Bad Earth Sammelband 1 - Science-Fiction-Serie - Manfred Weinland - E-Book

Bad Earth Sammelband 1 - Science-Fiction-Serie E-Book

Manfred Weinland

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Beschreibung

Der Auftakt der atemberaubenden Science-Fiction-Serie endlich im Sammelband!

Die Welt wird Schwarz - und das Abenteuer beginnt.

Zum 50. Jahrestag der ersten Mondlandung setzen Nathan Cloud und drei weitere Astronauten zum ersten Mal einen Fuß auf den Mars. Sie sollen den Grundstein für eine spätere Kolonisierung legen. Doch ihre Mission endet in einer Katastrophe.

Zwei Jahrzehnte später starten die USA ihr modernstes Raumschiff, um die Umstände des Scheiterns zu untersuchen. Doch auch diese Mission steht nicht unter einem guten Stern.
Noch während die RUBIKON unterwegs zum Mars ist, wird das gesamte Sonnensystem von einer fast greifbaren Schwärze verschlungen. Alle Geräusche ersticken. Alle Technik versagt. Und Millionen Menschen auf der Erde sterben.

Als sich der mysteriöse Schleier lüftet, herrscht auf den Straßen Chaos. Die Ausmaße der Zerstörung sind unbegreiflich und die Ursache der "Attacke" ist vollkommen ungeklärt.

Da setzt eine weitere dunkle Flut ein und schnell ist eins klar: Die wahre Gefahr lauert nicht auf dem Roten Planeten, sondern dort, wo niemand sie je vermutet hätte - gerade erst dabei, sich zu formieren ...

Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen.

Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich auch im Sammelband.

Dieser Sammelband umfasst die Folgen 1 - 5 der Serie Bad Earth.


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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die digitalen Originalausgaben: Copyright © 2017/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covergestaltung: © Tanja Østlyngen und Guter Punkt, München www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: Petrovich9|Avesun|Natalia Lukiyanova ISBN 978-3-7325-8585-4

Manfred Weinland, Conrad Shepherd, Michael Marcus Thurner, Werner K. Giesa, Peter Haberl

Bad Earth Sammelband 1 - Science-Ficiton-Serie

Inhalt

Manfred WeinlandBad Earth 1 - Science-Fiction-SerieDie Welt wird Schwarz - und das Abenteuer beginnt. Zum 50. Jahrestag der ersten Mondlandung setzen Nathan Cloud und drei weitere Astronauten zum ersten Mal einen Fuß auf den Mars. Sie sollen den Grundstein für eine spätere Kolonisierung legen. Doch ihre Mission endet in einer Katastrophe. Zwei Jahrzehnte später starten die USA ihr modernstes Raumschiff, um die Umstände des Scheiterns zu untersuchen. Doch auch diese Mission steht nicht unter einem guten Stern. Noch während die RUBIKON unterwegs zum Mars ist, wird das gesamte Sonnensystem von einer fast greifbaren Schwärze verschlungen. Alle Geräusche ersticken. Alle Technik versagt. Und Millionen Menschen auf der Erde sterben. Als sich der mysteriöse Schleier lüftet, herrscht auf den Straßen Chaos. Die Ausmaße der Zerstörung sind unbegreiflich und die Ursache der "Attacke" ist vollkommen ungeklärt. Da setzt eine weitere dunkle Flut ein und schnell ist eins klar: Die wahre Gefahr lauert nicht auf dem Roten Planeten, sondern dort, wo niemand sie je vermutet hätte - gerade erst dabei, sich zu formieren ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Conrad ShepherdBad Earth 2 - Science-Fiction-SerieIn der Unendlichkeit gestrandet - und im Brennpunkt der Gewalten Gefangen im atmosphärelosen Inneren des Äskulap-Raumers treiben die Astronauten durch die unbekannten Weiten des Alls jenseits des Wurmlochs - ohne Kontrolle über das Schiff und inmitten einer gewaltigen Raumschlacht. Doch auch im Inneren des Raumers lauern Gefahren, deren Natur sich den Gefährten nur zögerlich erschließt. Sind die Astronauten nach der Vernichtung des "Steinernen" doch nicht allein an Bord? Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Michael Marcus ThurnerBad Earth 3 - Science-Fiction-SerieSie leben am Abgrund - Der Suprio bestimmt ihr Dasein Wer ist Darnok? Welche Ziele verfolgt er? Hat er John Cloud und den GenTecs tatsächlich geholfen - oder handelt er aus purem Eigennutz? Als die Menschen von der Erde aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachen, befinden sie sich allein auf einem fremden Planeten, ohne Kontakt zu Darnok. Alles spricht dafür, dass ihr geheimnisvoller "Retter" sie ausgesetzt hat. Aber warum? Und vor allem: Wo? Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Bad Earth 4 - Science-Fiction-SerieVorstoß ins Unbekannte - auf den Spuren der Zerstörer Cloud und die GenTecs befinden sich immer noch auf dem Planeten Kalser. Hier leben die Nargen, geflügelte Humanoide, die von Caar, ihrem Suprio, regiert werden - und bei denen es sich offenbar um die letzten Überlebenden einer einst stolzen Rasse handelt. Doch das gegenseitige Vertrauen ist schwach. Was hat es mit Caar und den Nargen tatsächlich auf sich? Welche Geheimnisse, welches Wissen hüten sie? Welche Ziele verfolgen sie? Cloud begibt sich auf die Suche nach Antworten und gemeinsam mit seinem Freund Jiim lernt er die Welt unter Eis kennen. Eine Welt, deren Schicksal, so wird sich zeigen, eng mit dem der Erde verflochten ist ... Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen
Peter Haberl, Werner K. GiesaBad Earth 5 - Science-Fiction-SerieEr lebt auf der Spore Auri - er soll den großen Krieg verhindern Cy lebt auf der Spore Auri und hat noch nie von fremden, fernen Welten gehört. Er weiß nichts von intelligenten Wesen abseits seiner Heimat oder der Gefahr, die zwischen den Sternen lauert. Bis zu dem Tag, an dem er auserwählt wird: Cy muss sein Zuhause, seine Heimat, sein ganzes bisheriges Leben hinter sich lassen, um sich auf eine gefährliche Mission zu begeben. Eine Mission, von deren Erfolg der zerbrechliche Friede zwischen organischen und anorganischen Völkern der Galaxis abhängt. Ist er für diese Aufgabe gewappnet? Wird es ihm gelingen, den Frieden zu bewahren? Oder wird die Milchstraße in einem beispiellosen Krieg versinken? Bad Earth - das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen. Die digitale Neuausgabe der Space Opera von Manfred Weinland jetzt endlich und nur als eBooks erhältlich. Jetzt herunterladen und sofort loslesen!Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Über diese Folge

Über die Autoren

Impressum

Armageddon

In der nächsten Folge

Über diese Folge

FOLGE 01: ARMAGEDDON

Die Welt wird Schwarz – und das Abenteuer beginnt.

Zum 50. Jahrestag der ersten Mondlandung setzen Nathan Cloud und drei weitere Astronauten zum ersten Mal einen Fuß auf den Mars. Sie sollen den Grundstein für eine spätere Kolonisierung legen. Doch ihre Mission endet in einer Katastrophe.

Zwei Jahrzehnte später starten die USA ihr modernstes Raumschiff, um die Umstände des Scheiterns zu untersuchen. Doch auch diese Mission steht nicht unter einem guten Stern.

Noch während die RUBIKON unterwegs zum Mars ist, wird das gesamte Sonnensystem von einer fast greifbaren Schwärze verschlungen. Alle Geräusche ersticken. Alle Technik versagt. Und Millionen Menschen auf der Erde sterben.

Als sich der mysteriöse Schleier lüftet, herrscht auf den Straßen Chaos. Die Ausmaße der Zerstörung sind unbegreiflich und die Ursache der »Attacke« ist vollkommen ungeklärt.

Da setzt eine weitere dunkle Flut ein und schnell ist eins klar: Die wahre Gefahr lauert nicht auf dem Roten Planeten, sondern dort, wo niemand sie je vermutet hätte – gerade erst dabei, sich zu formieren …

Bad Earth – das spektakuläre Weltraum-Abenteuer in die Zukunft der Menschheit. Ein atemberaubender Trip in fremde Galaxien, zu epischen Raumschlachten und inmitten eines intergalaktischen Konflikts voller Intrigen.

Über die Autoren

Manfred Weinland schrieb bereits für renommierte Serien wie Perry Rhodan Taschenbuch, Ren Dhark, Maddrax, Dino-Land, Jerry Cotton, Gespenster Krimi, Professor Zamorra u.a., ehe er das Konzept für die Serie Bad Earth ausarbeitete. Zusammen mit Erfolgsautoren wie Alfred Bekker, Luc Bahl, W. K. Giesa, Peter Haberl, Horst Hoffmann, Claudia Kern, Achim Mehnert, Susan Schwartz, Conrad Shepherd, Marc Tannous, Michael Marcus Thurner und Marten Veit, die ebenfalls alle bereits jahrelange Erfahrung im Schreiben von Science-Fiction-, Action- und Abenteuer- oder Horrorromanen haben, gelang eine ebenso spannungsgeladene wie komplexe Science-Fiction-Serie, die sich einem Thema widmet, das alle interessiert: Der Zukunft der Erde und der Menschheit.

Manfred Weinland

Armageddon

Die Welt wird Schwarz – und das Abenteuer beginnt

Prolog2019

Das rostrote Land erstreckte sich bis zum fernen Horizont, und selbst nach zwei Monaten Aufenthalt hatte sich Nathan Cloud noch nicht wirklich daran gewöhnt. Es sah aus wie eine irdische Wüste, aber es war keine.

Dies ist das Land Mars, dachte er – und sog den Sauerstoff, den der Druckrover ihm lieferte, in sich ein, so ehrfürchtig, als atmete er die originale Luft des Planeten – was ihn umgebracht hätte.

