlich landauf, landab meine Liveshows gespielt. Plötzlich hatte ich gefühlte 580 Drehtage und 720 Bühnenauftritte im Jahr, und das über ein ganzes Jahrzehnt. Und keine 679 458 Flugmeilen, 789 Meetings und 59 388 Liter Kaffee später hatte ich fünf Jobs gleichzeitig und war ein kleines bisschen überarbeitet.

Es ist, als würde man immer nur die Speisekarte lesen, aber das Essen nie runterschlucken. Meine Seele wurde immer hungriger, aber nichts von alldem hat mich wirklich satt gemacht. Ich war allerdings auch viel zu beschäftigt, um das alles überhaupt noch zu bemerken.

Es gibt da übrigens ein interessantes Phänomen: Wenn man Frösche ins heiße Wasser wirft, dann springen sie ganz schnell wieder raus, wenn der Wassertopf jedoch langsam erhitzt wird, bleiben die einfach sitzen und sterben.

So ähnlich ging es mir. Ich war so busy, all diesen verschiedenen tollen Herausforderungen gerecht zu werden, dass ich wie eine Lokomotive, deren Motor immer hochtouriger rattert, durch mein Leben gestampft bin. Keine Zeit, keine Zeit! Wie der weiße Hase aus »Alice im Wunderland«.

Vor lauter Schauspielunterricht hatte ich ganz vergessen, dass man auch mal den einen oder anderen Film absagen könnte … oder sogar müsste? Aber ich konnte es ja im Vorfeld nie so genau wissen. Vielleicht kam gerade jetzt diese eine tolle Rolle, die ich unter gar keinen Umständen verpassen durfte, so wie in »Der letzte Kurier«. Außerdem pinselten die Film- und Kabarettpreise dem aufgeblähten Ego natürlich den Bauch.

Mein Terminkalender war komplett schwarz zugekritzelt, und ähnlich düster hab ich mich dann auch irgendwann gefühlt. Frank Zappa hat mal ein klassisches Musikstück geschrieben, »The Black Page«, das er so nannte, weil man vor lauter Noten keinen Flecken weißes Papier mehr entdecken kann. Ungefähr so klang auch mein Leben damals, wie moderne Zwölfton-Experimental-E-Musik. Das dazu passende Bild hätte man nur malen können, wenn man lautschreiend Farbbeutel auf eine Leinwand geknallt hätte.

Auch hierzu ein kleiner Tipp

Falls du gerade in so einer Lebensphase stecken solltest, hier ein gutgemeinter Rat, den mir meine Therapeutin einst gab: Jedes Element deines Lebens, das dir wichtig ist, braucht auch seine Zeit, und seinen Freiraum. Also in erster Linie mal du selbst, dann erst die Beziehung, die Familie, die Freunde und auch das Hobby, der Hund oder die Weiterbildung – je nachdem, wo deine wahren Prioritäten liegen. Diesen Dingen musst du zeitlich gerecht werden, um dein Glück aufbauen und bewahren zu können. Im Prinzip musst du solche Freiräume und Spezialzeiten leider schon Jahre vorausplanen und – wie alle anderen Termine auch – in den Timer eintragen, und dich genauso strikt daran halten, als wäre es ein Meeting mit dem Boss. Wer sonst ist der Chef in deinem Leben, wenn nicht du selbst!

Ich habe damals jede freie Fläche zugebucht, weil ich gar nicht auf die Idee kam, mir im Vorfeld auch Zeit für mich zu nehmen. Auf dem Papier und aus der Ferne sieht ja auch alles ganz machbar aus. Wenn man jung und energiegeladen ist, scheint alles sowieso ganz leicht zu sein. Wenn dann aber ein paar unvorhergesehene Zwischenfälle dazukommen und du plötzlich nur noch von einem Termin zum anderen hetzt, dann bist du irgendwann fix und alle.

Erschwerend kam für mich hinzu: Im Showgeschäft kann man auch nicht einfach mal eben krank werden. Da hängt an jeder Verpflichtung, die man eingegangen ist, ein riesiger Rattenschwanz von sehr viel Geld und von unzähligen Menschen, die man nicht enttäuschen will. Ich dachte damals immer, ich darf nicht zimperlich sein und muss durchhalten können, denn eines wusste ich ganz genau: Ich gehöre in diesen Beruf.

Morgens wenn ich aufwache, putze ich mir als Erstes die Zähne, schärfe meinen Verstand und spitze meine Zunge. Auf der Bühne muss man laut werden können, übertreiben, sich was trauen, die Dinge beim Namen nennen, alle zum Lachen bringen und gern im Mittelpunkt stehen. Für den Job braucht man ein gutes Durchsetzungsvermögen und eine gesunde Portion Egozentrik, und ich muss als Chefin auch mal auf den Tisch hauen können, um mir Respekt in meinem Team zu verschaffen. Ich gebe zu, diese Eigenschaften sind nicht unbedingt dafür geschaffen, dass Männer sie als wahnsinnig attraktiv ansehen. Die meisten Jungs finden die klassischen weiblichen Attribute viel interessanter, wie zum Beispiel: Anpassungsfähigkeit, schüchterne Zurückhaltung, Geduld, schweigsam zuhören können, liebevolle Aufopferungsbereitschaft und vor allen Dingen, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, sondern sich eher in den Dienst einer höheren Sache zu stellen, zum Beispiel seiner Karriere.

Alles andere gilt bei vielen Männern nach wie vor gern als anstrengend. Mein Ex-Ex hat oft gesagt: »Du hast immer deinen eigenen Kopf und machst nie das, was man dir sagt, das nervt.«

Ich möchte gar nicht wissen, wo ich gelandet wäre, wenn ich immer getan hätte, was er für richtig hielt, ich weiß nur, dass ich immer wieder nach drei Jahren verlassen wurde. Hey, ich war auch drei Jahre alt, als mein Papa gegangen ist! Zufall?

