Baccara Gold Band 3 - Leanne Banks - E-Book

Baccara Gold Band 3 E-Book

Leanne Banks

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Beschreibung

MEIN SEXY CHEF von BANKS, LEANNE Emma soll ihrem neuen Chef Damien Medici hinterherspionieren, doch der attraktive Unternehmer macht es ihr schwer. Seine intensiven Blicke wecken ihre tiefste Sehnsucht. Nachts träumt Emma nur noch davon, seine Lippen auf der Haut zu spüren und - Nein! Das kommt gar nicht infrage - oder doch? NÄCHTE VOLLER LEIDENSCHAFT von CHILD, MAUREEN Als Eileen dem Finanzexperten Rick Hawkins nach langer Zeit wieder gegenübersteht, spürt sie nur eins: knisternde Erotik! Dabei arbeitet sie nun für ihn! Voller Lust finden sie während der ersten Geschäftsreise zueinander. Eine Nacht, die Folgen hat … LIEBESGLUT IN MEXIKO - MIT DEM CHEF? von GARNIER, RED Marcos Allende weiß, was er will. Seine Assistentin Virginia soll ihn nach Mexiko begleiten und seine Geliebte spielen - während er dort ein Unternehmen übernimmt. Aber dann verkörpert Virginia ihre Rolle so überzeugend, dass Marcos nur noch an ihre aufregend sinnlichen Körper denken kann …

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Seitenzahl: 588

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Leanne Banks, Maureen Child, Red Garnier

BACCARA GOLD BAND 3

IMPRESSUM

BACCARA GOLD erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe BACCARA GOLDBand 3 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2009 by Leanne Banks Originaltitel: „Billionaire Extraordinaire“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sarah Heidelberger Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1603

© 2003 by Maureen Child Originaltitel: „Sleeping with the Boss“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gabriele Ramm Deutsche Erstausgabe 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1286

© 2010 by Red Garnier Originaltitel: „The Secretary’s Bossman Bargain“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sarah Heidelberger Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1668

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 3/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733724597

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

Mein sexy Chef

1. KAPITEL

Emma Weatherfield musste einfach nur so tun als ob.

So tun, als ob sie wirklich die kompetente, fleißige und diskrete Angestellte war, für die jedermann sie hielt. Sie spielte diese Rolle nun schon seit einer Ewigkeit, und genau das würde sie auch weiterhin tun.

Um Viertel vor sieben in der Früh öffnete sich die Tür ihres neuen Eckbüros bei Megalos De Luca Enterprises, und ein groß gewachsener Mann trat ein. Sein Haar war fast genauso dunkel wie seine Augen, mit denen er Emma eindringlich musterte.

Sein Blick ging ihr derart durch Mark und Bein, dass sie unwillkürlich zusammenzuckte. Um diese Zeit hatte sie ihn noch gar nicht erwartet! Als sie aufstand, um ihren neuen Vorgesetzten zu begrüßen, bekam Emma eine Gänsehaut. Man hatte sie bereits vorgewarnt, dass er aussah wie eine attraktive Version des Teufels höchstpersönlich, und genauso war es auch. Weder in seinen harten Zügen noch in der Haltung seines durchtrainierten Körpers ließ sich auch nur ein Hauch von Mitgefühl oder Nachgiebigkeit erahnen. Die lange Narbe auf seiner Wange unterstrich sein skrupelloses Äußeres nur noch.

Ihr Herz begann zu rasen, doch Emma überspielte die heftige Abneigung mit professioneller Höflichkeit. „Mr. Medici“, begrüßte sie ihn.

„Sie müssen Emma Weatherfield sein.“ Er reichte ihr die Hand.

Den Bruchteil einer Sekunde lang zögerte Emma, dann ergriff sie sie. Dieser Mann war gekommen, um das Unternehmen, das die einzige Sicherheit in Emmas Leben bedeutete, in Stücke zu reißen. Die Führungsebene von Megalos De Luca, kurz MD, hatte natürlich protestiert, doch der Aufsichtsratsvorsitzende James Oldham hatte darauf bestanden, die Neustrukturierung des Unternehmens einem Außenstehenden anzuvertrauen. Damien Medici verdiente sein Geld damit, Arbeitsplätze zu streichen.

Widerwillig erinnerte Emma sich daran, dass sie einen Job zu erledigen hatte, und gab Medici die Hand. Sein Händedruck war perfekt, weder zu weich noch zu fest. Die Innenfläche seiner Hand war zu ihrer Überraschung mit Schwielen übersät. Er war der Geschäftsführer eines erfolgreichen Unternehmens – zu seinen Tätigkeiten gehörte doch mit Sicherheit keine körperliche Arbeit!

Früher oder später würde sie den Grund schon herausfinden, die Antwort auf diese und alle weiteren Fragen, die sie und ihre ehemaligen Arbeitgeber hatten. Ihr Auftrag lautete, alles über Damien Medici herauszufinden und die Informationen an Megalos De Luca weiterzugeben – das Unternehmen, dem sie ihr neues Leben zu verdanken hatte.

Die ganze Zeit über hatte er sie aus diesen dunklen, unergründlichen Augen durchdringend gemustert. Jetzt ergriff ihr neuer Chef das Wort: „Sie können mich Damien nennen, wenn wir unter uns sind. Man hat mir mitgeteilt, dass Sie äußerst effizient arbeiten, aber ich hatte nicht erwartet, Sie an einem Montag um diese Uhrzeit im Büro anzutreffen.“ In seiner Stimme schwang leise Bewunderung mit.

„Die Macht der Gewohnheit“, erwiderte Emma und zog ihre Hand zurück. „Dies ist ein neues Aufgabengebiet für mich, und ich wollte gut vorbereitet sein.“

„Und, sind Sie das?“ Damien sah sich in dem geräumigen Vorzimmer um, in dem Emma von nun an arbeiten würde.

Nein, dachte sie. Wie konnte es sein, dass ihr verräterischer Körper auf die Macht reagierte, die dieser Mann ausstrahlte? „Das sollten Sie beurteilen, nicht ich.“

Er nickte und öffnete die Tür, die in sein Büro führte, einen Eckraum, dessen hohe Fenster den Blick auf die zerklüfteten, schneebedeckten Berge vor Las Vegas freigaben. „Kommen Sie einen Augenblick herein.“ Er klang weniger wie ein Angebot als wie ein Befehl. „Wie ich höre, arbeiten Sie bereits seit sechs Jahren für das Unternehmen.“

„Das ist richtig“, erwiderte Emma, während sie Damien in das große Büro folgte. Ihr neuer Vorgesetzter schlenderte durch das Zimmer, überprüfte die Ausstattung und den Schreibtisch. Dem fantastischen Ausblick schenkte er nur wenig Aufmerksamkeit.

„Ihrem Lebenslauf konnte ich entnehmen, dass Sie schnell aufgestiegen sind. Die letzten beiden Jahre haben Sie direkt für Alex Megalos gearbeitet. MD ist gut zu Ihnen gewesen. Man hat Ihnen sogar die Studiengebühren bezahlt und flexible Arbeitszeiten arrangiert, damit Sie Ihren Abschluss machen konnten.“

„Das ist ebenfalls richtig.“

„Da sind Sie sicherlich sehr dankbar“, fuhr er fort, während er sich das Jackett aufknöpfte. „Möglicherweise so dankbar, dass Sie nicht möchten, dass MD größeren Veränderungen unterzogen wird.“

„Was ich möchte, ist das Beste für MD. Die augenblickliche wirtschaftliche Lage ist mehr als schwierig. Wenn MD auch in Zukunft florieren soll, müssen wir uns auf diese neue Situation einstellen.“ Diese Antwort hatte Emma sorgfältig vorbereitet. Jetzt, da sie sie aussprach, klang es jedoch plötzlich hohl und gestelzt.

Damien musterte sie erneut. Emma erschauerte unter seinem Blick, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen.

„Auch dann, wenn MD Stellen kürzen muss?“, hakte er nach. „Auch dann, wenn ich den Laden von oben bis unten umkrempeln sollte?“

„Sie sind eine Koryphäe auf Ihrem Gebiet. Ich bin mir absolut sicher, dass Sie ganz im Interesse von MD handeln werden. Schließlich werden Sie als unvoreingenommener Dienstleister genau dafür bezahlt.“

Damien hielt einen Augenblick lang inne, und der Schatten eines Lächelns glitt über sein Gesicht. „Gut“, erwiderte er. Ihm schien vollkommen klar zu sein, dass sie ihm etwas vorspielte. „Dann können wir loslegen. Ich würde gerne mit den Jahresberichten sämtlicher Abteilungen anfangen.“

Ein wenig irritiert schaute Emma ihn an. „Ich hatte angenommen, dass Sie sich zunächst mit dem Vorstand treffen.“

Er schüttelte den Kopf und zog einen Laptop aus seiner Tasche, ohne den PC auf dem Schreibtisch auch nur eines Blickes zu würdigen. „Der Vorstand wird versuchen, mich zu beeinflussen. Da sind mir die Berichte lieber.“

„Selbstverständlich, Sir. Falls Sie einen anderen PC wünschen …“, setzte sie an.

„Ich verwende stets einen eigenen Computer. So kann ich meine Arbeit immer mit mir herumtragen.“

„Ich könnte Ihnen auch einen USB-Stick bringen …“

Entschlossen schüttelte er den Kopf. „Danke, nein. Das wären nur unnötige Ausgaben für MD.“

Emma nickte langsam. Er hatte recht, aber das bedeutete auch, dass sie Probleme bekommen würde, wenn sie an seine Unterlagen herankommen wollte. Dass dieser Auftrag kein Kinderspiel werden würde, war ihr klar gewesen. Doch wie schwierig er wirklich werden würde, wurde ihr erst jetzt bewusst.