»Wie weit noch, Alexeij?«, fragte Cloud. »Du hast den sehr viel besseren Überblick, mein Freund …« Das winzige Mikrofon im Kragenwulst des Raumanzugs übertrug seine Stimme zum Habitat, wo Wolinow, die knochigen Schultern weit nach vorne gekrümmt und dadurch einem Geier ähnlicher als einem Menschen, über seinen Kontrollen brütete. Der Russe überwachte den Ausflug, während Jeunet das Treibhaus auf Vordermann brachte und Oyama die chemische Fabrik inspizierte.

Ohne merkliche Verzögerung erfolgte die Antwort des jungen Russen. »Du näherst dich der Randzone – bei gleichbleibendem Tempo erreichst du den optimalen Bohrpunkt in ziemlich genau 23 Minuten.«

»Verstanden, das entspricht auch meiner Schätzung … Etwas Neues von Mission Control?«

»Sie beobachten dich. Sie lassen dich nicht aus den Augen …«

»Ich fragte, ob es etwas Neues gibt.«

Wolinows raues Lachen brachte die Lautsprecher, ebenfalls im Kragen verborgen, zum Klirren. »Nolan hat noch mal betont, dass die Bilder live übertragen werden – also gib dir keine Blöße.«

Cloud nickte grimmig. Rupert Nolan, oder ›Sklaventreiber Nolan‹, wie seine Mitarbeiter ihn hinter vorgehaltener Hand nannten, war der oberste Missionsleiter, ein kleiner, kugelrunder, kahlköpfiger Mann, Mitte fünfzig und so spröde, so absolut humorlos, dass das Gerücht umging, seine bloße Anwesenheit könne die Temperatur eines Raumes fühlbar senken. Unter denen, die das Pech hatten, ihn zu kennen, gab es kaum jemanden, der diese physikalisch eigentlich unhaltbare Behauptung in Zweifel zog.

»23 Minuten also …«, murmelte Cloud.

»Jetzt noch knapp 22«, korrigierte das russische Mitglied der multinationalen Crew.

In Zeiten extremer Geldknappheit wäre das aufwändige Unternehmen um ein Haar gescheitert. Nur die finanzielle Kooperation der Mächte hatte den großen Traum am Ende doch noch wahr werden lassen.

Mein Traum, seit ich elf war, erinnerte sich Cloud – und dachte unwillkürlich an den kleinen Jungen, der jetzt gerade, in diesem Augenblick, Millionen Meilen entfernt, in seinem Bett lag und vielleicht von seinem Vater, dem Astronauten, träumte …

Cloud lehnte sich tiefer in den Spezialsitz, der den Konturen des plumpen Raumanzugs perfekt angepasst war. Vor rund zwei Monaten war die ARMSTRONG nordöstlich des Hellas Planitia gelandet, pünktlich zum fünfzigsten Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung. Ein Medienereignis – weltweit hatten Milliarden gebannt vor ihren Bildschirmen gesessen und beobachtet, wie Nathan Cloud, der Amerikaner, die Landeeinheit verlassen hatte, um als erster Mensch seine Fußspuren im roten Marssand zu hinterlassen …

Jetzt sind wir so was wie Brüder, hatte er des Mannes gedacht, der auf ganz ähnliche Weise ein halbes Jahrhundert davor Geschichte geschrieben hatte. Du wärst stolz auf mich gewesen, Neil, und ich wünschte, du hättest es noch erleben können.

So wie Cloud 1969 noch nicht einmal geboren war, weilte Neil Armstrong in diesen Tagen nicht mehr unter den Lebenden. Aber Nathan Cloud hatte sich die Videos sämtlicher Mondlande-Unternehmen wieder und immer wieder angesehen. Seit frühester Kindheit hatte es ihn selbst ins All gezogen, und er hatte sich geschworen, es zu schaffen. Seine Familie, vor allem sein Vater, ein Grundschullehrer, dessen Vater auch schon Lehrer gewesen war, hatte ihn anfangs belächelt.

Später nicht mehr.

Ich hoffe, du bist stolz auf mich, Dad, dachte Cloud. Ich hoffe, du sitzt auch heute Nacht wieder vor dem Schirm und erinnerst dich an den Jungen, der sein letztes Taschengeld für Romane, Raketenmodelle und Chemiebaukästen verschwendet hat – verschwendet … so hast du es genannt.

Seine Mutter war vor zwei Jahren gestorben. Ein Blutgerinnsel in ihrem Kopf hatte alles vernichtet, was einen Menschen ausmachte. Nur die Erinnerungen in den Köpfen anderer waren geblieben.

Es war die erste Begegnung seines heute sechsjährigen Sohnes mit dem Tod gewesen, und sie hatte Johnny nachhaltig geprägt. Cloud würde die Worte, die er ihm zum Abschied ins Ohr geflüstert hatte, nie vergessen: »Pass auf dich auf, Dad, pass gut auf dich auf und komm gesund wieder! Ich … ich liebe dich!«

Mit Tränen in den Augen hatte Nathan erwidert: »Ich liebe dich auch, mein Junge.«

Das Bild des kleinen Johnny, der beim Abschied neben seiner blassen Mutter wie der eigentliche Riese gewirkt hatte, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, das Kinn trotzig nach vorn geschoben, hatte sich in Clouds Hirnrinde gebrannt, und er betrachtete es oft, wenn er allein war und die Augen schloss.

Die transparente Cockpitkanzel erlaubte einen klaren Blick über die wellige Ebene, die das gepanzerte Fahrzeug mit gut dreißig Stundenkilometern durchkurvte. Traute man den Vorhersagen der Satellitenüberwachung, würde das Wetter halten. Zur Stunde gab es keinerlei Hinweise auf eine dramatische Verschlechterung oder gar einen der unberechenbaren Sandblizzards.

Seit ihrer Ankunft hatte Cloud einen davon am eigenen Leib erlebt. Zusammen mit den anderen hatte er sich im Habitat verschanzt – verschanzt und gebetet. Ja, Cloud schämte sich nicht, es zuzugeben, er hatte seit weiß Gott wie vielen Jahren zum ersten Mal wieder ein Gebet zum Himmel geschickt. Die im Regolith verankerte Station hatte geschwankt, als würden Titanenfäuste an ihr rütteln. Dazu der infernalische Lärm, mit dem Myriaden von Staubkörnern wie ein Meteoritenschauer gegen die Außenhaut geprasselt waren …

Am Ende hatten alle gestaunt, dass sie dieser Apokalypse noch einmal unbeschadet entkommen waren. Mission Control hatte sie medienwirksam beglückwünscht …

Die Minuten verstrichen. Irgendwann sagte Wolinow: »Alles klar, du kannst mit dem Picknick beginnen. Du hast die Stelle erreicht.«

Cloud bestätigte und stoppte den Rover. Die hydraulischen Bremsen brachten das eigens für die verminderte Schwerkraft entwickelte Gefährt zum Stehen. Der Motor erstarb. Die elektrischen Systeme blieben eingeschaltet.

Cloud lächelte ein letztes Mal zähnefletschend in die Kamera, die mit einer Verzögerung von etwa neun Minuten und einer zusätzlichen Minute, in der das Aufgenommene die Zensur durchlief, ›Live‹-Bilder zur Erde lieferte. Empfangen wurden sie sowohl über kostenpflichtige Future-Web-Seiten als auch über ausgewählte Pay-TV-Kanäle.

Wir haben unsere Seelen verkauft, dachte er, während er nach seinem Helm griff, ihn sich überstülpte und einarretieren ließ. Fehlt nur noch, dass sie uns beim Scheißen zusehen.

Es bereitete ihm Mühe, sich auf den Job zu konzentrieren, den er zu erledigen hatte. Es gibt hier kein flüssiges Wasser, dachte Cloud in voller Überzeugung. Zumindest nicht so dicht unter der Oberfläche!

Doch der Satellit, der schon lange vor ihrer Landung im Orbit stationiert worden war und seither Aufklärung betrieb, beharrte auf dem Gegenteil. In nur einem Meter Tiefe, so seine Behauptung, sollte sich ein enormes Wasservorkommen befinden. Der Satellit war mit einem verbesserten Gammastrahlen-Spektrometer ausgerüstet, und falls auf seine Messungen Verlass war, schlummerte dort unten mehr Wasser als im irdischen Lake Michigan. Wasser – nicht nur gefrorenes CO2!

 … aber klar doch, und ich werde der nächste Präsident der Vereinigten Staaten, dachte Cloud sarkastisch.

Er ahnte nicht, dass er eigentlich schon tot war.

Er entstieg dem Marsmobil.

Die Kette verhängnisvoller Kausalitäten nahm ihren Lauf …

1.

22 Jahre später Die Schwarze Flut

Mit dem Erwachen kamen die Gespenster. Kühl wälzte sich das Blut durch seinen Körper, und trotzdem glaubte er, in Flammen zu stehen. Seine Haut war Feuer. Sein Fleisch war Eis. Ein Chaos der Gefühle durchtobte ihn.

Die Gespenster.

Die Schatten.

Der Schmerz.

John Cloud schrie auf, als sein Bewusstsein zurückkehrte, die Erinnerungen zurückflossen. Zunächst war er unfähig, die Augen zu öffnen. Die fremden Schatten, die offenbar Seymor zum Verhängnis geworden waren, durchgeisterten auch sein Hirn und verwandelten es in ein Tollhaus. Ein paar Herzschläge lang wühlte kreatürliche Furcht in ihm, und er stellte sich vor, wie es wäre, sich einfach zu weigern, der Obhut des künstlichen Komas zu entfliehen und zur Tagesordnung überzugehen, als sei nichts geschehen …

Ein sinnloser Wunsch.