Nun, meine Beziehungen waren sowieso nie das Zentrum meines Denkens, um das sich alles drehte, sondern mein künstlerisches Weiterkommen. Und ich gebe offen zu, es war bestimmt nicht leicht für meinen Freund. Ich war ja nie da. Ich bin nur noch nach Hause gekommen, um meinen Koffer neu zu packen und sofort wieder abzudüsen. Das lässt keiner gern mit sich machen, schon gar kein Löwe-Mann. Und so hat mein damaliger Partner in der Zwischenzeit still und heimlich nach einer Frau gesucht, die bereit war, seine Kinder zu bekommen.

Karriere oder Karies

Ich war so abgelenkt von meinen Verpflichtungen, dass ich auch das gar nicht bemerkt habe. Irgendwann hatte ich nicht mal mehr Zeit und Muße für die Kreativität. Auch künstlerisch hatte sich alles verselbstständigt. All das, was mir wirklich wichtig war, ist mir entglitten und in den Hintergrund gerückt. Karriere kann auch sein wie Karies, sie frisst dir ein Loch in die Seele. Die ominöse Straße zum Erfolg ist steil und ohne Rastplätze.

Da gibt es noch nicht einmal Leitplanken auf diesem serpentinenschwangeren Bergpass zwischen meiner Identität und der Massenkompatibilität, oben auf dem Olymp der höchsten Einschaltquoten. In der Glotze gilt ja die Devise: Das Publikum muss nach 30 Sekunden wissen, wer du bist. Meine besten Freunde haben das nach 30 Jahren noch nicht kapiert. Wusste ich das überhaupt selbst? Ich habe damals immer nur gedacht, mein Glück würde irgendwo oben auf der Karriereleiter warten. So ungefähr ab Stufe zehn verschwände dann jedes Problem, und ab da müsste es auch automatisch mit dem Glücklichsein losgehen.

Leider ist man da oben nicht irgendwann mal angekommen und kann den Ausblick genießen, sondern man braucht ein Netz und einen doppelten Boden. Also eigentlich genau das, was ich gerade nicht gehegt und gepflegt hatte: nämlich eine stabile Beziehung. Einen liebevollen Partner, der dir den Rücken stärkt und für dich da ist, wenn du ihn brauchst. Bei dem du dich ausruhen und Kraft tanken kannst. Der dir mit Rat und Tat zur Seite steht und dich auch mal darin bestärkt, weniger zu arbeiten.

Ich habe in dieser Zeit viele sehr erfolgreiche Männer kennengelernt, die genau so eine Frau zu Hause hatten und deswegen ziemlich stressfrei ihren aufreibenden Job über mehrere Jahrzehnte hinweg absolvieren konnten. Ich habe kaum weibliche Stars getroffen, die nicht private Probleme gehabt hätten.

Das liegt meiner Meinung nach daran, dass sich die meisten Frauen immer noch ein Alphatier angeln wollen. Das sind aber leider wiederum genau die Männer, die auch in der Beziehung eine führende Position anstreben. Von so einem Partner zu erhoffen, dass er sich zurücknimmt und seinem Weibe die nötige Rückendeckung gibt, ist völlig illusorisch. Denn er erwartet ganz klar von seiner Frau, dass sie alles tut, um seine Karriere zu fördern, indem sie seinen Kram erledigt und seine Kinder großzieht.

Aber egal wie erfolgreich, gebildet und finanziell unabhängig die Dame von Welt heutzutage ist, sie wünscht sich trotzdem immer noch ’nen Kerl, der besser ist, weil sie zu ihm aufschauen möchte. Er muss also größer, klüger, älter und noch reicher sein als sie. Mit anderen Worten: eine Mischung aus James Bond, Lassie, dem Weihnachtsmann und Dagobert Duck.

Und deswegen sind so viele tolle Frauen immer noch Single, weil es solche Typen nur im Sankt-Nimmerleins-Land gibt. Okay, der Weihnachtsmann kommt einmal im Jahr, aber das ist sexuell auch nicht gerade befriedigend . . .

Kleine Info

Als Frau das eigene Beuteschema mal neu zu überdenken ist eine Chance, die eine Leopardin gar nicht hat, aber ein waches menschliches Wesen sehr wohl.

Es gibt heute Gott sei Dank auch sehr attraktive, lustige und überaus liebenswerte Versorger und Beschützer, die vielleicht auf den ersten Blick nicht die tollen Siegertypen mit dem schnittigen Auto sind, aber bei näherer Betrachtung oft die wesentlich beziehungsfähigeren, treueren und auch reiferen Männer. Wenn sich ein erwachsenes männliches Individuum aus freien Stücken dafür entscheidet, dass es keine Lust hat, sich dem Leistungsdruck unserer materialistischen Welt auszusetzen, ist er kein Loser, sondern er tut in meinen Augen einen wichtigen Schritt weg von den allgemeinen Lebensprämissen eines Pavianrudels. Es gibt inzwischen sogar Männer, die kapiert haben, dass sie eine viel ruhigere Kugel schieben, wenn sie den Hausmann geben und die Frau die Kohle heimbringen lassen. Frauen stressen sich mit ihrem Porentiefrein-Perfektionismus im Haushalt sowieso viel zu sehr. Ein Mann hat diesen Lupenblick gar nicht, um zu sehen, ob da noch ein kleiner Schmutzrand auf der Anrichte ist. Und gerade Kinder brauchen doch ein bisschen Dreck, um ihr Immunsystem zu trainieren. Den Männern kann ich an dieser Stelle nur sagen: Die Angst vor starken Frauen ist unbegründet. Schließt nicht von euch auf andere. Ein starker Mann wird in seiner hierarchischen Welt immer darum bemüht sein, die anderen zu dominieren. Eine starke Frau hingegen lässt ihre Umgebung erblühen, weil Frauen wesentlich mehr Gemeinschaftssinn haben.