„Selbstverständlich, Sir“, wiederholte sie. Es war an der Zeit, etwas über ihn herauszufinden. „Wie möchten Sie Ihren Kaffee?“

„Ich hätte gerne eine Kanne in meinem Büro. Dann kann ich mich selbst bedienen.“

Das überraschte sie wenig.

Damien musste ihre Gedanken gelesen haben, denn er lachte kurz auf und erklärte: „Ich bin sicher anders als Ihre bisherigen Vorgesetzten. Dort, wo ich aufgewachsen bin, gab es keine Angestellten, die hinter mir hergeräumt haben. Ich komme sehr gut alleine zurecht.“

Wieder nickte sie. Hatte sie da gerade einen Anflug von Missgunst über die Herkunft von Max De Luca und Alex Megalos herausgehört? „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“

Mit einem freundlichen Kopfschütteln erwiderte er: „Nein, danke. Bringen Sie mir einfach nur die Berichte.“

Während Damien die Berichte wälzte, klingelte sein Blackberry, doch er entschied sich, nicht abzuheben. Ein Telefonat würde nur seine Konzentration stören. Als ihm das Display verriet, dass es sich bei dem Anrufer um seinen Bruder Rafe handelte, nahm er allerdings doch ab.

„Was gibt es, Rafe?“ Damien streckte sich und warf einen Blick aus dem Fenster, hinter dem die Sonne zwischen den Bergspitzen zu verschwinden begann.

„Ich hänge auf einer Jacht in Key West herum. Wann lässt du deine Arbeit endlich mal sausen und kommst her, damit ich dich beim Billard schlagen kann?“

Damien stand auf. „Was deine Jachten betrifft, bist du genauso ein Workaholic wie ich.“

„Gott, musst du Angst vor einer Niederlage haben.“

Damien schmunzelte. Seit er und sein Bruder sich als Erwachsene wieder miteinander in Verbindung gesetzt hatten, versuchten sie herauszufinden, wer von ihnen besser Billard spielte. „Letztes Mal habe ich gewonnen.“

„Dann ist es Zeit für eine Revanche“, erwiderte Rafe gut gelaunt.

„Kann aber noch ein bisschen dauern. Mein momentaner Auftrag fordert meine gesamte Aufmerksamkeit. Die Umstrukturierung von Megalos De Luca Enterprises. James Oldham, der neue Vorstandsvorsitzende, hat mir den Auftrag gegeben.“

Aus dem Hörer war nur noch das Geräusch von Rafes Atem zu hören. Nach einer langen Pause erwiderte er: „Du hast immer gesagt, dass du einen Weg finden würdest, dich an den De Lucas für das, was sie unserem Großvater angetan haben, zu rächen. Jetzt weiß ich endlich, wie du es anstellen wirst.“

„Es ist schon komisch, wie hart man für manche Sachen arbeiten muss, während einem andere einfach so in den Schoß fallen.“ Seit vielen Jahren hatte Damien von diesem Tag geträumt. Jetzt endlich würde er die De Lucas dahin schicken können, wo sie hingehörten: ins Abseits. Dass die De Lucas das Erbe der Medici zerstört hatten, hatte weite Kreise gezogen, die noch mehrere Generationen später spürbar waren. Damien fühlte sich seit seiner Jugend dafür verantwortlich, diese Ungerechtigkeit wieder ins Lot zu bringen.

„Hast du schon angefangen?“

„Ja, heute.“ Die bloße Aussage setzte Damiens Körper unter Hochspannung. „Man hat mir sogar ein Büro im Megalos De Luca Hauptgebäude zur Verfügung gestellt.“

Rafe lachte auf. „Ob sie wohl auch nur ahnen, dass sie den Bock zum Gärtner machen?“

„Das bezweifle ich. Darüber hinaus haben sie mir eine ganz entzückende Assistentin zur Seite gestellt, die MD gegenüber so loyal ist wie die Nacht schwarz.“

„Was du natürlich ändern wirst“, vermutete Rafe.

„Ich tue, was nötig ist.“ Damien konnte nicht leugnen, dass er mehr als nur ein bisschen neugierig war, was sich hinter Miss Weatherfields korrektem Äußeren verbarg. Mit ihren vergissmeinnichtblauen Augen, dem seidig schimmernden braunen Haar und einem allem Anschein nach atemberaubenden Körper veranlasste seine neue Assistentin ihn unausweichlich zu der Frage, wie sie wohl im Bett sein mochte. Er nahm sich fest vor, es herauszufinden.

„Gib auf dich acht“, unterbrach Rafe seine Gedanken.

Damien runzelte irritiert die Stirn. „Warum sagst du das?“

„Dein Ruf und dein Vermögen beruhen auf deiner Fähigkeit, sachliche Entscheidungen zu treffen. Aber bei diesem Auftrag geht es dir nur um Rache. Das würde ich nicht unbedingt als sachliche Arbeitseinstellung bezeichnen.“

Nachdem er kurz über Rafes Ratschlag nachgedacht hatte, war Damien umso entschlossener. „Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen, kleiner Bruder. Ich lasse mich immer von meinem Verstand leiten. Daran können auch meine Rachegelüste nichts ändern.“

„Dann ist ja alles gut. Vergiss nicht, dass ich immer auf deiner Seite bin.“ Rafe unterbrach sich für einen Moment. „Außer wenn wir Billard spielen natürlich.“

Damien lachte auf. „Danke, Kleiner. Vielleicht komme ich auf deine Einladung zurück, wenn ich hier fertig bin. Schließlich wird es Grund zum Feiern geben! Mach’s gut!“ Mit diesen Worten legte er auf.

Am folgenden Nachmittag hatte Damien auf dem großen Schaubild, das die Struktur von MD zeigte, bereits fünfundsiebzig Arbeitsplätze ausgestrichen. Als Nächstes wollte er zwei seiner besten Mitarbeiter von ihren momentanen Aufträgen abziehen, damit sie Zeit hatten, die einzelnen Abteilungen von MD zu analysieren. Der Aufsichtsrat hatte ihm zwar angeboten, ihm dafür unternehmenseigene Angestellte zur Verfügung zu stellen, aber Damien wusste, dass in solchen Fällen Unvoreingenommenheit der Schlüssel zum Erfolg war.

Um vier Uhr wurde er durch ein leises Klopfen unterbrochen. „Herein“, rief er.

Emma spähte durch den Türspalt und wedelte mit einer Papiertüte. „Ich wollte Sie nicht stören, aber mir ist aufgefallen, dass Sie heute noch nichts gegessen haben, und da …“

Die fürsorgliche Geste überraschte ihn. Eigentlich hatte er doch deutlich gemacht, dass er sich selbst um alles kümmern würde! Lächelnd winkte er Emma zu sich. „Kommen Sie rein. Was haben Sie mir denn mitgebracht?“

„Ich wusste ja nicht, was Sie gerne essen“, antwortete sie, während sie eintrat.

Heute trug sie einen konservativ geschnittenen schwarzen Blazer mit passendem Rock, der bis kurz unter ihre Knie reichte. Bis auf ihre fein geschwungenen Waden gab ihr Kostüm nicht viel von ihrem Körper preis. Damien fragte sich, wie seine Assistentin wohl in einem etwas freizügigeren Outfit aussehen mochte. „Und wie haben Sie sich dann entschieden?“

Mit geöffnetem Mund sah sie ihn einen Augenblick lang überrascht an. „Ich habe geraten. Ein Roastbeefsandwich mit Senf, Salat und Tomate.“

Seine Mundwinkel zuckten. „Dunkles Fleisch! Wie konnten Sie so sicher sein, dass ich kein Vegetarier bin?“

Emma biss sich auf die Lippe und warf ihm ein zaghaftes Lächeln zu. „Ich habe einfach wild drauflosgeraten.“

Leise lachte er auf, dann nahm er ihr seinen Lunch ab. „Danke. Das haben Sie gut gemacht.“ Er spähte in die Tüte. „Pommes ohne alles?“

„Ich wollte auf Nummer sicher gehen“, erwiderte sie in sachlichem Ton.

„Und damit lagen Sie goldrichtig. Wenn Sie immer schon so gut darin waren, den Geschmack Ihrer Vorgesetzten zu erraten, wundert es mich nicht, dass Sie so schnell aufgestiegen sind.“

Mit großen Augen sah sie ihn an. „Aber es ging doch nur ums Essen. So schwer ist das nun auch wieder nicht. Alex mag alles mit Oliven, und Max isst zu Mittag weder Pasta noch andere Kohlenhydrate, damit er am Nachmittag nicht müde wird.“

„Und wie sieht es mit Ihnen aus?“

„Ich bringe mir mein Essen von zu Hause mit. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“

„Sie bringen sich Ihr Essen also selber mit“, wiederholte er, ohne auf ihre Frage einzugehen. „Aber es gibt doch eine Cafeteria im Haus!?“

„Die Macht der Gewohnheit“, erklärte sie mit einem Schulterzucken, das seine Aufmerksamkeit auf ihre schmalen Schultern lenkte. „Ich habe mir schon in der Grundschule mein Pausenbrot selbst gemacht.“

„So war es bei mir auch!“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Wenn überhaupt etwas zu essen da war.“

Emma warf ihrem Vorgesetzten einen stillen, fragenden Blick zu.

„Ich bin bei Pflegefamilien aufgewachsen“, erklärte er.