Das Brausen und Klingeln in seinen Ohren ließ nach, genau wie der pochende Schmerz. Durch seine Lider sickerte Licht. Es kam ihm viel zu grell vor, blendend weiß, aber er wusste, dass er sich daran gewöhnen würde. Er schluckte. Seine Kehle war wie ausgedörrt. Die Gespenster flohen.

Endlich, dachte Cloud.

Jemand sagte wie aus weiter Ferne: »Willkommen, Commander. Wir schreiben den 169. Tag der Reise. Ich hoffe, Sie hatten schöne Träume …«

Es fiel ihm leicht, die Stimme zuzuordnen – aber unsagbar schwer, auf die darin enthaltene Ironie zu reagieren. Er fragte sich, ob während seines Dahindämmerns im Staseschlaf nicht ein elementares Missgeschick passiert sein könnte.

Mit ihm.

Heftiger als die Male davor zweifelte er daran, tatsächlich noch in seinem Körper zu stecken. Die Bindung dazu schien verloren gegangen zu sein. Nur holprig empfingen seine Sinne Signale, die über die Grundempfindungen von Schmerz und Taubheit hinausgingen.

»Mir ist … schlecht.« Er hustete etwas aus, das weit mehr war als Schleim. Ein Ding. Der Beatmungsschlauch. Seine Kehle war rau wie Sandpapier. »Davon abgesehen … sollten Sie wissen, Scobee, dass dieser Schlaf fast wie der Tod ist. Niemand … träumt darin …«

Etwas strich über seine verklebten Augen. Eine Hand?

»Woher sollte ich es wissen?«, fragte die Stimme. »Die Stase ist mir fremd. Ich hatte nie das ›Vergnügen‹ …«

Nach wie vor fühlte sich Cloud seltsam abgeschnitten von seinem Körper und seiner Umgebung. Aber er kämpfte dagegen an, konzentrierte sich.

Ihm wurde klar, dass Scobees Spott ein einziges Ziel hatte: ihm die Rückkehr ins Wachsein zu erleichtern. Die zwischen Ironie und Zynismus schwankenden Bemerkungen brachten seine immer noch trägen Gedanken allmählich in Fluss.

Er zögerte nicht länger, öffnete vorsichtig die Augen. Die Helligkeit schien ihm die Retina wegsengen zu wollen. Mikroskopisch kleine Rasierklingen hagelten gegen die Sehnerven. Abermals strich etwas über sein Gesicht, senkte sich gazeartig über seine Augen und verschaffte ihm Linderung.

»Wie lange?«, krächzte Cloud. »Wie lange war ich ›weg‹?«

»Planmäßig«, erwiderte Scobee. »Dreißig Tage.«

Die letzte große Etappe, dachte Cloud. Sie liegt hinter uns. Und nun? Was erwartet uns dort, wo die Gräber liegen?

Es gab keine Gräber, und er wusste es.

»Besondere Vorfälle?«

Durch das Gewebe hindurch betrachtete Cloud das Gesicht, das über ihm schwebte. Zunächst sah er es nur verschwommen, dann immer klarer. Das Gesicht eines Engels, dem er keine Sekunde lang über den Weg traute.

»Nein.« GT-Scobee schüttelte den Kopf. »Sonst hätte ich Sie vorzeitig geweckt, keine Sorge. Sie sind der Commander.«

Sie hatte unglaubliche Augen. Ihnen fehlte es nur ein wenig an … Leben.

Verrückt, dachte er. Und fragte laut: »Wie geht es Seymor?«

Er wischte das Tuch, das die Helligkeit auf ein erträgliches Maß gemildert hatte, vom Gesicht – und wunderte sich im nächsten Moment, dass er schon wieder die Kontrolle über seinen Arm ausübte.

»Perfekt!«, sagte er.

»Sir?«

Er richtete seinen Oberkörper halb auf, stützte sich auf den Ellbogen ab. Sämtliche in seinen Körper mündenden Schläuche und Kabel machten die Bewegung mit. »Seymor«, erinnerte er die einzige Frau unter den GenTecs. »Wie ist sein Zustand?«

Die Kabinenwände schienen auf ihn zuzurücken. Sie waren durchsichtig, und die Schlieren darin bildeten ständig neue Muster. Ein spezielles Gel reduzierte die Wahrscheinlichkeit, irgendwann als Folge dieser Reise an Krebs zu erkranken, auf ein Minimum.

So war es ihnen zumindest versprochen worden.

Die Antwort der Frau lenkte ihn ab.

»Es ist besser, Sie sehen es sich an.«

»Er schläft?«

»Es ist besser, Sie bilden sich Ihr eigenes Urteil …«

Es war Clouds letzter Befehl vor seinem Gang in die Stase gewesen, auch den Kranken von seinem Leiden zu erlösen und in den komagleichen Schlaf zu versetzen. Scobees mysteriöse Andeutungen weckten nun die schlimmsten Befürchtungen in ihm – ohne dass er sie hätte in Worte fassen können.

»In Ordnung. Sobald ich wieder völlig klar und bei mir bin …« Er nickte. Mit jedem Atemzug fühlte er sich wieder mehr Herr seiner selbst. Er streckte den Arm aus. »Helfen Sie mir!«

»Eine Sekunde …« Scobee jagte den Inhalt einer daumendicken Kanüle in die Injektionsnadel, die seit dreißig Tagen in Clouds rechter Beinvene steckte. Ein unangenehmes Gefühl kroch, von dort ausgehend, bis in seinen Bauch, dann in die Brust und schließlich auch in Kopf und Arme.

Er schüttelte sich wie ein nasser Hund. »Eines Tages werde ich mich fürchterlich für alles rächen, was Sie mir in meinen hilflosesten Momenten angetan haben.«

»Ich stehe zur Verfügung.« Sie lächelte, und ihre Iris erweiterten sich, bis das Grün das ganze Auge ausfüllte.

Cloud spürte in der Gegenwart dieser Frau noch immer dieselbe Beklemmung wie am ersten Tag ihrer Begegnung. Die beiden anderen GenTecs umgab eine identische Aura – dennoch fiel dem Astronauten der Umgang mit ihnen erheblich leichter.

Vielleicht weil es Männer waren.

Cloud wartete geduldig, bis die dunkelhaarige Klonfrau das katheterartige Instrument aus seiner Beinvene entfernt hatte. Den kurzen Schmerz nahm er kaum wahr. Dafür lichtete sich allmählich das Chaos in seinen Gedanken.

Seine Gedanken … Er hätte sich gewünscht, die Trennlinie zwischen seinem ureigenen Denken und dem, was seinem Bewusstsein aufgepfropft worden war, wäre noch so klar zu ziehen gewesen.

***

Das Wummern des Schiffes war zu Clouds zweitem Herzschlag geworden. GT-Scobee hatte ihn allein gelassen. Er würde sie später wiedertreffen. Sobald er Seymor besuchte. Zunächst aber …

Er löste die Gurte, die ihn festgehalten hatten. Sofort machte sich die Schwerelosigkeit an Bord in ihrer ganzen Konsequenz bemerkbar.

Cloud entschwebte dem Stasebett, seine ausgestreckten Arme fanden die Halteschlaufen an der Decke, und er hangelte sich daran bis zu der kleinen Kabine, auf die er sich in diesen Sekunden mehr freute als auf alles andere, was ihn noch erwartete.

Selbst der Mars entrückte in weite Ferne.

Mit geübten, aber immer noch etwas steifen, unbeholfenen Bewegungen schlüpfte er in die Spezialkabine, schob die Tür hinter sich wieder zu, setzte die Atemmaske auf und aktivierte die Wanddüsen. Cloud wollte sich von den äußerlichen Spuren der Stase reinigen.

Die Kabine erlaubte das ›Duschen‹ in völliger Schwerelosigkeit. Die druckreichen Strahlen reinigten nicht nur, sondern massierten zugleich wohltuend. Eine Katharsis, die Cloud nicht zum ersten Mal durchführte und die im Laufe der Zeit zu einer Art Ritual geworden war.

Das Wasser war warm, fast heiß. Cloud schloss die Augen und dachte eine Weile an gar nichts. Nichts Bestimmtes jedenfalls, denn ganz ausschalten ließ sich sein Denken nicht.

Verwaschene Eindrücke, Bilder blitzten durch seinen Kopf. Traumfetzen aus der Stase oder … Erinnerungen?

Er wollte sich ihnen stellen, aber die Angst überschattete seine Bemühungen; die Sorge so zu enden wie Seymor.

Er öffnete die Augen, wollte sich den Bildern entziehen. Doch sie überwanden die Hürde und begleiteten ihn zum ersten Mal ins absolute Wachsein. Wie ein Tagtraum.

Hatte es bei Seymor auch so angefangen?

Cloud hob die Fäuste und presste sie, umhagelt von feinsten Wassertröpfchen, gegen seine Schläfen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in den Dampf, der sich um ihn herum gebildet hatte. Der Dampf wurde zu Staub, knochenfarbenem Staub und trieb unter ihm vorbei, während er sich hüpfend über den gepuderten Boden bewegte, die Leichtigkeit genoss, die seinen Körper ergriffen hatte. Unweit waren die Umrisse des Mondautos auszumachen, das im Schatten eines Felsens parkte. Am sternübersäten Himmel prangte die Erdsichel. Er blieb stehen und nahm das lanzenförmige Instrument, mit dem er zuvor eine Bodenprobe genommen hatte, und schrieb damit etwas in den ascheartigen Staub vor seinen klobigen Stiefeln. Einen Namen. Den Namen seiner Frau. Sharon.

Das Bild zerplatzte, als Cloud sich mit aller Vehemenz dagegen sträubte. Der Staub transformierte zurück zu Dampf. Der Mond wurde zu einer winzigen Kabine innerhalb eines von Menschenhand gebauten Raumschiffs, das auf dem Weg war, dem Mars seine Geheimnisse zu entreißen.

Aber der Name in ihm wollte nicht verblassen.