Nun gut. Mir wurde jedenfalls irgendwann immer klarer: Meine Siegerstraße hatte sich in einen Holzweg verwandelt, der morsch geworden war und unter meinen Füßen zusammenbrach. Eines Nachts, nach einer endlosen Phase sich steigernder Hast und Überarbeitung, hatte ich einen sehr intensiven Traum. Ich gehe in den Stall, der im Keller meines Hauses liegt. Dort steht ein völlig verhungertes weißes Pferd, das sich kaum noch aufrecht halten kann, und ich, nur ich, bin dafür verantwortlich. Ein unglaublich schlechtes Gewissen bedrückt mich zutiefst. Das einstmals strahlende Tier ist total verwahrlost und klapprig, weil ich es sträflich vernachlässigt habe, so sehr, dass es fast gestorben wäre. Also führe ich den Klepper vorsichtig ans Tageslicht und schwöre ihm dabei unter Tränen, dass ich so was nie mehr zulassen werde.

Doch plötzlich ist da meine amerikanische Aerobictrainerin, und die schreit: »Reiß dich am Riemen!« Und sie zerschmettert meinen Siegerpokal aus Metall auf dem Boden. Der zerspringt in 1 000 Teile und verursacht einen irrsinnig lauten, schrillen Lärm. Es tönt durchdringend wie ein Düsenjäger in meinen Ohren, aber wieso steht der in meinem Hotelzimmer?

Und da werde ich wach. Ach so, das ist mein Wecker. Ich mache ihn aus, aber er klingelt immer noch. Ich werfe ihn an die Wand, aber es schrillt immer noch! Oh mein Gott, das ist Alarm!!! Es brennt!

Ich renne panisch zur Tür, reiße sie auf. . . Feuer!!

Vor mir steht das Zimmermädchen und sagt: »Nee Frühstück! Sie wollten Toast unnen Ei und ’nen Kaffe unnen Brei.«

Nein! Dieses gellende Geräusch ist in meinem Kopf! Aber da fällt mir ein, dass mein Tonmann beim Soundcheck immer sagt: »Wenn’s pfeift, dann ist das die Backenzahnfüllung, die plötzlich auf Kurzwelle empfängt.« Der ist mal Radiotechniker gewesen und muss es ja wissen.

Und dann klingelt es wirklich, das Handy, mein Agent. »Hallo Harry, was gibt’s? Nö, bei mir ist alles okay. Ich höre nur gerade so einen schrillen Ton in den Ohren . . . nee-nee, kein Grund zur Sorge! Bei mir piept’s. Das is wahrscheinlich mein innerer Vogel, der pfeift. Haha … was? Stresssyndrom?? – So ein Quatsch, ich hab doch keinen Stress, ich hab ein Pfeifen im Ohr; das ist der Backenzahn … kürzertreten? Wann soll ich das denn noch machen? Ich mach eh viel zu wenig. Heute Morgen hab ich schon wieder nicht trainiert. Madonna arbeitet wahrscheinlich doppelt so viel wie ich!«

Kurzer Tipp

Sich zu vergleichen, das ist der sicherste Weg, sich unglücklich zu machen. Es wird immer jemanden geben, der mehr hat oder besser ist als du. Wenn du den anderen deine Aufmerksamkeit schenkst, werden all die wunderbaren Dinge, die du mitbekommen hast, herabgewürdigt. Aber jetzt schnell zurück zu meinem Telefonat.

» . . .Okay, wir sehen uns heute Abend in Salzburg … ach so, Wien, egal. Hauptsache Schweiz! . . . Hahaha, Bussi, ciao!« Ich lege auf und denke nur, so ’ne Memme! Wenn ich bei jeder Lappalie anfangen würde rumzuzicken, könnte ich den Tourneeplan, den der mir gebucht hat, nie einhalten. Da kommt plötzlich das Zimmermädchen aus meinem Bad. »Ach Frau Perlinger, ick habe det Jespräch eben mitjekricht, wa. Mene Schwäjerin, die hatte ooch det Piepen im Ohr, ick stecke Ihnen mal det Kärtchen inen Waschbeutel rin . . . da werden Sie jeholfen. Und noch ’ne schöne Fahrt nach Wien. Soll ja sehr schön sein in der Schweiz.«

Ähm, danke, Berlin – Wien an einem Tag, kein Thema. Ich hab ja den neuen Smart! Nur schade, dass man vor lauter Navi die Straße kaum erkennen kann.

The Race

Ich versuch doch, die Bälle flachzuhalten,das Time-Management entspannt zu gestalten,prüfe mit Anwalt jeden Vertragund kontere cool den Gegenschlag.Ja, trotzdem tauchen Probleme auf,shit, ich hab die falschen Reifen drauf!Hier aufpassen, da ausweichen,’nen Boxenstopp kannste völlig streichen.Wie Formel 1, so is mein Leben;Formel 2 heißt weiterstreben.Die Triumph-Trophäe, nach der ich spähe,verstaubt im Schrank, aber Gott sei Dankjag ich schon der nächsten nach:mit Stunk im Tank und noch mehr Krach.Der Wagen schlingert, das Heck bricht aus,die Steuernachzahlung bringt mich draus.Eigentlich soll ich runterschalten,aber ich will den Anschluss zur Spitze halten.Ein Riesengerangel um die Position,die Meute hinter mir drängelt schon.Rasend um die Wette rennen,aber ich wollte doch weg von diesen Zwängen!Okay, ich geb’s zu, ich bin abgespannt.Also kauf ich ein paar Blümchen am Wegesrand,leg mir ’ne schöne Musik aufund bring mich wieder gut drauf.Und hab mir mit diesem angepissten Drecks-Blütenstaubmein ganzes nigelnagelneues Auto versaut!Aber von so was, da lass ich mich nicht runterziehen;okay, ich geb es zu, ich hab ein bisschen rumgeschrien.Dreht sich denn wirklich die ganze Weltnur noch um Status, Ruhm und Geld,Gesetze, Kredite, zu kleine Rendite?Die Last der Gebote, die List der Verbote,das Leben verplant und komplett überteuert,und wir sind längst wie ferngesteuert.Bin voll am Bibbern, die Knie am Zittern,mein Herz ist am Flattern, die Knochen am Schlackern.Hektische Flecken sind nicht zu verdecken . . .Ich bin völlig verspannt im Nackenund kann morgens nicht mehr . . . frühstücken.

Stresssyndrom! Was ist das denn eigentlich?