„Oh.“ In ihren Augen blitzten Mitgefühl und Verwirrung auf. „Ich bin bei meiner Mutter groß geworden. Mein Vater ist gestorben, als ich noch ganz klein war.“

Als sich ihre Blicke begegneten, fühlte Damien eine plötzliche Verbundenheit mit seiner Assistentin, die ihn vollkommen überrumpelte. Einen Augenblick lang konnte er dieselbe Überraschung auch auf ihrem Gesicht erkennen, doch dann sah Emma blinzelnd weg.

„Ich hoffe, dass das Sandwich Ihnen schm…“

„Emma?“, tönte eine Männerstimme aus dem Vorzimmer. „Emma, sind Sie da?“

Sie zuckte zusammen. „Einen Augenblick, bitte“, flüsterte sie, dann verschwand sie aus dem Büro. „Brad, ich helfe gerade Mr. Medici …“

„Sie können sich gerne eine Weile mit etwas anderem besch…“, setzte Damien an, doch als er sah, wie Emma verzweifelt mit der Hand hinter ihrem Rücken herumfuchtelte, um ihn zum Schweigen zu bringen, biss er sich auf die Zunge.

Ihre stumme Bitte überraschte ihn.

„Nein, heute Abend kann ich nicht. Ich muss an einem Vortrag arbeiten. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich habe zu tun.“ Sie trat zurück in Damiens Büro und schloss mit einem erleichterten Seufzer die Tür hinter sich.

Einen Augenblick lang suchte sie seinen Blick, dann begann sie, auf ihrer Unterlippe herumzukauen. „Tut mir leid. Ich wollte nur …“

Neugierig unterbrach er sie. „Wer ist Brad?“

Mit einem erneuten, doch diesmal eher verzweifelt klingenden Seufzen erwiderte sie: „Ein sehr netter Mann aus der Buchhaltung. Brad ist wirklich freundlich. Man kann nichts Schlechtes über ihn sagen.“

Damien nickte. „Außer dass er selbst einen Wink mit dem Zaunpfahl nicht versteht.“

Mit geschlossenen Augen nickte sie erneut. „Er ist wirklich sehr nett, und …“

„Das sagen Sie jetzt schon zum zweiten Mal.“

„Ich mag es nicht, die Gefühle anderer Leute zu verletzen“, gab sie zu. „Besonders dann nicht, wenn es um nette Menschen geht.“

„So nett kann er gar nicht sein, wenn er sich nicht abwimmeln lässt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen Ehrlichkeit zu schätzen wissen, auch wenn sie schmerzhaft ist.“

„Ich war nicht unehrlich“, erwiderte sie.

„Das glaube ich Ihnen.“

Stille machte sich zwischen ihnen breit, während Emma wieder an ihrer Unterlippe herumzukauen begann. „Er hat mich bestimmt schon zehn Mal um ein Date gebeten.“

„Und Sie haben jedes Mal abgelehnt?“, hakte Damien ungläubig nach. „Gott, muss das ein Sturkopf sein!“

Emma zuckte zusammen. „Es kann sein, dass ich mal seine Mutter im Krankenhaus besucht habe. Aber es war nur ein einziges Mal!“

Harte Schale, weicher Kern – eine Kombination, die Damien außerordentlich anziehend fand. Er zuckte die Schultern. „Soll ich mal nachsehen, ob sein Arbeitsplatz gekürzt wird?“

Empört nach Atem ringend, protestierte Emma: „Ach, du meine Güte! Nein! Damit könnte ich keinen Tag lang leben, ich …“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, er ist ein hervorragender Angestellter. Ehrlich.“

Einen Moment lang musterte er sie nachdenklich. Wie gebannt erwiderte Emma seinen Blick, dann blinzelte sie und räusperte sich. „Nun, ich, äh, ich denke, ich sollte Sie jetzt in Ruhe Ihr Sandwich essen lassen. Falls Sie noch irgendetwas brauchen …“

„… dann lasse ich es Sie wissen.“

Leise schloss Emma die Tür zu Damiens Büro hinter sich. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken! Vor Scham schlug sie die Hände vors Gesicht. Was war denn nur los mit ihr? Sie war immer so stolz darauf gewesen, dass sie selbst in den chaotischsten Situationen ihr souveränes Auftreten wahrte! Aber gerade eben hatte sie nichts als dummes Zeug gebrabbelt, und das ausgerechnet in Anwesenheit von Damien Medici!

Sie hatte für Max De Luca gearbeitet, den sagenumwobenen stahlharten Manager! Nur allzu oft war sie zutiefst verschüchtert gewesen, aber behauptet hatte sie sich immer! Alex Megalos hatte sie mit größtmöglicher Diskretion vor seinen übereifrigen Möchtegernfreundinnen gerettet, die ihn zu seinen Playboyzeiten vor der Hochzeit mit Mallory James umschwärmt hatten wie die Motten das Licht. Nichts davon hatte Emma aus der Fassung bringen können.

Doch jetzt war sie mit Damien Medici konfrontiert, den sie für einen Eisklotz gehalten hatte, und musste feststellen, dass er nicht nur menschlich war, sondern auch noch Humor hatte. Etwas in ihr fand seine Stärke und Vielschichtigkeit anziehend, um nicht zu sagen: verführerisch.

Entsetzt über ihre Gefühle, zwang sie sich, sich zusammenzureißen. „Das ist einfach lächerlich“, murmelte sie. Damien Medici würde MD in Stücke reißen. Und somit war er ihr Feind.

2. KAPITEL

Am nächsten Morgen suchte Emma Max De Luca in seinem Büro auf, um ihn mit Informationen über Damien Medici zu versorgen. Als sie Max gegenüberstand, empfand sie gleichermaßen Vertrautheit und Nervosität. Der ehemals knallharte Geschäftsführer war durch seine Frau Lilli und seinen kleinen Sohn David etwas weicher geworden, doch Emma fand es noch immer schwer, den Spagat zwischen Freundschaft und Zusammenarbeit zu meistern.

„Bisher weiß ich nur, dass er bereits eine Kündigungsliste erstellt hat und dass er Informationen von diesen Abteilungen angefordert hat.“ Sie reichte ihrem ehemaligen Vorgesetzten den Ausdruck eines Berichtes.

Max warf einen Blick auf die Unterlagen. „Wie sieht es mit dem Computer aus?“

„Er verwendet einen eigenen Laptop und hat mir mitgeteilt, dass ich seinen PC an jemanden weitergeben soll, der ihn braucht. Seine Telefonate führt er auf dem Handy, das Haustelefon nutzt er nur, wenn er mit Leuten von MD sprechen möchte. Eine Liste dieser Anrufe findest du in meinem Bericht.“

„Ich verstehe“, erwiderte Max nachdenklich. „Ich folgere daraus, dass er mit den Kürzungen auf der mittleren Führungsebene ansetzen wird.“

Emma knabberte an ihrer Lippe herum.

Mit einem Schulterzucken fuhr Max fort: „Mir ist klar, dass MD rationalisieren muss. Aber es ist wichtig, dass keine Bereiche davon betroffen sind, die in Zukunft wichtig für uns werden könnten. Die mittlere Führungsebene ist nicht der schlechteste Ansatzpunkt, solange Medici es nicht übertreibt. Alex und ich sind uns einig, dass dieser Mann nicht der Richtige für den Job ist, aber James Oldham ist voll und ganz auf der Seite unserer Aktionäre. Er ist der Vorstandsvorsitzende, und er wird alles dafür tun, es auch zu bleiben. Um ehrlich zu sein, halte ich ihn für den autoritärsten Vorsitzenden, den wir bei MD jemals hatten. Also, Emma, halt mich auf dem Laufenden. Wir treffen uns kommenden Dienstag um dieselbe Zeit.“

„Es tut mir sehr leid, dass ich nicht mehr Informationen sammeln konnte“, erwiderte Emma.

Max warf ihr ein zynisches Lächeln zu. „Medici ist kein Idiot. Ganz offensichtlich traut er niemandem. Solltest du etwas Interessantes herausfinden, kontaktier einfach Alex oder mich über Handy.“

„Selbstverständlich.“ Sie verließ das Büro, trat in den Aufzug und fuhr die zwei Stockwerke hinab zu Damiens Büro.

Als sie eintrat, stellte sie überrascht fest, dass hinter seiner Tür noch Licht brannte. Durch den Türspalt konnte sie Damiens Stimme hören. Neugierig trat sie einen Schritt näher und lauschte.

„Mr. Oldham, wenn Sie wirklich wollen, dass Megalos De Luca wieder in der ersten Liga spielt, sollten Sie mir bezüglich der Kürzungen freie Hand lassen. Ich habe den Auftrag unter der Voraussetzung angenommen, dass ich tun kann, was ich für das Beste halte. Sollten Sie damit nicht mehr einverstanden sein, kann ich sofort meine Zelte abbrechen.“

Schockiert wich Emma zurück. James Oldham war der Vorstandsvorsitzende. Niemand hatte es jemals gewagt, in diesem Tonfall mit ihm zu reden! Mit angehaltenem Atem lauschte sie weiter.

„Mr. Oldham, derartige Situationen habe ich schon häufig erlebt. Mir ist klar, dass Sie sich Sorgen machen, weil es eine schlechte Presse geben könnte. Ich werde ein großzügiges Abfindungspaket und einen Wiedereinstellungsplan entwickeln, die Sie in der Öffentlichkeit bekannt geben können. So werden wir die Wellen schon im Voraus glätten.“ Damien schwieg einen Moment, dann fuhr er fort: „Also, wie lautet Ihre Antwort? Gewähren Sie mir den Handlungsspielraum, den Sie mir versprochen haben, oder nicht?“

Es verstrichen einige Sekunde, in denen es so still war, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Emma wartete mit klopfendem Herzen James Oldhams Antwort ab. Wenn er doch nur Nein sagte! Weder MD noch sie selbst würden sich noch einen einzigen Tag lang mit Damien Medici herumschlagen müssen!