Sharon.

Cloud war weder verheiratet noch liiert. Er kannte nicht einmal eine Frau, die so hieß. Aber etwas in ihm kannte Sharon. Und Leslie. Und – Mark. Und …

Cloud beendete die Dusche überstürzt. Das Wasser versiegte, wurde von einem warmen, saugenden Luftstrom ebenso entführt wie der Dampf. Gleichzeitig trocknete der laue Wind die Haut.

Als der Mechanismus verstummte, legte Cloud die Atemmaske ab und schwebte zurück in seine Kabine. Statt die erhoffte Entspannung zu finden, war er wie elektrisiert. Fahrig schlüpfte er in die bereitliegende Kleidung.

Der Herzschlag der RUBIKON war unverändert.

Was man von Clouds eigenem Puls nicht behaupten konnte.

***

Zur gleichen Zeit, Erde, militärisches Sperrgebiet in der Wüste von Nevada

Als sich das schwere Schott hinter der de facto mächtigsten Frau der Welt schloss, erstarrte sie für einen Moment regelrecht zu Stein – so plötzlich, so ohrenbetäubend nahm die Stille Besitz von ihr.

Die Beklemmung stieg noch, als sich der Aufzug in Bewegung setzte.

Sarah Cuthbert, Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika, musterte ihren Begleiter verstohlen. Dr. Xander Hays schien ihre Gegenwart seinerseits nicht als sonderlich bedeutungsvoll zu empfinden. Er wirkte nicht die Spur nervös. Sein narbiges Gesicht weckte allerdings auch wenig Sympathie. Sarah war dem Leiter des geheimen Forschungsprogramms heute zum ersten Mal begegnet, davor hatte sie vieles über ihn – eigentlich mehr über sein Projekt – gelesen.

Hays war allem Anschein nach nicht der Mann, der sich Gedanken über seine Wirkung auf andere Menschen machte, erst recht nicht auf Frauen; selbst dann nicht, wenn es sich um die erste Frau im Staate handelte.

Seine tief liegenden Augen hatten einen Punkt an der gegenüberliegenden Fahrstuhlwand fixiert. In Gedanken schien er sich jedoch weit außerhalb der Kabine aufzuhalten.

Sarah räusperte sich.

Der Wissenschaftler drehte ihr das aufgedunsene, wie von winzigen Kratern übersäte Gesicht zu. Er hatte einen kleinen Mund. Die Lippen waren aufgeworfen und erinnerten an einen Fisch. Fragend sah er die schlanke, fast zierliche Person an, die ihn in die Tiefe begleitete. Allein, wie es ihr Wunsch gewesen war, obwohl ein ganzer Tross von Angehörigen ihres Stabs darauf gebrannt hätte, sie zu begleiten.

Sie wusste selbst nicht genau, warum sie darauf verzichtet hatte. Vielleicht hatten die innenpolitischen Querelen der vergangenen Wochen dazu beigetragen. Die Medien sägten wildentschlossen an ihrer Integrität. Es liefen regelrechte Kampagnen, von ihren politischen Gegnern gepuscht, und ihre eigene Partei hatte ihr indirekt zu verstehen gegeben, dass die Aussichten auf eine erfolgreiche Wiederwahl in einem halben Jahr zum gegenwärtigen Zeitpunkt als äußerst gering einzustufen waren.

Was Sarah umso mehr ärgerte, weil sie sich selbst wenig vorzuwerfen hatte.

Ja, streu dir nur weiter selbst Sand in die Augen. Du wirst die Quittung bekommen. Das Stimmvieh muckt auf. Dein Bonus als erste Frau im Amt des amerikanischen Präsidenten ist aufgebraucht. Die Menschen wollen eine Verbesserung ihrer Lebenssituation endlich spüren. Und was das angeht, hast du versagt – auf ganzer Linie.

Sie war nicht die erste Amtsinhaberin, die sich den unbarmherzigen Gesetzmäßigkeiten ihrer Präsidentschaft stellen musste. Jeder Erste Mann – beziehungsweise jede Erste Frau – war nur so effektiv wie ihr Mitarbeiterstab. Und daran krankte es. Frühzeitig waren Spitzenkräfte, die sie in die Ministerien berufen hatte, wieder in die freie Wirtschaft abgewandert, wo sie sie zuvor abgeworben hatte. Bei manchen hatte Sarah im nachhinein den Eindruck, dass sie das Regierungsamt nur als Sprungbrett benutzt hatten, um ihren Marktwert kurzfristig enorm zu steigern. Bei vielen hatte es funktioniert. Wären sie heute noch in der Regierungsmannschaft und wären die Erfolge immer noch so bescheiden, hätte dies den absolut gegenteiligen Effekt für ihre Karriere bedeutet.

Es sprach für ihre Klugheit ebenso wie für ihre Skrupellosigkeit, dass sie den Absprung rechtzeitig geschafft hatten.

Im Gegensatz zu mir, dachte Sarah. Sie spürte immer noch den abwartenden Blick von Hays auf sich ruhen und sagte: »Ich bin sehr gespannt auf das, was ich gleich sehen werde.«

Er lächelte auf eine herablassende Art, die ihre Meinung über ihn noch bestärkte. Sie war gewarnt worden. ›Hays ist ein Kotzbrocken‹, hatte Ben Sanders, ihr Verbindungsmann zur NCIA, sie erst wenige Minuten vor der Landung auf der Air-Base noch gewarnt. ›Die Fluktuation in seiner Mannschaft ist beträchtlich. Der Staat wendet jedes Jahr Unsummen unter anderem nur dafür auf, sich das Schweigen der Abgänger zu erkaufen. Dennoch – er ist und bleibt der fähigste Mann für diesen Posten und begleitet dieses Projekt seit seinen Anfängen.‹

Und die Anfänge, so viel wusste Sarah, seit sie eine Position bekleidete, in der ihr auch Staatsgeheimnisse erster Güte offengelegt werden mussten, lagen mehr als zwanzig Jahre zurück.

»Ich fürchte«, sagte Hays, dessen weißer Laborkittel so klinisch sauber wirkte, als hätte er es nicht mehr nötig, sich die Hände selbst schmutzig zu machen – wobei und womit auch immer, »zu sehen gibt es nicht allzu viel. Zumindest nicht für uns Außenstehende. Der Wert des Ganzen liegt in dem, was sie sehen. Und hören. Und …«

»Und?«, fragte sie.

»… riechen«, sagte er. Dabei lächelte er fast hinterhältig.

Er hält mich für ein Püppchen, begriff Sarah. Eines, das nur zufällig in die Verantwortung für 600 Millionen Amerikaner gerutscht ist. Er ist einer dieser alten Säcke, die Frauen überall sehen wollen, nur nicht in gleichberechtigten Positionen.

Sie wusste nicht, ob sie mit dieser Einschätzung richtig lag. Es war ihr letztlich auch egal. Fakt war, dass Hays allem Anschein nach meinte, sie wie jeden anderen blutigen Laien behandeln zu müssen, der das Sakrileg beging, ihn in seinem Verantwortungsbereich zu besuchen und bei seiner täglichen Arbeit zu stören.

Wenn ich daran denke, wer mich alles stört – jeden verdammten Tag. Und welche Termine ich wahrnehmen muss – ob ich will oder nicht …

An diesem Punkt ihrer Überlegungen musste sie sich wider Willen eingestehen, dass sie mitunter nicht weniger allergisch auf Störenfriede reagierte, wie es Dr. Hays gerade in Perfektion demonstrierte.

»Ist das Ihr Ernst?«, fragte sie.

Der trotz aller Antipathie, die er in Sarah schürte, charismatische Mann nickte. »Es ist, als wären sie dort.«

»Unglaublich.«

»Das ist richtig.« Zum ersten Mal lächelte er, ohne dass sich Zynismus in seine Stimme oder seine Mimik schlich. Nur milder Spott. Er fuhr fort: »Wir müssen den Gremien schon etwas bieten, damit die Gelder fließen, oder?«

»Wahrscheinlich«, sagte Sarah. »Die Gremien haben hoffentlich auch Mittel und Wege, zweifelsfrei festzustellen, was von Ihrer so genannten Erfolgsbilanz zu halten ist.«

»Sie zweifeln?« Er wirkte keineswegs vor den Kopf gestoßen, nur … interessiert.

»Nennen Sie es gesundes Misstrauen. Es scheint mir …«, sie lächelte maskenhaft, um ihm zu zeigen, dass auch sie sich im Umgang mit Menschen verstand, denen sie keinen Vertrauensvorschuss entgegenbrachte, »angebracht, oder würden Sie sich an meiner Stelle anders verhalten?«

Auch auf seinem Gesicht zeichnete sich keine Regung ab. »Ich bin froh«, sagte er, »dass ich an meiner Stelle bin. Ich bin sehr machtbewusst, müssen Sie wissen. Und ich weiß nicht, woran es liegt, aber ein Gefühl sagt mir, dass die Macht, die ich hier im Kleinen ausübe, sehr viel wahrhaftiger ist als das, was Sie nach außen hin, von Amts wegen, an Macht demonstrieren.«

Sie entschied sich, die Erwiderung, die ihr auf der Zunge lag, zu schlucken und es dabei zu belassen.

Ein kaum merklicher Ruck ging durch die Kabine. Die Tür glitt zur Seite. »Wir sind da«, sagte Hays. »Fast. Noch ein kleines Stück durch den Gang, dann …«

Er beendete den Satz nicht.

Sarah Cuthbert trat hinaus ins Licht, das sich stark von dem in der Fahrstuhlkabine unterschied. Es hatte eine fast beißende Intensität. Der Gang selbst war verwaist. Keine Wächter – was sie ein wenig verwunderte.

»Wie tief sind wir?«, fragte sie, während sie den hallenden Korridor entlangschritten.