Ich schau zu Hause im Lexikon nach: »Eine physiologische Dysfunktion aufgrund psychischer wie physischer Überlastung.« Siehe Abbildung, und da ist … ein Foto von mir!!

Die erste Pause nach zehn Jahren

Jaa, ich geb’s zu: Ich hab ein bisschen viel um die Ohren. Okay, ich gönne mir jetzt ’ne Auszeit! Also bring ich meinen kleinen Felix mal wieder zu meiner Nachbarin, ach nee, der ist ja schon dort, und gebe mir ein verlängertes Wochenende in so ’ner niederbayrischen »Wellness-Beauty-Hühner-Farm«.

Ich drapiere mich dekorativst auf eine Liege in den Badebereich und lausche den mit Walgesängen unterlegten Kaufhausklängen. Endlich habe ich mal den inneren Abstand zu meinen momentanen Problemen gewonnen und …

Meine Güte, hier laufen aber auch Leute rum. Manfred Deix übertreibt in seinen Karrikaturen kein bisschen. Der liebe Gott hat uns doch angeblich nach seinem Ebenbild erschaffen. Heiliger, muss der scheiße aussehen.

Wenn man sieht, was da so aus dem Pool gekrochen kommt. Der Unterschied is gar nicht sooo groß zwischen Wellness und Lochness, und dann auch noch im quer gestreiften Badeanzug. Aber eigentlich ist das echt gemein!

Die arme Frau kann wahrscheinlich nix dafür. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass über 60 Prozent der dickleibigen Menschen genetisch so veranlagt sind. Die können nur dick! Das ist wie ’ne lange Nase, abstehende Ohren, die kann man auch nicht runterhungern oder wegtrainieren. Wie soll das denn gehen? Mit Naso-Labial-Push-ups?

Hier mein Tipp

Die Medien reden uns ein, dass jeder durch weniger Essen und mehr Sport schlank werden kann. Das stimmt einfach nicht. Rundlich zu sein ist sehr oft eine genetische Veranlagung; es liegt also an einem Gen und nicht am Zum-Kühlschrank-Gehn. Abnehmen zu wollen funktioniert in vielen Fällen einfach nicht! Gott sei Dank gibt es im Internet Foren, in denen Männer ganz explizit »weiche Frauen« suchen. Wenn du so ein Fall sein solltest, entziehe dem Thema jegliche Aufmerksamkeit. Nimm es als Herausforderung, diese ganze Oberflächlichkeit von dir abfallen zu lassen. Wir alle sind aufgerufen, uns innerlich gegen diesen übertriebenen Schlankheitswahn zu wehren. Seit der Entstehung des Homo sapiens hat die Evolution die entsprechenden Gene mühsam zusammengesammelt, um so einen typisch weiblichen Rubensarsch zu modellieren. Und warum? In der Eiszeit wärmt er, im Sommer gibt er Schatten. Und bloß weil irgendwelche Modediktatoren sagen: »Ab jetzt nur noch Apfelpopöchen«, haste mit so ’nem genetischen Erbe die Arschkarte. Darunter leiden nicht nur die Dicken. Wir alle werden von diesem Schlankheits-und Schönheitswahn terrorisiert: Auch ich lasse mich dermaßen unter Druck setzen!

Kein Wunder, dass mein innerer Wasserkessel pfeift.

Sie sagen jetzt vielleicht: »Was will die denn? Komm, mit der Figur, da hat man doch kein Problem.« Aber wenn du in der Öffentlichkeit stehst, da wird jedes Gramm auf die Goldwaage gelegt, und wehe du hast ein My zu viel, dann kommt gleich die Heidi-Klum-Fraktion, diese Bulimiker-Partei, und stellt dich an den Hochglanzpranger. Da heißt es dann wieder Dellenalarm! Und wir machen mit!

Frauen kaufen sich ja keine Wichsheftchen, wir geilen uns daran auf, wenn ein Paparazzo einen Weltstar mit Cellulitis erwischt. Und dann wird abgelästert, dagegen ist Dieter Bohlen ein einfühlsamer Therapeut. Aber das muss man sich doch mal genauer anschauen.

Wir Mädels inhalieren also mit masochistischer Lust Zeitschriften, in denen steht, dass wir sowieso nur eine einzige wandelnde Problemzone sind, die abgesaugt gehört.

Ist Ihnen schon mal Folgendes aufgefallen? Je mehr Aufmerksamkeit man diesem Thema schenkt, umso mehr Problemzonen tun sich auf: Krähenfüße, Doppelkinn, Hängetitten, Schwabbelbauch, Reiterhosen, Cellulite haben wir dann auch.

Das Problem wird auch noch dadurch verstärkt, dass wir Frauen als Sammlerinnen jahrtausendelang trainiert haben, auch noch die kleinste Beere im Unterholz zu finden. Und mit diesem typisch weiblichen Lupenblick, mit dem wir sogar die Butter im Kühlschrank finden, begutachten wir dann auch unsere Oberschenkel.

Ich hab vor Kurzem in einer Sendung gesehen, wie ein Schönheitschirurg die Partie, die abgesaugt werden sollte, mit ’nem schwarzen Filzer angezeichnet und dick schraffiert hat. Wissen Sie warum? Weil Männer das sonst gar nicht sehen würden. Aber wenn man die mit der Nase draufstupst, fangen die auch an. . . tja: »What you focus on – expands! « Das worauf man fokussiert, das wird größer, und zwar auch die Fettpölsterchen.

Und davon profitieren dann die Schönheitschirurgen.

Da höre ich hinter mir ein lautes Händeklatschen . . . und eine Männerstimme ruft: »Hello Ladies. Ich bin Gregory, Euer Personal-Ernährungs-Supervisor. Jetzt beginnt das Übungsessen im Bio-Vegetarischen-Vollkorn-Tempel! « –

Das trifft sich. Mann, hab ich einen Kohldampf! Ich werfe einen Blick in die Speisekarte. Ein kleiner Salat kostet 26 Euro?? Da fällt einem das Abnehmen schlagartig leicht. Wahrscheinlich ist der Balsamico von Prada, die Crème fraîche von Coco Chanel, und das Olivenöl hat der Versace höchstpersönlich gepresst, mit seinen Arschbacken . . . Ohoh, er kommt!