„Ich dachte mir bereits, dass wir uns einigen würden“, sagte Damien in triumphierendem Tonfall.

Emma rutschte das Herz in die Hose.

„Ich melde mich bald bei Ihnen.“ Damiens Stimme wurde lauter, als er sich auf die Tür zubewegte.

Fast schon panisch wich Emma zu ihrem Schreibtisch zurück. Medici durfte sie keinesfalls beim Lauschen erwischen! In der Hoffnung, möglichst unverdächtig zu wirken, begann sie, krumm und schief vor sich hin zu summen, warf ihre Handtasche auf den Tisch und fuhr den PC hoch.

„Emma!“ Damien stand direkt hinter ihr.

Obwohl sie genau gewusst hatte, dass er da war, fuhr sie erschrocken zusammen. „Oh, hallo! Sie sind aber schon früh da!“

„Genauso wie Sie.“ Er musterte sie eindringlich.

Hoffentlich konnte er ihre Gedanken nicht lesen. „Wissen Sie, ich habe da diesen neuen Vorgesetzten, der genauso ein notorischer Frühaufsteher ist wie ich. Es ist eine ziemliche Herausforderung, ihm zuvorzukommen.“

Seine Lippen verzogen sich zu einem winzigen Lächeln. „Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie genauso viel arbeiten wie ich. Es gibt einige Leute, die mich für einen Workaholic halten!“

„Und, sind Sie einer?“, fragte Emma, dankbar über die Ablenkung.

„Ich arbeite viel und gern. Meine Arbeit ist meine ganze Leidenschaft. Um ehrlich zu sein, betrachte ich sie als meine Geliebte.“

„Aber hätten Sie nicht gerne eine menschliche Gefährtin, die …“ Noch während sie redete, wurde Emma klar, dass sie gerade jegliche Professionalität mit Füßen trat. „Es tut mir leid. Diese Dinge gehen mich nichts an.“

„Da haben Sie recht, allerdings würde ich Ihnen gerne dieselbe Frage stellen.“

Emma dachte an ihre Mutter und all das Geld, all den Aufwand, die nötig gewesen waren, um sie wieder und wieder aus dem Schlamassel zu holen. „Ich habe Familie.“

„Ich auch. Brüder. Wir haben wieder Kontakt zueinander aufgenommen, als wir schon erwachsen waren.“

Damien sah sie auf eine Weise an, die sie direkt ins Herz traf. Es war, als könne dieser Mann bis auf den Grund ihrer Seele sehen. Widerwillig musste sie sich eingestehen, dass sie ihn in geradezu beängstigendem Ausmaß anziehend fand. Irgendetwas verriet ihr, dass er der Typ Mann war, der eine Frau dazu bringen konnte, alles zu tun, was er wollte – und zwar mit Freuden!

Sie wollte sich ihm entziehen, diesem verbotenen Gefühl entkommen. Sie wollte so wie immer professionell und distanziert bleiben. Und das würde sie auch schaffen!

„Ich kann mich nur nochmals entschuldigen“, erwiderte sie kühl. „Ich war kurz abgelenkt. Was kann ich Ihnen bringen?“

Einen kurzen Moment lang warf er ihr einen Blick zu, dessen Intensität ihren grauen Hosenanzug, ihre weiße Bluse, ja, vielleicht sogar ihre einfache Baumwollunterwäsche zu durchdringen schien. Emma fühlte sich, als würde sie nackt vor Damien stehen. Mit rasendem Herzen hielt sie den Atem an.

„Derzeit bin ich noch mit der Auswertung der Berichte beschäftigt. Ich werde nachher Informationen von weiteren Abteilungen anfordern.“

Leise seufzend atmete sie aus. Hoffentlich hatte Damien ihre Anspannung nicht bemerkt! „Gut, dann lassen Sie es mich wissen, wenn Sie mich brauchen“, erwiderte sie, während sie beobachtete, wie Damien wieder in seinem Büro verschwand.

„Reiß dich zusammen“, zischte sie sich selbst zu, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Der einzige Unterschied zwischen Damien und ihren bisherigen Vorgesetzten bestand darin, dass er viel, viel schlimmer war als sie. Und viel, viel gefährlicher …

Am folgenden Tag zur Mittagszeit stürmte Lilli De Luca mit ihrem kleinen Sohn David im Arm in den Vorraum zu Damiens Büro. „Hi, Emma! Wir haben dich vermisst!“

David strahlte Emma mit seinen leuchtend blauen Augen unter seinem wilden Lockenschopf hervor an. „Mmmm“, machte er, während er Emma musterte.

Emma konnte nicht anders, als ihn anzulächeln. „Hallo, mein Schätzchen! Ja, wer ist denn da so unglaublich gewachsen?“, fragte sie lächelnd und breitete die Arme aus.

David kam mit Vergnügen auf ihren Arm, der unter seinem Gewicht leicht nachgab. Mit einem Blick in Lillis Richtung murmelte Emma: „Er hat ganz schön zugenommen.“

Lilli lächelte und stöhnte auf. „Erzähl mir was Neues!“

„Wahnsinn, wie wenig er fremdelt.“ Als der kleine Knirps seine Faust in den Mund schob, begann Emma, ihn in ihren Armen zu wiegen. „Bekommt er Zähnchen?“

Nickend erwiderte Lilli: „Der Arzt hat gesagt, dass David sich gerade in einer Übergangsphase befindet. In ein paar Monaten wird er wohl auch anfangen zu fremdeln.“

„Er ist wirklich bezaubernd. Was für ein süßer kleiner Fratz.“

Lilli warf ihr ein stolzes Lächeln zu. „Ganz meine Meinung. Max führt gerade eine Telefonkonferenz. Er meinte, es würde dich sicher aufmuntern, wenn David und ich dir einen kurzen Besuch abstatten. Wie läuft es denn so bei dir?“

„Ganz okay“, antwortete Emma. Eine positivere Antwort konnte sie sich beim besten Willen nicht abringen.

In diesem Moment erschien Damien in der Tür zu seinem Büro. Einen Augenblick lang musterte er die drei, dann warf er Emma einen fragenden Blick zu. „Ist das Mrs. De Luca?“

Emma nickte. „Und der kleine David.“

„Nennen Sie mich doch Lilli“, erwiderte Max’ Ehefrau. „Schön, Sie kennenzulernen.“

„Ganz meinerseits.“

Lilli warf ihm ein Lächeln zu. „Wie ich sehe, haben Sie das große Los gezogen und Emma als Assistentin bekommen.“

„Richtig“, erwiderte Damien kurz angebunden.

„Alex und Max haben einen wahren Kleinkrieg darüber ausgefochten, wer mit Emma zusammenarbeiten darf. Sie können sich wirklich glücklich schätzen.“

„Das tue ich.“ Nachdem er David kurz gemustert hatte, fuhr er fort: „Und das ist Max’ Sohn?“

„Unser ganzer Stolz“, erwiderte Lilli nickend.

Als Lillis Sohn Damien neugierig musterte, streckte dieser die Hand aus. David packte den Daumen des großen Mannes und zog daran.

Damien lächelte. „Ein starker Griff“, stellte er bewundernd fest. „Das weist auf einen starken Willen hin.“

„Hoffentlich nicht zu stark“, murmelte Lilli. „Möchten Sie ihn mal halten?“

Als er zögerte, ergriff Emma die Initiative und drückte ihm den kleinen Kerl in die Arme, woraufhin Damien ihn instinktiv zu wiegen begann.

„Hallo, kleiner Mann!“

David starrte seinen neuen Bewunderer, der ihn mit einem kleinen Lächeln musterte, zufrieden an. „David scheint mir ein passender Name für dich zu sein. Ich kann mir gut vorstellen, wie du eines Tages Steine auf Goliath wirfst.“

Vorsichtig legte er das Baby zurück in die Arme seiner Mutter. „Es war mir wirklich eine Freude, Sie kennenzulernen.“

„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben“, erwiderte Lilli. „Sie haben hier eine schwierige Aufgabe. Hoffentlich belastet Sie das nicht zu sehr.“

„Ich lasse mich von meinem Verstand lenken, nicht von meinen Gefühlen. So läuft es am besten.“ An Emma gewandt fuhr er fort: „Ich brauche die Berichte einiger weiterer Abteilungen.“

Was bedeutet, dass es weitere Kündigungen geben wird, dachte Emma. „Warten Sie einen Augenblick, ich hole meinen Notizblock.“

„Ich sollte dann mal gehen“, verabschiedete sich Lilli. „Schön, dich gesehen zu haben, Emma. Ruf mich doch in den nächsten Tagen mal an, dann können wir uns verabreden.“

„Das klingt toll“, antwortete Emma. „Danke für deinen Besuch.“ Dann schnappte sie sich Stift und Block und verschwand in Damiens Büro.

Nachdem er ihr eine Liste von Abteilungen diktiert hatte, nickte sie knapp und erhob sich von dem Stuhl vor seinem Schreibtisch.

„Sie sehen blass aus“, bemerkte er. „Sie hassen mich dafür, was ich hier tue, nicht wahr?“

„Sie haben Erträge vor Augen“, erwiderte sie knapp. „Ich sehe Menschen und ihre Familien.“

„Letztendlich beeinflussen Erträge Menschen und ihre Familien.“

„Da haben Sie vermutlich recht.“ Mit einem Mal fühlte sich Emma sehr müde.