»Stand das nicht in den Akten, die sie studieren durften?«

Sie zuckte die Achseln. »Ich merke mir nicht jede Kleinigkeit.«

»Was zum Nachteil gereichen kann. – Neunhundert Meter. Durch verschiedenste Schichten. Von Basalt bis Granit.«

Einen Moment lang geriet Sarahs Tritt außer Takt. Abertausende Tonnen Fels über ihrem Körper schienen urplötzlich einen zermalmenden Druck auf sie auszuüben. Aber sie war nicht wirklich klaustrophobisch, und schon eine Sekunde später gelang es ihr, sich wieder zu fangen. Sie glaubte nicht, dass Hays etwas bemerkt hatte. Zumindest hätte sie ihm diesen Triumph nicht gegönnt.

Wenig später erreichten sie den Trakt der Telepathen …

***

Die U.S.S. RUBIKON war ein ganz anderes Vehikel als jenes, das die ersten Menschen zum Mars gebracht hatte. Die ARMSTRONG war lediglich eine etwas größer geratene und natürlich auch ausgefeiltere Rakete gewesen, im Wesentlichen nicht anders konstruiert als die Fahrzeuge des legendären Apollo-Programms. Im Gegensatz dazu stellte die RUBIKON ein echtes Raumschiff dar.

Zumindest aus Clouds Sicht. Was er nichtsdestotrotz vermisste war ein Equipment, wie es in der Science Fiction zum Alltag gehörte: künstliche Schwerkraft zum Beispiel. Es hätte vieles erleichtert, war aber immer noch pure Utopie. Die Klippen, die sich daraus für die Gesundheit der Raumfahrer ergaben, wurden mittels pharmazeutischer Tricks umschifft.

Im Grunde sind wir vollgepumpt mit Drogen, dachte Cloud kritisch. Und alles nur, um diesen Flug überhaupt zu überstehen.

Ein Flug, dem er sein Leben gewidmet hatte. Seine ganze Kraft, sein Durchhaltevermögen.

WEIL ER HERAUSFINDEN MUSSTE, WAS MIT SEINEM VATER PASSIERT WAR!

Mit ihm und mit den anderen Angehörigen der ersten Mission. Die so fehlgeschlagen war, wie ein Unternehmen nur fehlschlagen konnte …

Cloud würde nie den Moment vergessen, als ihm die grausame Nachricht von seinem Großvater überbracht worden war. Danach hatte er eine Woche lang mit niemandem mehr ein Wort gesprochen. So lange hatte er gebraucht, um annähernd zu begreifen, was der Tod seines Dads bedeutete. Der Tod, für den bis heute jeder Beweis fehlte. Man hatte nie einen Leichnam gefunden. Trotz intensiver Satellitensuche. Genau wie bei Wolinow, Jeunet und Oyama. Sie waren alle, so hatte es zumindest den Anschein, einfach verschwunden. Aber durch welchen Einfluss und … wohin?

Ich bin unterwegs, es herauszufinden, dachte Cloud. Und, Himmel, das schwöre ich: Ich werde es! Ich werde dich finden, Dad! Was immer der Mars von euch übrig gelassen haben mag. Irgendwo.

Nur beiläufig dachte Cloud an die damit verbundenen Risiken. Immerhin: Die RUBIKON war nicht so wehrlos, wie es die ARMSTRONG gewesen war. Die GenTecs waren keine normalen Astronauten, und dies war keine normale Mission. Die Öffentlichkeit ahnte nicht einmal, dass, Jahrzehnte nach dem Scheitern der ersten Expedition, ein zweites bemanntes Unternehmen gestartet worden war.

Es war das strengst gehütete Geheimnis seit dem Flug der ENOLA GAY …

***

Hays betätigte den Türkontakt. Vor ihm und Sarah Cuthbert öffnete sich ein saalgroßer Raum, gegen den selbst das Gewimmel eines Ameisenhaufens eine Oase purer Ruhe gewesen wäre. Beiläufig erkannte die Präsidentin, dass es auf der gegenüberliegenden Seite einen weiteren Lift gab. Aus dem anderen Fahrstuhl strömte ein Heer von Kittelträgern. Ungefähr die gleiche Zahl an Männern und Frauen stand schon bereit, um den saalgroßen Raum zu verlassen.

Sarah achtete nur kurz darauf. Dann zog das eigentliche Geschehen sie wieder in seinen Bann.

»Ich beginne zu verstehen«, sagte sie.

Hays schob sie sacht in den Raum. Hinter ihnen schloss sich die Tür mit einem saugenden Geräusch.

»Was?«, fragte er.

Einige Blicke richteten sich auf sie – auf sie und den Projektleiter. Aber nur kurz. Niemand grüßte. Alle wirkten in ihre Arbeit vertieft. Sarah fand auch dies erstaunlich. Sie war es gewohnt, dass ihre Person mehr Aufmerksamkeit auf sich zog. Mitunter leuchtete sogar Ehrfurcht in den Augen der Menschen, denen sie begegnete. Es hatte sie immer befremdet, aber jetzt stellte sie fest, dass der vollkommene Verzicht auf Verehrung sie mindestens ebenso stark irritierte.

»Wohin die Unsummen von Geldern fließen«, sagte sie. »Wie haben Sie es geschafft, den Kongress dazu zu überreden?«

Hays lachte verhalten. »Was haben Sie erwartet? Ein lauschiges Kämmerlein, in dem ein paar verschrobene alte Käuze fragwürdige Sitzungen mit einem Medium abhalten, dem Psi-Kräfte nachgesagt werden?«

Sie nickte. »Wahrscheinlich etwas in der Art.«

»Und jetzt sind Sie enttäuscht.«

»Jetzt bin ich noch neugieriger«, sagte sie. »Denn ich bin sicher, dass ich trotz dieses erschlagenden Bildes erst die Spitze des Eisbergs sehe.«

Hays schüttelte den Kopf. »Das kommt darauf an, wie Sie es meinen. Wahr ist: die eigentliche Hauptperson ist hier noch nicht zu erblicken. Dennoch konzentriert sich dieser gesamte Aufwand nur um sie – und ihresgleichen.«

»Wie viele gibt es von ihnen?«

»Drei«, sagte Hays ohne Zögern.

»Offiziell?«

»Auch inoffiziell.« Seine Stimme gewann an Schärfe. »Man kann mir vieles nachsagen, aber nicht, dass ich hier mein eigenes Süppchen koche. Davon abgesehen, wäre es auch gar nicht möglich. Ich bin nicht der Herr des Stützpunkts, wie Sie wissen dürften, ich leite nur diese ganz bestimmte Sektion. Dort oben …«, er wies mit dem Daumen zur Decke, »… herrscht das ganz normale Militär. Colonel Harper – Sie hatten das Vergnügen, bevor ich Sie abholte.«

»Harper weiß, was hier unten passiert?«

Hays’ Augen wurden zu Schlitzen. »Natürlich nicht.« Er wandte sich wieder dem Saal zu. »Wenn Sie mir jetzt folgen würden …«

»Wohin?«

»Zum Eisberg.«

***

Auf seinem Weg zur Zentrale verinnerlichte sich John Cloud zum ungezählten Mal die Architektur der RUBIKON. Sie war bei einer Gesamtlänge von 53 Metern und einer Dicke von sieben Metern in zwei Ebenen und drei Zonen unterteilt.

In Zone eins, auf dem Oberdeck, befand sich die Kommandozentrale mitsamt den Quartieren. Auf dem darunterliegenden Deck waren die Schläfer untergebracht, die erst im Ernstfall geweckt werden würden – einen Fall, den noch niemand stimmig hatte definieren können.

Zone zwei beherbergte auf beiden Deckebenen die Vorratsräume, Aggregate zur Lufterneuerung und zum Recycling der Abfallstoffe.

Zone drei umfasste den gesamten Antriebskomplex inklusive Fusionsreaktor.

Cloud bewegte sich also auf dem Oberdeck von Zone eins. Vor ihm öffnete sich das Hauptschott zur Zentrale. Nur GT-Jarvis und GT-Scobee waren anwesend, als Cloud eintrat. Jarvis, der es sich in einem Sessel direkt unter der Sternenkuppel bequem gemacht hatte, stand auf und salutierte. »Sir!«

Cloud erwiderte Jarvis’ Gruß eher lässig. Der Klon hatte sich in den vergangenen dreißig Tagen so wenig verändert wie Scobee, und wieder einmal fragte sich Cloud, wer, zur Hölle, als Erster auf die Idee gekommen war, eine gemischte Besatzung zu entsenden.

Die Wissensimplantate bewegen sich bereits an der Grenze des Zumutbaren, dachte er. Die Klone überschreiten diese Grenze deutlich …

Er schaffte es nicht, die GenTecs als ›normale Menschen‹ zu betrachten. Dies war ihm weder zu Hause, vor dem Aufbruch, gelungen, noch in den wenigen Wochen, die er wach an Bord zugebracht hatte. Und es würde ihm aller Voraussicht nach auch auf dem Mars nicht gelingen – ganz gleich wie lange ihr Aufenthalt dort dauern würde.

Aber die, die mir das Kommando übertrugen, haben es gewusst, dachte er. Ich habe nie ein Hehl aus meiner Abneigung gegen die GTs gemacht.

Seine Stiefel hallten über den Metallboden. Die Elektromagnete in den Sohlen erzeugten die erforderliche Haftung, schufen die Illusion von Schwere. Cloud fühlte sich ausgeruht und glaubte, die Gespenster, die in seinem Hirn nisteten, wieder unter Kontrolle zu haben.

Doch das konnte sich ändern – schneller als ihm lieb war.

GT-Scobee kam ihm entgegen. »Können wir?«, fragte sie.