Gr: Okay, es geht um die Bewusstheit beim Essen, das innere Fett auf der Seele. And don’t forget: Big brother is always Weight Watching you!! – Was würdest du wählen, hä??

Sis: Ich nehme das Mädchengedeck, ein stilles Wasser, Zimmertemperatur und ’nen kleinen Obstsalat.

Gr: Oh my god, Früchte um diese Uhrzeit, das ist ’ne glatte 6 minus, setzen.

Sis: Ach? Und mit Aufnahme dieser Nahrung löse ich quasi einen automatischen Selbstvernichtungs-Countdown aus?

Gr: Right!

Sis: Und wenn ich ein Croissant genommen hätte?

Gr: Hätte ick dir ’nen Gnadenschuss gegeben. Du isst jetzt das. – Sprach’s, stellt mir ’nen Teller mit einem sorgfältig arrangierten Nix vor die Nase und entschwand.

Sis: Das ist die neue mikroskopische Molekularküche, quasi-theoretisch-hypothetische Nahrungsaufnahme. Dieser Ernährungsplan ist definitiv kurz vor der Fotosynthese. Wenn der Satz »Du bist, was du isst« stimmt, dürfte ich nach diesem Abendessen hier gar nicht mehr existieren.

Mir geht dieser Schlankheitswahn dermaßen auf den Senkel! Alle reden nur noch vom Dünnerwerden, aber wenn man die Glotze anschaltet, nix als Kochsendungen!! Und da darf es dann plötzlich nur noch Sahnebutter sein und Doppelrahmstufe und natürlich alles nur vom Feinsten! »Oiso, der Ding kocht seine Nudeln ja nur noch in handgeschöpftem finnischem Quellwasser, gei, du, des schmeckst du aber auch, da möcht ich wetten.« Sagte meine übergewichtige Tischnachbarin zu ihrem Gegenüber.

Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass wir irrsinnig schlank werden, wenn wir nur noch synthetisch hergestellte Diätmargarine, künstliche Süßstoffe, cholesterinfreien Speck und garantiert eifreien Eiersalat essen. Das erzeugt zwar Krebs, aber amerikanische Wissenschaftler haben auch rausgefunden . . . dass sie am meisten Geld verdienen, wenn sie sich von großen Lebensmittelkonzernen schmieren lassen. Gott, ich muss echt aufpassen, dass ich hier nicht noch schlechter draufkomme.

Hierzu mein kleiner Tipp am Rande

Der Einzige, der wirklich weiß:

was du brauchst,was dir schadet,was dir fehlt oderwelche Gifte du unbedingt ausscheiden solltest, ist dein Körper.

Also gilt es, das eigene Körpergefühl zu trainieren. Gut, es gibt Menschen, die sind »zuckersüchtig«, und ihr Körper scheint ihnen zu sagen: »Du brauchst jetzt sofort drei Tafeln Schokolade.« Aber auch das kann man heilen.

Zugegeben, ich habe auch schon Leute getroffen, die sich durch den übermäßigen Genuss von Karottensaft ′ne Leberzirrhose gezüchtet haben, aber das war nicht der Körper, sondern der Kopf, der das irgendwo gelesen hatte.

Ein gesunder Körper hat eine ganz klare Sprache, um sich mitzuteilen. Wir haben ’nen »Gieper« auf die Sachen, die uns fehlen und die wir brauchen. Wenn wir unsere Sensibilität trainieren, dienen wir unserem persönlichen Wohlergehen wesentlich mehr, als wenn wir sklavisch irgendwelchen Ratgebern glauben, die sich sowieso ständig verändern. Nur freudvoll und genießerisch seine Essgewohnheiten auf Dauer zu verändern hält uns auch auf lange Zeit gesund.

Wenn man gutgelaunt über solchen unabänderlichen Kleinigkeiten stehen möchte wie der Tatsache, dass man ein paar Kilo zu viel auf den Hüften hat, dann muss man auch eine gesunde Form des Ignorierens kultivieren.

Au Mann, ich wünschte, ich könnte diesen Pfeifton in meinem Ohr überhören und auch diese ganze übertriebene Angst, womöglich nicht mehr begehrenswert zu sein; das ist doch nur Medienpropaganda. Das muss man sich einfach immer wieder ganz klar vor Augen halten, und dazu hole ich kurz mal etwas aus.

Das Bild der Frau im Wandel der Zeit

Früher, bei Hofe, waren die älteren adeligen Damen angesehenes Zentrum des gesellschaftlichen Lebens, und vor allem auch als Liebhaberinnen heiß begehrt und umworben. Ganz klar, sie waren im Bett nicht so verklemmt und viel erfahrener. Außerdem waren sie als Gesprächspartnerinnen wesentlich gebildeter und unterhaltsamer als die jungen Dinger.

Aufgrund ihrer hohen Geburt konnte man diese Frauen gar nicht unterdrücken. Und sie hatten Zugang zu Bildung und waren in gesellschaftlichem Austausch versiert. Diese Frauen waren zwar für die breite Masse unerreichbar, aber ich kann mir vorstellen, dass sie trotzdem auch einen Vorbildcharakter hatten.

Mit dem Beginn der industriellen Revolution brauchte man in den Ballungsgebieten der Produktionsstätten plötzlich ganz viele Arbeiter (Landflucht, Bevölkerungswachstum dank steigender Hygiene, rückgängige Kindersterblichkeit . . .), die sich den ganzen Tag und teilweise auch die Nacht über in den Fabriken abrackerten. So entwickelte sich ein ganz anderes Bild einer »idealen Frau«. Diese musste in erster Linie zuverlässig zu Hause bleiben und die Familie zusammenhalten (wenn nicht auch sie ebenso wie die Kinder zu Fabrik»sklaven« wurden, die unter inhumanen Bedingungen schufteten).