„Nehmen Sie sich doch den Rest des Tages frei.“

Blitzartig sah Emma auf. „Das kann ich nicht.“

„Doch, Sie können, und Sie werden. Ich komme hier prima alleine zurecht. Ich bin schon lange genug Manager, um erkennen zu können, wann meine Angestellten eine Pause brauchen.“ Mit einem Winken scheuchte er sie aus dem Büro. „Und jetzt gehen Sie. Shoppen Sie, machen Sie ein Nickerchen, gehen Sie ins Solarium oder womit auch immer Frauen sich entspannen.“

Emma konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Ich gehe nicht einkaufen, um mich zu entspannen. Mittagsschläfchen machen mich schlapp, und falls es Ihnen aufgefallen ist, bin ich nicht gerade gebräunt.“

„Das ist mir allerdings nicht entgangen. Nehmen Sie sich eine kleine Auszeit. Sie haben sie nötig.“ Mit diesen Worten konzentrierte er sich wieder auf seinen Laptop.

Emma stand langsam auf. Es wollte ihr einfach nicht gelingen, den Blick von Damien loszureißen. Er hatte recht mit dem, was er sagte, das konnte sie nicht leugnen. „Was machen Sie, um sich zu entspannen?“ Sie wusste genau, dass sie derartige Fragen besser nicht stellen sollte, aber ihre Neugierde war stärker.

Damien blickte auf und sah ihr in die Augen, während Emma sich entsetzt fragte, ob sie gerade tatsächlich ein derart persönliches Thema angeschnitten hatte.

„Ich lasse es bleiben“, erwiderte er. „Ich brauche keine Entspannung.“

Sosehr sie sich auch bemühte, sich auf die Zunge zu beißen, ihre Antwort ließ sich einfach nicht unterdrücken. „Sie kennen das Sprichwort mit dem Glashaus und den Steinen, oder?“

Damien warf ihr einen strengen Blick zu. „Gehen Sie nach Hause.“

„Mach ich. Aber vergessen Sie das Glashaus und die Steine nicht. Einen schönen Abend noch.“

Zu Hause angekommen, hörte Emma zuerst ihren Anrufbeantworter ab. Als sie die Stimme ihrer Mutter Kay hörte, machte sie sich auf das Schlimmste gefasst. Egal, wie fröhlich ihre Mutter klang, man konnte sich nie sicher sein, wie es wirklich um sie stand. Emma beschloss, sie sofort in Missouri zurückzurufen, und wählte ihre Nummer. „Hi, Mom. Wie geht es dir?“

„Gut“, erwiderte Kay fröhlich. „Ich habe heute in der Apotheke gearbeitet. Sie haben eine riesige Menge Ibuprofen verkauft, und da mussten wir das Lager auffüllen. Ich hatte viel zu tun! Du kannst stolz auf mich sein, ich habe seit unserem letzten Telefonat nicht ein einziges Mal gespielt.“

„Das bin ich, Mom.“

„Aber ich langweile mich zu Tode“, stichelte ihre Mutter, als sie merkte, dass Emma nicht auf die Provokation einging.

Emma drehte sich fast der Magen um. Immer wenn ihre Mutter behauptete, sich zu Tode zu langweilen, war sie kurz davor, rückfällig zu werden.

„Soll ich dich besuchen kommen? Dieses Wochenende könnte ich es schaffen.“

Kay lachte auf. „Nein, danke. Ich stecke nicht in Schwierigkeiten. Bleib, wo du bist.“

„Bist du dir sicher? Ich könnte …“

„Ich bin sicher. Es bleibt wie verabredet bei Juni. Hast du in letzter Zeit eigentlich irgendwelche Männer kennengelernt?“

„Ich hatte zu viel zu tun“, lenkte Emma ab. „Derzeit muss ich mich noch an meinen neuen Vorgesetzten gewöhnen.“ Falls man sich an jemanden wie Damien überhaupt gewöhnen konnte.

„Ist er jung und gut aussehend? Geh doch mal mit ihm aus! Ich habe bis heute nicht verstanden, warum du dich nie an deine Chefs ranmachst. Sie sind jung, attraktiv und haben jede Menge Kohle.“

Manche Dinge würden sich wohl nie ändern. „Mom, einer der Gründe für meinen Erfolg ist, dass ich Arbeit und Privatleben trenne.“

„Von welchem Privatleben genau sprichst du?“, stichelte Kay weiter. „Wenn du nicht arbeitest, sitzt du in der Uni. Wann hattest du eigentlich das letzte Mal ein bisschen Spaß?“

Emma biss sich auf die Zunge. Wegen der Spielsucht ihrer Mutter hatte sie für Spaß schon lange keine Zeit mehr gehabt. Es war besser, das Thema zu wechseln. „Ist mit deiner Wohnung alles in Ordnung? Auf dem Anrufbeantworter hast du gesagt, dass es Probleme mit dem Spülkasten gibt!“

Zehn Minuten später legte sie mit einem tiefen Seufzer auf, der ihr Unbehagen nur wenig lindern konnte. Ihre Mutter war vor drei Jahren aus Las Vegas weggezogen, nachdem Emma ihr zum wiederholten Male mit einer Menge Geld ausgeholfen hatte. Obwohl Kay nun nicht mehr ständig der Verlockung ausgesetzt war, erwartete Emma noch immer stets das Schlimmste.

Von ihrem Gehalt hätte sie in einer luxuriösen Eigentumswohnung leben können, aber der Drang, für den Notfall zu sparen, war einfach zu groß. Schließlich konnte man nie wissen, wann ihre Mutter den nächsten Rückfall haben würde.

Es hatte Zeiten gegeben, in denen sie die Sorge um ihre Mutter fast aufgefressen hätte. Damals waren Arbeit und Studium ihre einzigen Atempausen gewesen. Doch in letzter Zeit spürte sie, dass sie mehr vom Leben wollte. Sie sehnte sich nach Freundschaft, nach einer Beziehung. Jahrelang war sie davor zurückgeschreckt, sich enger zu binden, weil sie sich so sehr für die Sucht ihrer Mutter geschämt hatte. Aber vielleicht war jetzt der Augenblick gekommen, es zu versuchen. Vielleicht sollte sie ausgehen? Emma stellte sich vor, wie sie das Nachtleben von Las Vegas unsicher machte, und erschauerte bei dem bloßen Gedanken daran. Nein, im Waschsalon oder bei einer wohltätigen Arbeit würde sie wohl eher jemanden kennenlernen, der zu ihr passte.

Auch wenn ihr die ganze Woche über keine Bewegung entging, die Damien machte, gelang es Emma, ihre professionelle Maske aufrechtzuerhalten. Doch innerlich war sie von unersättlicher Neugierde erfüllt. Allein seine Narbe brachte sie schon fast um den Verstand, und sie brannte darauf, zu erfahren, woher er sie hatte. Und dann diese Schwielen an seinen Händen … Wie es sich wohl anfühlen würde, von ihm berührt zu werden?

Damien hatte etwas Unnachgiebiges, Gefährliches an sich, das sie faszinierte. Dieser Mann glich einem Raubtier. Es war undenkbar, dass er keine Frau an seiner Seite hatte – für das enthaltsame Leben eines Mönchs war seine erotische Ausstrahlung einfach zu stark.

Erschöpft fuhr Emma am Freitagabend nach Hause, um so früh wie möglich ins Bett zu kommen. Doch selbst dort ließ Damien ihr keinen Frieden, sondern spukte durch ihre Träume, in denen er sie mit seinem dunklen Blick zu durchbohren schien und sie schließlich in seine Arme schloss. Ihr Herz begann zu rasen, und sie wusste, dass sie sich aus seiner Umarmung lösen sollte, doch sie schaffte es einfach nicht.

Und plötzlich spürte sie seine muskulöse nackte Brust an ihrer. Im Mondlicht schimmerte seine gebräunte Haut, und Emmas Körper reagierte ganz gegen ihren Willen auf Damiens Nähe. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, während sie sich ihm entgegendrängte. Sie wollte mehr von ihm, wollte seine festen Lippen auf ihren spüren. Auf Zehenspitzen reckte sie sich ihm entgegen und öffnete leicht den Mund, als Damien sich zu ihr herabbeugte. Während sie erwartungsvoll die Augen schloss, kam er näher und immer näher. Gleich würde er …

Das Bild verblasste, und dann verschwand es ganz.

Als würde ein Fluch sie voneinander trennen, verschwand er von einer Sekunde zur nächsten. Emmas Erregung wich Enttäuschung. Wohin war er gegangen? Und warum? Dann erwachte sie.

Frustriert stöhnte sie auf. Ihr Atem ging schnell, das Bettlaken hatte sich verheddert. Langsam öffnete sie die Augen und starrte in das Halbdunkel, das ihr Schlafzimmer erfüllte, auf den Deckenventilator, der die schwüle Luft durch den Raum wirbelte. Ihr Körper war erhitzt, erregt, bereit.

Seufzend zog sie sich das Laken über das Gesicht. „Oh nein! Nein, nein, nein!“ Es war schlimm genug, dass Damiens Anwesenheit im Büro sie so durcheinanderbrachte. Da konnte er sie doch wenigstens in ihren Träumen in Frieden lassen! Es war Zeit für drastische Maßnahmen: Emma würde Mallory Megalos darum bitten, ein Blind Date für sie zu arrangieren. Sie brauchte dringend ein wenig Ablenkung. Und zwar in Form eines Mannes.