Cloud nickte ihr zu. »Wo sind Resnick und Darcy?«

»Darcy hat sich nicht so lange mit Duschen aufgehalten wie Sie, Sir«, antwortete Scobee. Ihr provozierender Blick berührte etwas in Cloud, von dem er lieber nicht wissen wollte, was es war. »Er tauscht eine defekte Platine aus – als ›Fingerübung‹, wie er es ausdrückte. Und Resnick ist bei Seymor.«

Cloud ließ es vorerst dabei bewenden. Das Schott auf der anderen Seite der Brücke öffnete sich. Scobee machte eine einladende Geste. »Commanders first«, blieb sie ihrer spöttischen Linie treu.

Cloud bemühte sich zu lächeln. Wenig später stand er vor Seymor. Der nicht tat, was er hätte tun sollen – schon um seinetwillen. Schlafen nämlich.

Seine Augen standen weit, weit offen und starrten Cloud an wie Satan persönlich.

***

Die junge Frau flüsterte die Worte nur, die ihren Mund verließen. Doch das Instrumentarium, das sie umgab, fing jedes noch so leise Wort auf, übertrug es nach draußen und in die Aufzeichnungsgeräte.

»Wie ist ihr Name?«, fragte Sarah. Auch sie hatte ihre Stimme gesenkt. Als fürchtete sie, sonst von der Frau auf der anderen Seite der Wand gehört zu werden – und sie aus ihrem tranceartigen Zustand zu reißen.

»Scobee«, sagte Dr. Hays.

»Und ihr Vorname?«

»Sie hat keinen Vornamen. Schon dieser Name ist ein … Zugeständnis.«

»Ein Zugeständnis …«

»Lamentieren Sie jetzt bloß nicht, es sei unwürdig«, unterbrach der Wissenschaftler sie brüsk. »Dieses Wesen lebt in seiner Situation. Es hat nie eine andere kennen gelernt. Folglich weiß es auch nicht, was ihm fehlt – aus unserer Sicht wohlgemerkt. Scobee fehlt nichts. Scobee ist zufrieden. Wir holen sie aus ihrer Wohnung ab, wo sie ein zurückgezogenes, aber durchaus erträgliches Leben führt. Wenn sie uns nicht hilft, besteht ihr Tag überwiegend aus Lesen und Filme schauen. Ausgesuchte Lektüre, ausgesuchte Filme, versteht sich. Fangen Sie jetzt bitte nicht an, mich mit Moralpredigten zu langweilen.«

Sarah wandte ihm ruckartig das Gesicht zu. »Wie kommen Sie darauf, so mit mir reden zu können? Ehrlich gesagt mache ich mir fast mehr Sorgen um den Zustand Ihrer Psyche als um den Ihres Versuchskaninchens.«

»Ich wusste, dass Sie es nicht verstehen würden. Ich war von Anfang an dagegen, es Ihnen zu zeigen. Aber diese Bürokraten-Ärsche haben mich dazu genötigt – weil sie mir sonst den Geldhahn zudrehen wollten.«

Sarah ertrug seinen Anblick nicht länger. Ihr Blick flüchtete zurück zu dem Bildschirm, der die ganze Wand des Raumes einnahm, in den Hays sie geführt hatte und der unmittelbar an den großen, pulsierenden Saal anschloss, in den sie zuerst gelangt waren.

In einem sehr bequemen Ruhesessel (eigentlich schon mehr ein Bett) lag eine graue Gestalt. Das Grau war nicht real; es rührte lediglich von dem Umstand, dass die junge Frau sich in einem vollkommen lichtlosen Raum aufhielt. In einem Kerker aus Stille, hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt.

»Kann ich mit ihr sprechen?«, fragte Sarah.

»Theoretisch ja.«

»Und praktisch?«

»Es wird den Kontakt nach drüben stören, möglicherweise beenden. Nicht nur für ein paar Momente, sondern für die gesamte heutige Sitzung.«

»Was wäre daran so furchtbar?«

Hays zuckte die Achseln. »Cloud wurde gerade geweckt, ebenso Darcy. Alles läuft planmäßig – bis auf das Problem, das Ihnen bekannt sein dürfte …«

»Seymor«, sagte Sarah.

Hays nickte. »Wenn Sie es befehlen, werden wir es riskieren.«

Er führte die Art des Risikos nicht näher aus, aber Sarah konnte sich eins und eins zusammenzählen.

»Ich möchte mit Scobee sprechen.«

Hays vermittelte den Eindruck, als hätte dies schon von vornherein zweifelsfrei für ihn festgestanden. Er winkte sie näher an das Terminal heran, vor dem er stand. Nachdem sie seiner Aufforderung Folge geleistet hatte, sagte er: »Sprechen Sie. Sie wurde von mir darauf vorbereitet und kann sie ebenso gut hören wie umgekehrt.«

Er nahm eine Schaltung vor.

Sarah zögerte kurz, richtete den Blick wieder auf die junge Frau, die nur dalag und flüsterte. Dann sagte sie behutsam wie zu einem kleinen Kind: »Hallo? Hier spricht die Präsidentin – ich will Sie nicht erschrecken …«

Die Stimme jenseits der Wand brach ab. Dann wurde sie erneut hörbar und färbte sich mit Emotion.

»Es ist mir eine Ehre«, sagte der Klon. Aber es klang nicht, als wüsste die junge Frau in Grau wirklich, wovon sie sprach.

***

Cloud sah in Seymors Augen – und hatte das Gefühl, von einem halben Dutzend Augenpaaren auf einmal angestarrt zu werden. Die Qual war in allen gleich. Seymors Blick flackerte, und mit jedem Flackern schien sich stroboskopartig eine andere Persönlichkeit darin abzubilden.

»Er ist wach«, sagte Cloud verblüfft. »Ich dachte …«

»Er müsste schlafen. Die erste Zeit schien auch alles glatt zu laufen – er wurde mit Ihnen und Darcy in die Stase versetzt, Sir … Willkommen zurück übrigens … – Aber vor sechs Tagen schlug er plötzlich die Augen auf. Und seither starrt er jeden an, der ihn besucht. Sein Körper schläft, aber sein Verstand … Er ist bei Bewusstsein. Wir wissen nicht, wie, aber er scheint jedes Wort, das wir sprechen, zu verstehen. Und er hat seit einer Woche kein Auge mehr zugetan.«

Es war GT-Resnick, der Cloud unterbrochen hatte und sich zu Seymors Zustand äußerte. Resnick stand neben dem Stasebett. Offenbar war er beim Eintreten von Cloud und Scobee gerade mit der Kontrolle der Vitalanzeigen beschäftigt gewesen. Resnick war von ähnlicher Statur wie Jarvis, der zweite männliche Klon. Auch sein Gesicht war bartlos. Er trug das weizenblonde Haar streichholzkurz, über den Augen wuchs ein halbmondförmiger, heller Flaum. Das Gesicht war markant, es wirkte sogar ein wenig brutal.

Aber das waren Äußerlichkeiten, beruhigte sich Cloud jedes Mal, wenn er Jarvis gegenüberstand.

»Was Sie da sagen, ist völlig absurd, Jarvis!«

»Ich weiß, Sir.«

»Warum haben Sie ihn nicht aus der Stase geholt und sich mit seiner Befindlichkeit auseinander gesetzt?« Cloud schüttelte ungläubig den Kopf. »Sieben Tage … Was sagt die Erde? Es kann unmöglich sein, dass …«

»Die Erde«, erwiderte Jarvis ruhig, »hat uns verboten, ihn zu wecken. Körperlich zurückzuholen, meine ich.«

Cloud tauschte einen Blick mit Scobee. »Ist das wahr?«

Sie nickte.

»Mit welcher Begründung?«

»Er wäre eine Belastung«, sagte Jarvis.

Cloud trat einen Schritt näher auf Seymor zu. Der Mann, der wie tot da lag, an dem nur die Augen – und dies in absolut beunruhigender Weise – zu leben schienen, folgte ihm mit seinem Blick.

Cloud bekam eine Gänsehaut.

Er ist wahrhaftig wach, dachte er. Seymor, alter Junge …

An Jarvis gewandt, sagte er: »Wecken Sie ihn komplett.«

Jarvis blinzelte. »Aber …«

»Ich sagte: Wecken Sie ihn! Ich nehme es auf meine Kappe.«

Jarvis zögerte immer noch. Scobee trat vor. »Commander, Sie sollten erst Rücksprache mit der Leitstelle nehmen. Ich fürchte …«

Cloud spürte, wie sich heiße Wut in ihm aufbaute. Er hatte Monate mit Carl Seymor auf der Erde in einem Trainingscamp verbracht, genau wie mit Mike Darcy. Zu keinem der beiden Männer hatte sich eine wirkliche Freundschaft entwickelt, dennoch standen sie ihm beide um ein Vielfaches näher als … der andere Teil der Besatzung.

Obwohl er aus dem Augenwinkel sah, dass Jarvis seiner Aufforderung bereits nachkam, setzte zu einer scharfen Erwiderung an. Doch dann wurde es urplötzlich und ohne Vorwarnung …

… dunkel.

Stockfinster.

Und still.

Jedes Geräusch an Bord erstarb.

Selbst das starke Herz des großen Schiffes hörte übergangslos auf zu schlagen …

***

Das unsichtbare Band zerriss. Scobee spürte, wie es zerfaserte und dann entzweiging.

Die Worte waren schuld daran.

»… nicht erschrecken.«

Sofort erinnerte sie sich an Hays’ Ankündigung, wer sein Kommen für diesen Tag angekündigt hatte.

Die Prä-si-den-tin.

Ein abstrakter Begriff. Aber Scobee war nicht dumm. Scobee wusste, was eine Präsidentin war.

Chefin. Boss. Königin. Herrin des Landes …

Ein Lächeln bildete sich auf Scobees schmalem Gesicht ab. Sie war nicht dumm, nein, auch wenn sie manches nicht bis ins Letzte verstand.