Und so etablierte sich ab dem Ende des 18. Jahrhunderts (bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges) ein anderes Frauenbild. Übrigens wurde schon damals die Arbeit der Frauen geringer bezahlt, weil sie ja keine Familie ernähren mussten. Und natürlich waren ihnen keinerlei Führungsaufgaben zuzutrauen, denn das hätte Strenge und Durchsetzungsvermögen bedeutet.

Für das Bürgertum wurde in Zeitungen, Theaterstücken, vor allem natürlich von der Kanzel herab nur noch eines gepredigt: Selbstaufopferung, Keuschheit und Einhaltung der ehelichen Gebote, nach dem Motto: »Seid bloß froh, wenn ihr schnellstmöglich unter die Haube kommt, denn sobald ihr die ersten Falten habt, seid ihr auf dem Heiratsmarkt wertlos. Sobald ihr euch auch nur eine Verfehlung leistet, werdet ihr in der Gosse landen, und ohne einen Beschützer und Versorger seid ihr sowieso nicht lebensfähig.«

Eine Bäuerin musste in erster Linie arbeiten können, aber in den Städten wurde das Ausleseverfahren immer strenger.

Der kleine Mann wurde schon immer dumm gehalten, und der wollte natürlich, dass seine Frau noch dümmer ist. Eltern hatten damals große Angst, wenn ihre Töchter zu viel lernen wollten, denn eine gebildete Frau hatte kaum Heiratschancen. Der Brief eines Hauslehrers aus der damaligen Zeit spricht Bände. Der schreibt doch tatsächlich: »Keine Sorge, ich werde Ihren Töchtern nur so viel Nützliches für Küche, Haus und Hof beibringen, dass sie auf alle Fälle noch einen heiratswilligen Mann finden werden.«

Eine Frau, die mal den Mund öffnete, war sofort ein ungebührliches, geschwätziges Weib! Und das Schlimmste war, eine eigene Meinung zu haben. Deswegen haben Frauen immer mehr Wert auf ihr Aussehen gelegt. Denn das Einzige, was sie sein durften, war: jung, fruchtbar und schön.

Genau genommen hält diese Sichtweise als medienpolitischer Feldzug bis heute an. Und von so etwas lass ich mich doch nicht ins Bockshorn jagen, pah!! Soweit die Theorie.

In der Praxis muss ich leider gestehen, dass ich mir ganz schön Sorgen über die Zukunft mache, wenn ich mal nicht mehr attraktiv bin. Immerhin bin ich alle drei Jahre gezwungen, wieder da rauszugehen, auf diesen. . .

Beziehungs-Anbahnungs-Rummelplatz

Da werde ich dann angekettet an die Achterbahn der Emotionen. Hui, das geht manchmal ganz schön hoch rauf, das Dumme ist, du weißt vorher schon, jetzt geht es auch gleich wieder ganz rasant nach unten! »Das macht Spaß, das macht Freude?!? Hereinspaziert in das Spiegellabyrinth der Projektionen und Illusionen! Trauen Sie sich in die Geisterbahn der unerfüllten Liebe. Kommen Sie, schöne Frau, schießen Sie sich ein Herz.« Schuss, daneben. Schuss, daneben . . . dann eben nicht! Wir Mädels lassen uns doch immer noch voll verarschen. Mir macht diese Flirtsause null Spaß. Ich will wohlbehütet unter die Haube und, in trockene Tücher gepackt, mein Ding machen können. Aber die Eintrittskarte in dieses weiche, warme Nest unter dem großen starken Flügel eines Mannes heißt: Knackarsch!

Und ständig ist »Bikini-Saison«; da soll frau dann plötzlich innerhalb von zwei Wochen alles weghungern?

Unglaublich, wie die Medien uns mit Schönheits- und Jugendwahn indoktrinieren. Aber wehe, wenn eine, die in der Öffentlichkeit steht, sich schönheitsoperieren lässt. Dann wird sie von den gleichen Medien wie die Sau durchs Dorf getrieben. Also was denn jetzt?!? Ich finde, Hauptsache man erkennt nach der OP noch, wer da so hübsch ist! Aber das ist doch auch keine Lösung, da müsste frau quasi permanent nur noch an sich rumschrauben lassen, um bei diesem immer extremeren Schönheitswahn überhaupt noch mitzukommen.

Früher waren wir Weiber dazu verdammt, die Klappe zu halten und Strickmaschen zu zählen, heute haben wir uns ja »ganz toll emanzipiert« und zählen Kalorien. Und wir sind inzwischen auch schon sehr gebildet, wir lesen Frauenmagazine. Dabei hat man herausgefunden, dass das Selbstvertrauen nach der Lektüre von solchen Blättern um bis zu 60 Prozent sinkt. Aber wir lesen anscheinend nichts anderes. Ich war kürzlich beim Friseur, frage nach einem SPIEGEL, bringt die mir ein Handspiegelchen – von dem Magazin hatte sie noch nie was gehört! Es geht anscheinend nur noch darum, »fit und in« zu sein. Übrigens heißt »to fit« auf deutsch »passen«, aber wenn wir alles mitmachen, was uns diese Modeheinis vorleben, dann müssen wir uns demnächst auch die Rosette bleichen. Das ist der neue Trend aus Amiland. Meine Güte: das brennt doch bestimmt. Den Song dazu gibt’s ja schon lange: »Burn burn burn, that ring of fire«.

Au Mann, ich will mich hier im Hotel doch wellnessen und erholen, stattdessen rege ich mich nur auf. Und jetzt, besonders da ich merke, dass ich wirklich ruhebedürftig bin, wird es in mir total lärmig. Je leiser es draußen ist, umso lauter wird es in mir drinnen. Tagsüber geht es, aber im Morgengrauen ist es am schlimmsten. Das ist die zehnte Nacht, in der ich wegen dieses Pfeiftons kein Auge zumache.

Ich frag mich ernsthaft, ob ich je wieder glücklich werde, setze mich auf die Bettkante und weine. Zum Glück hab ich meine Gitarre eingepackt, und in dieser Nacht schreibe ich die zweite Strophe zu meinem Song.