3. KAPITEL

Als Damien in seinem Ferrari den Parkplatz vor dem MD-Gebäude verließ, setzte ein für Las Vegas ungewöhnlich heftiger Regenguss ein. Der Wagen zählte zu dem wenigen Luxus, den Damien sich gönnte, und wenn es nicht schneite oder hagelte, fuhr er ihn immer. Etwa eine Meile vom Büro entfernt stand in der Nähe einer Ampel ein liegen gebliebenes Auto am Straßenrand.

Damien sah genauer hin und stellte überrascht fest, dass der Fahrer in der gelben Regenjacke, der sich gerade über die Motorhaube des Kleinwagens beugte, Emma war. Mit einem Blick in den Rückspiegel fuhr er neben seine Assistentin auf den Standstreifen und ließ das Fenster herunter.

„Brauchen Sie Hilfe?“

Emma wirbelte herum und sah ihn verblüfft an. „Damien? Sind Sie das?“

„Ja. Brauchen Sie Hilfe?“, wiederholte er.

Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Danke, nein, ich komme schon alleine klar. Ich wollte nur nachsehen, ob es nicht vielleicht ein ganz einfaches Problem ist, ein loses Kabel oder so.“

„Und?“

„Es sieht leider so aus, als müsste ich den Abschleppdienst anrufen. Sie garantieren, dass man höchstens eine Stunde warten muss. Ich setze mich solange ins Auto. Aber trotzdem danke.“

„Wie wollen Sie denn dann nach Hause kommen?“, hakte er nach.

Mit einem schiefen Lächeln hielt Emma inne. „Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.“

„Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Lassen Sie mich bei meinem Reparaturservice anrufen, und dann bringe ich Sie heim. Rutschen Sie rein“, sagte er und öffnete ihr die Beifahrertür.

Zögernd musterte Emma die Tür, als wäre sie die Pforte zur Hölle. Damien fragte sich, was wohl in ihrem Kopf vorgehen mochte.

„Kommen Sie schon“, drängte er. „Sie sind bald nass bis auf die Haut.“

„Na gut.“

Während Emma die Motorhaube ihres Wagens schloss, rief Damien bei seinem Autoservice an. Als seine Assistentin auf dem Beifahrersitz Platz nahm, legte er auf.

„Ach, verdammt, jetzt werden Ihre Ledersitze nass.“

„Die trocknen auch wieder“, erwiderte er achselzuckend. Emmas Blick ruhte einen Augenblick lang auf seinen Schultern, dann sah sie schnell weg. Nur mit Mühe konnte Damien sich ein zufriedenes Lächeln verkneifen. Ihre Bewunderung tat ihm gut, auch wenn Emma alles dafür tat, sie zu verbergen. Sie war diese Woche ziemlich geistesabwesend gewesen, und manchmal hatte sie geradezu unfreundlich auf ihren Chef reagiert. Ursprünglich war er davon ausgegangen, dass das an seiner Aufgabe bei MD lag, aber nun war er sich da nicht mehr so sicher.

Das Klingeln ihres Handys unterbrach die Stille. Beim Blick auf das Display zuckte Emma zusammen. „Oh nein“, murmelte sie, während sie den Anruf annahm. „Tut mir sehr leid“, sprach sie dann in den Hörer. „Ich bin mit dem Wagen liegen geblieben. Kann ich einen neuen Termin bekommen?“ Die Person am anderen Ende der Leitung erwiderte etwas, dann fuhr Emma fort: „So spät wie irgend möglich … nächsten Mittwoch um halb sieben klingt ganz hervorragend. Vielen Dank.“

„Um was auch immer es geht: Sind Sie sicher, dass ich Sie nicht hinfahren soll?“, bot Damien an.

Emma schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ich habe vor einer Weile einen Termin beim Stylisten geschenkt bekommen. Irgendwie dachte ich, dass es an der Zeit wäre, den Gutschein einzulösen.“

„Warum? Sie sehen toll aus, so wie Sie sind!“

Sie errötete und senkte verlegen den Blick. „Danke. Ich fand, dass ich mal etwas Neues ausprobieren könnte. Wir haben uns doch neulich darüber unterhalten, dass wir beide kein nennenswertes Privatleben haben, und da dachte ich, dass ich vielleicht etwas daran ändern sollte.“ Sie lächelte ihn an. „Aber keine Sorge: Meiner Arbeit wird das nicht schaden.“

„Da bin ich mir sicher“, erwiderte er. „Bekommt der arme Brad endlich seine Chance?“

Entrüstet schüttelte Emma den Kopf. „Nein, aber Mallory Megalos versucht schon seit Ewigkeiten, mich zu verkuppeln. Jetzt habe ich mein Okay gegeben. Hoffentlich werde ich es nicht bereuen“, murmelte sie und sah aus dem Fenster. „Sehen Sie mal, Ihr Abschleppdienst ist schon da.“

„Sollen sie Ihren Wagen zu einer bestimmten Werkstatt bringen?“, fragte er, während er die Tür auf der Fahrerseite öffnete.

„Bleiben Sie im Wagen“, protestierte Emma. „Ich mach das schon. Sie müssen doch nicht auch noch nass werden.“

„Es gibt Schlimmeres. Geben Sie mir die Schlüssel. Ich kümmere mich darum. Wie heißt Ihre Werkstatt?“

Widerwillig gab Emma nach. „Ray’s Autoservice.“

Sein kleiner Sieg befriedigte Damien ganz ungemein.

Während der Regen auf das Dach prasselte, saß Emma im Wagen und grübelte über ihre Situation nach. Ihr eigentliches Ziel war es gewesen, sich so weit wie möglich von Damien fernzuhalten und ihre Gefühle für ihn zu unterdrücken. Doch falls sie in der vergangenen Woche überhaupt irgendeinen Fortschritt hatte verbuchen können, so war er soeben wieder zunichtegemacht worden.

Einfach alles an diesem Mann war anziehend, verboten, atemberaubend. Ihm so nahe zu sein machte alles nur noch schlimmer.

Die Fahrertür öffnete sich, und Damien stieg ein. Während er sich mit der Hand durch sein feuchtes dunkles Haar fuhr, beobachtete Emma die Regentropfen, die über seine hohen Wangenknochen liefen. Sie musste ihre Hände verschränken, um dem Impuls zu widerstehen, ihm das Gesicht zu trocknen. Damiens sinnliche, schön geformte Lippen zogen ihre Blicke wie magisch an.

Als sie tief durchatmete, um sich wieder ein wenig zu beruhigen, inhalierte sie den Duft von Leder, Regen und … Damien.

Unverwandt sah er sie an. „Es ist alles erledigt. Die Werkstatt meldet sich morgen bei Ihnen.“

„Danke.“ Sie atmete erneut durch, aber es half nicht.

„Haben Sie schon zu Abend gegessen?“

„Nein, aber …“

„Ich auch nicht. Darf ich Sie einladen?“

Emma begann, auf ihrer Lippe herumzuknabbern. „Das ist wirklich nicht nötig. Sie haben schon mehr als genug getan.“

„Einen Happen essen müssen wir doch sowieso beide. Aber falls Sie etwas anderes vorhaben …“

„Habe ich nicht“, gab sie widerwillig zu.

„Na dann, mögen Sie Meeresfrüchte?“

„Ich liebe Meeresfrüchte!“

Seine Lippen verzogen sich zu einem umwerfenden Lächeln, das ein ganzes Bataillon an Schmetterlingen durch ihren Bauch flattern ließ. „Prima. Ich auch.“

Er fuhr zu einem der besten Restaurants von Las Vegas. Auf dem Parkplatz stritten sich die drei jungen Wächter darum, wer den Ferrari parken durfte. Einer von ihnen öffnete Emma schließlich die Tür. „Herzlich Willkommen, Miss.“

Damien stieg aus und nickte dem jungen Mann zu. „Mein Name ist Medici.“ Er reichte ihm den Wagenschlüssel zusammen mit einem großzügigen Trinkgeld. „Gehen Sie gut mit meinem Baby um.“

Der Parkwächter lächelte und überreichte ihm ein Parkticket. „Als wäre es mein eigenes.“

Damien bot Emma den Arm und führte sie zum Eingang. „Wie haben Sie sich entschieden, wem Sie den Wagen anvertrauen?“, fragte sie.

„Das ist leicht. Ich nehme immer den mit den besten Manieren. Er hat Ihnen aus dem Wagen geholfen.“

Der Oberkellner half Emma aus der Jacke, die er seiner Assistentin überreichte.

„Oh Gott“, murmelte Emma beeindruckt. „Ich fühle mich ein bisschen underdressed. Damit habe ich nicht gerechnet.“

„Gefällt es Ihnen nicht?“, fragte Damien nach.

„Doch, doch.“ Emma musterte die mondäne Einrichtung und die nicht weniger mondäne Klientel des Restaurants. „Ich war noch nie hier.“

„Obwohl Sie in Vegas wohnen?“ Damien klang ernsthaft überrascht. „Sogar ich kannte den Laden, und ich bin neu in der Stadt.“

Mit einem Lächeln schüttelte Emma den Kopf. „Schon vergessen? Ich bin die, die sich ein Pausenbrot mit zur Arbeit nimmt.“

„Aber nicht heute Abend!“, frohlockte Damien, während sie an einen Zweiertisch neben einem Fenster mit Blick auf ein Wasserspiel geführt wurden.

„Es ist toll hier“, murmelte Emma. „Ich fühle mich richtig schuldig.“

„Lassen Sie das. Ich freue mich, dass ich beim Essen an etwas anderes denken kann als an Finanzberichte.“

„Ich bezweifle, dass Sie jemals Probleme haben werden, eine Begleitung zu finden.“

„Das nicht. Aber ich hätte Probleme, eine Begleitung wie Sie zu finden“, erwiderte er beiläufig, während er die Weinkarte studierte. „Rot oder weiß?“

„Ist mir egal.“ Was hatte er mit diesem Kommentar über die Begleitung wohl gemeint? War das ein Kompliment gewesen? „Nehmen Sie, was Sie lieber mögen.“

„Was mögen Sie denn lieber?“ Als er sie ansah, glänzten seine Augen im Kerzenschein.