Dass sie ›hier‹ lebte und ›dort‹ beispielsweise. Zu bestimmten Zeiten des Tages gleichzeitig. Dass sie laut davon berichten musste, was sie hörte, was sie sah. Simultan zum Geschehen.

Oder dass jene dort draußen im Weltraum ihren Namen kannten und sie damit ansprachen. Und dass diejenige, die Scobee zeitweilig war, nicht das sagte, was sie, Scobee, dachte …

Verrückt!

Zumindest reichlich verzwickt. Zu schwer für sie, als dass sie es restlos hätte verstehen können.

Immerhin: Es blieb ihre einzige wirkliche Abwechslung. Ihre einzige Möglichkeit, der Tristesse ihres sonstigen Lebens zu entfliehen.

»Darf ich Sie Scobee nennen?«, fragte die Stimme.

»Es ist mein Name«, antwortete Scobee verstört. Sie sah immer noch durch Millionen Kilometer entfernte Augen, aber ganz allmählich beschlugen diese ›Fenster‹, wurden blind.

Sie verlor den Kontakt. Etwas Dunkles kam auf sie zu. Im ersten Moment glaubte sie, mit all ihren Sinnen in die Finsternis der Kammer zurückzukehren, in die sie sich wie jeden Tag begeben hatte.

Dann erkannte sie ihren Irrtum, und Panik sprang sie an.

Sie hörte nicht, wie sich ein erstickter Laut aus ihrer Kehle quälte. Und ob die Menschen jenseits der Wand ihn hörten, blieb fraglich. Alles ging so unglaublich schnell.

Wie eine Welle, wie eine dunkle, riesige, alles verschlingende Woge brandete es heran …

Und dann war es da.

***

Sarah Cuthbert hatte sich noch nie so klein gefühlt wie in dem Moment, da sie das Wort an Scobee richtete. Die junge Frau jenseits der Wand war ein Riese. Ihre Präsenz schwoll explosionsartig an, gerade so, als würde die direkte Ansprache sie stimulieren.

»Darf ich Sie Scobee nennen?«, hörte sich Sarah fragen.

Die Worte kamen nur schleppend über ihre Lippen. Und sie hörte sich dabei zu, als würde jemand anders es sagen. Die Antwort der Telepathin wurde ihr kaum bewusst.

Ob sie auch meine Gedanken lesen kann?, dachte Sarah.

Aus den Dossiers wusste sie, dass es nicht so war. Aber in diesem Moment stellte sie alles Gelesene und Gehörte in Zweifel. Die Nähe zu Scobee war eine unglaubliche Erfahrung.

Neben ihr erkundigte sich Hays in geheuchelter Anteilnahme: »Fühlen sie sich nicht wohl? Sie sehen blass aus …«

Bevor Sarah etwas erwidern konnte, wurde ihr schwarz vor Augen. Sie taumelte und stieß gegen den wandgroßen Monitor, auf dem Scobee immer noch in Grautönen abgebildet war.

Falsch, korrigierte sich Sarah.

Auch der Monitor war erloschen!

Überall war nur noch Dunkelheit von einer fast greifbaren Dichte.

In unmittelbarer Nähe entstand Bewegung. Sarah hatte das Gefühl, in einer tintigen Flüssigkeit zu stecken und von der Bewegung, die anderswo verursacht wurde, mitgerissen zu werden.

Sie erzitterte.

»Verdammt!«, fluchte Hays. »Warum springt die Notversorgung nicht an?«

Sarah stützte sich mit den Handflächen gegen das kalte Glas der Scheibe. »Was ist passiert?«, fragte sie. »Stromausfall?«

»Die Systeme sind x-fach gesichert«, hallte die Stimme des Projektleiters überlaut durch den Raum. »Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der …«

Er sprach den Satz nicht zu Ende.

Sarah bekam feuchte Hände. Ihr Herz trommelte bis in den Hals. »Wo ist die Tür?«, fragte sie. »Machen Sie schon, Hays, öffnen Sie die Tür!«

Er lachte heiser auf. »Was glauben Sie, was ich gerade versuche? Unser Pech, dass es sich um ein elektronisches Schloss handelt. Man muss uns von der anderen Seite zu Hilfe kommen. Bewahren Sie Ruhe. Es kann nicht lange dauern.«

Sarah wusste nicht, warum die Worte des Mannes keinerlei beruhigende Wirkung auf sie ausübten. Sie hätte ihm vertrauen müssen – zumindest in dieser Angelegenheit. Aber ihr Gefühl, ihr Instinkt, ihre Intuition wehrten sich dagegen.

Etwas stimmt nicht, dachte sie. Irgendetwas ist nicht normal.

»Gibt es keine manuelle Möglichkeit?«, keuchte sie.

Hays verneinte. Aber sie hörte, wie er sich weiterhin im Dunkeln an der Wand zu schaffen machte, vielleicht seiner eigenen Prognose misstraute. Er hämmerte mit den Fäusten gegen die Metalltür, durch die sie gekommen waren. Ob das Klopfen auf der anderen Seite überhaupt gehört werden konnte, war fraglich. Hier unten war alles vielfach gedämmt.

Was also, wenn es nicht gleich wieder vorüber und in Ordnung sein würde?

Sarah bemühte sich um Optimismus. Ihr nächster Gedanke galt Scobee.

»Ob sie auch eingeschlossen ist?«, fragte sie.

»Wer?«

»Das Mädchen. Die Telepathin.«

»Wer weiß. Ihr kann jedenfalls nichts passieren. So wenig wie uns.«

»Aber sie ist allein.«

Trotz der eigenen prekären Lage versuchte sie, sich in Scobees Situation zu versetzen.

»Sie ist Dunkelheit gewohnt«, sagte Hays. »Jetzt hören Sie endlich auf. Die Energie kann nicht lange ausbleiben. Das ist grotesk. Ich werde mir den Colonel vorknöpfen, sobald wir wieder oben sind!«

Sarah schwieg. Sie hörte ein Klopfen, das zunächst wie ein Echo der Fausthiebe klang, die Hays verursachte. Doch dann erkannte sie Abweichungen.

»Da!«, rief sie. »Es kommt von drüben. Aus der Wand, vor der ich stehe. Die Kammer … Scobee … Sie braucht ebenfalls Hilfe!«

Hays fluchte noch derber.

Aber damit, erkannte Sarah, versuchte er nur, seine eigene Hilflosigkeit zu übertünchen. Sie winkelte ihren Arm an, starrte auf die Leuchtdioden ihrer Uhr. Wollte darauf schauen – aber sie waren erloschen.

»Haben Sie ein Feuerzeug?«, fragte sie.

»Nein. Sie?«

Sie schüttelte den Kopf, ohne sich zu verinnerlichen, dass er es nicht sehen konnte.

Die Minuten verstrichen. Das dumpfe Klopfen, von dem Sarah glaubte, dass die Telepathin es erzeugte, wurde schwächer, bis es schließlich ganz aufhörte.

Auch Hays stellte seine Bemühungen ein.

»Ich verstehe das nicht.«

Ein kaltes Gefühl von Angst legte sich wie eine Faust um Sarahs Herz. Sie tastete sich neben Hays und merkte, dass er am Boden kauerte.

So hilflos und ohnmächtig wie wahrscheinlich noch niemals in seinem Leben.

Sie glaubte, dass auch er es fühlte – aber sie sprach ihn nicht darauf an.

Das Dunkel war nicht einfach nur die Abwesenheit von Licht.

Das Dunkel war fremd und kalt und bedrohlich, als hätte sich eine Tür ins Gestern geöffnet – in die Nächte, die Sarah als Kind wach in ihrem Bett gelegen und überall in den Schatten ihres Zimmers Gefahr gewittert hatte.

Es war, als wäre auch dieses Schwarz voller Dämonen.

Die sie anstarrten.

Und anstarrten.

Und …

***

Seine Hände streichelten ihr Gesicht. Ihren Hals. Wühlten sich in ihr Haar und zogen sie zu sich heran. Der Kuss war innig. Danach löste er sich von ihr und winkte zum Abschied. Stieg in das wartenden Shuttlefahrzeug, das ihn zum Flughafen bringen würde …

… dort aber nie ankam.

Man rief sie in der Universität an, holte sie mitten aus einer Vorlesung. Sie wurde ins Direktorat gebeten, wo ihr eine Stimme am Supraphon emotionslos mitteilte, dass Mark tot sei. Das Shuttle war mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, an dessen Steuer ein Betrunkener saß, zusammengestoßen. Beide Fahrzeuge waren bei dem Zusammenprall sofort in Flammen aufgegangen. Insgesamt waren bei dem Unglück fünf Personen ums Leben gekommen.

Sie hörte sich alles an, während die Welt um sie herum in Brüche ging. Eine befreundete Professorin fuhr sie schließlich nach Hause, weil sie nicht mehr in der Lage war, ihren Wagen selbst zu steuern. Den ganzen Tag über telefonierte sie und erfuhr weitere Details über den Ablauf der Tragödie. Allmählich begriff sie, dass Mark nie mehr zur Tür hereinstürmen und sie in die Arme schließen würde. Niemals wieder.

Abends wurde es dann schlimm. Sie trank mehr Alkohol, als ihr gut tat, und irgendwann wusste sie nicht mehr, was sie tat. Es folgten Tabletten. Kälte. Dunkelheit. Eine Nacht ohne Morgen …

Die Erinnerungsfetzen verblassten nur zögerlich, und Cloud spürte eine würgende Enge im Hals. Vor seinen Augen schien ein ganzes Universum zu explodieren – Funken, die sich in pechschwarzer, widernatürlicher Nacht rasch verloren.

Eine Stimme sagte: »Commander! Warum sagen Sie nichts mehr? – Commander!«

»Schon gut, Scobee. Ich hatte … Es ist nichts.« Wie lange war ich nicht ich, sondern die tote Leslie?, lag es ihm auf der Zunge zu fragen. Aber er beherrschte sich. Er wollte die Unruhe, die auch die GenTecs erfasst hatte, nicht noch schüren.