Das zweite Stück vom Glück

Wenn ich fünf Sterne, zehn Gänge eingeladen wär,bin ich dann auch wirklich glücklichbis zum Dessert, mit allem was ich da verzehr?Bestell ich mir ein dickes Rumpsteak,krieg ich dann ein Stück vom Glück?Besitz ich ein schickes Grundstück,besitz ich dann ein Stück vom Glück?Find ich ein wertvolles Fundstück,find ich dann das Glück?Beherrsch ich ein tolles Kunststück,beherrsch ich dann das Glück?Das ewige Suchen nach dem großen Kuchenkann man als Fehlinvestition verbuchen.

Ist denn alles, was ich bis dahin in meinem Leben getan habe, eine große Fehlinvestition in die falsche Richtung, habe ich mich total verkalkuliert? Jetzt, da ich so allein in der Wellness-Oase sitze, merke ich erst das ganze Ausmaß meines Unglücks. Ich wusste bis dato gar nicht, wie düster es in mir aussieht. Wie konnte ich nur so ganz allein hierher fahren, ohne Ablenkung, ganz auf mich selbst zurückgeworfen, ich spiele gerade die Hauptrolle im Horrormovie meines eigenen Lebens, und das Monster sitzt in meinem Kopf und schreit. Das ist ja das blanke Grauen. In mir öffnet sich ein Abgrund. Oh Gott, da darf ich jetzt bloß nicht reinfallen.

Ich schalte schnell den Fernseher an, um mich abzulenken, aber anstatt auf andere Gedanken zu kommen, bringt mich das nur noch schlechter drauf. Wo ich auch hinzappe, gibt es nur noch Kriege, Krisen und Börsencrashs. Das Böse-Welt-Syndrom schlägt zu. Seitdem ich auf Tournee schlaflos vor der Glotze hocke, merke ich, dass ich immer paranoider werde.

Jetzt verstehe ich auch, wieso die Selbstmordrate nach Spätnachrichten so sprunghaft steigt. Die Menschen sind übermüdet, gestresst und deprimiert. Manchmal genügt schon eine geballte 15-minütige Ladung Horrormeldungen, und der Riemen, an dem man sich gerissen hat, zerreißt. Da kann man nur noch aus dem Fenster springen, weil man keinen anderen Ausweg mehr weiß. Wenn es einem psychisch nicht so gut geht, ist man besonders sensibel für diese Angstmacherei, die da läuft. Und paradoxerweise verkaufen sich die meisten Presseorgane mit ’nem Super-GAU auf der Titelseite erst richtig gut. Und je gruseliger die Überschrift, umso gieriger greifen die Menschen dann zu so einem Schmierblatt. Au Mann, ich darf schon gar nicht mehr an ’nem Zeitungskiosk vorbeigehen, da krieg ich jedes Mal das nackte Grausen, wenn ich diese Schlag-Zeilen sehe. Jetzt weiß ich auch, wieso diese Dinger so heißen. Die zu lesen macht mich immer so niedergeschlagen. Und wenn gerade mal nix Schlimmes passiert ist, bauscht der gewitzte Presse-Profi-Apokalyptiker eine Mückengrippe mal eben schnell zu einer Elefanten-Pandemie auf oder greift hin und wieder zu einem schrecklichen Terroralarm. Das sind die besten Methoden, Menschen in Panik zu versetzen. Ich will ja hier keine irrwitzigen Verschwörungstheorien verzapfen, aber Flughäfen dürfen wir wahrscheinlich bald nur noch nackt betreten und müssen dann am Schalter Urin- und Speichelproben abgeben. Wir könnten uns ja mit diesem Gemisch auf der Bordtoilette selbst in die Luft sprengen! Ich will auch nicht völlig pa-pa-paranoid und durchgeknallt erscheinen, aber da steckt doch Methode dahinter; da-da-das ist doch von langer Hand so inszeniert, dass man uns solche Ängste einpflanzt, damit wir wieder nach einem starken Führer schreien, der uns beschützt. Die Nummer hat doch schon mal so wunderbar funktioniert.

Übrigens, vom TV-Programm werden wir so verblödet, dass wir gar nicht mehr merken, wie man uns für dumm verkauft. Ich meine, das ist doch nicht übertrieben, wenn ich sage, wir werden alle auf einer nach unten offenen Richterskala in den Strudel eingesogen, der sich immer schneller drehenden Dämlichkeits-Spirale. Und früh genug eingesetzt ist sie ein bewährtes Verhütungsmittel gegen eigenständiges Denken. Aber warum tu ich mir das an? Warum schau ich trotzdem in diesen Kasten hinein? Ganz einfach, weil ich diesen Ton im Ohr nicht ertragen kann. Alles ist besser als das. Und wieder bin ich am Zappen. Gott sei Dank sind die Nachrichten jetzt vorbei, dafür läuft jetzt ’ne Kochshow-Quiz-Kochshow-Reality-Kochshow-Nanny-Kochshow-Soap. Wollen die uns eigentlich mästen?

Ich komme mir manchmal vor wie Schweinchen Babe, wenn es kapiert: »Der Bauer füttert mich nur, weil er mich später aufessen will!« Aber nein, jetzt bloß nicht durchdrehen! Wir werden nicht geschlachtet, nur dressiert . . . bis wir weltweit vereinheitlichte Konsumenten sind. Die perfekte »Konsum-Ente« ist eine dicke, wandelnde Werbe-Litfaßsäule: das T-Shirt von Löwenbräu »Bier formte diesen Körper«, auf der Kappe »Dieser Hohlraum wurde entleert by Bild« und quer über dem Hosenstall »Dieser Werbeträger wird Ihnen präsentiert von der Berlusconi-Medienholding«.

Man hat sich rettungslos verschuldet für Auto, Haus, iPhone, ii-Toaster und ii-Klobürste und wird den Rest seines Lebens in der Tretmühle ab-arbeiten. Und weil wir brave Bürger sind, tanzen wir nach Feierabend im »Shoppingcenter« noch den Konsum-Ententanz. »Ja, jetzt kauf ich mir noch das. Und dann kauf ich mir noch das, und dann kauf ich mir noch das, das, das und das.«

Auuu! Mein Scheiß-Pfeifen wird immer lauter.