„Weiß.“

„Gut.“ Als er den Kopf senkte, fiel das Kerzenlicht auf seine Narbe. Eigentlich war es nicht Emmas Art, neugierig zu starren, aber die gezackte Linie zog einfach Aufmerksamkeit auf sich.

Als der Kellner an ihren Tisch kam, zwang Emma sich, ihren Blick wieder auf die Karte zu richten. Nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten und der Kellner den Wein gebracht hatte, hob Damien sein Glas. „Auf seltene Regengüsse, kaputte Autos und unsere gemeinsame Vorliebe für Meeresfrüchte.“

Lächelnd nickte sie und stieß mit ihm an. Nachdem sie einen Schluck von dem duftenden Pinot Grigio gekostet hatte, nickte sie anerkennend. „Sehr gut.“

„Stimmt.“ Er beobachtete, wie sie einen weiteren Schluck probierte. „Ich habe bemerkt, dass Sie meine Narbe angestarrt haben.“

Sie verschluckte sich und musste husten. Nach mehrmaligem Räuspern hatte Emma sich wieder gefangen. „Es tut mir leid“, brachte sie schließlich hervor. „Das war sehr unhöflich.“

„Ach was. Neugierde ist etwas ganz Natürliches.“

Da ihr keine gute Antwort einfiel, schwieg sie.

„Sie möchten sicher wissen, woher ich sie habe, oder?“

Emma atmete scharf ein. „Das geht mich nichts an.“

Er verzog seine Mundwinkel zu einem geheimnisvollen Lächeln. „Aber wissen wollen Sie es trotzdem. Haben Sie darüber spekuliert, was wohl passiert ist?“

Sichtlich verwirrt blinzelte Emma. Natürlich hatte sie sich eine Geschichte dazu ausgedacht – wenn sie ehrlich war, sogar mehrere. Aber sollte sie sie Damien wirklich erzählen?

„Denken Sie nicht so viel nach“, bemerkte er. Seine Beobachtungsgabe war wirklich beängstigend. „Erzählen Sie einfach.“

Kurz schloss sie die Augen, dann entschied sie sich wider jede Vernunft, auf seine Bitte einzugehen.

„Es war eine Kneipenschlägerei. Ein Betrunkener hat Sie mit einer kaputten Flasche angegriffen.“

Er neigte den Kopf zur Seite und nahm einen Schluck Wein. „Wer hat gewonnen?“

„Sie natürlich. Vielleicht waren Sie aber auch früher Pirat und haben die Narbe von einem Fechtkampf.“

Damien lachte in sich hinein. „Das Szenario gefällt mir schon besser. Haben Sie noch weitere auf Lager?“

„Wie wäre es damit: Mitten in der Nacht sind Sie in einer schummrigen Seitenstraße vor einem Nachtklub einem zwielichtigen Burschen in die Arme gelaufen. Er war sauer auf Sie, weil Sie ihm seine Freundin ausgespannt hatten.“

„Interessant“, erwiderte er. „Und warum war ich nicht der zwielichtige Bursche?“

„Eigentlich waren Sie das ja, schließlich haben Sie ihm sein Mädchen ausgespannt.“

Fragend hob er eine Augenbraue. „Sie finden mich zwielichtig?“

Als Emma merkte, dass sie zu weit gegangen war, zuckte sie zusammen. „Das sind doch nur Geschichten. Verrückte Szenarien.“

Damien nickte und nahm noch einen Schluck Wein. „Ihre erste Geschichte kam der Wahrheit am nächsten. Ich habe mich mit einem meiner Pflegeväter geprügelt. Er hat seine Frau geschlagen. Ich war dreizehn und hatte nur meine bloßen Hände, er war ein erwachsener Mann und hatte eine Bierflasche. Meine Pflegemutter ist bei ihm geblieben, ich bin zu einer anderen Familie gekommen.“

Emma fühlte sich plötzlich, als würde eine Eisenfaust ihr Herz umklammern. „Das ist ja fürchterlich!“

Er zuckte mit den Achseln. „Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich es überlebt.“

Was für weitere Narben mochte Damiens Kindheit wohl hinterlassen haben? Es war heldenhaft gewesen, dass er versucht hatte, seine Pflegemutter zu beschützen, aber gedankt hatte es ihm offenbar niemand.

„Jetzt habe ich Ihnen Angst gemacht“, bemerkte er.

„Nein!“, erwiderte sie eilig. „Es ist einfach nur schmerzhaft, sich vorzustellen, was Sie durchleiden mussten.“

„Sie haben ein gutes Herz. Ihre Mutter scheint ein sehr liebevoller Mensch zu sein, wenn sie eine solche Tochter großgezogen hat.“

„Sie hat ihr Bestes gegeben“, antwortete Emma zurückhaltend.

Als sie bemerkte, dass Damien sie mit hochgezogenen Augenbrauen fragend musterte, fühlte sie sich genötigt, sich zu rechtfertigen. „Wissen Sie, sie … sie ist spielsüchtig.“

Er nickte langsam und verständnisvoll. „Das muss hart gewesen sein.“

„Allerdings. Manchmal ist es das heute noch. Immerhin lebt sie nicht mehr in Vegas, das ist schon mal ein guter Anfang.“ Damiens forschender Blick machte sie nervös. „Aber genug davon. Wo haben Sie gelebt, bevor Sie hergezogen sind? Und wie kommen Sie mit dem Wüstenklima zurecht?“

„Ich habe sehr lange in Minnesota gearbeitet, deswegen finde ich die Abwechslung sehr angenehm. Ich habe dort Häuser für wohltätige Zwecke errichtet“, erzählte er.

„Wirklich? Ich hatte mich schon gefragt, woher die Schwielen an Ihren Händen kommen!“

„Sie sind Ihnen also aufgefallen.“ Als seine dunklen Augen verführerisch zu funkeln begannen, machte Emmas Herz einen kleinen Satz. „Offensichtlich“, gab sie widerwillig zu.

„Bei meiner Arbeit baue ich Stellen ab, in meiner Freizeit baue ich Häuser auf. Der Ausgleich ist gut für mich.“

Emma war verblüfft, dass dieser Mann überhaupt das Bedürfnis verspürte, seine Taten wiedergutzumachen. Bisher hatte sie nicht den Eindruck gehabt, dass seine Rücksichtslosigkeit ihn belastete.

„Es ist leicht, Ihre Gedanken zu lesen. Ich habe Sie erstaunt, nicht wahr?“

Irritiert darüber, dass sie für ihn ein offenes Buch zu sein schien, runzelte Emma die Stirn und platzte einfach mit der Wahrheit heraus. „Ja, ich bin überrascht. Ich habe Sie für einen eher rücksichtslosen Menschen gehalten. Bei jemandem, der, ohne mit der Wimper zu zucken, die Existenz von Dutzenden von Menschen zerstört, kommt man nicht unbedingt auf die Idee, dass er sich für wohltätige Zwecke einsetzt.“ Während sie redete, stellte sie mit Entsetzen fest, dass dieser Mann sie mit wenigen Worten dazu bringen konnte, die Beherrschung zu verlieren. „Ich fasse es nicht, dass ich gerade so mit meinem Vorgesetzten geredet habe.“

Damien lachte leise auf. „Ich habe gehört, dass Sie diskret und äußerst loyal sind. Haben Sie mit Ihren bisherigen Chefs genauso gesprochen?“

„Nein“, gab sie kopfschüttelnd zu. „Ich bin außerordentlich diskret und zurückhaltend, fragen Sie Alex Megalos oder Max De Luca. Es muss an Ihnen liegen. Sie bringen Seiten an mir zum Vorschein, die ich sonst gut verberge. Das ist einfach verrückt. Ich sollte nicht hier sein. Wahrscheinlich sollte ich nicht einmal Ihre Assistentin sein.“ Sie stand auf, um zu verhindern, dass sie sich noch weiter blamierte.

„Setzen Sie sich wieder hin“, befahl Damien brüsk. Dann fuhr er sanfter fort: „Unser Abendessen kommt gleich. Es wäre doch schade, es zu verschwenden, nur weil Sie mich für ein Ungeheuer halten.“

Als Emma nicht sofort reagierte, zog er fragend eine Augenbraue hoch.

Seufzend ließ sie sich wieder auf ihren Stuhl fallen. „‚Ungeheuer‘ ist ein bisschen zu hart.“

„Nicht schlecht“, erwiderte er. „Hübsche Assistentinnen, die einem die Meinung geigen.“

Er hatte sie gerade hübsch genannt! Einen Augenblick lang war Emma einfach nur glücklich. Gott, war das alles verrückt. Sie kam sich vor wie eine Doppelagentin. Dieser Mann warf all ihre Vorurteile über den Haufen, und ganz nebenbei brachte er auch noch ihre Hormone durcheinander! Wie es wohl sein mochte, ihn zu küssen?

Als der Kellner mit zwei Tellern voll exquisitem Fisch und Gemüse ankam, wurde sie aus ihrer Träumerei gerissen.

„Erzählen Sie mir mehr von sich“, forderte Damien sie auf. „Sie haben mich neugierig gemacht!“

Für einen Augenblick war Emma wie erstarrt, dann schluckte sie und riss sich zusammen. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich bin fürchterlich langweilig.“

„Was ist Ihre Lieblingsmusik?“, beharrte Damien.