Seine Gedanken schienen zu gerinnen. Er war dieser Fata Morgana namens Leslie noch niemals so nahe gewesen wie gerade eben. Hatte sie noch nie bis zu jenem Punkt begleitet, an dem ihr Leben zu Ende gegangen war.

Ich trage die Geister längst Verstorbener in mir. Genau wie Mike und Carl. Sie haben Carl in den Irrsinn getrieben!

»Wir müssen etwas tun!«, keuchte Jarvis und holte Cloud endgültig in die Realität zurück.

Aus größerer Entfernung gesellte sich Darcys Stimme dazu. »Grundgütiger – John! Die Sterne! Ich stehe hier unter dem Observatorium, und … die Sterne sind weg! Die Sterne sind … spurlos verschwunden …!«

Cloud wusste nicht, warum er auch nicht einen Moment an Darcys Worten zweifelte. Mühsam schottete er sich gegen die Stimmen ab, die in ihm wisperten und die nur er hören konnte.

»Resnick!«, befahl er. »Sie bleiben bei Seymor. Tun Sie alles, um ihn zu retten. Er hängt noch am System, und das System ist tot!« Er stockte kurz, dann fuhr er fort: »Scobee, Jarvis – Sie begleiten mich in die Zentrale zu Darcy. Wir werden den Kahn wieder flott bekommen. Wir müssen nur die Anlage neu starten! Wenn wir es nicht schaffen …«

»… werden wir draufgehen«, fiel ihm Scobee ins Wort. »Wir alle. In ein paar Minuten wird die Kälte die Isolierung überwunden haben. In ein paar Minuten wird uns die Luft zum Atmen ausgehen. Und eigentlich …«

»Eigentlich?, fragte Cloud unwillig. Es war weder die Zeit noch die Situation, um zu diskutieren.

»… müssten wir längst tot sein. Wenn ich die Folgen dieses allumfassenden Systemausfalls richtig überblicke, dürfte es die RUBIKON – und damit auch uns – schon gar nicht mehr geben. Der Reaktor! Sobald die Magnetfelder ohne Energieversorgung sind, brechen sie zusammen und das Plasma frisst sich fast ungehindert den Weg. Es kann gar nicht sein, dass wir in einer solchen Situation noch zum Überlegen kämen. Die einzige Möglichkeit zur Rettung wäre die sofortige Absprengung der Reaktoreinheit – durch den Computer. Aber auch der ist ausgefallen, weil er ja zumindest Notstrom benötigte, um …«

»Genug!«, unterbrach Cloud sie. »Auch wenn wir nicht verstehen, was hier geschieht, können wir nicht die Hände in den Schoß legen. Los! In die Zentrale! Ich will, dass wir alles versuchen, um die Ursache des Ausfalls zu ermitteln – und ihn beheben.«

Sie tasteten sich schwebend voran. Resnick blieb bei Seymor.

Aber schon nach wenigen Minuten, in denen die Temperatur an Bord, wie von Scobee prognostiziert, spürbar abfiel, musste selbst Cloud sich eingestehen, dass es aussichtslos war.

Sie befanden sich in einem Schiff, das nichts anderes mehr war als ein totes Ding aus Stahl und Kunststoff. Sie würden elend darin verrecken, falls nicht noch ein echtes Wunder geschah. Die Verbindung zur Erde, die Verbindung nach irgendwohin, war abgerissen. Weil nichts mehr funktionierte. Und dieser zweite Fehlschlag in Verbindung mit dem Mars würde dafür sorgen, dass vielleicht niemals mehr wieder eine neue Expedition zum Nachbarplaneten der Erde gestartet werden konnte. Weil niemand mehr das Risiko eingehen würde.

Wir werden nie erfahren, was dort haust, dachte Cloud. Ich werde es nie erfahren!

Wahrscheinlich war niemand an Bord verzweifelter als er. Weil niemand sonst so viel Persönliches mit dieser Mission verband, erst recht nicht die Klone.

Ein Verdacht nahm Formen in Cloud an. Zuerst sträubte er sich dagegen, doch dann … Nein, dachte er. Das sind Hirngespinste. ›Es‹ hat uns nicht bemerkt. ›Es‹ steckt nicht hinter dieser Attacke!

Eine Attacke …

… war es das überhaupt – oder handelte es sich um ein bislang unbekanntes Naturphänomen?

Cloud begriff, dass er so nicht weiterkam. Und noch während er es begriff, erklang plötzlich ein neuer Schrei, gefolgt von einem dumpfen Aufprall. Falls nicht alles täuschte, lag der Ursprung dort, von wo sich Scobee, Jarvis und er gerade wegbewegten.

»Resnick!«, schnappte eine Stimme neben ihm: Scobee. »Das war – Resnick!« Nach einer kurzen Pause rief sie, wie um sich selbst zu vergewissern: »Nick – alles in Ordnung bei Ihnen?«

Statt einer Antwort ertönte ein Rauschen, das Cloud nur mühsam als tiefen, inbrünstigen Atemzug realisierte. Und dann …

… kam etwas wie ein menschliches Projektil auf ihn zu, schleuderte ihn gegen die Wand des Korridors …

… und war vorbei!

Er hörte Scobee und Jarvis fluchen und wusste, dass der Körper auch sie aus dem Weg gedrängt hatte, und jetzt rief auch er nach Resnick.

Erfolglos.

Dafür stöhnte voraus jemand auf – so laut, dass auch dies einem Schrei gleichkam, einer Mischung aus Verblüffung und Schmerz …

»Mike?«

Cloud stieß sich von der Wand ab und glitt schwerelos durch die Schwärze, in der nichts, rein gar nichts auszumachen war, und selbst das Erfühlen der Räumlichkeit fiel schwer.

Er rechnete mit Zusammenstößen, die aber nicht erfolgten. Scobee und Jarvis hielten Abstand. Er verständigte sich durch knappe Sätze mit ihnen. Der Gang öffnete sich zu einem Raum, der Brücke, und von irgendwoher klangen Geräusche, die nichts Gutes ahnen ließen.

»Resnick?«, rief Cloud erneut.

Keine Antwort.

»Jarvis? Zur Hölle …«

»Ich … ich bin … hier …« Die Stimme des Mannes kam schleppend. Er rang um Atem. Was aber nichts mit der sich unaufhörlich verschlechternden Qualität der Luft zu tun hatte. »Wer … war das? Wer hat mir gerade … diesen Keulenhieb verpasst …?«

Cloud wollte etwas erwidern. Doch in diesem Moment kehrten Strom und Licht zurück. Die Schwärze floh wie etwas Lebendiges. Und für einen phantastischen, absurd in die Länge gedehnten Augenblick bildete sich Cloud ein, sie durch die Wände der Kommandozentrale sickern und entschwinden zu sehen.

Dann fanden seine Stiefel wieder Halt am Boden. Die magnetischen Sohlen hafteten auf dem Metall, arretierten gleichsam ein …

Doch all dies fesselte Clouds Aufmerksamkeit nicht einmal annähernd so stark wie die Gestalt, die vor seinen Augen berserkerhaft auf eine Instrumentenkonsole eindrosch. Die Verkleidung war entfernt, und der Zerstörer wühlte in den Innereien der Gerätschaft, bis er ein funkensprühendes Bündel von Drähten in der Faust hielt und in irres Gelächter ausbrach – so triumphierend, als hätte er einen persönlichen Feind zur Strecke gebracht.

Wahnsinn waberte in Seymors Augen. Und bevor es jemand verhindern konnte, stopfte er sich die blanken Enden der nun wieder stromführenden Kabel in den weit geöffneten Mund …

***

Als sich die Tür schließlich öffnete, wankte ihnen eine magere, verwirrte junge Frau entgegen. Sie wirkte viel jünger, als Sarah es nach Akteneinsicht erwartet hätte. Irgendwie … unfertig. Aber wahrscheinlich lag dies an der extremen Hilflosigkeit, die sie ausstrahlte.

»Kümmert euch um sie!«, befahl Hays, der die Präsidentin aus dem Monitorraum in den angrenzenden Korridor geführt hatte, wo der einzige Zugang zum Nachbarraum lag.

Etliche Mitarbeiter waren inzwischen aufgetaucht, umringten den wissenschaftlichen Leiter des Projektes, und auch Sarah hatte das Gefühl, von ihnen bedrängt zu werden, obwohl sich niemand in direkter Ansprache an sie wandte.

Bis zu diesem Moment.

»Mrs. President!«

Obwohl sie den Blick kaum von der Frau im weißen Catsuit wenden konnte, die von zwei Mitarbeiterinnen fortgeführt wurde und deren Gesicht tränenüberströmt war, drehte sie sich um. Ein Mann bahnte sich den Weg aus der anderen Richtung zu ihr. Er trug eine Uniform mit hohen Verdienststreifen.

Mitch Dorson – so etwas wie ihr persönlicher Bodyguard, den sie sich auf ihrem Ausflug hier herunter nur mit Mühe hatte vom Leib halten können.

Das hieß nicht, dass sie ihn nicht mochte – hätte sie ihn nicht geschätzt, hätte längst ein anderer seinen Posten eingenommen –, aber es gab Situationen, in denen sie ihn – beziehungsweise das, was er verkörperte – einfach nicht ertragen konnte.

Sie wartete, bis er zu ihr vorgedrungen war. Sein noch etwas kindliches Gesicht täuschte über die Härte hinweg, mit der er vorzugehen verstand, und war mit einem Schweißfilm aus winzigen Tröpfchen bedeckt, die Sarah im Licht des Korridors wie durch ein Mikroskop betrachtet ins Auge stachen.

Er war nicht im mindesten außer Atem, als er sie erreichte. Das Schwanken seiner Stimme hatte andere Gründe.

»Mrs. President … Wir dachten schon …«