Wenn ich heute versuche, mich an diese Phase meines Lebens zurückzuerinnern, verschwinden die Bilder in der Dunkelheit; alles um mich herum war damals düster und deprimierend.

Ich absolvierte meinen Alltag fast wie in Trance, keine Ahnung, wie ich überlebt habe. Wenn ich Leute treffe, die mir in dieser Zeit über den Weg liefen, erzählen sie mir Geschichten von einem mir fremden Menschen namens Sissi. Ich habe vor Kurzem zufällig ein Gedicht gefunden, das ich damals in meiner »Schwarzen Periode« geschrieben habe.

Gedicht vom Ende

Du weißt, du bist echt am Ende, wennde . . .nicht mehr gerade gucken kannst,dich sogar in der heißen Wanne verspannst,dein Wäschekorb bis oben voll ist,dein Liebesleben nicht mehr so toll ist,die Mailbox vor Messages explodiert,man sich mi’m Handy die Beine rasiert,du dich trotzdem weiterhetzt, den Autoschlüssel in denSicherheitsgurt steckst,anstatt es zu merken, nur noch fluchst und hupst,aus Versehen den Wachtmeister duzt.

Ich muss so wahnsinnig randaliert haben, dass dieser Polizist mich tatsächlich auf die Wache geschleift hat, obwohl ich doch völlig nüchtern war. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich am nächsten Morgen, als ich aus der Haft entlassen wurde, direkt losgegangen war, in die . . .

HNO-Klinik

Wissen Sie, was ich an Krankenhäusern am meisten hasse? Das Licht. Ich sehe schlagartig 30 Jahre älter aus, und vor mir steht ein gut aussehender Chefarzt und schickt mich direkt in die Geriatrie. Und dieser Geruch! Da kommen bei mir immer die alten Erinnerungen hoch . . . als mein Papa mich mit drei Jahren wegen einer Schokoladenvergiftung ins Krankenhaus gebracht hatte und danach für immer verschwunden war, weil ich so vehement darauf bestanden hatte, meinen Leoparden-Bärchen-Anzug zu tragen und weil . . .

Ah, da kommt Gott sei Dank der Chefarzt höchstpersönlich, Prof. Dr. Pfaffinger, groß, silbernes Haar, die absolute »Konifere« auf seinem Gebiet.

Arzt: Frau . . . äh . . . Perlinger . . . Sie sind aber nicht die Mutter von dieser schrillen Ulknudel?

Sis: Nicht direkt.

Arzt: Nee-nee, haha. Wir gucken das ja immer sehr gern, meine Frau und ich, dieses »Ladykracher«. Ist ja sehr witzig. Also, wo drückt denn der Schuh?

Sis: Ich habe ein sehr lautes Pfeifen im Ohr . . .

Arzt: Auf welchem?

Sis: Auf beiden Seiten.

Arzt: Dann haben sie also zwei Teenie-Tussis. Haha! Ich kann ja auch sehr lustig sein, sagt zumindest meine Frau. Äh, seit wann haben Sie das denn? Sis: Seit vier Monaten, drei Tagen und zwei Stunden!!

Arzt: Na, dann habe ich eine gute Nachricht für Sie. Sie können sofort wieder nach Hause gehen.

Sis: Ach, das kann man ambulant behandeln?

Arzt: Jetzt kommt die schlechte Nachricht: Das kann man gar nicht behandeln. Sie haben die unheilbare Volkskrankheit Tinnitus, benannt nach dem römischen Feldherren Tinnitus Maximus; der seine eigenen Soldaten totgeschrien hat.

Sis: Wie, da kann man gar nichts dagegen tun??

Arzt: Doch, in den ersten zwei Wochen schon.

Sis: Und was kann ich nach vier Monaten tun?

Arzt: Ja, da gibt es nur noch eine Lösung . . . Legen Sie sich ein paar Kinder zu – die übertönen das. Äh, in Ihrem Alter natürlich Enkel. Spricht’s und eilt auch schon mit wehendem Kittel hin zum nächsten unlösbaren Fall.

Wichtiger Tipp zum Thema Tinnitus

Diesmal nicht am Rande, sondern am Ende des Buches im Anhang (ab Seite 253). Dort gibt es eine sehr ausführliche Anleitung, was zu tun ist, wenn es dich erwischt haben sollte.

Mir ist es gelungen, mein Pfeifen nach drei Jahren wieder loszuwerden. Leider wusste ich das alles damals nicht und bin erstmal ordentlich im Dunkeln herumgetappt.

Ratschläge

Was soll ich denn jetzt machen? Jeder erzählt mir was anderes, und plötzlich sind alle Spezialisten.

Meine Mama meint: »Lass doch mal die Seele baumeln.« – »Au ja, gib mir ein Seil und zeig mir, wie ein Henkersknoten geht.« Oli sagt: »Nackt grillen in der Toskana ist der letzte Schrei in der Entspannungstherapie. « – »Häh? Nach dem Motto: ›Welches Würstchen hätten Sie denn gern?‹« Schweschter Eschter rät: »Jetzt gang hald amol den Jaakobs Weg, am beschde über glühende Kohle und no schreibsch: ›Ich bin dann mal weg und verbrenn mir die Sohlen!‹« Mein Psychiater sagt, ich solle Abstand gewinnen, mir öfter mal selbst über die eigene Schulter schauen. Mein Physiotherapeut erklärt meinen Nacken dazu für viel zu steif. Ich hab damals sowieso immer öfter neben mir gestanden, nicht schön, was ich da gesehen habe.

Eine fremde Frau in der Straßenbahn schaut mich kurz an, dann bricht es aus ihr heraus: »Wos du brauchst, is a gscheide Chakra-Klangschalen-Therapie. « – »Mir ist inzwischen alles egal, Hauptsache es hilft.« Sie gibt mir gleich ’nen Stapel Adressen, und prompt werde ich einmal durchgereicht, durch das gesamte . . .

Esoterische New-Age-Heilungs-Parallel-Universum