„Ich mag Robbie Williams, Fergie und Michael Bublé. Und Van Morrison und Leonhard Cohen.“

„Van Morrison und Leonhard Cohen“, wiederholte Damien. „Die beiden passen nicht gerade ins Bild.“

Schulterzuckend erwiderte sie: „Sie sind toll. Ist doch egal, ob sie dazupassen oder nicht.“ Das feine Lächeln, das ihre Lippen umspielte, konnte sie nicht unterdrücken.

Damien erwiderte ihr Lächeln. „Das macht Sie sehr sympathisch.“

Es klang fast, als würde er sie interessant finden, wenn nicht sogar anziehend. Emma fühlte sich so geschmeichelt, dass sie schon fast auf Wolke sieben schwebte. Dennoch war sie fest entschlossen, dem Zauber dieses Mannes nicht noch mehr zu erliegen. Konzentrier dich aufs Essen, ermahnte sie sich. Und nicht auf Damien Medici!

Als der Regen zwei Stunden später aufgehört hatte, fuhr Damien seine Assistentin zu ihrer Wohnung in einer bescheidenen Siedlung am Rand der Stadt.

„Der Hausmeister sollte sich mal um die kaputten Glühbirnen kümmern“, bemerkte er, als er den Ferrari auf den Parkplatz vor der Wohnung lenkte.

„Ich werde ihm morgen Bescheid sagen. Danke für alles“, erwiderte sie. „Für die Rettung am Straßenrand und das Abendessen. Das war wirklich sehr nett.“

Er stellte den Ferrari ab. „Keine Ursache. Ich bringe Sie noch zur Tür.“

Überrascht schüttelte Emma den Kopf. „Das ist doch nicht nötig. Man sieht den Eingang schon.“

„Es wäre aber unhöflich, wenn ich Sie nicht begleiten würde“, beharrte er, während er aus dem Wagen stieg.

„Ich dachte, wir hätten uns geeinigt, dass Sie ein Pirat und kein Gentleman sind“, murmelte Emma.

Damien lachte auf. „Keine Widerrede.“

Seufzend gab Emma sich geschlagen. Kann er nicht ein bisschen weniger anziehend, ein bisschen weniger faszinierend sein? fragte sie sich, während Damien um den Wagen herumging, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Seine Hand war kräftig, und sein Körper strahlte eine Wärme aus, die Emma fast um den Verstand brachte. Am liebsten hätte sie sich an ihn gelehnt. Sie schaffte es gerade so, dem Drang nicht nachzugeben.

Als sie auf ihre Wohnungstür zugingen, legte Damien ihr die Hand auf den Rücken. Verwirrt kramte Emma in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel, der ihr immer wieder aus der Hand rutschte. Als sie ihn endlich herauszog, brauchte sie mehrere Anläufe, bevor sie das Schlüsselloch erwischte.

Mit weichen Knien trat sie durch die Tür und drehte sich zu Damien um. „Nochmals vielen Dank“, murmelte sie. Sein muskulöser Körper nahm fast den gesamten Türrahmen ein. „Für alles.“

„Es war mir ein Vergnügen.“

Seine Stimme klang samtweich. Emma war mittlerweile so durcheinander, dass sie bei dem Versuch, sich umzudrehen, stolperte. Doch statt auf dem Boden landete sie sicher in Damiens starken Armen. Er packte sie und zog sie an seine breite Brust. Emma stockte der Atem.

Meine Güte, jetzt reiß dich endlich zusammen, forderte sie sich in Gedanken selber auf. Entschlossen legte sie die Hand auf Damiens Unterarm, um ihn wegzuschieben, aber als sie seine warme Haut und die festen Muskeln spürte, vergaß sie, was sie vorgehabt hatte.

„Ist Ihnen was passiert?“, fragte er. Sein warmer Atem streifte ihr Ohr.

Emma schluckte den Kloß herunter, der sich in ihrem Hals gebildet zu haben schien, und schüttelte den Kopf. „Nein, alles in Ordnung. Ich habe nur das Gleichgewicht verloren.“ Widerwillig löste sie sich aus Damiens Umarmung. „Danke auch dafür. Wir sehen uns dann morgen.“

„Aber nur, wenn ich Sie mitnehme“, korrigierte er sie. „Ich hole Sie ab. Sagen wir, um halb acht?“

Emma blinzelte irritiert, dann fiel ihr ein, dass ihr Wagen ja in der Werkstatt war. „Oh, das ist wirklich nicht nötig, ich kann doch …“

„Haben Sie einen Zweitwagen?“, fiel er ihr ins Wort.

„Nein, aber …“

„Dann gibt es doch keinen Grund, warum Sie mein Angebot ablehnen sollten, oder?“

Sein Blick hätte wahrscheinlich sogar Stahl zum Schmelzen gebracht. „Nein, da haben Sie recht. Dann sehen wir uns morgen früh. Gute Nacht.“ Nachdem sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, lehnte Emma sich gegen das kühle Holz und betete, dass ein Wunder geschehen möge.

4. KAPITEL

Am nächsten Morgen hatte Damien seinen Wagen kaum auf den Parkplatz vor Emmas Wohnung gefahren, als sie auch schon auf ihn zugeeilt kam. Sie trug wie immer einen Hosenanzug, diesmal in Schwarz, und eine weiße Bluse. Ihr seidiges hellbraunes Haar war zu einem Pferdeschwanz hochgebunden, der ihre zarten Gesichtszüge und den Kontrast zwischen ihren rosigen Lippen und ihrer blassen Haut unterstrich.

Obwohl der Anzug ihre langen Beine und die weiblichen Kurven verhüllte, erahnte Damien genug, um neugierig zu werden. Während Emma auf ihn zulief, stellte er sich ihre Schultern, ihre weichen Brüste vor, deren Spitzen nur um weniges dunkler sein mochten als ihre Lippen, ihre zarte Taille, die runde, einladende Hüfte und die langen, geschmeidigen Beine, die sich um seine Oberschenkel schlingen würden, während er …

Emmas Ankunft riss ihn aus seinen Gedanken. Er sprang aus dem Wagen und öffnete ihr die Beifahrertür. „Guten Morgen.“

„Guten Morgen“, erwiderte sie. Eine Sekunde lang ließ sie ihren Blick bewundernd über seinen Körper gleiten, dann sah sie weg und stieg ein. „Danke.“

Während Damien um den Wagen herumging, spürte er ihren Blick erneut auf sich ruhen. Mit Befriedigung stellte er fest, dass es ihr beinah unmöglich schien, ihn nicht anzustarren.

Von Tag zu Tag fiel es ihm schwerer, seine Gedanken über seine Assistentin im Zaum zu halten. Er hatte sowieso vorgehabt, ihr Informationen über Max De Luca und Alex Megalos zu entlocken. Nun, da er wusste, was für eine Wirkung er auf Emma hatte, beschloss er, dass sie ihre gegenseitige Neugierde genauso gut im Bett befriedigen konnten. MD hatte auf Verbote, was Beziehungen zwischen Angestellten betraf, verzichtet, also gab es keinen Grund, warum sie es nicht miteinander versuchen sollten.

„Haben Sie gut geschlafen?“, fragte er, während er den Gang einlegte und auf die Straße fuhr.

Emma warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. „Ja, ich brauche nicht sonderlich viel Schlaf.“

„Ich auch nicht. Sehr hilfreich, wenn man ein Workaholic ist.“

Lächelnd erwiderte sie: „Vermutlich haben Sie recht. Mussten Sie gestern Nacht noch weiterarbeiten?“

„Ein bisschen“, gab er zu. „Ich muss mich schließlich nicht nur darum kümmern, wer wann gefeuert wird. Zusätzlich stelle ich einen Berufsberatungsplan auf, organisiere Fortbildungen zum Thema Bewerbungen, erarbeite Kurse für Zusatzqualifikationen und so weiter. Sie mögen mich für skrupellos halten, aber immerhin unterscheide ich zwischen guten und schlechten Formen von Entlassungen. Die Menschen, die ihren Job verlieren, müssen angemessen auf ihre neue Situation vorbereitet werden.“

Emma reagierte mit einem langsamen, widerwilligen Nicken. „Wenn die Kündigungen absolut unvermeidbar sind, sollten die Angestellten wenigstens so viel Hilfe wie irgend möglich bekommen.“ Mit schmerzhaft verzogenem Gesicht fügte sie hinzu: „Ich möchte nicht diejenige sein, die ihnen die Hiobsbotschaft überbringt.“

„So weich, wie Ihr Herz zu sein scheint, wären Sie dafür auch sicher nicht die Richtige. Aber es gibt Mittel und Wege, es den Entlassenen leichter zu machen.“

„Das kann ich mir kaum vorstellen.“

„Beispielsweise ist es wichtig, dass man sachlich bleibt. Außerdem gibt es Wochentage, an denen man Kündigungen nicht aussprechen sollte.“

„Am besten ist bestimmt der Freitag, damit die Leute sich über das Wochenende von dem Schock erholen können.“

Lächelnd schüttelte Damien den Kopf. „Ganz im Gegenteil, der Freitag ist der ungünstigste Tag. Denn dann muss der Angestellte das ganze Wochenende lang alleine vor sich hin brüten, ohne Hilfe in Anspruch nehmen zu können.“

„So wie Sie reden, könnte man fast daran zweifeln, dass Sie ein Unmensch sind.“ Ihre blauen Augen suchten seinen Blick.

„Ich will keine Existenzen zerstören“, erwiderte er. Doch dann musste er an Max De Luca und seine Rachepläne ihm gegenüber denken, die er noch immer hegte.